Wetterdaten für die TGA - Die Klimaveränderung wirkt sich aus
Die Diskussion über neue sommerliche Auslegungswerte für RLT-Anlagen [1,2] hat gezeigt, dass es erforderlich ist, diese neu festzulegen. Die wahrnehmbare Klimaveränderung wirkt sich nicht nur auf die Auslegung, sondern auch auf den Energiebedarf von Raumlufttechnischen Anlagen aus. Daher hat der VDI beschlossen, neue Wetterdaten in Form der aus der DIN 4710 [3] bewährten t,x-Korrelationen zu veröffentlichen und diese Daten durch die Angabe von Auslegungsdaten, die jeweils ein bestimmtes Risiko (Über- bzw. Unterschreitung) enthalten, zu ergänzen. Diese neuen Wetterdaten sind mittlerweile als Entwurf der VDI 4710 Blatt 3 [4] veröffentlicht.
Veränderung des Klimas | Die seit Beginn der 90er Jahre stattfindende Klimaerwärmung lässt sich anhand der Jahresmitteltemperaturen für die einzelnen Klimazonen erkennen. In der Tabelle 1 sind die für die 15 Klimazonen aus den t,x-Korrelationen berechneten Jahresmitteltemperaturen für den Zeitraum 1961 bis 1990 (DIN 4710 [3]) sowie für den Zeitraum 1991 bis 2005 (VDI 4710 Blatt 3 [4]) zusammengestellt. Hieraus ergibt sich, dass in den Jahren 1991 bis 2005 die durchschnittlichen Jahresmitteltemperaturen gegenüber dem davor liegenden 30-Jahreszeitraum um 0,4 bis 0,9 K gestiegen sind.
Für die Klimazone 12 mit der Repräsentanzstation Mannheim wird die Temperaturerhöhung detaillierter betrachtet. In der Tabelle 2 sind für Mannheim die t,x-Korrelationen für die Zeiträume 1991 bis 2005 (weiße Felder) und 1961 bis 1990 (orange Felder) für die extrem hohen (≥ 30°C) und extrem niedrigen (≤ -10°C) Temperaturen zusammengefasst. Demnach gab es im Zeitraum 1961 bis 1990 durchschnittlich an 46,8 Stunden im Jahr Temperaturen von mindestens 30 °C. Im Zeitraum 1991 bis 2005 traten diese extrem hohen Temperaturen durchschnittlich an 88,0 Stunden im Jahr auf. Weiterhin gab es im Zeitraum 1961 bis 1990 durchschnittlich an 44,5 Stunden im Jahr Temperaturen von höchstens -10 °C. Im Zeitraum 1991 bis 2005 traten diese extrem niedrigen Temperaturen durchschnittlich an 22,2 Stunden im Jahr auf. Während sich im jüngeren Zeitraum die Stundenzahl mit den hohen Temperaturen fast verdoppelt hat, ist bei den niedrigen Temperaturen eine Halbierung der Stundenanzahl feststellbar.
Diese Temperaturänderungen haben einen gravierenden Einfluss auf die Berechnung des Energiebedarfs von Raumlufttechnischen Anlagen. Von daher ist es unabdingbar, dass für energetische Berechnungen von Raumlufttechnischen Anlagen neue Wetterdaten verwendet werden. Für die einfache Berechnung von Konstantvolumenstromanlagen, wie sie sehr häufig bei Luft-Wassersystemen verwendet werden, können die neuen Wetterdaten der VDI 4710 Blatt 3 direkt verwendet werden. Hier liefern nämlich schon statische Berechnungen nach dem Einzelhäufigkeitsverfahren [5] gute Ergebnisse. Sind dynamische Berechnungen mit Hilfe von Anlagensimulationsprogrammen erforderlich, ist es empfehlenswert, die Wetterdaten des verwendeten Testreferenzjahres mit Hilfe der VDI 4710 Blatt 3 zu bewerten. Hierzu müssen die Temperatur- und Feuchtedaten des Testreferenzjahres in die Form der t,x-Korrelation überführt werden.
Auslegungswerte in Abhängigkeit des Überschreitungsrisikos | Neben den t,x-Korrelationen sind in der VDI 4710 Blatt 3 [4] Auslegungstemperaturen und Auslegungsenthalpien in Abhängigkeit der Überschreitungshäufigkeit aufgeführt, wobei für den Winter nur die Auslegungstemperaturen von Interesse sind. Diese Daten sind in der Tabelle 3 wiedergegeben.
Die bei einer Überschreitungshäufigkeit von 0,0 % angegebenen Werte entsprechen den absoluten Extremwerten. Eine Überschreitungshäufigkeit von 0,1 % bedeutet, dass der entsprechende Wert im Jahresmittel maximal an 4,4 Stunden/Jahr (12 Stunden/Tag) bzw. 8,8 Stunden/Jahr (24 Stunden/Tag) auftritt. Entsprechend treten bei einer Überschreitungshäufigkeit von 0,2 % im Jahresmittel die Auslegungswerte maximal an 8,8 Stunden/Jahr (12 Stunden/Tag) bzw. 17,5 Stunden/Jahr (24 Stunden/Tag) auf. Die Auslegungswerte für die Enthalpie sind auf ein Vielfaches von 0,5 kJ/kg gerundet. Die Überschreitungshäufigkeit von 0,1 % entspricht in Bezug auf die winterlichen Temperaturen in etwa den bisherigen Auslegungswerten. Für die sommerlichen Auslegungstemperaturen gab es bisher noch keine Daten für die 15 Klimazonen.
Will man auf Basis der VDI 4710 Blatt 3 Auslegungswerte verwenden, so ist es erforderlich, das Überschreitungsrisiko der gewählten Auslegungswerte mit dem Kunden zu vereinbaren. Neben der Berücksichtigung der absoluten Extremwerte, die für manche industrielle Anwendung erforderlich ist, sind in der VDI 4710 Blatt 3 nur noch die Auslegungswerte bei 0,1 % und 0,2 % Überschreitungshäufigkeit angegeben. Im ASHRAE-Handbuch [6] werden für weltweit verstreute Standorte Auslegungswerte bei 0,4 %, 1,0 % und 2,0 % Überschreitungshäufigkeit angegeben. Diese Überschreitungshäufigkeiten beziehen sich dabei auf alle Stunden im Jahr. Eine Überschreitungshäufigkeit, die sich nur auf die Tagesstunden zwischen 6:00 und 18:00 Uhr beziehen, gibt es bei ASHRAE nicht.
Es stellt sich die Frage, ob höhere Überschreitungshäufigkeiten, wie sie von ASHRAE vorgeschlagen werden, nicht auch für Deutschland akzeptabel sind. Um diese Frage zu beantworten, muss man die Auswirkungen betrachten, die unterschiedlich hohe Überschreitungshäufigkeiten haben.
In der Tabelle 4 sind für die Repräsentanzstation Mannheim zusätzlich zu den Angaben in der VDI 4701 Blatt 3 noch die Auslegungswerte bei 0,3 %, 0,4 %, 1,0 % und 2,0 % angegeben. Im Gegensatz zur VDI 4710 Blatt 3 sind hier die Auslegungswerte für die Enthalpie auf ein Vielfaches von 0,1 kJ/kg gerundet. Um die Auslegungswerte, die nach einer statistischen Überschreitungshäufigkeit festgelegt wurden, beurteilen zu können, werden diese mit der tatsächlichen Überschreitungshäufigkeit in einem konkreten Zeitraum verglichen. Als konkreter Zeitraum wurde für die Repräsentanzstation Mannheim der Monat Juli 2006 gewählt. Dieser Monat war nur drei Jahre nach dem „Jahrhundertsommer“ 2003 mit einer Monatsmitteltemperatur von 24,4 °C sehr warm. Zu den einzelnen Auslegungswerten sind in der Tabelle 4 zusätzlich die Stunden angegeben, an denen die Auslegungswerte im Monat Juli 2006 erreicht bzw. überschritten wurden.
Betrachtet man analog zu ASHRAE für den ganzen Tag (24 Stunden/Tag) die Auslegungswerte der Enthalpie, die für die Dimensionierung von lüftungstechnischen Anlagen besonders wichtig sind, so zeigt sich, dass der Enthalpieauslegungswert 2,0 % im Juli 2006 an 253 Stunden, also an 34 % der Monatsstunden überschritten wurde. Der Enthalpieauslegungswert 0,4 % wurde noch an 31 Stunden, also an 4 % der Monatsstunden überschritten. Nimmt man den Temperaturauslegungswert 0,4 % dazu, so entspricht das Auslegungswertepaar bei der Überschreitungshäufigkeit 0,4 % ziemlich genau dem alten in Deutschland gebräuchlichen Auslegungszustand von 32 °C / 40 % rel. Feuchte. Die Enthalpie dieses alten Auslegungszustandes beträgt 63,0 kJ/kg. Raumlufttechnische Anlagen, die nach dem alten Auslegungszustand dimensioniert worden waren, hatten im Monat Juli 2006 in den Gebieten Karlsruhe und Mannheim zu zahlreichen Mängelrügen geführt. Von daher ist bereits eine statistische Überschreitungshäufigkeit des Auslegungszustandes von 0,4 % für die klimatischen Verhältnisse in Deutschland als zu hoch zu bewerten.
Bei den in Deutschland bisher üblichen Auslegungen beträgt das Überschreitungsrisiko ca. 0,1 %. Von daher wurde in der VDI 4710 Blatt 3 die Angabe von Auslegungswerten auf eine Überschreitungshäufigkeit von maximal 0,2 % beschränkt.
Die Wetterdaten der VDI 4710 Blatt 3 beinhalten keine lokalen Einflüsse am Aufstellungsort einer Außenluftansaugung oder eines Rückkühlwerkes, die einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Auslegung des Luftkühlers oder der Kälteanlage haben können. Solche Einflüsse sollen neben den Wetterdaten in der demnächst neu entstehenden Richtlinie VDI 6018 „Planung und Abnahme von kältetechnischen Anlagen für die TGA“ behandelt werden. In dieser Richtlinie sollen dann konkrete Auslegungswerte angegeben werden.
Literatur
[1] Albers, K.-J.: Sommerliche Auslegungswerte für Klimaanlagen; KI 43(2007)4, S. 28-31
[2] Albers, K.-J.; Finke, U.; Franzke, U.; Siegismund, R.; Trogisch, A.: Neue Auslegungsregeln der Klimatechnik – Für und Wider?; KI 43(2007)4, S. 18-23
[3] DIN 4710 01/2003: Statistiken meteorologischer Daten zur Berechnung des Energiebedarfs von heiz- und raumlufttechnischen Anlagen in Deutschland; Beuth Verlag, Berlin 2003
[4] VDI 4710 Blatt 3 Entwurf 08/2009: Meteorologische Daten in der technischen Gebäudeausrüstung – t,x-Korrelationen der Jahre 1991 bis 2005 für 15 Klimazonen in Deutschland; Beuth Verlag, Berlin 2009
[5] Masuch, J.: Die Genauigkeit von Energieverbrauchsrechnungen für Raumlufttechnische Anlagen bei reduzierter Wetterdatenmenge. HLH 33 (1982) Nr. 11, S. 387 - 393
[6] N. N.: ASHRAE Handbook Fundamentals; ASHRAE, Atlanta 2009