Rahmenbedingungen beim Bau von Rechenzentren

Gesetze und Vorschriften, Herausforderungen, technische Ansätze und Konzepte

Beim Bau von Rechenzentren sind zahlreiche normative und rechtliche Vorgaben zu beachten. Nachfolgend gibt Christian Korn, Vertriebsleiter Deutschland-Österreich-Schweiz bei Smardt-OPK, Antworten auf die wichtigsten Fragen und dabei auch einen guten Überblick zu den Herausforderungen, die sich daraus ergeben, und zu bereits verfügbaren Technologien.

Die Anforderungen an den Rechenzen­trumsbau werden immer komplexer. Mit dem Inkrafttreten der Novelle der F-Gas-Verordnung kommen bereits seit März umfangreiche Änderungen auf die Betreiber von Rechenzentren zu. Welche Richtlinien gilt es noch zu beachten?

Die wesentlichsten Anforderungen ergeben sich zum einen aus dem Energieeffizienzgesetz vom November 2023 und zum anderen aus der Novellierung der F-Gase-Verordnung. Die EU-Verordnung Nr. 2024/573 über fluorierte Treibhausgase ist am 11. März 2024 endgültig in Kraft getreten. Insbesondere die Gremien und Verbände der Kälte- und Klimabranche haben sich in den vergangenen Jahren intensiv für eine harmonisierte und marktgerechte F-Gas-Regulierung eingesetzt. Dabei galt es, Leistungsgrößen, Anlageneffizienz und Betriebssicherheit am Aufstellungsort, sowie natürlich die Emissionsreduktion fluorierter Treibhausgase bestmöglich in Einklang zu bringen. Mit dem aktuellen Stand wurde ein Status quo erreicht, der sicherstellt, dass aktuelle Projekte in der Planungsphase fortgeführt und sowohl junge Bestandsanlagen als auch bereits im Bau befindliche Rechenzentren ohne Bedenken weiter betrieben werden können. In Zusammenarbeit mit spezialisierten Planungsbüros haben wir als Smardt-OPK bereits vor einigen Jahren alle Weichen gestellt, um die Kälteerzeugung bei Neubauplanungen von Rechenzentren regelkonform, zukunftssicher und mit besonderem Fokus auf Energieeffizienz und Ausfallsicherheit realisieren zu können. Dabei setzen wir in unseren Kaltwassererzeugern und Wärmepumpen im hohen Leistungsbereich auf die von uns bereits standardmäßig eingesetzten Kältemittel R-1234ze, R-513A und R-515B. Bei sehr hohen Sicherheitsanforderungen am Aufstellungsort kann bis Ende 2026 auch noch das Sicherheitskältemittel R-134a verwendet werden.

Welche Auswirkungen hat das Energie­­effi­zienzgesetz auf den Betrieb von Rechenzentren?

Für Rechenzentren mit einer elektrischen Anschlussleistung von mehr als 300 kW (nicht redundant) bedeutet das Energieeffizienzgesetz einen erheblichen Mehraufwand bei Planung und Betrieb. Die neuen Pflichten beinhalten die Erfassung und Auswertung aller Energieverbräuche aus Strom und Wärmeenergie sowie die Meldung an das dafür vorgesehene Energieeffizienzregister, das vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, kurz BAFA, eingerichtet wurde. Dabei wurden den Betreibern Fristen eingeräumt, die bis ins Folgejahr reichen, jeweils bis einschließlich 31.03. für das vorangegangene Kalenderjahr. Um die zusätzlichen Belastungen für Betreiber besser planbar zu machen, wurden gewisse Fristen zunächst entsprechend verlängert. Im weiteren Verlauf des Gesetzes werden zudem klare Ziele und Vorgaben zur Stromversorgung aus erneuerbaren Energien, zum PUE-Wert und zur anteiligen Abwärmenutzung festgelegt.

Wie sehen die im Gesetz festgelegten Fristen aus?

Bestehende Rechenzentren, die vor dem 1. Juli 2026 errichtet oder in Betrieb genommen wurden, müssen bis zum 1. Juli 2027 einen PUE-Wert von mindestens 1,5 und bis zum 1. Juli 2030 einen PUE-Wert von 1,3 im Jahresdurchschnitt nachweisen. Neue Rechenzentren, die nach dem Stichtag in Betrieb genommen werden, müssen innerhalb von zwei Jahren nach Inbetriebnahme dauerhaft einen PUE-Wert von mindestens 1,2 erreichen. Darüber hinaus sind Betreiber von Rechenzentren angehalten, ihren Strombedarf ab dem 1. Januar 2024 zu 50 Prozent und ab dem 1. Januar 2027 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu decken. Außerdem muss ein Teil der anfallenden Abwärme wiederverwendet werden. Dies gilt für alle Rechenzentren, die ab dem 1. Juli 2026 errichtet werden. Hier ist eine Teilnutzung von zunächst zehn Prozent vorgesehen, die ab dem 1. Juli 2027 auf 15 Prozent steigt und ab dem 1. Juli 2028 mindestens 20 Prozent betragen muss. Die Pflicht zur Abwärmenutzung steht grundsätzlich unter dem Vorbehalt der technischen und wirtschaftlichen Zumutbarkeit. Weitere Ausnahmen können bestehen, wenn der örtlich zuständige Wärmenetzbetreiber das Angebot zur Wärmelieferung zu Gestehungskosten nicht innerhalb von sechs Monaten annimmt, eine Absichtserklärung einer Kommune oder eines Wärmenetzbetreibers vorliegt, die Wärme spätestens in zehn Jahren entsprechend den Vorgaben zu nutzen, oder der Anteil der Nutzenergie ohne Verschulden des Betreibers nicht mehr den Anforderungen entspricht. Ausnahmen bestehen auch für Rechenzentren, die als Netzkopplungsknoten dienen, oder für Sonderanwendungen, zum Beispiel im militärischen Bereich oder bei kerntechnischen Anlagen.

Welchen Einfluss hat die Wärmerückgewinnung auf den RZ-Betrieb?

Wärmerückgewinnung kann einen signifikanten Einfluss auf die CO2-Bilanz und den PUE-Wert von Rechenzentren haben. Der durchschnittliche PUE-Wert der Rechenzentren in Deutschland liegt derzeit zwischen 1,5 und 1,6. Die Nutzung von Abwärme kann den PUE-Wert und die Energieeffizienz eines Rechenzentrums deutlich verbessern. Dabei sind auch Werte von 1,2 und darunter, je nach Standortlage, im Idealfall erreichbar. Die Umsetzung einer Wärmerückgewinnung ist jedoch technisch komplex. Darüber hinaus kommen zusätzlich Verpflichtungen bei der Planung eines neuen Rechenzentrums auf die Betreiber zu. Diese müssen nämlich potenzielle Abnehmer für ihre Abwärme finden, weil Effizienzverbesserungen nur dann gesetzlich anerkannt werden, wenn die angebundene Abwärme auch außerhalb des eigenen ­Rechenzentrumsstandorts wiederverwendet wird.

Wie gestaltet sich hier die Abnehmerseite?

Potenzielle Abnehmer können etwa Energiedienstleister mit eigenen Wärmenetzen, aber auch Städte, Gemeinden oder industrielle Unternehmen mit entsprechendem Wärmebedarf sein. Für die Wärmelieferung müssen aber neue und individuelle technische Konzepte erarbeitet werden, die für den jeweiligen Einzel-Standort des Rechenzentrums auch in der Praxis geeignet sind. Bislang haben Rechenzentren überwiegend ein standardisiertes und gut skalierbares Kälte- und Klimatechnik-Konzept für ihre Standorte erarbeitet. Die Temperaturlevel für den Betrieb wurden dabei so gewählt, dass ein sehr hoher Anteil der Betriebsstunden mit freier Kühlung abgedeckt werden kann. Solche Konzepte müssen jetzt überdacht und überarbeitet werden und jeder neue Standort wird in Zukunft wohl sehr individuell geplant werden müssen.

Was sind derzeit die wichtigsten Herausforderungen bei der Implementierung von Abwärmerückgewinnungssystemen?

Das Stichwort „Herausforderungen“ ist in diesem Zusammenhang gut gewählt, denn die Summe der Mehraufwände ist nicht zu unterschätzen. Die erste Hürde besteht darin, überhaupt einen geeigneten Abnehmer für die nicht vermeidbare Wärmeenergie zu finden. Der Rechenzentrumsbetreiber ist verpflichtet eine anteilige Wärmeenergie zur Verfügung zu stellen und bei geeigneten Möglichkeiten zur Wärmeenergieweitergabe auch eine geeignete Übergabestation zu realisieren. Es folgt die gemeinsame technische Ausarbeitung zwischen Rechenzentrumsbetreiber und Wärmeabnehmer, in der geklärt wird, wie die Wärmeenergie weiterverarbeitet werden kann und wie die notwendige Refinanzierung der notwendigen Systeme erfolgen soll. Ein wesentlicher Punkt ist dabei das gewünschte Temperaturniveau. Die Branche spricht in diesem Zusammenhang auch gerne von einer „qualitativen Wärmeenergie“. Obwohl seitens der Kälte- und Klimatechnik kontinuierlich an der Erhöhung der Systemtemperaturen für die IT-Klimatisierung gearbeitet wurde, wird das Temperaturniveau, das standardmäßig im Bereich zwischen 25 °C und ca. 35 bis 40 °C liegt, in den meisten Fällen nicht für eine direkte Weiterverwendung ausreichen. Um die Gesamtkälteerzeugung jedoch in einem möglichst effizienten Betriebsfenster zu halten, muss dann eine zusätzliche technische Lösung zur Anhebung des Temperaturniveaus vorgesehen werden, zum Beispiel durch den Einsatz einer Hochtemperatur-Wärmepumpe. Bei Erfüllung alle gesetzgebenden Kriterien fällt der energetische Mehraufwand einer solchen zusätzlichen HT-Wärmepumpe, gemäß dem Energieeffizienzgesetz, nicht zu Lasten des PUE-Wertes des wärmeabgebenden
Rechenzentrums.

Welche Technologien oder technischen Ansätze sind momentan für die Abwärmenutzung von Rechenzentren verfügbar und wo liegen die jeweiligen Vor- und Nachteile?

Alle grundlegenden Komponenten für die Realisierung der Abwärmenutzung sind derzeit schon am Markt verfügbar. Wir als Hersteller bieten unseren Kunden unterschiedliche Möglichkeiten der Wärmerückgewinnung, darunter u.a. die Entnahme von Wärmeenergie aus dem Rücklauf der Kaltwasserversorgung, die Verwendung einer optionalen Kältemittel-Heißgas-Enthitzung, die sich direkt im Kaltwassersatz integrieren lässt, oder die Auskopplung von Wärmeenergie aus dem Rückkühlungskreislauf. Diese Technologien müssen jedoch sehr sorgfältig aufeinander abgestimmt sein, damit das daraus entstehende Gesamtkonzept auch zur standortbezogenen Rechenzen­trumskühlung und Klimatisierung passt. Das Konzept zur Abwärme-Wiederverwendung darf dabei keinesfalls der Rechenzentrums-Ausfallsicherheit und der IT-Verfügbarkeit entgegenstehen. Während ein Rechenzentrum 365 Tage im Jahr rund um die Uhr unterbrechungsfrei arbeiten muss, kann die Wärmeenergie-Abnahme in den meisten Fällen mit Unterbrechungen erfolgen, beispielsweise in Abhängigkeit vom Jahresverlauf oder von industriellen Produktionsprozessen. Auch verschiedene Lastprofile der IT zu unterschiedlichen Zeiten kommen im Rechenzentrumsbetrieb häufig vor. Für eine verbesserte Praxisanwendung können bei solchen Anwendungsfällen zusätzliche thermische Speichersysteme eingeplant werden, wie etwa Erdsonden-Wärmespeicher oder der klassische kältetechnische Eisspeicher. Seitens Smardt-OPK können wir auch die im Gesetz geforderten Wärmeübergabestationen mit den darin verbauten Hochtemperatur-Wärmepumpen, Wärmeübertrager- und Pumpensystemen als sogenannte extern aufstellbare Container-Module bereits im Vorfeld planen und bei tatsächlichem Bedarf vorgefertigt zu dem jeweiligen Rechenzentrumsstandort für eine zeitnahe Betriebsaufnahme
bringen.

Wie unterscheiden sich die Konzepte für Bestands- und neue Rechenzentren?

Bei neuen Rechenzentren, die sich derzeit im Bau oder in fortgeschrittener Planungsphase befinden, besteht der Vorteil, dass von Anfang an alle zusätzlichen gesetzlichen Anforderungen am zukünftigen Standort berücksichtigt werden können. Der Verwaltungs- und Planungsaufwand ist jedoch generell technisch komplexer und in der Regel höher zu beziffern. Als Konsequenz daraus kann es in Einzelfällen vorkommen, dass einige Standorte und Grundstücke aus zukünftiger Sicht nicht mehr als Rechenzentrumsstandort in Frage kommen. Besonders bedauerlich ist dabei die Tatsache, dass die unterschiedlichen Umgebungs- und Umweltbedingungen eines Rechenzentrumsstandortes in den derzeit gültigen gesetzlichen Anforderungen und Auflagen überhaupt keinen Eingang gefunden haben. Für Bestandsrechenzentren wird die Situation indes noch schwieriger, wenn es darum geht, die geforderten PUE-Werte zu erreichen und gegebenenfalls Wärme anteilig an Dritte abzuführen. Dies bedeutet, dass bestehende Systeme schnellstmöglich optimiert, oder sogar durch neue, flexiblere und effizientere Systeme ersetzt werden müssen, um die zukünftig geltenden PUE-Werte erreichen zu können. Dies kann sich bei unveränderter Gebäudehülle und gegebenen Nachbarschaftsverhältnissen hinsichtlich allgemeiner Standortkriterien wie IT-Auslastung, Raumverfügbarkeit, Gebäudestatik, hohe Schallschutzanforderungen, sowie adiabate Zusatzkühlung mit entsprechendem Verbrauch der kostbaren Ressource Wasser als sehr schwierig bis unmöglich erweisen. Für bestehende Rechenzentren sind daher unbedingt individuelle Einzellösungen erforderlich, die detailliert auf den jeweiligen Anwendungsfall, Standortbedingungen und Bedarf ausgelegt werden müssen.

Wie wird sich die RZ-Branche in den nächsten Jahren verändern?

Entgegen den derzeit eher schwachen wirtschaftlichen Wachstumsprognosen in Deutschland und Europa hält der Boom der Informationstechnologie und damit auch der Neubau von Rechenzentren weiter an. Rechenzentrumsanwendungen und die dafür notwendigen Entwicklungen in den Bereichen Digitale Transformation, Cloud-Computing, KI, Telekommunikation, Edge-Computing und Colocation bieten ein entscheidendes Wachstumspotenzial für den Wirtschaftsstandort Deutschland – auch dank seiner zentralen Lage, einer hohen Rechtssicherheit und gut ausgebildetem Personal. Denn bei vielen modernen IT-Herausforderungen zählt die Nähe zum Anwender (kurze Latenzzeiten). Hohe Energiekosten, knappe Flächenverfügbarkeit und schnell steigende Nachhaltigkeitsanforderungen, sowie neue gesetzliche Vorgaben und administrative Auflagen könnten die geplanten Investitionen der Rechenzentrumsbetreiber in Deutschland jedoch stark bremsen. Nichtsdestotrotz sind Rechenzentren aus unserem Alltag, sei es im Beruf oder in der Freizeit, nicht mehr wegzudenken. Die Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung zwischen Rechenzentrumsbetreibern, Politik, Kommunen und Energieversorgern hat sich inzwischen gut entwickelt, müsste aber für eine weiterhin positive Prognose noch deutlich mehr intensiviert und organisiert
werden.

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Christian Korn, Anna Klaft und Mirko Hoffmann (v.l.n.r.)

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