Der Weg zu neuen Kältemitteln
Risikoanalysen und Lebenszyklusbetrachtungen für R32
Bei der Auswahl und Beurteilung neuer Kältemittel geht es neben der Einhaltung rechtlicher Rahmenbedingungen auch darum, Faktoren wie Sicherheit, Energieeffizienz, Umweltverträglichkeit, Lebenszyklus-Performance und Kosten zu vergleichen. Nur so kann für den jeweiligen Anwendungsfall das ideale Kältemittel gefunden und angeboten werden. Wie eine solche Beurteilung durchgeführt wird, lässt sich am Beispiel des Kältemittels R32 verdeutlichen.
Kern der neuen F-Gas-Verordnung ist die schrittweise Begrenzung der Verkaufsmengen von teilhalogenierten Fluorkohlenwasserstoffen (HFKW) bis 2030 mit dem Ziel, die heutigen Verkaufsmengen um 79 % der CO2-äquivalenten Emissionen zu reduzieren. Für Split-Geräte bis 3 kg Kältemittel-Füllmenge gilt ab dem 01.01.2025 ein Verbot für die Verwendung von F-Gasen mit einem GWP über 750. Hersteller von Kältemitteln sind damit gezwungen, ihr Produktportfolio entsprechend anzupassen.
In Japan hat Daikin (www.daikin.de) als erster Hersteller bereits 2012 eine komplette R32-Splitgeräte-Palette herausgebracht und mit Erfolg im Heimatmarkt vertrieben. Vor der Einführung wurden in Feldtests in Japan, China, Europa, Malaysia und Indien die Einsatz- und Leistungsfähigkeit der R32-Systeme getestet. Ende 2013 hat Daikin dann mit „Ururu Sarara“ die erste Luft-Luft-Wärmepumpe auf dem europäischen Markt eingeführt, die mit dem Kältemittel R32 befüllt ist und aufgrund des niedrigen GWP von 675 schon jetzt die Vorgaben der F-Gas-Verordnung für 2025 erfüllt. Im Frühjahr 2015 hat Daikin zwei neue Splitgeräte mit R32 auf den Markt gebracht: Das Design-Klimagerät „Emura“ sowie das Klimagerät „Professional“ erweitern das Portfolio.
Beurteilung der Heizleistung von Kältemitteln
Bei der Beurteilung eines Kältemittels spielen die klimatischen Bedingungen und die in den Regionen jeweils dominierenden Betriebsarten eine wichtige Rolle. Da die meisten Gebäude eine Heizung benötigen, ist weltweit betrachtet der Heizbetrieb die vorherrschende Betriebsart. Daraus resultiert, dass die Leistung des Kältemittels im Heizfall entscheidend ist, um die Leistungsfähigkeit eines Kältemittels beurteilen zu können. Bei einem Vergleich unterschiedlicher Kältemittel in der Komfortklima-Anwendung einer 3,5 kW-Wärmepumpe weist R32 im Heizbetrieb die besten Leistungsdaten auf.
Das Treibhauspotential von Kältemitteln
Ein erheblicher Vorteil von R32 ist das geringe Treibhauspotential (GWP von 675), das somit um 68 % niedriger ist als das von R410A, dem heute gängigsten Kältemittel. Doch entscheidend ist nicht nur das GWP, sondern auch die jeweils benötigte Füllmenge des Kältemittels. Da von R32 ca. 30 % weniger Füllmenge im Vergleich zu R410A gebraucht wird, liegt der mengenbezogene GWP sogar nur bei 472, und damit bei einem Viertel von R410A bezogen auf die Anlage.
Treibhauspotential über die gesamte Betriebsdauer
Meist steht bei der Bewertung der Umweltwirkung eines Kältemittels nur das GWP im Vordergrund. Viel wichtiger ist es jedoch, die Summe der Auswirkungen der CO2-Emissionen zu betrachten – also die direkten und indirekten Emissionen während der Herstellung des Kältemittels, bei Freiwerden des Kältemittels durch Leckagen und die Emissionen, die durch den Energieverbrauch der Klimaanlagen während des Betriebs entstehen. Werden all diese Gesichtspunkte über die gesamte Betriebsdauer einer 3,5 kW-Klimaanlage in Europa betrachtet, so zeigt sich, dass R32 dank seiner hohen Effizienz die niedrigsten Emissionen (indirekt und direkt) über den gesamten Lebenszyklus aufweist.
Weitere Eigenschaften von R32
Die potentielle Kälteleistung von R32 ist 1,6-mal so groß wie die potentielle, volumetrische Kälteleistung von R22 oder R410A. Insbesondere sind bei R32 die Druckverluste bei gleicher Leistung geringer als bei R22 oder R410A und die Dichte von R32 ist ebenfalls um 10 % niedriger. Dadurch können bei gleichbleibenden Wärmetauscherflächen die Leistungszahlen der Anlage deutlich gesteigert werden.
Risikoanalysen zur Brennbarkeit
Die von zwei unabhängigen Instituten durchgeführten Tests beinhalteten Risikoanalysen zur Brennbarkeit von R32. Dabei wurden die Gefahrenpotentiale der vorbefüllten Anlagen in Bezug auf Installation, Befüllen, Inbetriebnahme, Betrieb, Wartung, Entsorgung und Recycling untersucht. R32 weist nach der offiziellen Sicherheitsklassifizierung der ASHRAE eine „low flammability“ auf bzw. ist schwer entflammbar. Ein Brand kann jedoch nur auftreten, wenn bei einem Kältemittelleck gleichzeitig Sauerstoff und eine Zündquelle vorhanden sind. Die benötigte Zündenergie von R32 ist vergleichsweise niedrig. Das Schalten eines Schützes oder Lichtschalters ist nicht ausreichend, um das Kältemittel zu entzünden. Sobald eine der drei benötigten Stoffe nicht mehr vorhanden ist, erlischt die Flamme sofort. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein entzündbares Gasgemisch in der Umgebung befindet, ist sehr unwahrscheinlich, da das Gas sehr flüchtig ist, sobald eine Luftzirkulation gegeben ist. R32 hat eine Brenngeschwindigkeit von 6,7 cm pro Sekunde. In der Praxis bedeutet dies, dass sich die Flammen aufgrund der niedrigen Brenngeschwindigkeit sehr langsam mit nur 0,24 km/h ausbreiten. Dies ist 17mal langsamer als normales Gehen eines Menschen.
Sicherer Umgang mit R32 in der Praxis
Die Ergebnisse der Tests und der vielfache Einsatz der R32-Systeme in Japan zeigen, dass R32 von geschultem Fachpersonal ohne Bedenken angewendet werden und damit sicher gearbeitet werden kann. Aus der Analyse der Risiken, die über den gesamten Lebenszyklus einer Anlage mit R32 entstehen können, wurden entsprechend Tipps für einen sicheren Umgang mit R32 abgeleitet. Grundsätzlich sollte stets darauf geachtet werden, dass sich bei Arbeiten am Kältekreislauf kein Kältemittel mehr im System befindet und im Aufstellungsbereich des Systems für ausreichend Luftzirkulation gesorgt ist. Auch dürfen Bauteile, die getauscht werden sollen, nicht gelötet werden, sondern müssen ausgeschnitten werden.
Service-Werkzeuge für R32
Aufgrund der Eigenschaften werden für den Umgang von R32 spezielle Service-Werkzeuge benötigt. Die Kältemittelflaschen müssen mit einem Linksgewinde ausgestattet sein und bis 46 bar freigegeben sein. Für R32 sind nur Eisenflaschen geeignet. Ein spezieller Kältemittelflaschen-Adapter wird ebenfalls benötigt. Auch das Lecksuchgerät muss kompatibel mit R32 sein und zum Absaugen des Kältemittels wird eine für R32 freigegebene Absaugstation benötigt.
Fazit
Auch mit der neuen F-Gas-Verordnung wird es weiterhin unterschiedliche Kältemittel geben. Dabei sollte die Entscheidung, welches Kältemittel in einem System eingesetzt wird, auch immer von den klimatischen Bedingungen, der benötigten Betriebssicherheit, den zu erwartenden Betriebskosten sowie den Investitionskosten und der Umweltfreundlichkeit des Systems über den gesamten Lebenszyklus abhängen. Aussagen darüber, welches Kältemittel das effizienteste oder beste für einen Anwendungsfall ist, können sonst seriös nicht getroffen werden.