Besser als R-744!

Konzepte für weitere Einsatzgrenzen und höhere Effizienz

Kohlendioxid (R-744) wird zunehmend als nicht-entzündliches Kältemittel in einer ganzen Reihe von Kälte-und Klimaanwendungen eingesetzt. Seine physikalischen Eigenschaften begrenzen seine Anwendung allerdings in einigen Bereichen. Der Tripelpunkt von -57 °C setzt die untere Einsatzgrenze und die sehr hohe Drucklage sowie die verminderte Effizienz bei hohen Temperaturen mindern die Attraktivität für Klimaanwendungen. Die Kombination von R-744 mit Fluorkohlenwasserstoffen bietet ein Potential zur Erweiterung des Einsatzbereichs.

Koura (Mexichem) hat eine Reihe von Hybridkältemitteln aus R-744 und Fluorkohlenwasserstoffen für verschiedene Anwendungen untersucht. Diese Hybridkältemittel sind nicht-entzündlich und haben niedrige Erderwärmungspotentiale (GWP-Werte), bieten aber im Vergleich zu R-744 bessere Energieeffizienz, niedrigere Betriebsdrücke und erweiterte Einsatzgrenzen.

Im Folgenden werden diese Kältemittelentwicklungen erläutert und Ergebnisse für zwei Anwendungen, Tiefkühlung bis zu -75 °C und Klimaanlagen/Wärmepumpen, vorgestellt.

„Klea 473A“ – ein Kältemittel
für die Tiefkühlung bis -75 °C als Ersatz für R-23

Die Einsatzgrenze für R-744 im Tieftemperaturbereich ist durch den Tripelpunkt von CO2 nach unten begrenzt. Für klassische Anwendungen von R-23 wie Klimasimulationskammern oder Tiefkühllager bei Kühlraumtemperaturen von -60 °C bis -70 °C ist R-744 daher nicht geeignet. Kouras Konzept zur Erreichung dieser Temperaturen beruht nun auf der Kombination von R-744 mit Fluor­kohlenwasserstoffen.

Eine interessante Komponente hierfür ist R-1132a (1,1-Difluorethylen, CF2=CH2). Dieses Molekül hat einen Normalsiedepunkt von -83 °C, eine kritische Temperatur von +29,2 °C und ist gemäß ASHRAE-Klassifizierung in die Sicherheitsklasse A2 eingestuft. Ein Vergleich der Drucklagen von reinem R-1132a und reinem R-744 ist in Abb. 1 dargestellt.

R-1132a zeigt eine wesentlich höhere Affinität zu R-744 als andere Kältemittel vergleichbarer Drucklage, es ist also wesentlich mehr R-744 in R-1132a löslich. Ein Vergleich der Löslichkeit von R-744 in R-1132a, in R-116 (Hexafluorethan, Perfluorethan) und in R-170 (Ethan) ist in Abb. 2 dargestellt.

Durch die gute Löslichkeit von R-744 in R-1132a ist eine deutlichere Verschiebung der Trockeneisbildung zu niedrigeren Temperaturen (Gefrierpunktserniedrigung) möglich als mit R-116 oder R-170. Die Entzündlichkeit von R-1132a limitiert allerdings den Einsatzbereich binärer Gemische von R-1132a mit CO2. Für eine Einstufung in die Sicherheitsklasse A1 wäre in binären R-1132a/R-744-Gemischen ein maximaler R-1132a-Gehalt von etwa 25 % möglich. Daraus ergäbe sich allerdings nur eine geringe Erniedrigung des Gefrierpunktes.

Der maximale R-1132a-Gehalt in binären R-1132a/R-744 Gemischen für eine Einstufung in die Sicherheitsklasse A2L wäre etwa 45 %. Mit einem binären „A2L-Gemisch“ aus R-1132a und R-744 wäre ein Temperaturbereich von -75 °C erreichbar.

Die Einstufung in die Sicherheitsklasse A1 und gleichzeitig das Erreichen eines Einsatzbereiches von -75 °C wäre also mit einem binären Gemisch aus R-744 und R-1132a nicht möglich. Daher wurden nicht-entzündliche Mehrkomponentengemische untersucht. Die Identifizierung von Mehrkomponentengemischen mit der gewünschten Löslichkeit von R-744 erfolgte dabei durch ein auf Messungen gestütztes Simulationsmodell.

Diese Untersuchungen führten dann zu einem Gemisch aus vier Komponenten und mit ähnlichen Eigenschaften wie R-23. Für dieses Gemisch wurde Anfang 2021 vom zuständigen ASHRAE-Arbeitskreis die vorläufige R-Nummer R-473A vergeben. Das Gemisch besteht aus den Komponenten R-744, R-1132a, R-23, und R-125. Es ist geeignet für Kaskadenanlagen für Kühlraumtemperaturen von -50 °C bis -70 °C. Dabei dienen R-23 und R-125 zur Unterdrückung der Entzündlichkeit und zur Reduktion der Verdichtungsendtemperatur, R-1132a verhindert die Trockeneisbildung bei -75 °C und sorgt ebenfalls für eine Reduktion der Verdichtertemperatur. Die wesentlichen Eigenschaften von R-473A im Vergleich zu R-23 sind in Tabelle 1 dargestellt.

Kreislaufsimulationen ermöglichen den Vergleich von R-473A mit R-23 und die Ergebnisse daraus sind vielversprechend. R-473A zeigt bei einer angenommenen Verdampfungstemperatur von -70 °C ähnliche Kälteleistungszahlen wie R-23, bietet aber eine deutlich höhere volumetrische Kälteleistung (Abb. 3 und Abb. 4).

LFR3 – Entwicklungskältemittel für Klimaanlagen und Wärmepumpen

R-744 ist ein attraktives und mittlerweile vielfach eingesetztes Kältemittel in der Gewerbekälte, in Wärmepumpen und in mobilen Klimaanlagen. Nachteilig sind allerdings die sinkende Effizienz bei hohen Umgebungstemperaturen sowie die hohen Drücke und Temperaturen im Verdichter. Daher werden bei Koura auch für diese Anwendungen Mischungen von R-744 mit Fluorkohlenwasserstoffen untersucht. Ziel ist die Verbesserung der Effizienz und die Reduktion der Betriebsdrücke. Besonderes Augenmerk liegt dabei auch auf der effizienten Anwendung in Klimaanlagen und Wärmepumpen im komplexen thermischen Management von Innenraum und Batterien in Elektrofahrzeugen. Effiziente Kältemittel können hier zur Erhöhung der Reichweite bei Sicherstellung der Behaglichkeit für die Passagiere und der optimalen Temperierung der Batterien beitragen.

Das Entwicklungskältemittel LFR3 ist ein zeotropes (Verdampfergleit 4-6 K), nicht-entzündliches Gemisch mit einem GWP-Wert von unter 150 und wurde bereits in zwei Anwendungen getestet:

Luft/Wasser-Wärmepumpe für Wohngebäude.

PKW-Klimaanlage als Beispiel für Klimaanwendungen.

LFR3-Anwendungsbeispiel 1:
Wärmepumpe zur Heißwasserbereitung

Getestet wurde LFR3 in einer für R-744 ausgelegten „EcoCute”-Luft/Wasser-Wärmepumpe vom Typ „Mitsubishi EcoDan R-744“ in einem Drop-in-Test bei verschiedenen Betriebsarten. Als Beispiel sind die Ergebnisse für die Betriebsarten „Standard“ und „Warmwasserbereitung“ (DHW = Domestic Hot Water) in Abb. 5 und Abb. 6 dargestellt.

Die COP-Werte waren in allen Modi 15-30 % besser als mit R-744 und auch die Heizleistung war in den Betriebsarten „Standard” und „Warmwasserbereitung“ höher als mit R-744 (Abb. 5).

Wie in Abb. 6 dargestellt, sind die Betriebsdrücke im Gaskühler mit dem Gemisch LFR3 deutlich niedriger als mit R-744.

LFR3-Anwendungsbeispiel 2:
PKW-Klimaanlage

Getestet wurde LFR3 zunächst auf einem Prüfstand mit einer serienmäßigen CO2-Klimaanlage der Mercedes S-Klasse mit innerem Wärmeübertrager und Sammler zwischen Verdampfer und innerem Wärmeübertrager. Die Tests wurden bei Umgebungstemperaturen von 15 °C bis 50 °C bei verschiedenen Verdichtergeschwindigkeiten (Idle/Low/Medium/High) durchgeführt. Es erfolgten keine Hardware-Änderungen und es wurde die gleiche Füllmenge wie mit R-744 verwendet. Begonnen wurde mit einem „Drop-in“ Test und der für R-744 verwendeten Steuerung des Gaskühlerdrucks, danach erfolgte eine Optimierung des Gaskühlerdrucks für das Gemisch bei 35 °C Umgebungstemperatur. Die Ergebnisse sind in Abb. 7 und Abb. 8 graphisch dargestellt.

Die Ergebnisse zeigen mit „Blend“ LFR3 eine ähnliche Kälteleistung wie mit R-744, aber eine 10-15 % höhere Kälteleistungszahl. Die Absolutdrücke im Gaskühler waren um durchschnittlich 15 % niedriger und auch die Druckdifferenz im Verdichter war geringer (Abb. 9 und Abb.10)

Die an den Drop-In-Test anschließende Optimierung des Gaskühlerdrucks bei 35 °C Umgebungstemperatur und gleicher Temperaturdifferenz zwischen Luft und Gaskühler am Gaskühlerausgang wie mit R-744 erbrachte eine weitere Verbesserung der Kälteleistungszahl von LFR3. Diese lag nach der Optimierung um 20 % höher als mit R-744 (Abb.11). Dabei war der Betriebsdruck niedriger als mit R-744, die Kälteleistung war vergleichbar mit der von R-744.

Mittlerweile wurden auch Windtunneltests mit LFR3 in einem Fahrzeug (Mercedes S-Klasse) mit einer serienmässigen R-744-Klimaanlage durchgeführt. Ein Pull-Down-Test ist in Abb. 12 dargestellt. Die weiteren Auswertungen laufen zur Zeit.

Zusammenfassung

Die Kombination von R-744 mit Fluorkohlenwasserstoffen ermöglicht eine deutliche Erweiterung des Einsatzbereiches gegenüber reinem R-744 bei sehr niedrigeren Kühlraumtemperaturen und eine deutliche Leistungssteigerung gegenüber reinem R-744 bei hohen Umgebungstemperaturen. Im Vergleich mit R-744 bieten die untersuchten Hybridkältemittel eine attraktive Kombination von niedriger Entzündlichkeit bzw. Nichtentzündlichkeit mit guter Leistung und niedrigeren Drucklagen als mit R-744.

Mit R-473A wurde ein Kältemittel zum Ersatz von R-23 in Tieftemperatur-Kaskadenanlagen bis zu -75 °C entwickelt.

Das Entwicklungskältemittel LFR3 für den Einsatz in Klimaanlagen und Wärmepumpen ist ein weiteres ebenfalls auf R-744 basierendes Fluid mit gegenüber reinem R-744 deutlich verbesserter Effizienz. Die bis jetzt vorliegenden Ergebnisse sind vielversprechend. Durch die höhere Effizienz sind TEWI und LCCP (Life-Cycle Carbon Production) besser als mit R-744.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 02/2022

Kältemittelgemische auf Basis von CO2 – neue Testergebnisse

Praktische Erprobung in Tieftemperaturkälteanlagen und mobilen Klimaanlagen/Wärmepumpen

Klea 473A – Tieftemperaturkältemittel für Temperaturen bis -75?°C Die Einsatzgrenze für R-744 im Tieftemperaturbereich ist durch den Tripelpunkt von CO2 nach unten begrenzt. Für Anwendungen in...

mehr
Ausgabe 02/2015

Neue Kältemittelalternativen

GWP, Sicherheit und Energieeffizienz

Im April 2014 wurde in der EU die neue Verordnung (EU) Nr. 517/2014 des europäischen Parlaments und des Rates über fluorierte Treibhausgase verabschiedet. Die darin enthaltenen Regelungen besonders...

mehr
Ausgabe 02/2012

Ganz natürlich: Das Kältemittel R-744 – Kohlendioxid

Infos für Praktiker (Teil 7)

Manches synthetische Kältemittel hat in den vergangenen Jahren für Gesprächs- und Zündstoff gesorgt. Im Fahrwasser politischer Entscheidungen fielen so die Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe...

mehr
Ausgabe 04/2011

Ein neues Kältemittel für stationäre Kälteanlagen

Vergleichstest in britischem Supermarkt

Supermärkte in der ganzen Welt werden zunehmend kritisch betrachtet und müssen sich dahingehend rechtfertigen, wie umweltfreundlich und nachhaltig sie ihr Geschäft betreiben. Honeywell hat darauf...

mehr
Ausgabe 02/2011

Neues Kältemittel für Gewerbekälte

Erste Pilotanlagen in Betrieb

„Opteon XP10“ basiert auf dem für mobile Klimaanlagen inzwischen weltweit akzeptierten HFO-1234yf. Sein GWP-Wert liegt mit ca. 600 deutlich unter dem von R134a, es besitzt aber ähnliche...

mehr