Cloudbasierte SPS für die Zukunft der Automation

Energiewende mit Digitalisierung und KI vorantreiben

Im Kampf gegen den Klimawandel verweisen Menschen immer wieder da­rauf, dass der einzelne Beitrag zu gering sei, um einen Effekt zu erzielen. Nach einem afrikanischen Sprichwort kann aber die Summe kleiner Schritte das Gesicht der Welt verändern. Was wäre also, wenn sich für die CO2-Reduktion viele kleine Beiträge bündeln ließen, die dann gemeinsam einen großen Effekt hätten? Eine digitalisierte Energiebranche könnte ein zentraler Schlüssel für die Energiewende werden. Dazu müssen aber bestehende Strukturen aufgebrochen und neu gedacht werden. Softwarebasierte Cloud-SPSen können dabei ein entscheidender Baustein sein.

Viele Industrieanwendungen kämpfen damit, Informationen aus verteilten Geräten, Anlagen oder Anlagenteilen an einer zentralen Stelle zusammenzuführen, um den Gesamtprozess optimal zu steuern bzw. zu regeln. Das gilt ganz besonders auch für die Abwärmenutzung von Kälteanlagen, wenn z.B. ein Produktionsprozess gekühlt werden muss, während ein anderer die Abwärme der Kälteanlage nutzt. Für die Lastspitzenoptimierung in Produktionsunternehmen müssen verschiedene Prozessparameter abgeglichen und entsprechend eingeregelt werden. Auch das vielbesprochene Smart-Grid erfordert, dezentrale Informationen an zentraler Stelle zu sammeln und daraus clevere Regelalgorithmen abzuleiten.

Mit der Cloud alte Hierarchien ­aufbrechen

Die wesentliche Anforderung ist dabei, die physikalische Ebene einer Anlage oder verteilter Anlagen bzw. Anlagenteile mit einer Steuerung zu verbinden. In der Vergangenheit war dies eine Hardware-Steuerung, die naturgemäß an einem bestimmten Ort in­stalliert sein musste.

Diese herkömmlichen, hierarchischen Strukturen entsprechen aber nicht mehr den Anforderungen, die die Digitalisierung heute an Steuerungstechnik stellt (Bild 1). Bernhard Böhrer (Bild 2) hat diese Herausforderungen wahrgenommen und deshalb vor drei Jahren die logiccloud AG gegründet. Als visionär denkender Mensch, der sich seit vielen Jahren auf verschiedenste Weise mit Steuerungstechnik beschäftigt, hat er hier großes Potenzial gesehen. Böhrer erläutert: „Unsere Idee war es, die SPS selbst in die Cloud zu bringen. Der Gedanke dahinter ist der, verteilte Prozessinformationen von der physikalischen Ebene über IoT-Technologien in der Cloud zu sammeln und auch von dort zu steuern. Stellen Sie sich jetzt vor, eine künstliche Intelligenz kann diese Daten auswerten und daraus Prozessoptimierungen ableiten, die die digitale Steuerung dann wieder an den Prozess zurückgibt. Das Einsparpotenzial wäre immens.“

Die SPS für das digitale Zeitalter ist ein Service

Die Steuerung einer Anlage in die Cloud zu verlegen, stößt bei vielen Automatisierern zuerst einmal auf Skepsis. Zykluszeiten und Sicherheit sind dann die wesentlichen Einwände. Aber viele Anwendungen benötigen überhaupt keine kurzen Reaktionszeiten und sind zudem nicht sicherheitskritisch in dem Sinne, dass ein gefahrbringender Anlagenteil schnell und zuverlässig ausgeschaltet werden muss. „Wobei“, ergänzt Böhrer, „wir erreichen Roundtrip-Zeiten unter 100 ms, mit 5G sind wir bei etwa 10 ms und was mit 6G möglich sein wird, kann man dann entsprechend erahnen. Aber auch jetzt sind schon unglaublich viele Projekte mit der virtuellen SPS realisierbar. Aktuell bieten wir unsere SPS in drei Varianten an: Als Cloud-, als On Premise- und als Edge-Device-Lösung.“ Alle drei Varianten lassen sich auf die gleiche Weise im logiccloud-Portal (Bild 3) programmieren. Immer dann, wenn geografisch verteilte Maschinen und Anlagen oder Infrastrukturen überwacht, visualisiert und gesteuert werden sollen, wie bei den eingangs beschriebenen Szenarien, ist die Cloud-Lösung logiccloud 365 ideal geeignet.

Insgesamt sind Programmierung und In­stallation einfach zu bewerkstelligen. Wer bereits Erfahrung mit SPS-Programmierung hat, kommt mit der Programmierung im logiccloud-online-Portal schnell zum Ziel. Programmiert wird die Steuerung wie gewohnt per IEC 61131-3 (Berechnung von Kennzahlen, Überwachung von Grenzwerten sowie relevanten Steuerungsalgorithmen). Genutzt werden dazu intuitive Tools und KI-gestützte Programmier-Lösungen; eine spezielle Programmiersoftware ist nicht notwendig. Müssen wichtige Prozessdaten z.B. aufgrund gesetzlicher Vorgaben oder für statistische Auswertungen über einen vorgegebenen Zeitraum sicher gespeichert werden, lassen sich diese direkt in die Time-Series-Datenbank Influx schreiben. Für Auswertungen können Grafana-Dashboards direkt in die Visualisierung eingebunden werden (Bild 4). Die Visualisierung selbst lässt sich über einen Drag&Drop-Designer mit wenigen Mouse-Clicks aus einer Vielzahl an modernen Widgets erstellen (Bild 5). Die Widgets sind frei positionierbar und nicht an vorgegebene Raster gebunden. Dass sich im logiccloud-Portal SPS-Programme und HMI direkt auch testen und simulieren lassen, beschleunigt und verbessert den Programmierprozess zusätzlich.

SPS as a Service bringt viele ­Vorteile

Im Gegensatz zu hardwarebasierten Steuerungslösungen bringt die softwarebasierte Alternative zahlreiche Vorteile wie Flexibilität, Skalierbarkeit und Effizienz. Weil keine Hardware-Komponente angeschafft werden muss, sondern die Steuerung virtuell läuft, sind individuelle Anpassungen bei Rechenleistung, Zykluszeit, Verfügbarkeit oder Anzahl der Lese- und Schreibzugriffe einfach möglich. Die SPS ist also skalierbar und kann mit dem Projekt und dessen Anforderungen einfach weiterwachsen. Das schlägt sich auch in den Kosten nieder, weil Steuerungen bei der Installation nicht überdimensioniert werden müssen, um auch künftigen Anforderungen standzuhalten.

Flexibilität und Unabhängigkeit von proprietären Lösungen entstehen auch durch die einfache Integration verteilter Maschinen und Anlagenteile über Standard-Protokolle wie MQTT, Sparkplug B oder OPC UA PubSub. Für den Anschluss an die Cloud kann in den meisten Fällen bereits vorhandene Hardware verschiedener Hersteller verwendet werden, ohne dass zusätzliche VPN-Nutzungsgebühren anfallen. Müssen Steuerungs-Updates aufgespielt werden, ist das bei hardwaregebunden Systemen oft sehr aufwändig, bei der softwarebasierten Steuerung dagegen lassen sich Updates auch über weit verteilte Anlagen(teile) sehr einfach aufspielen. Dass sich manche Anwendungen mit herkömmlichen Lösungen oft gar nicht oder nur mit immensem Aufwand realisieren lassen, zeigt die folgende Anwendung:

Virtueller Facility Manager

Die 7 Business Consulting AG (7BC) sieht ein großes Potenzial darin, viele der in Deutschland installierten Wärmepumpen virtuell optimal zu regeln und instand zu halten. Bis Jahresende wollen sie dazu Fehler in Wärmepumpensystemen erkennen, den Energieverbrauch von Wärmepumpen um 20 Prozent reduzieren, vorausschauende Wartung für Wärmepumpensysteme anbieten und Smart Home Funktionalitäten integrieren. Die Vision des Unternehmens sieht vor, dazu bis 2030 100.000 Wärmepumpenanlagen zu regeln. Dabei soll das E-Auto als Hausenergie-Speicher genutzt werden und dennoch eine Mobilitätsgarantie gewährleistet bleiben. Geplant ist, 100.000 Haushalte mit günstigem Strom aus der Strombörse zu versorgen und Energieversorger als Smart-Grid-Partner für ein sicheres Stromnetz zu unterstützen. Realisierbar wäre damit eine CO2-Reduktion um 750.000 Tonnen pro Jahr bzw. eine Energieeinsparung von 250 GWh.

Das Unternehmen fährt dazu eine Strategie, die sie „7 steps for a better climate“ nennt. Dazu werden folgende Elemente logisch miteinander verknüpft: Die Hydraulik und Elektrik der Wärmepumpen mit einer idealen Steuerung, vorausschauender Wartung, Gebäude und Smart-Home, Energieerzeugung, dem Smart-Grid sowie mit der Strombörse (Bild 6). Damit diese Verknüpfung möglich ist, müssen alle relevanten Daten an zentraler Stelle gesammelt und so aufbereitet werden, dass sie von einer künstlichen Intelligenz weiterverarbeitet werden können. Mit den daraus entstehenden Parametern wird dann die jeweilige Wärmepumpe gesteuert.

Jürgen Böhm (Bild 7), CEO von 7BC, erklärt: „Wir haben uns dazu am Markt umgesehen. Ein solches Konzept mit herkömmlichen Lösungen umzusetzen ist extrem aufwändig, fast unmöglich. Mit logiccloud und der virtuellen Steuerung konnten wir dagegen bereits in zwei Tagen erste Ergebnisse realisieren, für die wir mit herkömmlicher Steuerungstechnik Wochen gebraucht hätten.“ Für logiccloud ist diese Anwendung ein schönes Beispiel dafür, was sie mit ihren virtuellen Steuerungen ermöglichen wollen: verteilte Daten von der Edge in die Cloud zu bringen, KI-gerecht bereitzustellen und nach der Bearbeitung wieder an die OT-Ebene zur Steuerung zurückzugeben. Oder kurz gesagt, die OT-Welt mit der IT-Welt zu verbinden, um damit verschiedenste Effizienzgewinne zu erzielen. Man darf gespannt sein, welche Anwendungen in den kommenden Jahren davon noch profitieren werden.

Ausblick

Richtet man den Blick in die Zukunft, sind gerade in der Kältetechnik zahlreiche Anwendungen denkbar und sinnvoll, denn eine Kälteanlage ist dann am effektivsten, wenn man sowohl die kalte als auch die warme Seite nutzt. Im industriellen Umfeld koppelt man damit jedoch verschiedene Produktionsprozesse (jenen, dem Wärme entzogen wird, und den, der die Abwärme der Kälteanlage nutzt), d.h. gerade hier muss über verschiedene Prozesse und Anlagen hinweg (die Kälteanlage mit eingeschlossen) eine übergeordnete, intelligente Regelung erfolgen, um eine maximale Energieeinsparung zu erreichen.

Im Zusammenspiel mit Smart-Grid-Lösungen sind aber auch Anwendungen möglich, bei denen z.B. die Kühlraumtemperatur in Abhängigkeit vom Tagesverlauf des Strompreises vorausschauend in gewissen Grenzen variiert wird. Hat man beispielsweise ein Tiefkühllager mit zu bestimmten Zeiten wenig Warendurchsatz, kann man die Temperatur bei einem günstigen Stromtarif um ein paar Grad senken, um Energie zu speichern. Die Zeiten, wann dies am sinnvollsten möglich ist, können über die KI optimiert werden: Wann ist erfahrungsgemäß wieder mit Warendurchsatz (also Energieverlusten) zu rechnen und wann ist im Tagesverlauf welcher Strompreis zu erwarten?

Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig und die Zukunft wird zeigen, wie diese Möglichkeiten zur energetischen Optimierung umgesetzt werden.

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