Modellbasiertes Design von hochenergieeffizienten und leistungsstarken Wärmepumpen

Energieeffiziente Wärmepumpen für den Gebäudebestand mit dem Low GWP Kältemittel R-454C

Am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE wurde ein thermo­dynamisches Modell eines Wärmepumpensystems entwickelt. Durch die Variation mehrerer Parameter kann dieses Wärmepumpen-Modell Herstellern helfen, leistungsstarke Wärmepumpen für einen energieeffizienten Betrieb zu entwickeln. Das Modell wurde für das HFO-basierte Kältemittel Opteon XL20 (R-454C) mit niedrigem Treibhauspotenzial validiert. In diesem Beitrag werden das thermodynamische Modell und die Haupteinstellungen, die die Leistung eines Wärmepumpensystems in Bezug auf Leistung und Energie­effizienz beeinflussen, vorgestellt.

Das Heizen und Kühlen in Gebäuden macht etwa 40 % des Endenergieverbrauchs in der EU aus. Der größte Teil dieser Energie wird nach wie vor von fossilen Heizungssystemen bereitgestellt. Wärmepumpen sind die führende Technologie zur Dekarbonisierung und für die Elektrifizierung der Heizung. Eine Wärmepumpe mit einem SCOP von 3,5 kann rund 70 % der CO2-Emissionen im Vergleich zu Öl- und Gaskesselsystemen einsparen. Für die Renovierung von Gebäuden sind die Anforderungen an eine Heizungsanlage anspruchsvoller als bei Neubauten, da in der Regel eine höhere Vorlauftemperatur für das vorhandene Heizkörpersystem erforderlich ist. Hier wird die Energieeffizienz noch wichtiger, da sie direkt den Energieverbrauch und die indirekten Emissionen während der gesamten Lebensdauer des Systems bestimmt.

Die Auswahl des Kältemittels und die Auslegung des Kältemittelkreislaufs von Wärmepumpen sind entscheidende Parameter für die Energieeffizienz des Systems. Das HFO-Kältemittel Opteon XL20 (R-454C) mit GWP 148 (AR4) ist ein besonders geeigneter Kandidat für Wärmepumpenanwendungen mit hohem Temperaturhub, wie z.B. bei Luft/Wasser-Wärmepumpen mit hoher Vorlauftemperatur (wie bei der Sanierung gefordert) in Gebäuden mit vorhandener Heizkörperanlage und für die Warmwasserbereitung. Für dieses Kältemittel sind heute Rollkolbenverdichter verfügbar, die eine Verflüssigungstemperatur von 65 °C bei einer Verdampfungstemperatur von -30 °C ermöglichen sowie eine Verflüssigungstemperatur von 75 °C bei Verdampfungstemperaturen von -10 °C bis 25 °C. Mit diesem weiten Verdichter-Arbeitsbereich können elektrische Heizungen für bivalente Unterstützung bei sehr niedrigen Umgebungstemperaturen vermieden und damit der System-SCOP erhöht
werden.

Frühere Drop-in-Tests mit unterschiedlichen Wärmepumpensystemen und verschiedenen Kältemitteln haben gezeigt, dass die Möglichkeiten des Kältemittels in Bezug auf die Heizleistung und die Energieeffizienz nicht voll ausgeschöpft werden kann, wenn die Auslegung des Kältemittelkreislaufs nicht gemäß den Eigenschaften des Kältemittels erfolgt. Aus diesem Grund wurde dieses Projekt initiiert, um die wichtigsten Systemparameter und Einstellungen für die Entwicklung vollständig optimierter Wärmepumpensysteme mit Opteon XL20 (R-454C) in puncto Energieeffizienz und Heizleistung zu ermitteln. Umfassende Messungen wurden am Fraunhofer-ISE-Institut ausgeführt und ein thermodynamisches Modell in Modelica Sprache, die auf der Dymola-Umgebung basiert, wurde entwickelt und anhand der Messergebnisse [1] validiert. Die Ergebnisse zeigen ein sehr großes Verbesserungspotenzial für die Wärmepumpe sowohl bei der Energieeffizienz als auch bei der Heizleistung unter Verwendung von R-454C und Optimierung o.g. Modifikationen (Verdichter, interner Wärmeübertrager, Überhitzungseinstellungen).

Messausstattung und Aufbau

Für die Tests wurde eine Sole-Wasser-­Wärmepumpe (B/W) verwendet. Die Wärmepumpe vom Typ SWCV 62H3 wird von der AIT Deutschland GmbH hergestellt. Sie arbeitet mit Kältemittel R-407C und hat eine Heizleistung B0W35 (EN 14511) von 3,32 kW und einen COP B0W25 (EN 14511) von 4.86. Um eine detaillierte Analyse des Systemverhaltens unter allen Betriebsbedingungen zu erfassen, wurden mehrere zusätzliche Sensoren (Temperatur, Druck) und zusätzliche Schaugläser ergänzt. Das thermos­tatische Expansionsventil wurde durch ein elektronisches Expansionsventil mit elektronischem Regler ersetzt. Die Heizleistung und der Sollwert für die Verdichter-Drehzahl konnte über die Service-Schnittstelle eingestellt werden.

Testserien

Um zu evaluieren, wie die Änderungen/Optimierungen der unterschiedlichen Komponenten des Kältekreislaufs die Leistung und Effizienz der Wärmepumpe beeinflussen, waren mehrere experimentelle Messungen notwendig. Zu diesem Zweck wurde ein Messplan bestehend aus vier verschiedenen Studienbereichen erstellt. Für jede der Studien wurde nur eine Modifikation des Kältekreislaufs angewandt. In jeder einzelnen Studie wurden mehrere Messungen unter verschiedenen Betriebsbedingungen ausgeführt. Jede Messung dauerte mindestens eine Stunde, um stabile stationäre Bedingungen beobachten zu können. Die unterschiedlichen Betriebsbedingungen wurden mit dem Ziel definiert, ein ausreichend breites Spektrum an Leistungen sowie Quellen- und Senken-Temperaturen für eine repräsentative Analyse abzudecken. Tabelle 1 enthält eine Zusammenfassung der ausgeführten Studien.

Die Betriebsbedingungen für die Studien A, B und C1 waren B0/W55 bei Verdichterdrehzahlen von 30, 50, 70 und 90 Hz und B-11/W55 bei 30Hz. Für die Studien C2 und D waren die Bedingungen B0/W55 und B0/W35 jeweils bei einer Verdichter Drehzahl von 30, 50, 70 und 90 Hz. Darüber hinaus wurde eine Reihe weiterer Bedingungen gemessen, um eine ordnungsgemäße Validierung des thermodynamischen Modells auch bei erweiterten Betriebsbedingungen sicher zu stellen.

Messergebnisse

Studie A: In dieser Studie wurden die Referenzwerte für alle weiteren Messungen und den Vergleich mit dem ursprünglichen Kältemittelkreislauf erstellt. Ein Vergleich zwischen den neuen und vorherigen Messungen zeigt, dass durch den Einbau der zusätzlichen Komponenten keine signifikanten Veränderungen im Verhalten des Kältekreislaufs auftreten.

Studie B: In dieser Studie wurde das Kältemittel durch R-454C ersetzt – der Kältekreislauf blieb unverändert („Drop-in“). Das EEV wird automatisch betrieben. Der Überhitzungsbezugspunkt befindet sich hinter dem Verdampfer. Die COP-Werte sind im Vergleich zu Studie A geringfügig niedriger. Auch alle anderen Betriebsparameter weisen nur geringe Abweichungen auf.

Studie C1: In dieser Studie wurde der R-407C-Verdichter durch einen für R-454C ausgelegten Verdichter ersetzt. Die Messungen wurden unter den gleichen Bedingungen wie in den Studien A und B ausgeführt. Um ein breiteres Spektrum an Betriebsbedingungen abzudecken, wurden zusätzliche Messpunkte hinzugefügt, die dann als Grundlage für die Parametrierung des Softwaremodells dienen.

Ergebnisse: Die Kapazität verbesserte sich um +0 bis +1,14 %. Auch der COP verbesserte sich um +0 bis +3 %. Die höchsten Verbesserungen wurden bei den größten Werten des Temperaturhubs
erzielt.

Studie C2: Für den zweiten Teil der Messreihe C wurde die Überhitzungsmessposition des Carel-Reglers hinter den IHX verschoben. Ziel dieser Maßnahme ist es, den Wert der „minimalen stabilen Überhitzung“ (MSS) und die Betriebsgrenzen des Kältemittelkreislaufs zu ermitteln. Die niedrigst mögliche Soleeintrittstemperatur lag bis zu dieser Serie bei ca. -12 °C. Um niedrigere Soletemperaturen zu ermöglichen, wurden zwei Sicherheitsmechanismen der Wärmepumpe deaktiviert und vier weitere Messpunkte hinzugefügt. In diesem Fall konnte eine Soleeintrittstemperatur von -16,5 °C erreicht werden.

Ergebnisse: Die Kapazität verbesserte sich um +3 bis +18 %. Der COP verbesserte sich um +3 bis +14 %.

Studie D: Für die Versuchsreihe D wurde der interne Wärmeübertrager auf Basis der Variationen des Simulationsmodells ausgetauscht. Die Grundvoraussetzung bestand darin, einen COP-optimierten Wärmeübertrager mit möglichst geringen Kosten auszuwählen. In der ursprünglichen Konfiguration wird ein Rohr-in-Rohr- Wärmeübertrager mit folgenden Spezifikationen verwendet: Länge: 150 mm, Außendurchmesser: 28 mm, Innendurchmesser: 22 mm, Material: Kupferrohr ohne Lamellen. Daher fiel die Wahl auf einen Rohr-in-Rohr-Wärmeübertrager mit den gleichen Rohrdurchmessern wie der ursprüngliche IHX, aber einer auf 300 mm vergrößerten Länge.

Ergebnisse: Die Kapazität verbesserte sich um +4 bis +8 %. Der COP verbesserte sich um +4 bis +7 %.

Modellentwicklung

Die Modellierung und Simulation der untersuchten Einheit wurde mit der Modellierungssprache Modelica mit der Anwendung Dymola durchgeführt. Die Komponenten und Kältemitteleigenschaften wurden aus der TIL-Suite und für Opteon XL20 (R-454C) übernommen. Alle Simulationen wurden auf einem Simulationsrechner des Fraunhofer ISE ausgeführt. Für die automatisierten Simulationen wurde das Python-Skript verwendet.

Das Modell wurde nach dem Schema der Wärmepumpe und den vom Wärmepumpenhersteller zur Verfügung gestellten Komponentendaten entwickelt. Die Hauptkomponenten wurden in verschiedenen Modellen vorgetestet. Bei der Auswertung der experimentellen Daten wurden unterschiedliche Effekte festgestellt, die einen Einfluss auf die Regelung und die Leistung der Wärmepumpe haben, so dass das Modell in verschiedenen Schritten verbessert wurde.

Für die drei experimentellen Tests, die für die Modellvalidierung in Betracht gezogen wurden (A, B und C), wurden drei verschiedene Modelle implementiert, um die Auswirkungen verschiedener Änderungen auf die Wärmepumpe zu identifizieren. Für die Wärmeübertragungs- und Druckverlustmodelle sowie für das Verdichter-Effizienzmodell können verschiedene Parameter angepasst werden, um das Wärmepumpenmodell zu validieren.

Zur Vervollständigung der Simulationsstudie am internen Wärmeübertrager waren weitere Modellierungen erforderlich, um die Effekte zu bewältigen, die während der ersten Tests beobachtet wurden: Rohre neben dem internen Wärmeübertrager wurden detaillierter modelliert. Für die Niederdruckstrecke wurden die Rohre mit der thermischen Grenze verbunden und die Druckdifferenz beider Seiten mit einem Druckdifferenzsensor überwacht. Auch die Regelungsstrategie des EEV wurde angepasst, so dass entweder die Überhitzung hinter dem Verdampfer oder der interne Wärmeübertrager genutzt werden konnte. Zusätzlich wurde ein minimaler stabiler Überhitzungszustand bis zum Sollwert des EEV-Reglers implementiert, um zu verhindern, dass die Wärmepumpe in einem instabilen Zustand arbeitet. Die Geometrie des internen Wärmeübertrager (IHX) wurde definiert und in der Simulationsstudie verwendet.

Simulationsstudien und
-ergebnisse

Der interne Wärmeübertrager wurde mit dem Ziel detailliert analysiert, die Leistung der Wärmepumpe zu erhöhen.

Studie 1: Unterschiedliche Länge des IHX bei unterschiedlichen Betriebsbedingungen mit festen Überhitzungseinstellungen des Verdampfers

Studie 2: Einfluss unterschiedlicher Überhitzungsreferenzen (hinter Verdampfer / hinter IHX)

Studie 3: Simulationen mit konstantem Soledurchfluss

Studie 4: Simulationen mit konstanten Temperaturunterschieden in der Sole

Studie 5: Simulationen mit unterschiedlichen IHX-Geometrien und höherer Überhitzung

Studie 6: Ergänzung zu Studie 5 einschließlich eines vernachlässigten IHX (IHX-Länge = 0)

Ergebnisse

Studie 1 hat eindeutig gezeigt, dass die Festlegung des Überhitzungswertes hinter dem Verdampfer die effektiv genutzte Oberfläche des Verdampfers begrenzt und es dem IHX somit nicht möglich ist, einen Teil der „nützlichen“ Überhitzung zu übernehmen. Studie 2 bestätigte, dass die Voreinstellung der IHX-Überhitzung und der variablen Verdampfer-Überhitzung die Verwendung einer größeren Verdampferoberfläche ermöglicht, was zu höheren Verdampfungstemperaturen und einem höheren Wirkungsgrad führt. Die Studien 3, 4 und 5 zeigten eine starke Abhängigkeit der Systemeffizienz von der IHX-Geometrie (Durchmesser und Durchmesserverhältnis) und der Länge (Oberfläche). Studie 6 ermöglichte es, die früheren Ergebnisse mit einem Kältemittelkreislaufsystem zu referenzieren, das keinen IHX verwendet.

Zusammenfassung und ­Schlussfolgerungen

Eine Sole-Wasser-Wärmepumpe, die für R-407C ausgelegt ist, wurde durch zusätzliche Messgeräte ergänzt und unter einer Vielzahl von Betriebsbedingungen getestet, die jeweils mit unterschiedlichem Systemaufbau ausgestattet sind, wobei für jede der fünf Messreihen (A, B, C1, C2, D) ein Parameter/eine Komponente geändert wurde. Es wurden drei Hauptparameter identifiziert, die einen relevanten Einfluss auf den Wirkungsgrad (COP) und die Heizleistung des Systems haben:

1. Der Verdichter, der für das Kältemittel konstruiert ist.

2. Der interne Wärmeübertrager, der für das System richtig ausgelegt ist.

3. Die Sauggas-Überhitzungsregelung, die die Überhitzung im Verdampfer reduziert.

Ein thermodynamisches Modell der Wärmepumpe wurde in der Sprache Modelica entwickelt und auf Basis der Messergebnisse validiert. Eine Reihe von Simulationen wurde ausgeführt, um die Abhängigkeit der Systemeffizienz und -kapazität von den drei identifizierten Modifikationen zu bewerten. Im Anschluss an die modellbasierte Optimierung des IHX wurde eine weitere Messreihe zur weiteren Validierung ausgeführt. Die Vorhersagen der modellbasierten Simulationen haben sich vollständig bestätigt.

Die Verbesserungen bei COP und Kapazität, basierend auf der Optimierung der drei ausgewählten Parameter, sind in Tabelle 2 dargestellt. Tabelle 3 zeigt die Bandbreite der Gesamtverbesserungen, die durch die gleichzeitige Optimierung aller drei Einstellungen erzielt wurden.

Das vollständig etablierte und validierte thermodynamische Modell kann nun für die Entwicklung von hochenergieeffizienten und leistungsstarken Wärmepumpensystemen mit dem Kältemittel R-454C verwendet werden, wodurch die Labortestzeit minimiert und die Entwicklungskosten gesenkt werden können.

Quellen

[1] FRAUNHOFER INSTITUTE FOR SOLAR ENERGY SYSTEMS, ISE: “CHEMOURS R-454C, Analysis and optimization of an R-407C brine-to-water heat pump for the usage with R-454C”, AN21-1044, (2023).

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