Ökodesign-Richtlinie EU 1253/2014
Sinn und Unsinn aus Sicht der Planungspraxis
Am 1. Januar 2016 trat die neue Ökodesign-Richtlinie EU 1253/2014 in Kraft. Sie regelt die umweltgerechte Gestaltung von Lüftungsgeräten. Insbesondere werden hohe Anforderungen an die Ventilatoren und die Wärmerückgewinnung gestellt. Diese Anforderungen werden ab 1. Januar 2018 nochmals verschärft. Die Richtlinie wendet sich zunächst an die Hersteller der Lüftungsgeräte, die ab den genannten Stichtagen nur noch Geräte mit den entsprechenden Anforderungen ausliefern dürfen. Aber auch die Planer und Errichter der Anlagen sind in der Pflicht, die gestellten Anforderungen in allen Phasen der Realisierung zu beachten, was erhebliche Auswirkungen haben kann. Nun zeigt sich bereits in der Planungsphase, dass manche Anforderungen entgegen dem Willen der Richtlinie zu erhöhtem Energieaufwand und CO2-Ausstoß führen und andere Anforderungen technisch nicht erfüllbar sind. Diese werden nachfolgend anhand von drei Beispielen erläutert.
Die Ökodesign-Richtlinie behandelt Geräte sowohl für die Wohnungslüftung als auch für die Nichtwohnungslüftung. Hier wird nur auf Großanlagen der Nichtwohnungslüftung eingegangen, also auf Anlagen mit hoher Luftleistung und entsprechendem Energieverbrauch.
Beispiel 1: Wärmerückgewinnung beim Neubau einer Messehalle
Für den Neubau einer Halle der Messe Düsseldorf sind vier Teilklimaanlagen mit Einzel-Luftleistungen von 120.000 m³/h pro Gerät und somit einer Gesamtluftleistung von 480.000 m³/h erforderlich. Die Geräte werden im Jahre 2018 ausgeliefert, so dass die erhöhten Standards der Ökodesign-Richtlinie ab 1. Januar 2018 einzuhalten sind.
Teilklimaanlagen müssen nach EnEV § 15 und nach Ökodesign-Richtlinie Anhang III mit einer Wärmerückgewinnung ausgestattet werden.
Für die zu planenden Teilklimaanlagen der Messehalle wurde zunächst die Sinnhaftigkeit der Forderung gemäß EnEV geprüft. Denn eine erste Betrachtung der Betriebsbedingungen ließ es fraglich erscheinen, ob die Wärmerückgewinnung in energetischer und wirtschaftlicher Hinsicht sinnvoll ist. Gründe dafür sind die geringe Betriebszeit von durchschnittlich nur 53 Tagen pro Jahr, die hohe innere Wärmelast mit Kühlanforderung auch in der kalten Jahreszeit sowie der geringe Außenluftanteil aufgrund der Personenbelegung in Verbindung mit der CO2-geführten Außenluftregelung. Eine detaillierte Wirtschaftlichkeitsberechnung sollte Aufschluss darüber geben.
Zur Wärmerückgewinnung stellen im Falle der Messehalle Kondensations-Wärmeräder die günstigste Lösung dar. Sie wurden für die Luftleistung des minimalen Außenluftstroms ausgelegt. Zu- und Abluftventilator sind derart volumenstromgeregelt, dass stets die größtmögliche Zulufttemperaturdifferenz und damit die kleinste Luftleistung gefahren wird, um die Luftförderkosten zu minimieren.
Die Wirtschaftlichkeitsberechnung basiert auf den Ausgangsdaten gemäß Tabelle 1. Um die Berechnung in Hinsicht auf nicht sicher prognostizierbare Größen zugunsten der Wärmerückgewinnung zu gestalten, wurden keine Preissteigerungsraten für die Energiekosten zugrunde gelegt.
Die Kühllast durch Aussteller und Beleuchtung wurde anhand von kontinuierlichen Aufzeichnungen über drei Jahre für die elektrische Leistung jeder Veranstaltung, jedes Tages und jedes 5-Minuten-Wertes ausgewertet und in die Berechnung des Wärmebedarfs der RLT-Anlage übernommen. Der Außenluftanteil, der mittels CO2-Überwachung exakt auf den erforderlichen Wert ausgeregelt wird, ergab sich aus der ebenfalls für jede zurückliegende Veranstaltung und jeden Tag vorliegende Registrierung der Personenanzahl. Somit war eine den tatsächlichen Verhältnissen über einen Zeitraum von drei Jahren entsprechende Berechnung des Energiebedarfs möglich. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung erfolgte auf der Grundlage der Wetterdaten nach DIN 4710. Aus ihr resultieren die Werte gemäß Tabelle 2.
Das Ergebnis zeigt, dass die Energiekosten mit Wärmerückgewinnung über die Nutzungszeit der Anlage von 20 Jahren um 3.480 € höher sind als ohne. Den geringen Einsparungen an Wärmeenergie stehen höhere Aufwendungen an Elektroenergie für die Überwindung der zusätzlichen Druckverluste durch das Wärmerad und seine Filter gegenüber, die ganzjährig überwunden werden müssen.
Ursachen für die Unwirtschaftlichkeit der Wärmerückgewinnung sind:
1.) Die jährliche Nutzungszeit im Heizbetrieb ist äußerst gering.
2.) Die inneren Wärmelasten sind relativ hoch, so dass die Zulufttemperatur auch in der kalten Jahreszeit meist deutlich unter der Raumlufttemperatur liegt.
3.) Der erforderliche Außenluftanteil ist niedrig, so dass die Mischlufttemperatur relativ hoch ist.
4.) Aufgrund der Temperaturen gemäß 2. und 3. ist nur bei zwei Veranstaltungen in den Monaten Januar und Februar eine geringe Lufterwärmung mittels Lufterhitzer notwendig.
5.) Die Folge von 1. bis 4. ist ein äußerst geringer Wärmeverbrauch übers Jahr. Wärmerückgewinnung könnte somit nur diese geringe Wärmemenge einsparen.
Der zusätzliche Druckverlust für das Wärmerad sowie den Fortluft- und Außenluft-Filter muss ganzjährig überwunden werden. Er wirkt sich aus in einer Erhöhung der Wellenleistungen von Zu- und Abluft-Ventilator und damit in einer Erhöhung des Stromverbrauchs. Ein Bypassbetrieb bei nicht benötigter Wärmerückgewinnung schied wegen der durch die besonderen Anforderungen an den Lufthaushalt ohnehin schwierige Klappenregelung aus. Da die Betriebszeit ohne Wärmerückgewinnung um ein vielfaches länger ist als die Zeit mit Wärmerückgewinnung, sind die zusätzlichen Stromkosten höher als die Einsparung an Wärmeenergie. Wie aus Tabelle 2 zu ersehen ist, wird bei Einbau einer Wärmerückgewinnung im Messebetrieb keine Wärmeenergie mehr benötigt. Grund dafür ist die gemäß Ökodesign-Richtlinie überdimensionierte Wärmerückgewinnung.
In der Energieberechnung wurde der Mindest-Außenluftanteil von 20 % zugrunde gelegt. Der mittels CO2-Regelung tatsächlich gefahrene Außenluftanteil ist jedoch niedriger, er beträgt nur 10 bis 20 %. Die tatsächlich benötigte Wärmeenergie einer RLT-Anlage ohne Wärmerückgewinnung ist deshalb noch niedriger, die Energieberechnung somit konservativ gestaltet.
Zu den höheren Energiekosten durch die Wärmerückgewinnung kommen deren zusätzliche Instandhaltungskosten in Höhe von 11.160 € über die Nutzungszeit der Anlage. Den höchsten Kostenanteil verursachen die Annuitäten der Herstellkosten mit 41.069 € über die Nutzungszeit. Unter Berücksichtigung der Annuitäten der Herstellkosten, Instandhaltungskosten und Energiekosten entstehen über die Nutzungszeit der Anlage von 20 Jahren Mehrkosten für die Wärmerückgewinnung in Höhe von 55.709 €.
Es zeigte sich also, dass der Einbau von Wärmerückgewinnungsanlagen in Form von Wärmerädern keine Energiekosteneinsparung, sondern eine Erhöhung der Energiekosten und der Betriebskosten zur Folge hat. Die EnEV ermöglicht in § 25 eine Befreiung von Wärmerückgewinnung, wenn sich die Investitionen dafür nicht innerhalb der Nutzungsdauer amortisieren. Im aktuellen Fall ergeben sich durch Einbau der Wärmerückgewinnung sogar erhöhte Energie- und Betriebskosten, deshalb kann eine Befreiung bei der Bauaufsicht beantragt werden. In vorangegangenen Projekten wurde diese Möglichkeit bereits mehrmals angewendet. Der § 25 ist, wie man aus diesem Beispiel erkennt, eine sehr gute Möglichkeit, um bei besonderen Randbedingungen sinnvolle Lösungen zu ermöglichen.
Die ab 2016 anzuwendende Ökodesign-Richtlinie lässt eine derartige Befreiung nicht zu. Selbst bei einem rechnerischem Nachweis der Unwirtschaftlichkeit und sogar dann, wenn die Wärmerückgewinnung den Energieverbrauch und den CO2-Ausstoß erhöht, besteht die Forderung ihres Einbaues.
Die zuvor durchgeführte Energie- und Wirtschaftlichkeitsberechnung zeigte, dass der Einbau einer Wärmerückgewinnung zu erhöhten Energiekosten führt. Um zu prüfen, ob die Wärmerückgewinnung hinsichtlich des Primärenergieverbrauchs zu einem positiven Ergebnis führt, wurde auch dieser berechnet. Die Auslegungsdaten sind die gleichen wie die in der Tabelle 1 aufgeführten.
Die Berechnungen führten zu den Ergebnissen gemäß Tabelle 3. Es zeigt sich, dass bei Einbau einer Teilklimaanlage mit Wärmerückgewinnung pro Jahr nur 1.569 kWh Primärenergie eingespart wird, also nur ein geringer Betrag. Um diesen Wert anschaulich darzustellen: Diese Primärenergiedifferenz entspricht einer Fahrstrecke von 3.200 km mit einem sparsamen Pkw. Der Primärenergiefaktor für Strom wurde ab 2016 von 2,4 auf 1,8 gesenkt, um den inzwischen angestiegenen Anteil an regenerativ erzeugter Elektroenergie zu berücksichtigen. Eine Berechnung mit dem alten, bis Ende 2015 gelten Primärenergiefaktor zeigt, dass mit Wärmerückgewinnung sogar 343 kWh/a mehr Primärenergie verbraucht worden wäre.
In der berechneten Primärenergiedifferenz ist der Rohstoff- und Energieverbrauch für die Erzeugung der Wärmerückgewinner noch nicht enthalten. Der Primärenergieaufwand dafür soll deshalb nachfolgend berechnet werden. Die Ausgangsdaten und das Ergebnis sind in Tabelle 4 dargestellt.
Der Einsparung des geringen Primärenergie-Betrags von 1.569 kWh/a steht somit ein Primärenergie-Aufwand von 22.165 kWh für die Erzeugung der kompletten Wärmerückgewinnung-Komponenten gegenüber. Darin noch nicht enthalten ist die Primärenergie zur Erzeugung der Luftfilter und der Gehäusedämmung des Kastengerätes. Das Ergebnis zeigt, dass bei einer ganzheitlichen Betrachtung für nachhaltiges Bauen der Einsatz einer Wärmerückgewinnung auch aus Sicht der Primärenergie keine sinnvolle Maßnahme ist.
Nun soll untersucht werden, wie die CO2-Bilanz bei Einbau einer Wärmerückgewinnung ausfällt. Grundlage für die Wahl der relativen CO2-Emissionen ist die Art der Energieerzeugung. Das Heizwasser wird durch die Verbrennung von Erdgas in der vorhandenen Heizzentrale erzeugt, für den Strom wird der Mix-Wert für Deutschland aus dem Jahr 2014 eingesetzt. Tabelle 5 zeigt die Ausgangsdaten und Ergebnisse der Untersuchung.
Die CO2-Emissionen sind bei einer Anlage mit Wärmerückgewinnung um 94 kg/a höher als bei einer Anlage ohne Wärmerückgewinnung, das ist ein vernachlässigbar kleiner Unterschied, der innerhalb der Rechengenauigkeit liegt.
In der berechneten CO2-Bilanz ist der Rohstoff- und Energieverbrauch für die Erzeugung der Wärmerückgewinner noch nicht enthalten. Die CO2-Emission dafür soll deshalb nachfolgend berechnet werden. Die Ausgangsdaten und das Ergebnis sind in Tabelle 6 dargestellt.
Der Patt-Situation hinsichtlich der CO2-Emission bei einer RLT-Anlage ohne und mit Wärmerückgewinnung steht somit eine CO2-Emission bei der Herstellung der kompletten Wärmerückgewinnungs-Komponenten von 5.342 kg gegenüber. Darin noch nicht enthalten ist die CO2-Emission bei der Erzeugung der Luftfilter und der Gehäusedämmung des Kastengerätes. Das Ergebnis zeigt, dass bei einer ganzheitlichen Betrachtung für nachhaltiges Bauen der Einsatz einer Wärmerückgewinnung auch aus Sicht der CO2-Emission keine sinnvolle Maßnahme ist.
Auch bei einer verdoppelten Betriebszeit pro Jahr, z. B. von 106 d/a statt der derzeitigen 53 d/a, ändert sich nichts an den prinzipiellen Ergebnissen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit, des Primärenergieaufwandes und der CO2-Emission.
Alle zuvor aufgeführten Ergebnisse zeigen, dass in der Ökodesign-Richtlinie RLT-Sonderanlagen wie die hier untersuchte mit speziellen Bedingungen nicht berücksichtigt wurden. Dies ist natürlich auch nicht möglich und nicht notwendig. Für derartige Fälle hätte aber der Ausweg in Form einer Befreiung wie beim § 25 der EnEV die nicht sinnvollen Anforderungen verhindern können.
Die Messehalle war das erste vom Planer abgewickelte Projekt nach Erscheinen der Ökodesign-Richtlinie. Und gleich in diesem ersten Fall zeigte sich deren Nachbesserungsbedarf. Es ist unwahrscheinlich, dass dieses Projekt der einzige Sonderfall ist, in dem die Ökodesign-Richtlinie zu nicht sinnvollen Ergebnissen führt.
Auf die Frage an einen Referenten während einer Tagung zum Thema Ökodesign-Richtlinie, ob es denn keinen Ausweg aus dieser Bredouille gebe, gab es die folgende Antwort: „Nein, Sie müssen die Wärmerückgewinnung einbauen, auch wenn sie zu keiner Energieeinsparung und zu erhöhten Energiekosten führt.“
Nach dieser Antwort dürfte es wohl erlaubt sein, nach dem Sinn der Ökodesign-Richtlinie zu fragen. Ich gehe davon aus, dass sie mit dem ehrlichen Ziel geschaffen wurde, den Energieverbrauch und den CO2-Ausstoß von Lüftungsanlagen im Bereich der EU zu reduzieren, und nicht, um den Umsatz zu erhöhen. Dann aber sollte wie in der EnEV ein Paragraph „Befreiungen“ Ausnahmeregelungen ermöglichen, die nicht sinnvolle Anforderungen in besonderen Fällen verhindern.
Beispiel 2: Wärmerückgewinnung beim Umbau einer Messehalle
Eine bestehende Halle der Messe Düsseldorf soll modernisiert und deshalb umgebaut werden. In durchgeführten Umbauprojekten der Messegesellschaft mit ähnlicher Hallengeometrie konnten die erforderlichen Teilklimageräte ohne Wärmerückgewinnung passgenau in das bestehende Obergeschoss einer Hallenleiste integriert werden. Bild 4 zeigt die Anordnung des Teilklimagerätes in der Technikzentrale.
Teilklimageräte mit Wärmerückgewinnung und ihren damit verbundenen größeren Abmessungen sowie andersartigen Kanalanschlüssen können in der Technikzentrale des Bestandes aus Platzmangel nicht untergebracht werden. Eine Verlängerung oder Verbreiterung der Technikzentrale nach außen ist wegen der Geländeverhältnisse nicht möglich, eine Zentralenaufstockung aus statischen Gründen nicht realisierbar. Als einzig denkbare Lösung käme der Abriss der gesamten Hallenleiste und ein Neubau an gleicher Stelle in Frage. Eine Einbeziehung des Erdgeschosses zur Höhenerweiterung wäre nicht durchführbar, weil dort Eingänge, Toiletten, Lagerräume, elektrische Betriebsräume usw. untergebracht sind, auf die nicht verzichtet werden kann. Somit bliebe nur eine Erhöhung der Gebäudeleiste über das Hallendach hinaus, was eine architektonisch schmerzhafte Lösung wäre.
Die für die Bauarbeiten anfallenden Material- und Energieverbräuche würden in Hinsicht auf die Nachhaltigkeit zu einem erheblichen Rohstoff- und Energieverbrauch mit zusätzlicher CO2-Belastung der Atmosphäre führen. Die Herstellkosten für diese Baumaßnahme würden die Investitionskosten für die Wärmerückgewinnung um ein Vielfaches überschreiten, wie nachstehende Zahlen zeigen.
Der zur Verfügung stehende Hallenteil für die Aufstellung der vier Teilklimageräte sowie der Heizungs- und Kälteverteiler, Schaltschränke und RLT-Nebenanlagen hat folgende Maße:
Länge: 120,00 m
Breite: 11,50 m
Höhe: 11,00 m
Volumen: 15.180 m³
Die hochbauseitigen Herstellkosten für die Erneuerung des Hallenteils mit Erdgeschoss und Obergeschoss einschließlich der Anpassung des Hallendaches im angrenzenden Hallenfeld würden sich auf ca. 4.115.000 € belaufen. Die Kosten für die technische Gebäudeausrüstung für den Neubau werden nicht angerechnet, weil ohnehin eine Total-Erneuerung der TGA vorgesehen wäre. Im Vergleich zu den Baukosten würden die Kosten für die Wärmerückgewinnung aller vier Teilklimaanlagen nur 111.600 € betragen.
Die Konsequenz bei einem Einbau der Wärmerückgewinnung nach Ökodesign-Richtlinie wäre also ein Neubau der Hallenleiste, der bauliche Herstellkosten in Höhe von ca. 4.115.000 € verursachen würde, das ist 37-mal mehr als für die Investition der Wärmerückgewinnung erforderlich wäre. Zudem würden sich die Energiekosten erhöhen.
Die für den Abriss und den Neubau des Hallenteils anfallenden immensen Kosten würden an anderer Stelle für höchst effektive energetische Sanierungen in der technischen Gebäudeausrüstung im Messegelände fehlen.
Der aufmerksame Leser wird festgestellt haben, dass die letzten Absätze im Konjunktiv geschrieben sind. Das hat folgende Bewandtnis. Die hier beschriebene Erneuerung der Hallenleiste ist leider nur eine theoretische Betrachtung, weil die Realisierung des Neubaus viel zu lange dauern würde. Die Messeveranstaltungen sind über Jahre hinaus vertraglich vereinbart und die Zeiträume zwischen den Veranstaltungen sind viel zu kurz für einen Abriss und einen anschließenden Neubau der Hallenleiste im Bestand. Somit zeichnet sich keine praktikable Lösung für die Modernisierung ab. Der Bauherr steht vor einem Dilemma.
Dieses Beispiel zeigt, welche Schwierigkeiten die Ökodesign-Richtlinie den Bauherren und Planern bereiten kann. Die Anwendung der Ökodesign-Richtlinie ohne die Möglichkeit einer Befreiung für Sonderfälle kann zu absurden Maßnahmen führen. Für solche Fälle fehlt in der Richtlinie die Möglichkeit der Befreiung, wie sie die EnEV mit dem § 25 bereit hält. Diese Möglichkeit sollte schnellstmöglich nachgeholt werden, um keine unsinnigen Maßnahmen wie die zuvor beschriebenen zu erzwingen.
Beispiel 3: Ventilatoreffektivität bei großen Abluftventilatoren
Versetzen wir uns in eine Situation, in der die überarbeitete Ökodesign-Richtlinie den Verzicht auf Wärmerückgewinnung ermöglicht, sofern die Energie- und Kostenbilanz gegen sie spricht. In diesem Fall könnte die RLT-Anlage aufgeteilt werden in eine Ein-Richtungs-Zuluftanlage und eine Ein-Richtungs-Abluftanlage. Bei diesen wäre dann gemäß EU 1253/2014 für die Ventilatoren die Mindestventilatoreffizienz ηvu einzuhalten. Sie beträgt
bei P ≤ 30 kW: 6,2 % x ln(P) + 42,0 %
bei P > 30 kW: 63,1 %
Hierbei ist P die Nenneingangsleistung in kW, also die tatsächliche Aufnahme elektrischen Stroms durch die Ventilatorantriebe, einschließlich etwaiger Motorsteuereinrichtungen bei Nennaußendruck und Nennluftvolumenstrom.
Zur Luftförderung werden Radialventilatoren mit rückwärts gekrümmten Schaufeln und Freilauf-Rädern eingesetzt, wie sie heute üblich sind. Bild 5 zeigt einen solchen Ventilator. IE-3-Motoren stellen die Motoreffizienz sicher. Die Motorsteuerung erfolgt mittels Frequenzumformer.
Die Zuluft-Ventilatordaten betragen:
Luftleistung: 120.000 m³/h
Gesamtdruckverlust: 1.000 Pa
Aus der Berechnung ergibt sich eine Nenneingangsleistung von P > 30 kW. Somit ist eine Ventilatoreffizienz von 63,1 % einzuhalten. Bei den Zuluft-Ventilatoren mit ihrem relativ hohen Druckverlust wird dieser Wert problemlos erreicht. Es handelt sich um eine höchst sinnvolle Maßnahme.
Die Abluft-Ventilatordaten betragen:
Luftleistung: 120.000 m³/h
Gesamtdruckverlust: 383 Pa
Der Druckverlust ist gering, weil die Abluft punktuell am Gerät angesaugt wird und deshalb nur ein Druckverlust für die kurze Fortluftführung über Dach anfällt.
Auf dem Markt wurde kein Radialventilator gefunden, der bei diesem Verhältnis von großer Luftleistung zu kleinem Druckverlust die vorgeschriebene Ventilatoreffizienz erreicht. Auf Nachfrage erklärten Ventilatorhersteller, dass für diesen Fall auch in Zukunft keine Lösung zu erwarten sei, etwa durch eine optimierte Laufradgeometrie. Axialventilatoren führen aufgrund ihrer Bauform und der höheren Geräusche mit entsprechend langen Schalldämpfern zu vergrößerten Kastengeräten mit im betrachteten Einsatzfall verbundenen Platzproblemen.
Um die in der Ökodesign-Richtlinie geforderte Ventilatoreffizienz zu erreichen, ist der Planer gezwungen, einen zusätzlichen künstlichen externen Druckverlust zu kreieren. Daraus resultiert eine höhere Stromaufnahme als bei einer Ventilatorauslegung ohne Beachtung der Ökodesign-Richtlinie.
Mit anderen Worten: Hier führt die Anwendung der Ökodesign-Richtlinie infolge der notwendigen und auch nicht verbotenen künstlichen Erhöhung des externen Druckverlustes und der daraus resultierenden verbesserten Ventilatoreffektivität zu einem höheren Stromverbrauch als bei der bisherigen Auslegung mit einer Kombination aus geringem Druckverlust und geringfügig schlechterer Ventilatoreffektivität. Die Grundlagen und die Ergebnisse der Berechnungen dazu sind in Tabelle 7 aufgeführt.
Die Erhöhung der Leistungsaufnahme durch Einhaltung der Ökodesign-Richtlinie beträgt 9 kW oder 29 %.
In diesem Fall führt die Einhaltung der Ökodesign-Richtlinie zu einer höheren Ventilator-Leistungsaufnahme, einem höheren Energieverbrauch und einer höheren CO2-Emission als die herkömmliche Dimensionierung. Die Anforderung der Ökodesign-Richtlinie an die Ventilatoreffektivität bei hoher Luftleistung und kleinem Druckverlust ist somit nicht sinnvoll.
Spezifische Ventilatorleistung
Bei Zwei-Richtungs-Lüftungsanlagen (ZLA) ist für den Zuluftventilator und den Abluftventilator eine höchste innere spezifische Ventilatorleistung (SVLint_limit) einzuhalten.
Sie beträgt z. B. für eine ZLA mit Wärmerad
ab 2016: 1.200 + E – 300 x qnom/2 – F, wenn q nom < 2 m³/s
und 900 + E – F, wenn qnom ≥ 2 m³/s
ab 2018: 1.100 + E – 300 x qnom/2 – F, wenn q nom < 2 m³/s
und 800 + E – F, wenn qnom ≥ 2 m³/s
Dabei bedeuten:
qnom: Nennluftvolumenstrom
E: Effizienzbonus
F: Filterkorrektur
Die innere spezifische Ventilatorleistung (SVLint) ist das Verhältnis zwischen dem inneren Druckabfall von Lüftungsbauteilen und der Ventilatoreffizienz. Sie wird umso besser, das heißt geringer, desto kleiner die Luftgeschwindigkeit im Gerät ist.
Die Forderungen sind leicht einzuhalten und sinnvoll, sie ergänzen die Anforderungen der EnEV hinsichtlich der spezifischen Ventilatorleistung für die Gesamtanlage. Beide Anforderungen, die der EnEV und die der Ökodesign-Richtlinie, waren längst überfällig. Denn in der Vergangenheit überboten sich häufig die Anbieter von RLT-Anlagen in der Verkleinerung von Gerätequerschnitten, um ihre Angebotspreise zu drücken. Die Folge davon waren höhere Luftgeschwindigkeiten, Druckverluste und Wellenleistungen in den Geräten. In solchen Fällen wurden nur die Herstellkosten der Geräte verglichen, nicht aber die Energiekosten, deren Betrag über die Nutzungszeit der Anlagen weit höher sind als die Anschaffungspreise.
Als Planer hatte man auf solche Abläufe oft keinen Einfluss, weil die Einkäufer die Entscheidung trafen. Bereits im Jahr 1994 veröffentlichte der Autor einen Bericht in der Zeitschrift „tab“ (www.tab.de) mit dem Titel „Wirtschaftliche Luftgeschwindigkeiten in RLT-Anlagen“, in dem gezeigt wurde, dass eine Vergrößerung von Geräte- und Kanalquerschnitten und somit eine Verminderung der Luftgeschwindigkeiten, Druckverluste und Wellenleistungen in vielen Fällen energetisch sinnvoll und wirtschaftlich rentabel ist.
Doch die Auswirkungen des Berichtes waren marginal, die Bauherren vergaben weiterhin Geräte mit hohen Luftgeschwindigkeiten, Druckverlusten und Motorleistungen. Deshalb war sowohl die Einführung der EnEV als auch der Ökodesign-Richtlinie hinsichtlich der spezifischen Ventilatorleistung überfällig und höchst sinnvoll.
Fazit
Die Ökodesign-Richtlinie stellt neben sinnvollen Anforderungen auch solche, die bei bestimmten Anlagenkonstellationen unangemessen oder nicht sinnvoll sind, sie führt in diesen Fällen nicht zu einer Entlastung, sondern zu einer Belastung von Umwelt und Ressourcen.
In anderen Wirtschaftsbereichen wird Energie ohne Rücksicht auf die Umwelt verwendet.
Winterliche Rasen in Fußballstadien werden beheizt, die Wärme strahlt ins Universum ab.
Schnee wird in tiefgekühlten Hallen künstlich erzeugt, viele Kilometer weit in Sportstadien transportiert, in denen Biathleten ihrem Sport frönen, und/oder viele Kilometer weiter verfrachtet, um Skisprung-Wettbewerbe auf Schanzen zu ermöglichen, die in einer schneefreien Landschaft stehen.
Für Bob- und Rodelbahnen in grüner Umgebung werden Unmengen an Eis künstlich erzeugt.
Fußballstadien in Hitzewüsten werden mit Klimaanlagen für eine künftige Weltmeisterschaft gekühlt, anstatt diese in dafür geeigneten, gemäßigten Breiten auszutragen.
Formel-1-Rennwagen verschwenden Unmengen an Treibstoff, um am Ende des Rennens unverrichteter Dinge wieder dort anzukommen, wo sie losgefahren sind.
Exotische Pflanzenhäuser werden in gemäßigten Breiten auf tropische Klimaszenarien beheizt.
Geländewagen fahren auf dem deutschen Straßennetz, einem der besten der Erde, als ineffiziente Spritschlucker.
Diese Aufzählung könnte man beliebig lange fortführen. Warum wird in diesen Sparten mit anderen Maßstäben gemessen als in der Klimatechnik?
Dieser Beitrag soll einen Anstoß dazu geben, die Ökodesign-Richtlinie kritisch zu überdenken und so zu erweitern, dass für die in den Beispielen 1 bis 3 aufgeführten Fälle Befreiungen zugelassen werden, um unsinnige Maßnahmen zu vermeiden. Die Befreiungen dürfen natürlich nicht so weit gehen, dass Schlupflöcher entstehen, mit denen die Richtlinie dort, wo sie sinnvoll ist, umgangen werden kann.
Die Autoren der Richtlinie haben die Chance zu zeigen, dass die Richtlinie im Interesse der Umwelt erstellt wurde. Sie hat ihre Berechtigung und ist in den meisten Fällen eine sinnvolle Einrichtung, die lange überfällig war.