Magnetokalorische Materialien

Chancen und Einsatzgebiete in der Kältetechnik

Ein technischer Megatrend fordert die Verbesserung der Energieeffizienz in vielen Technikbereichen. Dies bedeutet, den Energieaufwand für einen festgelegten Nutzen zu reduzieren. Gemäß den Interessen von Global Playern wie der BASF SE aus Ludwigshafen können neue Werkstoffe auch die Energieeffizienz von Kühl- und Klimatisierungsprozessen revolutionieren, so Dr. Carla Seidel, Vice President E-Power-Management der BASF New Business GmbH.

Schon vor über hundert Jahren wurde der magnetokalorische Effekt entdeckt, als der deutsche Physiker Emil Gabriel Wartburg feststellte, dass sich eine Eisenprobe minimal erwärmt, wenn ein Magnetfeld auf sie wirkt. Wird das Magnetfeld entfernt, kühlt die Probe wieder ab. In den 30er und 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es Anwendungen, die dem Erreichen des absoluten Nullpunkts bei -273,15 °C dienten und mit zum Chemienobelpreis für Peter Debye führten. Seit der Jahrtausendwende soll das physikalische Phänomen dem breiten Markt dienen, indem dieser Effekt zum Klimatisieren und Kühlen genutzt wird. Dass dies ein äußerst lukratives Geschäft werden kann, verspricht schon eine grobe Marktübersicht: 15 Prozent der gesamten Energie verbrauchen die Industrienationen zur Kühlung. Imposant ist auch die Zahl der etwa 180 Millionen weltweit verkauften Kühlschränke. Deren Wirkungsgrad mit etablierter Kompressionstechnik liegt bislang bei etwa maximal 45 Prozent. Herzstück des neuen Verfahrens ist eine magnetische Wärmepumpe. In der Fachliteratur sind bislang diverse Prototypen publiziert. Bei einem weit verbreiteten Typ rotieren Permanentmagneten in einem Zylinder. In den Zylinder sind zum Beispiel Röhren mit Granalien aus magnetokalorischem Material eingelassen. Das magnetokalorische Material wird zum Wärmetransport von einem Kühlmittel, meistens Wasser, durchströmt.
Gerade dem Werkstoffdesign der magnetokalorischen Materialien kommt eine erhebliche Bedeutung zu. Bei der Wechselwirkung mit dem Magnetfeld sollen diese Materialien einen möglichst großen Temperatursprung zeigen, denn so wird wenig Energie zum Kühlen und Klimatisieren benötigt. Zunächst zeigte sich, dass das zu den Seltenerdmetallen gehörende Gadolinium einen signifikanten magnetokalorischen Effekt hat. Jedoch gehört dieses Element zu einer Gruppe von Stoffen, die Chemiker als Seltenerdmetalle bezeichnen. In der Natur kommen diese nicht häufig vor. Sollte eine größere Nachfrage infolge neuer Anwendungen entstehen, sind erhebliche Preisanstiege zu erwarten.
Alternativ hierzu wurden in den letzten Jahrzehnten Metalllegierungen aus Lanthan, Eisen und Silizium sowie Mangan, Eisen, Phosphor und Silizium, die einen signifikanten magnetokalorischen Effekt schon bei Raumtemperatur zeigen, entwickelt.
Auch die Vacuumschmelze Hanau GmbH & Co. KG beschäftigt sich mit dem Thema. Das Geschäftsfeld des Unternehmens sind Dauermagnete. Es ist eine Tochter der US-amerikanischen OM Group Inc. Der Entwicklungsleiter des Unternehmens Dr. Mathias Katter meint: „Die Lanthan-Silizium-Eisenlegierungen besitzen eine günstige Rohstoffbasis und wir können die Eigenschaften exakt auf die Anwendung abstimmen.“
Das französische Unternehmen Cooltech will bereits in diesem Jahr erste Anwendungen auf den Markt bringen, indem es die magnetokalorischen Werkstoffe für die Kühlung in Supermärkten mit Legierungen der Vacuumschmelze Hanau einsetzt. Zurzeit arbeitet das Unternehmen im Bereich der Kompressoren. Dabei werden jährlich etwa 360 Millionen Stück verkauft. Ein Teil dieser Kompressoren kann in Zukunft mit magnetokalorischen Werkstoffen ausgerüstet sein. Zunächst wollen die Elsässer einen Kompressor mit einer Leistung von 400 Watt auf den Markt bringen. Dieser soll im Bereich zwischen 2 und 38 °C temperieren. Dabei ist eine Anwendung in Kühl- und Klimaanlagen angedacht. Bislang besitzt das Unternehmen zu diesem Kontext 240 Patente – das sei weltweit führend, so Vincent Delecourt, Verkaufsleiter des Unternehmens. Gegründet wurde das französische Unternehmen 2003 und spezialisierte sich zunächst auf die technische Entwicklung von Kühltechnik mit dem Ziel, diese zu industrialisieren. Dabei gehören zur Gesellschafterstruktur Risikokapitalgeber. Zurzeit stehen etwa 20 Mio. Euro für die Einführung in den Massenmarkt zur Verfügung, so der Verkaufsleiter weiter.
Auch Automobilhersteller wie Fiat und Nissan beschäftigen sich mit der Entwicklung von Klimaanlagen auf der Basis magnetokalorischer Materialien. Da diese weniger Energie benötigen, kann die Antriebsenergie reduziert werden. Jedoch basieren die zwischen 1 und 2 Tesla starken Permanentmagneten der neuen Kühltechnik noch auf Neodym, einem Seltenerdelement, das in jüngster Vergangenheit erheblichen Preissteigerungen unterworfen war.

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