Wann ist Abwärme anrechenbar?

Berücksichtigung von Abwärmenutzung / Wärmeverschiebungen nach neuer DIN/TS 18599-7 im Kontext des GEG

Bisher war die gemeinsame Erzeugung bzw. Nutzung von Kälte und Wärme in der DIN V 18599 nur prinzipiell beschrieben. Kennzahlen lagen dazu nicht vor. Für die Abwärmenutzung und Wärmeverschiebung liegen zukünftig in der DIN/TS 18599-7 vereinfachte Bilanzierungsregeln vor, die zumindest für einige Standardnutzungen und Standardproduktkennzahlen eine energetische Bewertung ermöglichen. Somit stellen sich u.a. Fragen wie: Was wird unter dem Begriff „Wärmeverschiebung“ aus Sicht der Norm verstanden? Wie lassen sich in diesem Zusammenhang die Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) in der Praxis umsetzen? Der Beitrag geht dazu auf die Anforderungen des GEG ein und gibt einen Ausblick auf die bevorstehende neue Norm.

Neben der Nutzung von regenerativer Energie ist die Nutzung von Abwärme ein zentrales Element in der zukünftigen Energieversorgung für Gebäude. Zwei Aspekte engen die effiziente Nutzung von Abwärme jedoch ein. Dazu ein Blick auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG), in dem unter § 1, Absatz 1, zunächst der Begriff „unvermeidbare Abwärme“ genannt wird:

„Ziel dieses Gesetzes ist es, einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der nationalen Klimaschutzziele zu leisten. Dies soll durch wirtschaftliche, sozialverträgliche und effizienzsteigernde Maßnahmen zur Einsparung von Treibhausgasemissionen sowie der zunehmenden Nutzung von erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme für die Energieversorgung von Gebäuden erreicht werden.“

In § 3, Absatz 1, Begriffsbestimmungen, wird definiert, was Abwärme im Sinne dieses Gesetzes ist:

„Nummer 1: ‚Abwärme‘, die Wärme oder Kälte, die aus technischen Prozessen und aus baulichen Anlagen stammenden Abluft- und Abwasserströmen entnommen wird“,

„Nummer 30a: ‚unvermeidbare Abwärme‘, der Anteil der Wärme, der als Nebenprodukt in einer Industrie- oder Gewerbeanlage oder im tertiären Sektor aufgrund thermodynamischer Gesetzmäßigkeiten anfällt, nicht durch Anwendung des Standes der Technik vermieden werden kann, in einem Produktionsprozess nicht nutzbar ist und ohne den Zugang zu einem Wärmenetz ungenutzt in Luft oder Wasser abgeleitet werden würde.“

Abwärme kann also gemäß GEG auf den Anteil erneuerbarer Energie an der Wärmeerzeugung angerechnet werden, wenn sie unvermeidbar ist, wenn sie primär also aus einem industriellen oder produktions- oder produktspezifischen Umfeld stammt und irgendwie an ein Wärmenetz angekoppelt werden soll. Dies ist Voraussetzung dafür, dass sie für den geforderten Anteil von 65 % erneuerbarer Energie berücksichtigt werden darf. Abwärme aus Lüftungsanlagen gehört nur dazu, wenn sie über eine Wärmepumpe nutzbar gemacht wird. Ist Abwärme aus Gebäuden, die nicht aus produktspezifischen oder gewerblichen Quellen stammt, bspw. aus Innenzonen mit hohen Wärmelasten in Büros oder Verkaufsstätten, unvermeidbar und somit anrechenbar? Aus Sicht des Autors ist das der Fall, wenn die Abwärme dieser Raumluft über eine Wärmepumpe genutzt wird.

In der Begründung zum GEG Entwurf heißt es dazu:

„Die neu in § 3 Absatz 1 Nummer 30a geschaffene Definition von unvermeidbarer Abwärme stellt sicher, dass für eine Anrechnung auf die 65-Prozent-EE-Vorgabe nach § 71 nur Abwärme berücksichtigt wird, die tatsächlich unvermeidbar ist, deren Anfall sich also technisch nicht vermeiden lässt und die sonst einfach an die Umgebung abgegeben werden müsste. Keine unvermeidbare Abwärme ist Nutzwärme aus KWK-Prozessen nach § 2 Nummer 26 KWKG, während Wärme aus der Rauchgaskondensation von KWK-Anlagen unvermeidbare Abwärme ist. Unter dem tertiären Sektor werden etwa IT-Rechenzentren verstanden. Abwärme, die direkt in den Aufstellraum der Maschinen oder Geräte abgegeben wird, ist keine unvermeidbare Abwärme. Nicht-prozessbezogene Wärme aus Abluft, Raumluft oder Fortluft kann ausschließlich dann als unvermeidbare Abwärme angerechnet werden, wenn sie über eine Wärmepumpe nutzbar gemacht wird. Darüber hinaus zählt Abwärme aus nicht-prozessbezogener Abluft (z.B. über Abluft- oder RLT-Anlagen) nicht als unvermeidbare Abwärme. Faktisch ist die Definition außerhalb von bestehenden Wärmenetzen relevant, da bei einem Anschluss an ein bestehendes Wärmenetz auch andere Wärme als aus erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme zugelassen ist.“

Definitionen und Begründungen aus dem GEG führen also zu dem Schluss, dass ausgerechnet in typischen Gebäuden im Anwendungsbereich des GEG – also bei nicht produktionsbezogenen Energiemengen – die Anrechenbarkeit der Abwärme eng an die Nutzung mit einer Wärmepumpe gekoppelt ist. Aus Sicht des Autors ist das eine unverständliche Fixierung auf eine bestimmte Technologie, weil gerade diese Energiemengen beispielweise in der Wärmerückgewinnung von Lüftungsanlagen sehr viel effizienter genutzt werden können. Im Folgenden werden dazu die VRF-Technologie in Verbindung mit der Wärmepumpentechnologie und die Bewertungsmethoden für die Nutzung dieser unvermeidbaren Abwärme im Zusammenhang mit dem GEG vorgestellt.

Wärmeverschiebung

VRF-Systeme können gleichzeitig Wärme und Kälte bereitstellen, wenn dies für unterschiedliche Nutzungsbereiche eines Gebäudes erforderlich ist. Die Anbieter haben dazu verschiedene Systemlösungen mit 3-Leitersystemen und zugehörige Umschaltboxen im Angebot (Bild 1). Bei entsprechender Ausstattung und Einbindung sind Wärmepumpen oder Kältemaschinen also in der Lage, Wärme und Kälte gleichzeitig nutzbar zu machen und damit Wärme oder Kälte zwischen verschiedenen Nutzungsbereichen oder Prozessen zu „verschieben“ sowie die Abwärme zu nutzen.

Bewertungsmethodik mit DIN/TS 18599

In DIN V 18599 war bisher die gemeinsame Erzeugung von Kälte und Wärme nur prinzipiell beschrieben. Kennzahlen lagen dazu nicht vor, da die Zusammenhänge normalerweise nur in höherer Zeitauflösung (z.B. Stundenwerte) berücksichtigt werden können. Der energetische Nutzen ließ sich daher nur mit detaillierteren Simulationsverfahren darstellen. Ein Beispiel verdeutlicht diesen Zusammenhang: In einem Großraumbüro ist in den Innenzonen auch im Winter meist keine Heizung notwendig, vielleicht besteht hier sogar Kühlbedarf, während in Fassadennähe Heizbedarf besteht (Bild 2). Diese Anforderungen sind Last- und Nutzungsspezifisch und können sich stündlich ändern. Morgens Heizbedarf an der Fassade, mittags und nachmittags dann eher schon wieder Kühlbedarf bei Sonne oder Heizbedarf an trüben Tagen.

Per Simulationsberechnungen wurden in einer Studie des Instituts für technische Gebäudeausrüstung Dresden (ITG) verschiedene Anwendungsfälle und Nutzungsszenarien so aufbereitet, dass eine vereinfachte Bewertung über die Monatsbilanz möglich ist. Bild 3 zeigt beispielhaft die Zusammenhänge für die Abwärmenutzung aus einer Kältemaschine. In der Neufassung der DIN/TS 18599 Teil 7 werden verschiedene Nutzungsarten und die zugehörigen Standardkennwerte implementiert, sodass nach Veröffentlichung der Neufassung viele Fälle unter standardisierten Randbedingungen energetisch bewertbar sind. Folgende Verfahren und Nutzungsarten können dann über eine Monatsbilanz direkt bewertet werden:

Kältemaschine mit Abwärmenutzung für die Beheizung oder die Trinkwarmwassererzeugung,

VRF-System oder Wärmepumpensystem mit gleichzeitigem Heiz- und Kühlbetrieb in verschiedenen Zonen,

Nutzung der Abwärme aus Produktkühlung in Verkaufsstätten,

Nutzung der Abwärme aus Prozesskühlung in der Produktion.

Ausblick

Für die Abwärmenutzung und Wärmeverschiebung liegen zukünftig in der DIN/TS 18599-7 vereinfachte Bilanzierungsregeln vor, die zumindest für einige Standardnutzungen und Standardproduktkennzahlen eine energetische Bewertung ermöglichen. Die Neufassung der DIN/TS 18599 befindet sich derzeit in der Validierung und kann kurzfristig veröffentlich werden. Allerdings ist damit noch nicht geregelt, wie diese Verfahren dann im GEG-Nachweis tatsächlich verwendet werden können. Dafür sind mindestens die Verweise auf die Norm im GEG anzupassen. Der bisherige Verweis auf die DIN V 18599:2018 müsste ersetzt werden durch einen Verweis auf die Fassung DIN/TS 18599:Ausgabedatum. Wie und ob dies umgesetzt werden kann, ist derzeit noch offen. Aus Sicht der Normenersteller und der Industrie sollte zumindest die Aktualisierung auf die neue Fassung schnell erfolgen, denn neben den oben genannten Ergänzungen enthält die neue Norm weitere wichtige Ergänzungen und Änderungen. Sollte das Regelwerk erscheinen, ohne dass sich das GEG innerhalb kurzer Zeit darauf bezieht, würde bezüglich der Verwendung eine rechtliche Grauzone entstehen und die Softwarehäuser mit der Implementierung der Verfahren zögern. Eine ähnliche Situation bestand schon einmal, als eine aktualisierte Fassung der DIN V 18599 nicht in der damaligen EnEV in Bezug genommen wurde.

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