Ganz natürlich: Das Kältemittel
R-744 – Kohlendioxid

Infos für Praktiker (Teil 7)

Manches synthetische Kältemittel hat in den vergangenen Jahren für Gesprächs- und Zündstoff gesorgt. Im Fahrwasser politischer Entscheidungen fielen so die Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW/H-FCKW) ihrem Ozonabbaupotenzial (ODP = Ozone Depletion Potential) zum Opfer. Doch auch die chlorfreien synthetischen Ersatzstoffe sind keine „Umweltengel“, denn viele verfügen über ein hohes direktes Treibhauspotenzial (GWP = Global Warming Potential). Eine Alternative ist das natürliche Kältemittel Kohlendioxid.

Kohlendioxid ist ein Kältemittel mit Vergangenheit und Zukunft. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts war Kohlendioxid (CO2, R-744) ein gebräuchliches Kältemittel. Vorwiegend in der Schiffskälte gewann es als „Sicherheitskältemittel“ gegenüber dem weitverbreiteten Ammoniak an Beliebtheit. Mit der Entwicklung synthetischer FCKW büßte es ab Mitte des 20. Jahrhunderts seine Bedeutung allerdings ein. Mit Beginn der Umweltdiskussion in der Kältetechnik jedoch rückte R-744 langsam wieder in den Fokus der Fachwelt. Die geringen direkten Umwelteinflüsse einerseits sowie innovative Kältetechnologie andererseits machen das natürliche Kältemittel Kohlendioxid heute wieder zu einer hochinteressanten Alternative.

In thermodynamischer Hinsicht zeichnet sich Kohlendioxid durch geringe Viskosität und gute Wärmeübergangswerte aus. Vor allem aber die volumetrische Kälteleistung ist durch die hohe Drucklage nicht zu überbieten.

Der Umgang mit R-744 und die sachgerechte, wirtschaftliche Anwendung setzen indes spezifisches Fachwissen voraus. Dieser Beitrag vermittelt Einblicke und skizziert entscheidende Rahmenbedingungen. Er ersetzt jedoch nicht das persönliche Gespräch. Hierfür bietet beispielsweise die Westfalen AG ein kompetentes Beratungsangebot und steht mit Rat und Tat bei Detailfragen zu konkreten Projekten bereit.

Ein ganz eigener Charakter: Chemische und physikalische Eigenschaften

Kohlendioxid ist unbrennbar, erstickt Flammen und ist deshalb auch als Feuerlöschmittel im Einsatz. Es reagiert mit anderen Stoffen, unter anderem mit Ammoniak. Das ist besonders bei der Planung und Errichtung von CO2-NH3-Kaskadenkälteanlagen zu berücksichtigen. Denn im Kaskadenwärmeübertrager mischt sich bei Undichtigkeit das unter höherem Druck stehende Kohlendioxid mit dem Ammoniak. Das dabei entstehende Ammoniumcarbonat – auch bekannt als Hirschhornsalz – kann zu irreparablen Anlagenschäden führen. Kohlendioxid und Wasser hingegen verbinden sich zu Kohlensäure (H2CO3), die korrodierend auf Kohlenstoffstahl (Verdichtergehäuse) und einige Buntmetalle wirkt. Kohlendioxid ist etwa 1,5-mal schwerer als Luft. Entweicht es unkontrolliert, fließt es in tiefer gelegene „Sammelbecken“ wie Kellerräume, Truhen oder Lichtschächte. Hohe Konzentrationen können bei geringer Luftbewegung aufgrund der erstickenden Wirkung gefährlich werden.

Von besonderer Bedeutung sind die von Druck und Temperatur abhängigen Aggregatzustände – vor allem Tripelpunkt und kritischer Punkt sind für die Kältetechnik wichtig: Oberhalb der kritischen Temperatur ist CO2 nicht mehr zu verflüssigen, unterhalb des Drucks am Tripelpunkt ist es entweder fest oder gasförmig. Diese Eigenschaften müssen unbedingt berücksichtigt werden: Während andere Kältemittel oft nach Evakuierung einer neuen Kälteanlage flüssig in die Hochdruckseite (Sammler) gefüllt werden können, ist das bei R-744 nicht empfehlenswert. Denn dabei würde sich in der Füllleitung sofort festes CO2 als Trockeneis bilden – Resultat:  Leitungsblockade. Die Füllung mit R-744 erfordert einen vorherigen Druckaufbau von deutlich über 5,2 bar absolut in der Anlage – das entspricht einer Manometeranzeige von mehr als 4,2 bar.

 

Achtung, Konzentration!

Kohlendioxid ist nicht giftig. In der Kältetechnik ist R-744 nach DIN EN 378 in die Sicherheitsgruppe A1, also als „nicht oder gering toxisch“ sowie „nicht brennbar“ eingestuft. Etwa 0,03 Volumenprozent befinden sich bereits in der Umgebungsluft. Dennoch erfordert der Umgang mit Kohlendioxid, das erstickend wirkt, Sensibilität. Denn es ist geruch-, farb- und geschmacklos und daher von den Sinnesorganen des Menschen praktisch nicht wahrzunehmen. Eine zu hohe CO2-Konzentration löst also keine Warnwirkung aus. Der Arbeitsplatzgrenzwert für Kohlendioxid beträgt 5000 ml/m3 (ppm) oder 0,5 Volumenprozent. Für Kälteanlagen mit R-744 ist der praktische Grenzwert nach DIN EN 378 auf 0,07 kg/m3 festgelegt.

Musterrechnung:

Die Freisetzung von 50 kg Kohlendioxid in einem Raum mit den Maßen 10 x 10 x 2,50 m erzeugt eine CO2-Konzentration von ca. elf Volumenprozent. Das wäre lebensbedrohlich. Nach dem in der DIN EN 378 fixierten Grenzwert darf die Füllmenge der in diesem Raum befindlichen Anlage 17,5 kg nicht überschreiten:

0,07 kg/m3 x 250 m3 = 17,5 kg

Das ist weniger als in vergleichbaren Anlagen mit synthetischen Kältemitteln.

 

Die Wirkung von Kälte und Druck

Der sicherheitsbewusste Umgang mit Kältemitteln zählt zum elementaren Repertoire eines Kältefachbetriebs. Anders als bei den gängigen synthetischen Produkten ist bei R-744 jedoch zusätzlich die Wirkung von Kälte und Druck zu beachten:

Tritt flüssiges Kohlendioxid aus, unterliegt es Atmosphärendruck und wandelt sich dabei sofort in Gas und Trockeneis um. Der Sublimationspunkt – also der Übergang vom festen in den gasförmigen Aggregatzustand – liegt bei -79 °C. Bei Hautkontakt können derart tiefe Temperaturen schwere Verbrennungen erzeugen. Denn das hochsensible menschliche Organ empfindet extreme Kälte ähnlich wie extreme Hitze. Die Haut reagiert deshalb auf Trockeneis ähnlich wie auf die „Begegnung“ mit einer heißen Herdplatte.

Wenngleich Trockeneis aussieht wie Speiseeis: Es ist definitiv nicht zum Verzehr oder als Eiswürfelersatz geeignet. Die tiefe Temperatur sowie der durch die Verdampfung entstehende Druck können irreparable Organschäden hervorrufen.

Im Umgang mit R-744 ist außerdem der vergleichsweise hohe Anlagen- und Flaschendruck zu berücksichtigen. Deshalb ist die Prüfung auf Druckfreiheit vor dem Öffnen einzelner Anlagenteile (Ventile, Rohrleitungen, Filter etc.) unabdingbar. Zwar gilt dieser Grundsatz generell für alle Kältemittel – Nachlässigkeiten können sich beim Einsatz von CO2 allerdings deutlich schwerwiegender auswirken.

 

So läuft’s: Inbetriebnahme von R-744-Anlagen

Für die Inbetriebnahme von R-744-Anlagen gelten grundsätzlich die gleichen Regeln, die auch beim Einsatz anderer Kältemittel zu berücksichtigen sind. Dazu zählen:

› Druckfestigkeitsprüfung,

› Dichtheitsprüfung,

› Funktions- und Sicherheitsprüfung,

› Konformitätsprüfung.

 

Nach dem Evakuieren erfolgt die Füllung mit R-744. Für jede Anlagengröße gibt es bei der Westfalen AG die passenden Gebinde:

Für kleinere Anlagen reicht bereits die 10 kg-Flasche. Dabei kann aufgrund der Druckunterschiede auf ein Tauchrohr-Ventil verzichtet werden. Bei größeren Systemen beschleunigt die Befüllung mit flüssigem R-744 den Füllprozess. Hierfür stellt die Westfalen AG zum Beispiel 33 Liter-Flaschen mit Doppelanschluss-Ventil bereit. Dieses Ventil ermöglicht die zunächst gasförmige Entnahme, um die Anlage auf einen Druck oberhalb des Tripelpunkts zu bringen. Danach kann das Kohlendioxid flüssig eingefüllt werden. Das schließt die Bildung von Trockeneis zuverlässig aus.

Bitte beachten Sie: Bei der Flüssigentnahme sollten keine Druckminderer verwendet werden!

Für die Befüllung besonders großer Kälteanlagen eignen sich Bündel mit zwölf Flaschen à 50 Liter Nennvolumen ideal. Um auch hier die Eisbildung sicher zu vermeiden, empfehlen wir, etwa ein Drittel der benötigten Füllmenge in Flaschen ohne Tauchrohr (für die gasförmige Entnahme) zu beziehen und diese zuerst in die Anlage zu füllen.

 

Ganz sicher: Wartung und Reparatur an R-744-Anlagen

Bei der Befüllung von Neuanlagen kann der Druck auf der Niederdruckseite nicht höher sein als der Flaschendruck. Das ist bei bestehenden Anlagen anders und muss deshalb bei Wartungs- und Reparaturarbeiten unbedingt berücksichtigt werden. Hier ist der Einsatz geeigneter Druckminderer sehr sinnvoll – vor allem, wenn der maximal zulässige Überdruck des Systems deutlich unter dem möglichen Flaschendruck liegt. Dieser ist wie bei anderen Kältemitteln temperaturabhängig.

Entscheidend ist der Regelbereich – gängige Druckminderer mit einer Spanne zwischen 0 und 20 bar gelangen hier sehr schnell an ihre Grenzen: Bereits bei einer Verdampfungstemperatur von -10 °C kann ein solches System den Druck in der Kälteanlage nicht mehr abdecken. Die Temperatur-Druck-Tabelle verdeutlicht die Relationen. Noch höhere Drücke herrschen in Anlagen, die länger außer Betrieb waren. Die Verwendung eines darauf ausgelegten Druckminderers ist hier unbedingt erforderlich. Wir empfehlen Entnahmesysteme mit einem Regelbereich zwischen 0 und 40 bar.

Der maximal zulässige Druck richtet sich nach der Schaltungsvariante: Handelt es sich um eine Pumpanlage mit teilverdampftem Kohlendioxid (Brine-System), um eine Kaskadenanlage oder um eine Anlage im transkritischen Prozess? Die Temperatur-Druck-Tabelle zeigt zum Beispiel, dass in Kaskaden-Systemen mit einer CO2-Verflüssigungstemperatur von -10 °C (Druck 26,5 bar) durchaus flüssiges R-744 bei 20 °C Umgebungstemperatur (Druck 57,24 bar) eingefüllt werden kann.

CO2 -Gebinde dürfen nicht an Anlagenteile mit höherem Druck als in der Gasflasche vorherrschend angeschlossen werden.

Die möglichen Folgen:

› Ist die Flasche mit einem Druckminderer ausgestattet, bekommt dieser den Druck von der falschen Seite, gegebenenfalls sogar in Verbindung mit flüssigem R-744.

› Ohne Druckminderer wird das Kohlendioxid in die Flasche gedrückt. Das kann einerseits zu Verunreinigungen mit Öl und anderen Stoffen führen. Andererseits besteht Berstgefahr aufgrund von Überfüllung.

 

Grundsätzlich ist es unerlässlich, vor dem Öffnen der Ventile den Anlagendruck zu ermitteln und laufend zu beobachten. Immerhin können die Druckverhältnisse im transkritischen Prozess leicht 100 bar und mehr betragen.

 

Qualität für Profis

Die Qualitätsanforderungen an Kältemittel sind in Deutschland in der DIN 8960 festgeschrieben. Allerdings: R-744 suchen Sie in diesem Regelwerk vergeblich. Leider – denn damit kann praktisch jede Kohlendioxid-Qualität als R-744 angeboten werden. Dabei zeigt die Erfahrung, dass bereits geringste Verunreinigungen zu Störungen, Korrosion, Materialabtragungen oder Säurebildung führen können. Vor allem der Feuchtegehalt ist ein entscheidender Faktor: Wie viel Wasser darf R-744 enthalten? Bekannt ist, dass ein zu hoher Gehalt zu Eisbildung führen kann. Darüber hinaus entsteht vor allem an Stellen mit hoher Strömung – wie Drossel oder Pumpe – sogenanntes Hydrat. Dieser Feststoff kann den Durchfluss blockieren. Zudem fördert Feuchtigkeit im Kohlendioxid die Säurebildung. Vor allem niedrig legierte Stähle reagieren darauf sehr empfindlich.

Die Westfalen AG hat einen internen Produktstandard festgelegt, der den Reinheitsgehalt für R-744 definiert und zugleich klare Grenzwerte für Fremdbestandteile setzt. Diese Westfalen-Spezifikation sichert die exzellente, einwandfreie, dokumentierbare und reproduzierbare Kältemittel-Qualität. Für Kältefachbetriebe ist das die Gewähr, jederzeit R-744 beziehen zu können, das uneingeschränkt für Kälteanlagen geeignet ist.

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