Potenzielle Energieeinsparungen ermitteln
Vorhersageanalyse für einen Supermarkt
Italiens größte Supermarktkette hat beschlossen, die Steuerung der thermomechanischen Systeme in seinen Filialen nachzurüsten, um den Energieverbrauch zu senken. Der Energieverbrauch dieser Systeme in Verbindung mit der Lebensmittelkühlung machte durchschnittlich 51 % der gesamten laufenden Kosten aus. Als Pilotprojekt diente eine Filiale in Pavia. Die durchgeführten Maßnahmen führten zu Stromeinsparungen von jährlich 13 % bei einer geschätzten Amortisationsdauer von lediglich zweieinhalb Jahren.
Die italienische Einzelhandelskette arbeitete in enger Partnerschaft mit dem Energiedienstleistungsunternehmen (ESCO) Energy Way zusammen. ESCOs sind Firmen, die Maßnahmen zur Optimierung der Energieeffizienz umsetzen, das damit verbundene Risiko übernehmen und sich im Auftrag des Kunden sowohl um die organisatorischen Abläufe als auch die Investitionen kümmern. Die resultierenden Kosteneinsparungen werden dann je nach Absprache zwischen dem ESCO und dem Endkunden aufgeteilt. Abgesehen von der direkten oder indirekten Finanzierung des Projekts sind die Einnahmen des ESCO von den effektiven Energieeinsparungen abhängig, die im Rahmen des Projekts erzielt werden, so dass eine starker Anreiz besteht, diesbezüglich das Maximum für den Kunden zu erreichen. Diese Art von Vereinbarungen bezeichnet man als Energieleistungsverträge (Energy Performance Contracting; EPC). Der heikelste Aspekt bei diesen Verträgen besteht darin, eine Referenzbasislinie zu definieren, anhand der die tatsächlich erzielten Einsparungen bestimmt werden, oder anders gesagt, die Auswirkung der verbesserten Energieeffizienz des Gebäudes oder Systems aufgrund der getroffenen Maßnahmen, anstatt die Auswirkung anderer beliebiger Variablen, die ebenfalls Einfluss auf den Energieverbrauch haben können (z. B. das Wetter).
Erster Schritt: Energieaudit
Nachdem man ein ausführliches Energieaudit durchgeführt hatte, ermittelte Energy Way drei kritische Bereiche mit potenziell höheren Energieeinsparungen: Klimageräte; Heiz-/Kühlsysteme und Beleuchtung. Die Unzulänglichkeit des Energieüberwachungssystems in den einzelnen Filialen sowie das Fehlen eines Benchmarking-Systems in der gesamten Kette wurden ebenfalls als kritische Bereiche ermittelt. Um ein neues System zu konzipieren und potenzielle Energieeinsparungen im Detail zu bewerten, zog das ESCO ein Unternehmen hinzu, das im Bereich Entwicklung, Installation, Instandhaltung und Betrieb von technologischen Systemen für Zivil- und Industrieanwendungen tätig ist.
Die geplante Lösung umfasste programmierbare Steuerungen, Benutzeroberflächen, Kommunikationsschnittstellen, Fernverwaltungssysteme und Cloud-Dienste, um HLK-Technikern ein leistungsfähiges und flexibles Steuerungssystem bereitzustellen, das sich sowohl problemlos mit den gängigsten Gebäudemanagementsystemen verknüpfen als auch in eigene Überwachungssystem integrieren lässt.
Entwicklung des neuen Systems: Vorhersageanalyse
Tatsächlich war eine ausführliche Analyse des Energieaudits die Entwicklungsgrundlage für das Verfahren, mit dem die Vorhersageanalyse der potenziellen Energieeinsparungen in verschiedenen Szenarien sowie der anschließende Vergleich zwischen den effektiven Energieeinsparungen und dem geschätzten Verbrauch ohne die Optimierungen durchgeführt wurden. Der resultierende Vergleich der erwarteten Vorteile in den verschiedenen Szenarien diente dazu, die Entscheidungen der Geschäftsführung zu untermauern.
Es wurden zwei Vorhersageanalysetechniken verwendet:
PLS-Regression, eine Erweiterung des multiplen linearen Regressionsmodells
Neuronale Netzwerke, eine auf selbstlernender Logik basierende nichtlineare Methode
Die Anwendung beider Methoden umfasste drei Phasen:
1. Schulung/Kalibrierung
2. Validierung
3. Prüfung
Die Schulungs- und Kalibrierungsphase dauerte von September bis November 2015. Die Phase wird in der Regel an einer 12-Monate-Datenbank durchgeführt; sollte die verfügbare Datenbank kürzer sein, muss der Algorithmus regelmäßig neu kalibriert werden, um eine hohe Vorhersagegenauigkeit zu gewährleisten. Ziel ist es, ein System zu schaffen, dass den Energieverbrauch basierend auf einer Reihe von Variablen vorhersagen kann: Temperatur, relative Feuchte, außen und innen; CO2-Gehalt; vorgesehene Supermarkt-Öffnungszeiten und Feiertage; Tag; Uhrzeit; Kalenderwoche. Das spezifische Merkmal, das diese Variablen gemeinsam haben, besteht darin, dass sie es ermöglichen, den Energieverbrauch basierend auf Daten zu prognostizieren, die nicht zum eigentlichen Gebäudesystem gehören, wie etwa die Bemessungsdaten der installierten Einheiten.
Nimmt man y als den effektiven und yfit als den prognostizierten Energieverbrauch, dann zeigte der erste, im Dezember durchgeführt Test einen Fehlergrad (y - yfit) / y von 0,1 % für beide Modelle (Bild 1). Tests beider Modelle bei einer Langzeitvorhersage zeigen jedoch, dass neuronale Netzwerke bessere Ergebnisse erzielen und einen geringeren statistischen Fehler von lediglich 0,4 % pro Tag aufweisen (Bild 2). Während neuronale Netzwerk immer noch die beste Vorhersagefähigkeit haben, kann die PLS-Methode akzeptable Ergebnisse bei der Kurzzeitvorhersage liefern und sich als wirksames Instrument erweisen, um zu quantifizieren, wie stark jede Variable die Zielfunktion (z. B. Energieverbrauch) beeinflusst.
Anhand dieser Modelle, die basierend auf historischen Energieverbrauchsdaten unter den Bedingungen vor den Optimierungsmaßnahmen kalibriert wurden, wurde im Anschluss an die Optimierungen und in Echtzeit die Energiemenge berechnet, die die Filiale verbraucht hätte, wenn die Optimierungsmaßnahmen nicht durchgeführt worden wären.
Technische Umsetzung
Das neue, in Bild 3 veranschaulichte Steuerungs- und Überwachungssystem hat eine pyramidenförmige Anordnung, beginnend mit den Steuerungen für die Einheiten in jeder einzelnen Filiale bis hin zum zentralen Fernüberwachungssystem für das gesamte Netz der angeschlossenen Filialen.
Programmierbare Steuerung
Wie zuvor identifiziert, wurde jede Komponente an einer der kritischen Stellen der Anlage mit einer für die „c.pCO“-Familie von Carel programmierbaren elektronischen Steuerung installiert. „c.pCO“-Steuerungen können drehzahlgeregelte DC-Inverter-Kompressoren steuern, die in Verbindung mit elektronischen Expansionsventilen eine breite Modulation der Heiz- und Kühlleistung gestatten und somit die Effizienz der HLK-Anlage basierend auf dem Bedarf und den verschiedenen klimatischen Bedingungen ganzjährig maximieren.
Die neue Programmiersoftware für die „c.pCO“-Steuerungen wurde als eine Reihe voneinander unabhängiger Module (eins für jede Entwicklungsphase einer HLK-Anlage) entwickelt. Benutzerkategorisierung bedeutet, dass ein Expertenteam aus unterschiedlichen Fachgebieten (Programmierer, Entwickler, Monteure und Wartungspersonal) zeitgleich gemeinsam am selben Projekt arbeiten kann, um die Arbeit der einzelnen Teammitglieder effizienter zu gestalten. Auch die Webschnittstelle der Steuerung variiert je nach Benutzerprofil, so dass sich die angezeigten Informationen und zulässigen Aktionen auf die jeweiligen Kenntnisse und Aufgaben des Benutzers abstimmen lassen.
Lokales Überwachungs- und Kontrollsystem
Die einzelnen elektronischen Steuerungen sind mit einem lokalen „PlantVisorPRO“-Überwachungssystem verbunden. Diese Überwachungs- und Verwaltungslösung gestattet die umfassende Kontrolle und Optimierung von Kühl- und Klimaanlagen. Sie hat eine Webschnittstelle, die individuell zur Anzeige und Konfigurierung des Systems angepasst werden kann, so dass vollständige Listen der Nur-Lesen-Variablen und Lesen-Schreiben-Parameter an jeder Steuerung bereitgestellt werden, um den Systemstatus zu überprüfen und Lagerabläufe zu konfigurieren. Verfügbar sind sowohl globale System- als auch detaillierte Geräteansichten.
Individualisierbare Berichte und Grafiken zeigen die Werte und Trends für alle erfassten Systemvariablen an. So kann der Benutzer bei Bedarf jederzeit Lagerdaten zur weitergehenden Analyse abrufen.
Weitere Hauptelemente des neuen Systems sind Energiemessgeräte, die präzise die wesentlichen elektrischen Parameter sowie die momentane und allgemeine Leistungsaufnahme und angeschlossenen Verbraucher messen.
Insbesondere der Systemenergieverbrauch wird in zeitgesteuerten Berichten bereitgestellt, die regelmäßig per E-Mail an benanntes Personal geschickt werden.
Zentrales Überwachungs- und Kontrollsystem
Das Überwachungssystem in den einzelnen Filialen wird dann über ein VPN mit einem zentralen Überwachungssystem verbunden, das die Spitze der Pyramide (Bild 4) darstellt. Das vorrangige Ziel der zentralen Datenerfassung besteht darin, durch die Möglichkeit eines direkten Vergleichs zwischen den verschiedenen Filialen im Netzwerk den Systembetrieb zu optimieren und so maximale Energieeinsparungen zu erzielen. Des Weiteren werden auch Störungen im Filialnetz sofort angezeigt, mit der Möglichkeit, diese ohne physikalische Präsenz vor Ort aus der Ferne zu beheben.
Steuerungs- und Modulationsgeräte im System
Die Steuerungsgeräte sind dafür verantwortlich, alle Temperatur-Luftfeuchte-Variablen zu messen und über die Produktion und Verteilung von Heiz-/Kühlflüssigkeiten die Umgebungsbedingungen zu verwalten.
Zu den einzigen Änderungen, die am Klimatisierungssystem (Klima- und Aufdachanlagen) vorgenommen wurden, gehörten zusätzliche Umrichter, um den Betrieb des Zuluftventilators (und ggf. Abluftventilators) zu regulieren.
Ergebnisse
Das Pilotprojekt wurde in einem mittelgroßen Supermarkt in der Provinz Pavia umgesetzt. Nach der Erstinbetriebnahme im Dezember 2014 war das neue System Anfang 2015 dann vollständig betriebsbereit. Dies bot die Möglichkeit, mindestens eine Filiale ein ganzes Jahr lang mit dem neuen System in Betrieb zu haben. Noch im selben Jahr wurde das System in weiteren acht Filialen implementiert, wobei es in zwei davon noch installiert werden muss.
Tabelle 1 zeigt die Filialen, bei denen das neue System mindestens vier Monate lang in Betrieb ist. Dennoch ist die einzige Filiale, die einen schlüssigen Vergleich zwischen Ergebnissen und Erwartungen zulässt, das Pilotprojekt in Pavia, und zwar aus zwei Gründen:
es ist die einzige Filiale, bei der das neue System seit zwölf Monaten in Betrieb ist;
bei einigen der analysierten Filialen wurden weitere Optimierungsmaßnahmen wie Gebäudesanierungen oder Nachrüstungen der Beleuchtungsanlage vorgenommen, was es schwierig macht, die Auswirkungen des neuen Steuerungssystems isoliert zu betrachten.
Besonders signifikant ist der erste Punkt, weil der Sommer 2015 um durchschnittlich 2,07 °C wärmer als der Sommer 2014 war. Die Ergebnisse der Filialen, bei denen das neue System im September realisiert wurde – alle recht gut und in einigen Fällen sogar über den Erwartungen – wurden durch diesen Faktor nicht beeinflusst. Tatsächlich verzeichneten die Filialen, bei denen keine Optimierungen am System vorgenommen wurden, 2015 einen um 8 % höheren Energieverbrauch als im Vorjahr.
In der Filiale in Pavia betrugen die effektiven jährlichen Einsparungen 7,48 % des gesamten Energieverbrauchs. Im Verhältnis zu den thermomechanischen Systemen, die bei dem Projekt nachgerüstet wurden und 58,3 % des Gesamtresultats ausmachen (Tabelle 1), betragen die Einsparungen 12,83 %. Bezüglich der Stromrechnungen pro Standort bedeuteten diese Resultate – die höher als erwartet ausfielen – Einsparungen von € 13.412 gegenüber Investitionen von € 35.000. Sollte sich dies in kommenden Perioden bewahrheiten – wobei der außergewöhnlich warme Sommer 2015 vermuten lässt, dass sich ohne Weiteres noch günstigere Bedingungen ergeben könnten –, würden sich die Investitionen innerhalb von 2,6 Jahren amortisieren, statt drei Jahren, wie ursprünglich veranschlagt.
Eine weitergehende, detaillierte Analyse der Ergebnisse war möglich, nachdem diese saisonbereinigt waren.
Ziel dieser Saisonbereinigung war es, den durchschnittlichen Energieverbrauch über das gesamte Jahr zu beziffern, um so den Einfluss eines außergewöhnlich hohen oder niedrigen Verbrauchs abzuschwächen, der bei besonderen Wetterbedingungen wie Hitzewellen oder Kälteeinbrüchen auftreten kann.
Die Daten wurden mit Hilfe der im ASHRAE-Standard beschriebenen Methode HDD18-CDD10 saisonbereinigt. Dieser Vorgang wurde für die Geschäfte in der Region Emilia durchgeführt, wo die Filialdichte am höchsten ist. Dazu gehörte es, basierend auf den Daten der jeweiligen Überwachungssysteme das durchschnittliche Auftreten der Kostenstellen „Lebensmittelkühlung“ und „Klimagerät“ (AHU) beim Gesamtenergieverbrauch in den einzelnen Filialen zu ermitteln. Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 zusammengefasst.
Anhand dieser Prozentzahlen wurde der durchschnittliche Energieverbrauch ermittelt, der sich diesen beiden Kostenstellen – beide höchst saisonabhängig – pro Monat und Filiale zuordnen lässt. Anschließend wurden alle Energieverbrauchsdaten, basierend auf den unterschiedlichen saisonalen Schwankungen der beiden analysierten Kostenstellen, einer Saisonbereinigung unterzogen. Das Ergebnis der Analyse ist in den Bildern 5 und 6 zusammengefasst.
Bild 5 zeigt den Vergleich der saisonbereinigten jährlichen Einsparungen in kWh unter allen analysierten Filialen. Wie man sieht, ist der Trend eindeutig positiv, abgesehen vom besonders heißen Sommer, in dem der Energieverbrauch gegenüber dem Vorjahr verständlicherweise gestiegen wäre. Zu beachten sind auch die monatlichen Auswirkungen durch die Umsetzung der verschiedenen Effizienzoptimierungsmaßnahmen, insbesondere im September 2015 für die Filialen Modena 2, Ferrara 1 und Ferrara 2 (sowie zuvor in Tabelle 1 zusammengefasst).
Erkenntnisse
Auch wenn derzeit weitere Ergebnisse noch erfasst werden, da bei den meisten der analysierten Beispiele die Optimierungsmaßnahmen erst in den letzten paar Monaten des Jahres 2015 abgeschlossen wurden, übertrafen die Energieeinsparungen des Pavia-Pilotprojekts die Erwartungen und garantierten eine Investitionsrendite innerhalb von nur zweieinhalb Jahren. Die Ergebnisse der übrigen Filialen, wenngleich über einen kürzeren Zeitraum, sind gleichermaßen ermutigend.
In absoluten Zahlen beliefen sich die Einsparungen in den sechs analysierten Filialen, von denen nur eine über das gesamte Jahr 2015 in Betrieb war, auf 440.107 kWh. In ökologischer Hinsicht bedeutet dies, dass 198 t weniger CO2 in die Atmosphäre ausgestoßen wurden.
Zusätzliche Einsparungen – deren Auswirkung sich im Einzelnen überprüfen lässt, was aber über den Rahmen dieser Fallstudie hinausgeht – konnten nachweislich im Hinblick auf den Erdgasverbrauch erzielt werden, der wegen einer effizienteren Steuerung der Heiz-/Kühlsysteme geringer ausfallen würde.
Das Projekt wurde beim Chillventa Award 2016 in der Kategorie „Gewerbekälte“ eingereicht und schaffte es auf die Shortlist der Jury. Auch 2018 wird es wieder einen Chillventa Award geben. Halten Sie schon 2017 Ausschau nach würdigen Projekten, die Sie einreichen können!