Der Weg zum Zero Energy-Supermarkt

Photovoltaik und energetische Optimierung des gesamten Marktes

Supermärkte zählen zu den Gebäuden mit dem höchsten Energieverbrauch. In Zeiten von teurer Energie und ambitionierten Klimazielen ist es notwendig, Einkaufsmärkte energieeffizient und Ressourcen schonend zu bauen und betreiben. Der Kältetechnik-Experte Maximilian Füreder erklärt, wie sich dieses Ziel erreichen lässt.

Wenn ein Markt bilanziell gleich viel Energie erzeugt, als er im Betrieb verbraucht, spricht man von einem Zero-Energy-Supermarkt. Wesentlich dabei ist die effiziente Nutzung der selbst erzeugten Energie (z.B. durch eine Photovoltaikanlage), die üblicherweise nicht ausreicht, um das Gebäude völlig energieautark zu betreiben. Der Fokus liegt daher in der ganzheitlichen Betrachtung und Optimierung des Energiesystems Supermarkt. Um die Möglichkeiten des Zero-Energy-Konzepts auszuloten, wurde in einem Pilotprojekt der Stromverbrauch eines bestehenden, modernen Marktes analysiert, inklusive der größten Einzelverbraucher Kälteanlage, Beleuchtung und Backöfen. Weiters wurden Optimierungsmöglichkeiten gesucht, um den Energieverbrauch zu senken und die Erzeugung zu erhöhen.

Energietechnische Analyse

Kälteanlage

Der Pilotmarkt besitzt eine optimierte CO2-­Kälteanlage mit Wärmerückgewinnung. Als Heizungsunterstützung dient eine inte­grierte Luftwärmepumpe. Die Wärmeabgabe erfolgt durch eine Industriefußbodenheizung. Die Gesamtkälteleistung der Kühlstellen beträgt 81,7 kW, wobei 66,4 kW auf die Normal- und 15,3 kW auf die Tiefkühlung entfallen. Im Markt sind zwei Kühlräume mit insgesamt 33 m² sowie zwei Tiefkühlzellen mit zusammen 24 m² verbaut. Des Weiteren gibt es Kühlmöbel für Normalkühlung mit 115,86 m² Displayfläche sowie Schränke für Tiefkühlung mit 34,96 m² Displayfläche. Die Anlage wurde mit 220 kg CO2 befüllt, die VDMA-Kennzahl beträgt 29,2 kWh/m² Display­fläche/Woche.

Betrachtet man den Energieverbrauch der gesamten Verbund-Kälteanlage, so zeigt sich in den Monaten Juli und August der höchste Verbrauch, verursacht durch hohe Außentemperaturen und die dadurch bedingte transkritische Betriebsweise. Ebenfalls erhöhter Stromverbrauch tritt in den Monaten Dezember und Januar aufgrund des höheren Heizwärmebedarfs auf. Im Frühling und Herbst ist der Energieverbrauch am niedrigsten, da die Kälteanlage im subkritischen Bereich arbeitet und wenig Heizwärme benötigt wird.

Wärmerückgewinnung

Die Wärmerückgewinnung erfolgt über das Hauser eco2ES-System in sechs Stufen:

Enthitzung über Wärmeübertrager

Druckerhöhung im Hochdruckteil durch Anstauung über das Hochdruckregelventil

Reduzierung der Drehzahl des Gaskühlerlüfters

Gaskühler-Bypass aktivieren

Zuschalten der Wärmepumpe

Aktivieren von externen Wärmequellen (E-Heizstäbe)

Energietechnisch ist es optimal, die benötigte Heizwärme aus den ersten vier Stufen zu generieren. Bei hohem Heizwärmebedarf ist ein Zuschalten der Wärmepumpe nötig. Bei sehr hohem Wärmebedarf, sowie als Back­up für einen Ausfall der Wärmepumpe, ist eine externe Wärmequelle installiert. In einer Auswertung (siehe Abbildung) zeigt sich, dass die Enthitzung aufgrund der Warmwasserbereitung fast das ganze Jahr in Betrieb ist, die Wärmepumpe und der Heizstab hingegen am wenigsten.

Photovoltaik-Anlage

Die bestehende Anlage auf dem Dach des Pilotmarkts hat eine Modulleistung von 72,6 kWp. Sie ist auf möglichst hohen Eigenverbrauch, also wenig Einspeisung, ausgelegt, südlich ausgerichtet und erzeugt somit in der Mittagszeit am meisten Energie. Bei Ausnutzung der gesamten Dachfläche könnten aber Module mit einer Gesamtleistung von 273 kWp installiert werden. Simuliert wurde damit ein Autarkiegrad von 63,7%. Zero Energy ist so also nur mit PV auf der Dachfläche des Markts nicht möglich. Zusätzlich wurde daher eine Parkplatzüberdachung mit 137 kWp-PV simuliert, die zu einer Gesamt-PV-Leistung von 411 kWp führen würde. Damit könnte eine bilanzielle Energieautarkie beim Pilotmarkt erreicht werden. Ein Zero-Energy-Supermarkt ist theoretisch also auch ohne Einsparungen möglich.

Beleuchtung

Ein weiterer großer Energieverbraucher in einem Supermarkt ist die Beleuchtung. Meist gibt es eine Drittelbeleuchtung, d.h. beim ersten Betreten eines Mitarbeiters wird nur ein Drittel des Lichts aktiviert, beim Auf­sperren erfolgt die vollständige Beleuchtung. Im Pilotmarkt kommen LED-Leuchtmittel zum Einsatz. Der leicht abweichende Energie­verbrauch lässt sich mit den unterschiedlichen Beschickungszeiten argumentieren.

Backöfen

Im Pilot-Supermarkt sind vier Backöfen verbaut, je zwei mit 9 kW und zwei mit 18 kW Leistung. Da es bei Backöfen keine fixen Betriebszeiten gibt, sondern diese bei Bedarf eingeschaltet werden, variiert auch der Energieverbrauch.

Energieverbräuche

Der größte Verbraucher mit 50% Anteil am Stromverbrauch ist die Verbund-Kälteanlage, gefolgt von der Beleuchtung mit 14% und den Backöfen mit 6%. Rund 30% vom Stromverbrauch lassen sich nicht direkt einem Verbraucher zuordnen, sondern teilen sich auf mehrere Verbraucher auf. Dazu zählen steckerfertige Kühlmöbel, heiße Theke, Leberkäseöfen, Kassensysteme, Außenbeleuchtung, Server, Müllpressen, Stapler­ladegeräte u.s.w.

Optimierungsmöglichkeiten des Energiesystems

Allgemeine Maßnahmen

Zur Erreichung von Zero Energy wurde nach Möglichkeiten gesucht, den Energieverbrauch zu reduzieren und die Energieerzeugung zu erhöhen. Neben einer umfassenden Optimierung des Markts (eventuell mit baulichen Maßnahmen) gibt es einfache und effiziente Maßnahmen, um den Energieverbrauch zu senken. So sollten die Kühlmöbel vor Sonnenlicht und Zugluft geschützt aufgestellt werden. Wichtig ist auch die sachgemäße Beschickung der Kühlmöbel, d.h. nicht zu viel Ware, nicht zu hoch zu stapeln und keine Beeinträchtigung des Luftschleiers.

Regelmäßige Wartung, Reinigung (Kondensatabfluss, Luftschlitze und Gaskühler) und Service sind ebenfalls unerlässlich für einen energieeffizienten Betrieb einer Kälteanlage, da mögliche Defekte oder Verschmutzungen frühzeitig entdeckt werden können. Bei ungeeigneter Standortwahl bzw. Bäumen in der Nähe des Daches verdreckt der Gaskühler regelmäßig und seine Leistung bzw. die Wärmeübertragung an die Luft nimmt ab. Laut einer Studie von Gernot Becker („Elektrischer Spitzenlastausgleich in Lebensmittelketten- Strategien zur Verbesserung der Energieeffizienz“) sind hier Energieeinsparungen von 3–10% möglich.

Optimierung der PV-Anlage

Der einfachste und beste Weg, um die Energieerzeugung zu erhöhen, ist die Nutzung bestehender Dachflächen durch eine PV-Anlage. Ein wichtiger Punkt ist die Ost-West-Ausrichtung der Module, um einen gleichmäßigeren Ertrag über den Tag verteilt zu erhalten. Da sich Erzeugungs- und Lastkurve aber nie komplett decken, ist eine Netzeinspeisung für eine bilanzielle Energiedeckung notwendig. Diese ist bei Zero Energy auch gewollt, um den Mehrertrag im Sommer ins Stromnetz einzuspeisen und bilanziell im Winter verbrauchen zu können.

Bei der Simulation der PV-Anlage auf dem Dach des Supermarkts wurden die für eine Montage ungeeigneten Bereiche (keine Dachabstützung) frei gelassen. Die Anlage ist nicht exakt nach Osten und Westen ausgerichtet, sondern 8 Grad Richtung Osten gedreht. Die Aufständerung wurde aufgrund der Ausrichtung des Gebäudes mit 10° Neigung simuliert. Als Lastprofil wurden die monatlichen Verbrauchswerte des Markts definiert. Die simulierte PV-Anlage hat eine Modulleistung von 273,06 kWp und erzeugt 290.680 kWh/Jahr, wovon 53,9% direkt verbraucht und der Rest eingespeist wird. So können 34,3% der Gesamtenergieverbrauch des Markts (456.522,2 kWh/ Jahr) direkt über die PV abgedeckt werden. Betrachtet man die Energieverbräuche bilanziell, so deckt die insgesamt erzeugte Energie 63,7% des Verbrauchs. Um auch den restlichen Bedarf zu decken, wurde zusätzlich eine Parkplatz­überdachung mit PV-Anlage simuliert.

Bei der simulierten PV-Anlage als Parkplatz­überdachung wurden vier Modulreihen angenommen, nach Süden ausgerichtet und mit 15 Grad aufgeständert. Die Gesamtleistung beträgt 137,76 kWp – die Anlage erzeugt 161.262 kWh elektrische Energie pro Jahr. Die Parkplatz-PV-Anlage allein würde 27,5% der benötigten Energie des Markts direkt decken, bilanziell betrachtet deckt sie 35,3% des benötigten Bedarfs. Beide PV-Anlagen gemeinsam erzielen eine Modulgesamtleistung von 410,82 kWp und eine Gesamtproduktion von 451.942 kWh. Dies entspricht einer bilanziellen Deckung von 99%, also quasi Zero Energy.

Optimierung der Beleuchtung

Eine Verringerung des Energiebedarfs für die Beleuchtung ist durch Reduzierung der Laufzeit und Beleuchtungsleistung umsetzbar. Dabei ist eine reduzierte Laufzeit der Beleuchtung nur bedingt durchführbar, da der Markt fixe Öffnungszeiten hat und dabei die Ware optimal beleuchtet werden muss. Weniger Beleuchtungsleistung, beispielsweise durch Dimmen der Leuchtmittel, abhängig von der Beleuchtungsstärke, ist ein gutes und effizientes Mittel zur Energieeinsparung. Vor allem im vorderen Bereich des Markts, wo durch die großen Fensterflächen viel Licht eindringt, sowie unter den Lichtkuppeln kann die Beleuchtung während des Tages gedimmt und dadurch Energie eingespart werden. Das Verhältnis zwischen Dimmstärke und Leistung der Lampen ist linear: Wird auf 50% gedimmt, so brauchen die Lampen auch nur die Hälfte an Leistung. Die technische Umsetzung ist relativ einfach, man benötigt nur dimmbare Leuchtmittel, Beleuchtungsstärkesensoren sowie einen DALI-Controller zur Steuerung.

Bei der Beleuchtung in Lager- sowie Aufenthaltsräumen lässt sich einfach Energie einsparen, indem man Präsenzmelder installiert. Diese erkennen die Anwesenheit von Personen, schalten das Licht automatisch ein und registrieren (im Gegensatz zu Bewegungsmeldern) bereits kleinste Bewegungen.

Optimierung der Kälteanlage

Hierbei sind mehrere Optimierungsmaßnahmen möglich, allerdings müssen dabei Wirtschaftlichkeit und Kosten berücksichtigt werden. Als geeignete Maßnahmen stehen beispielsweise zur Verfügung:

Hauser Last-Optimierung (HLO):

Darunter versteht man die Verdampfungstemperaturregelung der Kühlstellen. T0 sollte einerseits so hoch wie möglich gewählt werden, um keine unnötige Energie zu verschwenden, gleichzeitig aber niedrig genug, um den zulässigen Temperaturbereich der Kühlware abdecken zu können. HLO ist seit mehreren Jahren Standard.

Hauser Low Superheat System (HLS):

Beim HLS-System werden die Kühlstellen teilüberflutet betrieben, d.h. das Kältemittel weist nach dem Verdampfer noch Flüssiganteile auf, die dann in einem nachgeschalteten Wärmeübertrager mittels Kältemittel nach dem Gaskühleraustritt vollständig verdampft werden. Die Erhöhung der Verdampfungstemperatur und Reduktion der Überhitzung an der Kühlstelle, bewirkt eine Verringerung des Energieverbrauchs der Verdichter (höherer Saugdruck). Es lassen sich Energieeinsparungen von 5% erzielen.

Parallelverdichtung:

Verbundanlagen mit Parallelverdichter steigern die Effizienz im transkritischen Betrieb. Dabei wird das Flash-Gas (nicht vollständig kondensiertes Kältemittel) aus dem Mitteldruckbehälter durch den Parallelverdichter direkt in den Hochdruckkreis gedrückt. So lässt sich eine Energieeinsparung von 3% erreichen.

Zylinderabschaltung von ­Verdichtern:

Damit können Drucksprünge in der Anlage verringert und Energie eingespart werden. Schaltet man z.B. bei einem 4-Zylinder-Verdichter zwei Zylinder ab, halbieren sich Leistung und Massenstrom. Es können mehrere Leistungsstufen erreicht werden und die Anlage läuft harmonischer und effizienter.

Line Start Permanent Magnet-­Verdichter:

LSPM-Motoren sind Drehstrom-Asynchronmotoren, in deren Kurzschlussläufer zusätzlich Permanentmagnete verbaut sind. Sie starten asynchron, synchronisieren sich danach auf die Betriebsfrequenz und erzielen so höhere Leistung und mehr Effizienz, bei einer Energieeinsparung von rund 1%.

Kühlmöbel mit Glastüren:

Bei Kühlmöbeln mit Glastüren hat der Luftschleier eine gute Führung und Abschirmung der kalten Luft im Regal von der warmen Luft im Markt. Dies führt zu einer Energieeinsparung von ca. 12%. Allerdings sind aus energietechnischer Sicht beim ­Neubau zwei Dinge zu beachten:

Anpassung Abtauung des Wärmepumpenverdampfers

Keine aktive Entfeuchtung und Kühlung des Markts durch offene Wandkühlregale

Aufgrund von weniger Kühllast entsteht auch weniger Abwärme am Gaskühler und damit am Wärmepumpenverdampfer. Hier gibt es zwei Lösungen: Zwangskühlung während der Abtauung oder Heizstäbe im Verdampferpaket zur Unterstützung der Abtauung. Außerdem muss gemeinsam mit dem Fachplaner entschieden werden, ob eine zusätzliche Klimaanlage eingebaut werden soll.

Fazit

Das Pilotprojekt hat gezeigt, dass der Zero-Energy-Supermarkt technisch möglich ist. Die maximale Nutzung von Photovoltaik auf dem Marktdach allein führt aber nicht zum Ziel. Zusätzliche Maßnahmen wie eine Parkplatzüberdachung mit PV sowie Effizienzmaßnahmen zur Senkung des Energieverbrauches sind notwendig, um Zero Energy zu erreichen. Optimal lässt sich das Konzept beim Neubau eines Marktes in Passivhausbauweise umsetzen. Hier können Planung, Konstruktion und Betrieb optimal auf Energieeffizienz ausgerichtet werden, etwa mit einem Energie-Monitoring- und -Managementsystem, Wärmeschutzverglasung sowie Lichtkuppeln zur Nachtlüftung. Bei der Optimierung eines bestehenden Markts hingegen stehen Wirtschaftlichkeit und Investitionskosten dem Zero-Energy-Ansatz entgegen.

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