Kältemittelgemische auf Basis von CO2 – neue Testergebnisse
Praktische Erprobung in Tieftemperaturkälteanlagen und mobilen Klimaanlagen/Wärmepumpen
Kältemittelgemische aus Kohlendioxid (R-744) und fluorierten Komponenten nutzen die guten Eigenschaften von CO2 als Kältemittel, ermöglichen aber gegenüber R-744 sowohl weitere Einsatzgrenzen als auch höhere Effizienzen und damit niedrigere Energieverbräuche. Über die grundlegenden Entwicklungen und ermutigende erste Ergebnisse wurde bereits in KKA 2/2021 berichtet. Die praktische Erprobung sowohl in der Tieftemperaturkühlung als auch in mobilen Klimaanlagen/Wärmepumpen schreitet voran und die guten Ergebnisse bestätigen die Erwartungen. Im Folgenden werden neue Testergebnisse mit zwei Kältemittelgemischen aus Kohlendioxid und fluorierten Komponenten in stationären Tieftemperaturkälteanlagen und in der Klimaanlage/Wärmepumpe eines vollelektrischen PKW vorgestellt.
Klea 473A – Tieftemperaturkältemittel für Temperaturen bis -75 °C
Die Einsatzgrenze für R-744 im Tieftemperaturbereich ist durch den Tripelpunkt von CO2 nach unten begrenzt. Für Anwendungen in Klimasimulationskammern oder in der Tiefkühlung bei Kühlraumtemperaturen von -60 °C bis -70 °C ist reines R-744 daher nicht geeignet. Durch Zumischung von Fluorkohlenwasserstoffen zu R-744 können diese Temperaturen jedoch erreicht werden.
KLEA 473A ist ein Vierstoffgemisch aus R-1132a/R-23/R-744/R-125 (20 / 10 / 60 / 10 %) zur Anwendung in Kühltransporten and Klimakammern zwischen -60 °C und -70 °C. Das Gemisch ist nicht entzündlich und in die Sicherheitsklasse A1 eingestuft. Simulationsrechnungen ergeben eine gegenüber R-23 um 20-25 % höhere volumetrische Kälteleistung und ähnliche Kälteleistungszahlen wie mit R-23. Die Betriebsdrücke mit KLEA 473A sind etwa 10 % höher, die Verdichterauslasstemperaturen 10-20 K höher als mit R-23. Ein Vergleich der wichtigsten Daten von R-23 und KLEA 473A ist in Tabelle 1 gezeigt.
Verhalten beim Umfüllen und
bei Leckagen
KLEA 473A ist ein zeotropes Gemisch mit einem Gleit von etwa 4K. Im Hinblick auf die Handhabung beim Umfüllen und zur Beurteilung der Auswirkungen beim Entweichen ist die unterschiedliche Zusammensetzung von Kältemittelflüssigkeit und Kältemitteldampf in einem Behälter von Interesse. Zur Untersuchung wurde zunächst ein REFPROP-Modell für R-1132a entwickelt. Dazu wurden Messdaten zu Dampfdruck, kritischem Punkt, Flüssigkeits- und Dampfenthalpien im Bereich zwischen -80 °C und +150 °C und zwischen 1 bar und 200 bar herangezogen. Zusätzlich wurden Wärmeübergangseigenschaften zur Beurteilung des Verhaltens in Wärmeübertragern ermittelt. Mit Hilfe von 5 Datensätzen der binären Wechselwirkungsparameter für jedes binäre Paar im Kältemittelgemisch wurde dann ein Modell zur Simulation von Leckagen erstellt.
Die Abbildungen 1 und 2 zeigen die Simulation eines „Worst-Case“ Leckageszenarios und den Vergleich mit gemessenen Werten. Selbst in diesem “Worst-Case” gemäß den Vorgaben des Arbeitskreises ASHRAE-34 treten signifikante Änderungen der Zusammensetzung erst sehr spät auf, Konzentrationsverschiebungen aus Leckagen haben also keinen signifikanten Einfluss auf das Anlagenverhalten.
Trockeneisbildung bei tiefen
Temperaturen
Die Einsatzgrenze für R-744 im Tieftemperaturbereich ist durch den Tripelpunkt von CO2 nach unten begrenzt. Durch die Zugabe von fluorierten Gemischkomponenten zu CO2 kann die Temperatur, bei der die Trockeneisbildung einsetzt, gesenkt werden. Bei sehr niedrigen Temperaturen ist jedoch auch für diese Gemische eine Einsatzgrenze erreicht. Kleine Kristalle sind akzeptabel, da diese im Verdampfer sublimieren. Eine stärkere Trockeneisbildung kann jedoch die Funktion des Expansionsventils stören.
Zur Untersuchung der unteren Einsatzgrenze von KLEA 473A wurde bei Koura ein Simulationsmodell für die Vorhersage von Trockeneisbildung entwickelt. Nach dieser Simulation ist Trockeneisbildung bei mittleren Verdampfungstemperaturen unter -75 °C (1.5 bar absolut) möglich. Genauere Untersuchungen zur Trockeneisbildung sind zurzeit sowohl bei Koura als auch in externen Laboren in Arbeit. Bei Koura wurde hierzu ein biomedizinischer Gefrierschrank mit einem Schauglas versehen, um die Trockeneisbildung bei Temperaturen von -90 °C bis -60°C zu beobachten (Abbildung 3).
Im Schauglas lässt sich die Trockeneisbildung gut beobachten. Während bei -80 °C noch keine Trockeneisbildung zu beobachten ist (Abbildung 4 links), sind bei -81 °C (Abbildung 4 rechts) bereits kleine suspendierte „Eisflocken“ erkennbar. Die Eisbildung wird also erst deutlich unterhalb der vom Modell vorhergesagten Temperatur beobachtet.
Weitere Untersuchungen zur Materialverträglichkeit von KLEA 473A mit Polymeren und verschiedenen Schmierstoffen sind in Arbeit und teilweise bereits abgeschlossen.
Entwicklungskältemittel LFR3 für Klimaanlagen und Wärmepumpen
Reines R-744 wird in der Gewerbekälte, in Wärmepumpen und in mobilen Klimaanlagen bereits verbreitet eingesetzt. Durch die Kombination mit fluorierten Komponenten können die Nachteile von reinem CO2 wie die sinkende Effizienz bei hohen Umgebungstemperaturen und die hohen Drücke und Temperaturen gemindert werden. Auf dieser Basis hat Koura das Kältemittelgemisch LFR3 für den Einsatz in Klimaanlagen und Wärmepumpen entwickelt.
LFR3 ist ein ternäres Gemisch aus R-744 / HFKW / HFO mit einem GWP-Wert von 140 (AR5). Das Gemisch ist nicht entzündlich, die Kälte- und Heizleistung ist ähnlich wie mit R-744, die Leistungszahl (COP) jedoch 15-20 % besser und die Drücke 15-20 % niedriger als mit R-744. Über die Testergebnisse mit einer CO2-Klimaanlage der Mercedes S-Klasse wurde bereits in der KKA 2/2021 berichtet. Schon bei diesen ersten Tests konnten in einem Drop-In-Szenario deutliche Effizienzvorteile mit LFR3 gezeigt werden.
Die Entwicklungsarbeiten mit LFR3 sind fortgeschritten und unter anderem wurden auch Prüfstandtests mit LFR3 in einer Klimaanlage/Wärmepumpe aus dem Volkswagen ID3 bei der Ipetronik GmbH in Baden-Baden durchgeführt. Das System besteht aus einer ID3-Klimaanlage/Wärmepumpe mit Flüssigkeitskühlerkomponenten, die Anordnung auf dem Prüfstand erfolgte in realistischer Geometrie wie in einem Fahrzeug (Abbildungen 5-7). Getestet wurde sowohl im Klimaanlagen- als auch im Wärmepumpenmodus. Begonnen wurde mit für R-744 optimierten Gaskühlerdrücken. Anschließend wurde die Regelstrategie für LFR3 im Wärmepumpenmodus optimiert.
Die Betriebspunkte für den Klimamodus wurden wenn möglich gemäß SAEJ2765 definiert. Die Tests erfolgten im Klimamodus für Umgebungstemperaturen von 15 °C bis 60°C, im Wärmepumpenmodus wurde für Umgebungstemperaturen von 0 °C, -10 °C, und -20 °C getestet. Die Verdichterdrehzahl wurde ggf. zur Einhaltung der Einsatzgrenzen (130 bar/150 °C) für Drücke und Temperaturen sowohl mit R-744 als auch mit LFR3 begrenzt. Ein Anlagenschema der für die Untersuchung verwendeten Anlage ist in Abbildung 8 dargestellt.
Ergebnisse im Klimaanlagenmodus
Die ersten Untersuchungen mit LFR3 erfolgten bei Gaskühlerdrücken von 85 % der für R-744 optimalen Drücke. Die optimale Füllmenge ist für R-744 und LFR3 sehr ähnlich; daher wurde in allen Tests die gleiche Füllmenge sowohl für R-744 als auch für LFR3 verwendet. Da es keine SAE-Matrix für elektrische Verdichter und R-744 gibt, wurde eine auf der SAE-Matrix für den Klimamodus von HFKW-Klimaanlagen basierende Meßstrategie angewendet.
Eine Darstellung der Ergebnisse für COP und Kälteleistung (Capacity) zeigt Abbildung 9. Die gemessene Kälteleistung mit LFR3 war weitgehend ähnlich der mit R-744, bei hohen Umgebungstemperaturen zeigt LFR3 eine höhere Kälteleistung, da die Kälteleistung mit R-744 bei 45 °C und 60 °C durch die Einsatzgrenzen am Verdichterauslass limitiert ist. Die Kälteleistungszahlen (COP) waren im Klimamodus mit LFR3 durchweg deutlich besser als mit R-744. Die Verbesserungen lagen im Bereich von 14-21 %.
Die Ergebnisse für Temperaturen und Drücke von LFR3 („Blend“) und R-744 am Verdichtereinlass („suction“) und Verdichterauslass („discharge“) sind in Abbildung 10a und 10b dargestellt. Bemerkenswert sind hier besonders die deutlich niedrigeren Drücke mit LFR3 („Blend“).
Ergebnisse im Wärmepumpenmodus
Im Wärmepumpenmodus wurden verschiedene Regelungsstrategien für die Ventile untersucht und die optimalen Gaskühlerdrücke ermittelt. Für CO2 waren gegenüber der ursprünglichen Regelung kaum Verbesserungen bei Kälteleistung und Kälteleistungszahl (COP) möglich, bei LFR3 konnten jedoch durch eine optimierte Regelungsstrategie deutliche Effizienzsteigerungen erzielt werden. Während die Heizleistung mit LFR3 bei allen Temperaturen ähnlich wie mit R-744 war, konnten die Leistungszahlen (COP) mit LFR3 um bis zu 25 % gesteigert werden (Tabelle 2).
LFR3 ermöglicht im Heizmodus bei -20 °C Umgebungstemperatur eine Leistungszahl (COP) von über 2.0 und +50 °C Luftauslasstemperatur.
Zusammenfassung
Zwei Kältemittelgemische auf CO2-Basis wurden entwickelt und haben sich in den bisherigen Untersuchungen als attraktive Kältemitteloptionen erwiesen.
KLEA 473A ist ein Tieftemperaturkältemittel zum Ersatz von R-23 für Kühlraumtemperaturen von -60 °C bis -70 °C und zeigt bei zahlreichen Anwendern ermutigende Ergebnisse in der Erprobung. KLEA 473A zeigt nur einen geringen Gleit und ist unproblematisch in der Anwendung.
LFR3 ist ein Entwicklungskältemittel für den Einsatz in Klimaanlagen und Wärmepumpen. Es ist einsetzbar wie R-744, entwickelt aber niedrigere Drücke und ermöglicht einen effizienten Einsatz auch bei hohen Umgebungstemperaturen. Dies ist besonders attraktiv in Klimaanlagen/Wärmepumpen für das thermale Management in vollelektrischen Fahrzeugen. LFR3 zeigte in einer Klima-/Wärmepumpenanlage aus dem Volkswagen ID3 Kälte- und Heizleistungen wie mit R-744, ermöglicht aber eine deutlich höhere Effizienz und damit höhere Reichweiten. Es besteht Potential für weitere Verbesserungen durch Optimierung von Anlagen und Komponenten.