So managt man heute Energie

Lastoptimierung 2.0 für Kälteanlagen

Mit „Energiewende“ wird üblicherweise der Ausstieg aus der Kernenergie, die Reduzierung der fossilen Energieerzeugung und ein massiver Ausbau der regenerativen Energien bezeichnet. Ziel ist eine ökologisch nachhaltige und klimaverträgliche Stromerzeugung. Kälteanlagen benötigen ebenfalls Strom und die Veränderungen im Strommarkt haben auch Auswirkungen auf deren Lastoptimierung, um sie energiekostenoptimiert zu betreiben.

In Deutschland wurde die Energiewende von der ersten rot-grünen Bundesregierung beschlossen. Die Umsetzung erfolgte im Jahr 2000 mit der Einführung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) und einem Vertrag zwischen der Bundesregierung und den betroffenen Stromkonzernen über die vorzeitige Stilllegung von Kernkraftwerken.

Seitdem sind vor allem Windkraft-, Photovoltaik- und Biomasseanlagen kontinuierlich und in erheblichem Umfang gebaut worden und speisen Jahr für Jahr eine zunehmende Strommenge in die Netze ein. Parallel dazu hat sich der liberalisierte Strommarkt entwickelt: Spot- und Terminmärkte, massive Preisschwankungen mit neuen Spielregeln, neue Marktakteure, dazu ein Regelenergiemarkt und individuelle Netzentgelte. Da der Großteil der Windenergie in Norddeutschland erzeugt wird, der Verbrauchsschwerpunkt jedoch in Süddeutschland liegt, ist zudem der Bau von neuen Übertragungsnetzen notwendig. Hierüber wird seit ca. zehn Jahren diskutiert.

In einem kurzen Intermezzo um die Jahreswende 2010/2011 wurden die Laufzeiten der Kernkraftwerke noch über das 1998 gültige Maß hinaus verlängert. Unter dem Eindruck der Ereignisse in Fukushima beschloss die Bundesregierung dann eine erneute Energiewende. Die Förderung der Erneuerbaren Energien für die Stromerzeugung wurde jedoch an keiner Stelle ausgeweitet, sondern im Gegenteil an einigen Stellen sogar gekürzt. Der Ausbau geht aber kontinuierlich weiter.

Um eine Kälteanlage energiekostenoptimiert fahren zu können, ist es notwendig die Funktionsweise des Strommarktes zu verstehen. Hierfür sollen im Folgenden zunächst  einige Grundlagen erläutert werden.

Viele der heute diskutierten Phänomene in der Stromwirtschaft sind keineswegs neu und haben nichts oder nur wenig mit der „Energiewende“ aus 2011 zu tun. Dementsprechend gibt es für die Fahrweise von Kälteanlagen bereits seit langem Optimierungsmöglichkeiten, die häufig nur nicht bekannt waren oder nicht genutzt wurden. Auch diese werden weiter unten kurz dargestellt. Darauf aufbauend werden die neu hinzukommenden bzw. sich ändernden Möglichkeiten aufgezeigt, herbeigeführt durch Rechtsänderungen oder den inzwischen sehr hohen regenerativen Stromanteil.

Wie funktioniert der Strommarkt?

Strom ist praktisch nicht speicherbar. Das hat weitreichende Konsequenzen. Strom muss also exakt im Moment des Verbrauchs erzeugt werden. Dieser schwankt im Tages-, Wochen- und Jahresverlauf entsprechend unseren Lebensgewohnheiten sowie dem Wetter, dem Sonnenstand etc. Dieser Verbrauch ist kurzfristig und derzeit nahezu unabhängig von Stromangebot und Strompreis. Zur Deckung der Nachfrage müssen unterschiedliche hohe Kraftwerksleistungen eingesetzt werden.

Für den Einsatz der Kraftwerke kommt es auf die kurzfristig variablen Kosten, die sogenannten Grenzkosten an. Diese sind bei Wasser-, Wind- und Solarkraftwerken praktisch Null, bei Kernkraftwerken extrem niedrig und bei Steinkohle- und Gaskraftwerken stark veränderlich durch die Preisschwankungen der Primärenergieträger. Zu den variablen Kosten der fossilen Kraftwerke kommen neben den Brennstoffkosten seit 2005 noch die jeweils aktuellen Kosten für die CO2-Zertifikate (bzw. die CO2-Emissionen). Diese liegen für Braunkohlekraftwerke sehr hoch, für Steinkohlekraftwerke hoch und für Gaskraftwerke niedrig. Die Grenzkosten hängen zudem vom Wirkungsgrad des Kraftwerks ab. Dieser liegt bei neu errichteten sehr viel höher als bei den alten aus dem Bestand (z.B. bei Steinkohlekraftwerken 45 % zu 33 %).

Für jede Viertelstunde des Jahres werden die verfügbaren Kraftwerke nun in Merit Order, d.h. entsprechend der Höhe ihrer Grenzkosten und ihrer Leistung zu einer Angebotskurve aufgelistet. Alle EEG-geförderten Anlagen bekommen eine feste Vergütung und sind deswegen auf jeden Fall im Einsatz. Der Schnittpunkt zwischen dieser prognostizierten Angebotskurve und der Prognose der Nachfrage ergibt den Marktpreis (Bild 1). Dieser Marktpreis müsste für jede Viertelstunde des Tages ermittelt werden, weil Verbrauch und Einspeisung in Deutschland viertelstündlich erfasst werden (außer Kleinverbrauch/-anlagen).

Tatsächlich findet der Spothandel an der Strombörse (früher EEX, später EPEXSpot) seit Beginn der Liberalisierung nur im Stundenraster statt. Begründet wird dies mit der europäischen Dimension des Stromhandels – Frankreich und andere Länder haben nur stündliche Messungen. Ein typischer Stundenpreisverlauf für einen Werktag im Winter ist in Bild 2 dargestellt.

Der höchste Preis liegt 125 % bzw. 100 €/MWh über dem Mittelwert und ist in den frühen Abendstunden zu finden, während der niedrigste Preis 49 % bzw. 41 €/MWh unter dem Mittelwert liegt und in der zweiten Nachthälfte zu finden ist. In den teuersten Stunden kommen alte Gaskraftwerke oder sogar Gasturbinen zum Einsatz, in den billigsten Braunkohlekraftwerke oder neue Steinkohlekraftwerke. Je nach Verbraucherlast ergibt sich für jede Stunde des Jahres ein Preis. Der Mittelwert über alle Stunden des Jahres ist der Spotpreis-Base. Eine Prognose dieser Stundenspotpreise bildet zusammen mit der Prognose des Verbrauchs eines Kunden die Basis für die Strompreiskalkulation.

Da abgesehen von ganz großen Indus­trieverbrauchern und einigen innovativen Unternehmen die Verbraucher einen Einheitsstrompreis zahlen, der völlig unabhängig von diesen Spotpreisen ist, besteht überhaupt kein Anreiz für den Kunden, sein Verbrauchsverhalten anzupassen. Eine Einteilung in HT-/NT-Zeiten, wie es sie vor der Liberalisierung gab, ist zu grob.

Der erste Schritt für den Betreiber einer Kälteanlage ist der Umstieg auf ein anderes Beschaffungssystem, bei dem der Spotpreis direkt als Grenzbezugspreis in seiner Stromrechnung erscheint. Um nicht der vollen Volatilität des Strompreisniveaus ausgesetzt zu sein, können Teilmengen am Terminmarkt vorab beschafft werden. Dieses System wird als „strukturierte Beschaffung“ bezeichnet und ist Standard bei sehr großen Verbrauchern. Ein Nebeneffekt besteht darin, dass durch die Wahl günstiger Einkaufszeitpunkte für die Terminmengen der Gesamtstrompreis zusätzlich reduziert wird. Da die Abwicklung für den Stromlieferanten vor allem IT-seitig kompliziert ist, wird es selbst heute kaum angeboten. Die IntelligentPower bietet seit 2004 strukturierte Beschaffung an und ihre Kunden haben bereits Millionenbeträge damit eingespart.

Entsprechend den technischen Gegebenheiten beim Kunden versucht dieser den zeitlichen Lastverlauf gegenläufig zu den jeweiligen Spotpreiskurven zu gestalten, z.B. indem in den teuersten Stunden die Leistung weitestgehend reduziert wird. Wann die teuersten und die billigsten Stunden lagen, war innerhalb eines Tagestyps (Werktag, Samstag, Sonntag) in einer Jahreszeit gleich, weswegen eine statische Optimierung mit immer den gleichen Zeiten möglich war.

Netzentgelte

Netzkosten müssen verursachungsgerecht auf die Verbraucher aufgeteilt werden. Entscheidend für die Netzkosten ist die Leistung eines Verbrauchers, die er zu dem Zeitpunkt in Anspruch nimmt, zu dem der Netzbetreiber die Jahreshöchstlast zu verzeichnen hat. Dieser Höchstlastbeitrag wird aber nicht explizit ermittelt, sondern pauschaliert anhand der Jahresbenutzungsdauer festgelegt. Diese Pauschalierung ist zum Nachteil von Verbrauchern mit hohem Kältebedarf, die an kalten Wintertagen (wenn normalerweise die Netzhöchstlast vorliegt) nur wenig Leistung ziehen.

Dies gilt erst recht, wenn die Leistung zum Zwecke der Spotoptimierung im Winter in den Abendstunden abgesenkt wird. Deswegen gibt es in der Stromnetzentgeltverordnung die sogenannte „atypische Netznutzung“ (§ 19 (2) Satz 1 StromNEV), wonach eine andere Entgeltregelung in den Fällen zum Ansatz zu bringen ist, in denen der tatsächliche Höchstlastbeitrag vom pauschalierten vorhersehbar und erheblich abweicht.

Nach der aktuell gültigen Ausgestaltung ermittelt jeder Verteilnetzbetreiber Hochlastzeitfenster (HLZF), die an Werktagen jeweils für eine Jahreszeit gelten. Sofern der Verbraucher seine Leistung um mindestens 100 kW und gegenüber der Jahreshöchstlast um einen bestimmten Prozentsatz (in der Mittelspannung 20 %) absenkt, muss er den Leistungspreis im Netzentgelt nur für diese niedrigere Leistung zahlen, während die Leistung außerhalb der HLZF ohne Berechnung bleibt. Die Leistung muss aber im ganzen Kalenderjahr in den HLZF abgesenkt werden. Hierzu ist eine gesonderte Vereinbarung mit dem Netzbetreiber erforderlich, die bei der Regulierungsbehörde angezeigt werden muss.

Tatsächlich divergieren die HLZF der Netzbetreiber sehr stark und sind zum Teil sehr lang (bis zu zehn Stunden), so dass vom Superlativ „Höchstlast“ gar nicht gesprochen werden kann. Zudem liegen sie z.T. in Zeiten, in denen zumindest deutschlandweit keineswegs hoher Stromverbrauch herrscht. In den Netzen, in denen die HLZF kürzer sind, können Kälteanlagenbetreiber seit einigen Jahren sehr viel Geld sparen.

Regelenergiemarkt

Stromhändler, Kraftwerksbetreiber und andere Marktakteure melden ihre Beschaffungs- bzw. Vermarktungsmengen an die Übertragungsnetzbetreiber (vor Einführung des Intraday-Handels geschah dies am Vortag auf Basis der dann vorliegenden Prognosen für Verbrauch und Erzeugung). Sofern die Prognosen aller Marktakteure bzw. Bilanzkreisverantwortlicher (BKV) sich im Saldo als unzutreffend erweisen, kommt es zu Über- bzw. Unterdeckungen im Stromnetz. Diese werden von den Übertragungsnetzbetreibern durch Einsatz von Regelenergie ausgeglichen, welche  von präqualifizierten Erzeugungs- oder Verbrauchsanlagen (z.B. auch Kühlhäusern) erbracht werden. Der Bedarf an Regelenergie wird nach genauen Vorgaben der Bundesnetzagentur ausgeschrieben.

Es gibt drei Regelenergiearten: „Primärregelenergie“, „Sekundärregelenergie“ und „Minutenreserve“. „Positive Regelenergie“ bedeutet die (zusätzliche) Erzeugung von Strom bzw. Reduzierung von Verbrauch, „negative Regelenergie“ bedeutet geringere Erzeugung oder höherer Verbrauch. Vergütet wird nicht nur die Strommenge bei einem Abruf der jeweiligen technischen Einheit, sondern auch die Bereitstellung in Form von Leistungspreisen. In der Regel werden technische Einheiten zu Pools zusammengeschlossen und von einem spezialisierten Vermarkter gemanagt.

Für Kälteanlagenbetreiber kommt am ehesten die Minutenreserve (MR) in Frage, weil die Anforderungen bei der Sekundärregelenergie sehr anspruchsvoll sind. Bei MR muss der Lasthub auf Anforderung innerhalb von 15 Minuten erfolgen. Die Abrufhäufigkeit ist sehr gering.

Vermarktet wird je 4-Stunden-Zeitscheibe, beginnend mit 0 Uhr. Das Preisniveau ist seit 2008 um über 90 % gesunken, die Leistungspreise für positive MR sind praktisch bei Null. Seit jeher ist es zudem so, dass die Preise für positive MR von 8 bis 20 Uhr an Werktagen hoch sind. In diesen Zeiten fährt eine Kälteanlage aber wegen der Spotoptimierung und/oder der atypischen Netznutzung ohnehin mit niedriger Last und kann diese nicht weiter absenken, so dass sich die verschiedenen Optimierungsmöglichkeiten gegenseitig weitgehend ausschließen.

Insgesamt ist die Teilnahme am Regelenergiemarkt für Kälteanlagenbetreiber zurzeit nicht wirtschaftlich.

Jüngste und künftige Veränderungen

Prognosen am Tag vorher, insbesondere für regenerative Stromerzeugung, haben sich als zu unpräzise erwiesen. Die Prognoseabweichungen würden das Regelenergievolumen deutlich erhöhen. Daher hat sich in den letzten Jahren der Intraday-Handel etabliert, der in der zeitlichen Reihenfolge zwischen Day-Ahead-Handel und Regelenergieeinsatz liegt.

Die Preise im fortlaufenden Handel für eine Lieferperiode können sich innerhalb kurzer Zeit drastisch ändern, je nachdem ob gerade zu viel oder zu wenig Strom im System ist. Diese hohen Preissprünge lassen sich im Rahmen der Lastoptimierung nutzen. Allerdings müssen Laständerungen dazu sehr schnell erfolgen. Da die Preissprünge zudem eher selten auftreten (meist bei sehr viel Wind), lohnt sich eine Umsetzung an Standorten der Größe eines Kühlhauses derzeit noch nicht. Zudem gibt es methodische Schwierigkeiten, zu bestimmen welche Vergütung der Kunde für seine Optimierung erhalten soll.

Die Stunde als kleinste handelbare Zeiteinheit hat sich angesichts der steilen Lastflanken als unzureichend erwiesen, so dass der Intraday-Handel weitgehend auf Viertelstunden beruht.

Ende 2014 wurde an den Strombörsen für Deutschland die Viertelstundenauktion im Day-Ahead-Handel eingeführt (zunächst an der österreichischen EXAA, dann auch an der EPEXSpot). Dort wird ein Preis für alle Marktteilnehmer ermittelt (im Gegensatz zum fortlaufenden Handel, bei dem es im Laufe der Zeit Geschäfte zu unterschiedlichen Preisen gibt). Der Marktpreis aus der Auktion kann als Referenzpreis für die Weiterberechnung an Dritte verwendet werden.

Während die EPEXSpot-Stundenpreise im Vergleich zu früheren Jahren nur noch eine geringe Spreizung aufweisen (Bild 3), weist der typische Viertelstundenpreisverlauf eine viel deutlichere Spreizung auf (Bild 4). Außerdem liegen hohe und niedrige Preise zeitlich viel enger beieinander, so dass schon mit kurzen Zeiten der Lastreduzierung Hochpreiszeiten umgangen werden können. Insgesamt ist das Optimierungspotenzial deutlich höher als bei den Stundenpreisen.↓

Im Übrigen funktioniert die Lastoptimierung nach Viertelstundenpreisen genauso wie nach Stundenpreisen. Da an der EXAA Viertelstunden- und Stundenauktion zudem integriert sind, können bei gesteuerter Fahrweise die Viertelstundenpreise nie nachteilig gegenüber den Stundenpreisen sein.

Als Folge des Intraday-Handels ist das benötigte Regelenergievolumen (bei gleichzeitig höherem Angebot) deutlich zurückgegangen, weswegen auch die Preise am Regelenergiemarkt so stark eingebrochen sind.

Lastoptimierung wird inzwischen als Demand Side Management (DSM) bezeichnet. Unter diesem Namen verspricht sich die Politik sehr viel. Inzwischen gibt es spezialisierte Anbieter, die Verbrauchern davon auch (viel zu) viel versprechen. Tatsächlich sind die Potenziale von DSM aus Kundensicht in den letzten Jahren deutlich gesunken.

Inzwischen ist auch der Verlauf der Spotpreise über den Tag nicht wie vorher weitgehend nachfragegetrieben und an gleichen Tagestypen gleich. Vielmehr wird der Verlauf mehr und mehr von der Einspeisung aus Wind und Sonne überlagert und wird damit auch an immer mehr Tagen immer mehr vom Standardmuster abweichen. Dadurch nimmt auch die Spreizung der Spotpreise wieder zu, was die Spotoptimierung attraktiver macht. Außerdem ist der Unterschied im Tagesspotpreisniveau zwischen Tagen mit hoher regenerativer Einspeisung (vor allem durch Windkraft) und solchen ohne substanzielle Einspeisung jetzt schon groß und wird in Zukunft noch größer werden.

Die nächsten Änderungen im Strommarktdesign sind im Weißbuch der Bundesregierung skizziert. Die für die Lastoptimierung wichtigsten Punkte sind:

Es wird keine Kapazitätsmärkte geben, vielmehr soll dies der Markt richten. D. h. in Zeiten, in denen es Kapazitätsengpässe gibt (Knappheitszeiten), soll der Preis am Spotmarkt weit über die Grenzkosten des letzten zum Einsatz kommenden Kraftwerkes hinaus steigen (sog. Mark-Up), bis hin zu ein paar Tausend Euro/MWh (wie in den Jahren 2005 bis 2008). Diese Spotpreise sollen bei den Verbrauchern auch ankommen, so dass diese ggfs. ihren Verbrauch anpassen. In den nächsten ein bis zwei Jahren ist mit solchen Preisspitzen noch nicht zu rechnen, aber längerfristig schon.

Die Netzentgeltstruktur soll zugunsten höherer Leistungspreise und niedrigerer Arbeitspreise verändert werden, wodurch der Vorteil aus einer atypischen Netznutzung steigen würde. Die Hochlastzeitfenster (HLZF) sollen sich stärker an den Knappheitszeiten am Spotmarkt orientieren. Da diese Zeiten nicht schon ein Jahr im Voraus bekannt sind, sollen die HLZF künftig wöchentlich, langfristig sogar täglich bekannt gegeben werden. Dies wird zu kürzeren, eventuell auch selteneren HLZF führen und dazu, dass diese im Winter in den Stunden liegen, in denen wegen der Spotoptimierung eine Kälteanlage ohnehin mit niedriger Last fahren sollte.

Da die Spotpreisspreizung derzeit zu gering ist, um für Verbraucher einen hohen Anreiz zur Lastverlagerung zu bieten, soll dieser Anreiz verstärkt werden. Hierfür sollen Abgaben und Steuern auf Strom (allen voran die EEG-Umlage) nicht mehr zu jeder Zeit gleich hoch sein, sondern dynamisiert werden. In Zeiten hoher Spotpreise gibt es dann eine hohe EEG-Umlage und bei niedrigen Spotpreisen eine niedrige EEG-Umlage. Diese Maßnahme wird den Einspareffekt aus der Spotoptimierung mehr als verdoppeln.

Der Zugang zum Regelenergiemarkt soll weiter vereinfacht werden, um das Angebot noch zu vergrößern. Da es ohnehin schon massive Überkapazitäten gibt, wird das Preisniveau hier auf Jahre hin nicht steigen, so dass dieses Segment für Kälteanlagenbetreiber unattraktiv ist.

Energiespeicher

In der Diskussion um Energiespeicher gibt es bislang nicht einmal klare Begriffsdefinitionen, weswegen viel aneinander vorbei geredet wird. Zudem sind die Zeithorizonte bzw. Anteile an regenerativer Stromerzeugung, die zugrunde gelegt werden, völlig unterschiedlich. Stromspeicher gibt es nicht. Strom wird in elektrochemische (Batterien), chemische (z.B. Methan oder Wasserstoff), mechanische (z. B. Pumpspeicherwerk) oder thermische Energie umgewandelt und dann gespeichert. Aus diesen Energieformen muss dann erst wieder elektrische Energie erzeugt werden. Beide Umwandlungsvorgänge sind mit energetischen Verlusten verbunden. Bei einer Speicherung in Form von thermischer Energie findet normalerweise keine Rückumwandlung in elektrische Energie statt, vielmehr wird die thermische Energie (Wärme oder Kälte) als solche vor Ort zeitversetzt verbraucht.

Im Kurzfristbereich von Millisekunden bis zu einer Stunde, also dem Bereich von Primär- und Sekundärregelenergie, gibt es derzeit überhaupt keinen Bedarf. Anders sieht die Situation aus, wenn immer mehr konventionelle Kraftwerke vom Netz gehen, die bislang diese Regelenergie erbracht haben. Für Primärregelenergie bieten sich Batterien, also elektrochemische Energiespeicher an, ob stationär oder verbaut in Fahrzeugen. Im Gegensatz zu anderen Speichern können sie extrem schnell zwischen Laden und Entladen umschalten. Für die Bereitstellung von Regelenergie im Tagesverlauf haben sich seit Jahrzehnten Pumpspeicherkraftwerke bewährt. Die Spreizung der Spotpreise ist allerdings derzeit so gering, dass selbst diese nicht wirtschaftlich betrieben werden können. Am wirtschaftlichsten dürften hier DSM-Maßnahmen sein, um tageszeitliche Schwankungen auszugleichen. Alternativ werden „Stromüberschüsse“ in Warmwasser- oder anderen Wärmespeichern umgewandelt (Power-to-Heat) und verdrängen dort fossile Energieträger. Entscheidend ist, welche Lösung am Ende am wirtschaftlichsten ist, was wiederum von politischen Vorgaben abhängt.

Wochenspeicher, die den Unterschied zwischen Wochenenden und Werktagen oder zwischen windigen und windstillen Tagen ausgleichen, fehlen bislang. Für Kühlhäuser ist der Zeithorizont zu lang, für Pumpspeicherkraftwerke ist das Potenzial zu gering, Batterien und Umwandlung in chemische Energie sind zu teuer. Dementsprechend hat die Spreizung der Tagesspotpreise in den letzten Jahren zugenommen.

Langfristspeicher stellen einen saisonalen Ausgleich über mehrere Wochen hinweg her. Hierfür eignen sich entweder Speicherwasserkraftwerke in den Alpen oder in Skandinavien, die zu Pumpspeichern umgebaut werden, oder die Umwandlung in Chemische Energie. Die Nutzung von weit entfernten Speicherwasserkraftwerken würde sehr viele und sehr lange Stromübertragungsleitungen erfordern. Als chemische Energie kommen Wasserstoff oder synthetisches Methan in Frage. Die Wirkungsgrade bei der Umwandlung sind hier sehr niedrig. Dafür sind bestehende Gasspeicher nutzbar und Wasserstoff bzw. Methan können im Wärme- oder Verkehrssektor genutzt werden.

Für alle Speichertechnologien gilt: Noch gibt es keinen Bedarf, erst in mehr als zehn Jahren. Damit handelt es sich um ein Thema für die Forschung, nicht für die aktuelle Praxis.

Lastoptimierung 2.0

Aus den dargestellten Änderungen ergeben sich folgende Schlussfolgerungen:

1. Lastoptimierung wird in den nächsten Jahren dort, wo sie möglich ist, unverzichtbar sein, um wettbewerbsfähige Stromkosten zu haben.

2. Die Fahrweise muss täglich angepasst werden, d.h. die bisherige statische Einstellung der Fahrweise muss einer dynamischen weichen.

3. Die Ermittlung der optimalen Fahrweise unter Berücksichtigung aller Vermarktungsoptionen ist ein komplexer Vorgang.

4. Der für die tägliche Anpassung der Fahrweise erforderliche Datenaustausch zwischen Kunde und Stromlieferant kann nur automatisiert erfolgen und erfordert eine enge Vernetzung.

Um die optimale Fahrweise ermitteln zu können, müssen die HLZF berücksichtigt werden und eine Preisprognose im Viertelstundenraster zur Verfügung stehen. Daneben müssen die technischen Fähigkeiten der Kälteanlage bzw. des Kühlhauses modelliert werden:

Wie lange insgesamt kann die Last am Tag abgesenkt werden?

Wie lange kann die Last am Stück abgesenkt werden?

Wieviel Zeit muss mindestens zwischen zwei Lastreduzierungen liegen?

Welche Zeiten können gar nicht zur Lastreduzierung genutzt werden?

Diese Fragen lassen sich nur in Abhängigkeit von Tagestyp, Jahreszeit und Temperatur beantworten. Insgesamt ergibt sich ein Datenaustauschmodell, wie in Bild 5 dargestellt.

Die Umsetzung der Lastoptimierung in der Kälteanlagensteuerung vor Ort wird in den meisten Fällen Investitionen erfordern, zumindest eine Umprogrammierung, die die vom Stromlieferanten vorgegebenen Zeiten miteinbezieht. Ob sich diese Investitionen rechnen, kann nur von Fall zu Fall grob abgeschätzt werden. In Bild 6 sind die wirtschaftlichen Auswirkungen, die aus der Spotoptimierung (Viertelstunden) resultieren, dargestellt. Haupteinflussgröße ist die Gesamtdauer, für die die Anlage pro Tag abgeschaltet werden kann, wobei der Vorteil degressiv zunimmt. Wenn die Dynamisierung der Abgaben den Spotpreiseffekt verstärkt, lassen sich mit insgesamt sechsstündiger Abschaltung und 2 Mio. kWh Stromverbrauch (für die Kälteanlage) 18.000 €/a sparen. Außerdem sind die heutigen (weiter steigenden) Vorteile aus der atypischen Netznutzung, die in der gleichen Größenordnung liegen, ohne die Lastoptimierung 2.0 nur mit hohem manuellem Aufwand zu erhalten: nämlich durch wöchentliches bzw. später tägliches Abrufen der HLZF und Eingabe in die Kühlhaussteuerung.

Zusammenfassung

Bereits seit Jahren gibt es für Kälteanlagenbetreiber interessante Möglichkeiten, durch Lastverlagerung die Stromkosten zu senken. Es ist aber schwierig, hierfür geeignete Anbieter zu finden. Aktuell befinden sich die Einsparpotenziale auf einem niedrigen Niveau, werden jedoch infolge von Änderungen im Strommarktdesign und der weiteren Zunahme regenerativer Stromerzeugung in den nächsten Jahren wieder deutlich ansteigen. Allerdings wird die Erschließung dieser Potenziale komplizierter als bislang und setzt Investitionen voraus.

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