Hydraulischer Abgleich: Nutzen und Leitfaden zur Durchführung

Bei Solekreisläufen und Waterloop-Systemen wird der hydraulische Abgleich immer wichtiger

Der hydraulische Abgleich ist nicht nur in der Heizungsbranche ein wichtiges Instrument zur Steigerung der Energieeffizienz, durch den zunehmenden Einsatz indirekter Systeme mit Solekreisläufen z.B. bei Hybrid- oder Semi-Plug-Ins (Waterloop) im Lebensmitteleinzelhandel oder bei wassergeführten Kühlsystemen für Gebäude (z.B. Flächenkühlsysteme) wird das Thema auch in der Kältebranche immer wichtiger. Der folgende Beitrag zeigt die Vorteile und das Vorgehen für einen hydraulischen Abgleich.

Über 80 Prozent der Heizungsanlagen in deutschen Haushalten sind unzureichend abgeglichen. Eine ungleichmäßige Wärmeverteilung, ein viel zu hoher Energieverbrauch und laute Heizkörper sind die Folge – und zwar in allen Gebäuden, die zum Heizen und Kühlen auf Wasserleitungen angewiesen sind. Vor allem Industrie und Einzelhandel sehen sich dadurch mit hohen Verlusten konfrontiert. Der hydraulische Abgleich von Heizungsanlagen, der in den letzten Jahren zum Synonym für Energieeffizienz in der Heizungstechnik geworden ist, kann hier Abhilfe schaffen.

Doch auch für Betreiber von Kälte- und Klimaanlagen wird der hydraulische Abgleich zukünftig an Bedeutung gewinnen. Mit dem im Rahmen der aktuellen EU-F-Gase-Verordnung vorgeschriebenen Phase-Downs und den damit einhergehenden Verwendungsbeschränkungen, die sich bis zu Verboten ausweiten könnten, wird der breitflächige Umstieg auf Systeme mit natürlichen Kältemitteln immer wahrscheinlicher. Dadurch ändern sich nicht nur die sicherheitstechnischen Anforderungen, sondern auch die Maßnahmen, um für ein besseres Betriebsverhalten sowie Energieeinsparungen zu sorgen. Vor allem im Einzelhandel wird die Verwendung natürlicher Kältemittel zu einer echten Alternative, da sie nicht nur ebenso effizient, sondern auch gleichzeitig eine umweltfreundliche Lösung sind. Gleichzeitig muss aber auch die Energieeffizienz des gesamten Kühlsystems erhöht werden, wodurch der hydraulische Abgleich auch für den Bau von Kälteanlagen mit Wasser- oder Solekreisläufen künftig zu einem wichtigen Instrument wird.

Bei einem hydraulischen Abgleich handelt es sich um ein Verfahren, das eine optimale Verteilung der Volumenströme in einem Wasserkreislauf (Heizungsanlage oder Kühlsystem) sicherstellt. Im Wesentlichen geht es dabei um die Berechnung der erforderlichen Leistung und die entsprechende Einstellung an den Heizkörpern beziehungsweise Kälteanlagen. Hierdurch wird sichergestellt, dass alle Verbraucher gleichmäßig und zeitgerecht mit den erforderlichen Volumenströmen versorgt werden, um eine effiziente Wärme- oder Kälteverteilung im Gebäude zu gewährleisten.

Die Notwendigkeit des hydraulischen Abgleichs wird oftmals unterschätzt

In einem Gebäude gibt es in der Regel mehrere Heizkörper oder Kühlstellen, die unterschiedlich weit vom Heizkessel bzw. von der Kälteanlage entfernt sind. Daher herrschen unterschiedliche physikalische Bedingungen (z.B. Rohrdurchmesser, Schwerkraft usw.), denen das Wasser auf dem Weg zum Heizkörper oder zur Kühlstelle entgegenwirken muss.

Das Wasser im Heizungssystem sucht sich beispielsweise grundsätzlich den Weg des geringsten Widerstandes, das heißt es fließt eher durch kurze, dicke, statt lange, schmale Heizungsrohre. Dies kann dazu führen, dass Räume, die weiter vom Heizkessel entfernt sind, nicht genug Heizwasser bekommen, während in Räumen, die sich in der Nähe des Heizkessels befinden, zu viel Wasserdruck herrscht. Dadurch kann das Thermostatventil nicht ordnungsgemäß arbeiten. Die Folge der ungleichmäßigen Wärmeverteilung sind nicht nur unangenehme Raumtemperaturen im Gebäude, sondern auch ein höherer Energieverbrauch und damit höhere Heizkosten. Die gleiche Logik gilt für Kühlsysteme: Ohne hydraulischen Abgleich werden Kühlstellen, die weit von der Pumpe entfernt sind, nicht ausreichend mit Wasser versorgt, während nahe gelegene Kühlstellen überversorgt werden, was die Effizienz des Kühlsystems erheblich beeinträchtigt.

Eine gängige, aber nicht energieeffiziente Lösung für diese Probleme ist es, einfach die Wassertemperatur oder den Pumpendruck zu erhöhen. Dabei können jedoch auch störende Geräusche wie Rauschen oder Pfeifen auftreten. Eine bessere und energieeffizientere Alternative ist der hydraulische Abgleich, mit dem sichergestellt werden kann, dass jeder Heizkörper oder Kühlstelle die richtige Wassermenge erhält, um eine effiziente und gleichmäßige Wärme- bzw. Kälteverteilung zu gewährleisten.

Welche Vorteile bieten abgeglichene Heiz- und Kühlsysteme?

Im Prinzip kann ein hydraulischer Abgleich in allen Gebäuden, die über eine Wasserleitung mit einem Rohrsystem verfügen, durchgeführt werden, unabhängig von ihrem Baujahr. Das Heizsystem muss dabei ein Zweirohrsystem und die Heizkörper mit einer Rücklaufverschraubung oder einem Thermostatventil mit Voreinstellung ausgestattet sein. In Kaltwasser- oder Solekreisläufen wird der hydraulische Abgleich hingegen an Strangregulierventilen ausgeführt. Besonders wichtig ist ein hydraulischer Abgleich in Neubauten, in Gebäuden mit einer Wärmepumpe oder einem Brennwertgerät, aber auch nach größeren Wärmedämmmaßnahmen. Zudem bietet ein hydraulischer Abgleich in größeren Gebäuden mit vielen Heizkörpern oder Klimaanlagen, wie etwa Industriegebäude und Einkaufszentren, zahlreiche Vorteile:

Zum einen können mit Hilfe des hydraulischen Abgleichs alle Räume des Gebäudes effizient und ohne Strömungsgeräusche beheizt oder gekühlt werden. Zum anderen funktionieren die Thermostatventile besser, was die Kontrolle der Raumtemperatur erleichtert. Gleichzeitig führt der hydraulische Abgleich in vielen Fällen zu einer höheren Energieeffizienz des Heizungs- oder Kühlsystems, was langfristig zu Kosteneinsparungen führt. Eine Pumpe verbraucht nach einem korrekten hydraulischen Abgleich in der Regel weniger Strom. Das Energieeinsparpotenzial, das durch einen hydraulischen Abgleich erreicht werden kann, bewegt sich in der Regel zwischen 5 und 20 %.

Natürlich ist die Größenordnung dieser Vorteile vom Einzelfall abhängig und die Höhe der möglichen Kosteneinsparungen wird immer vom Gebäude und der installierten Heizungs- oder Kälteanlage abhängen. Es ist durchaus möglich, dass der Verbrauch durch den Abgleich sogar steigt, weil endlich alle Verbraucher gleichmäßig versorgt sind. Insgesamt trägt der hydraulische Abgleich jedoch dazu bei, dass Heizungs- und Kühlanlagen effizienter arbeiten und langfristig weniger Kosten verursachen.

Beispielhafte Anleitung zur Durchführung eines hydraulischen Abgleichs an einem Kühlsystem

Nur wenn die Kühlstellen mit genau so viel Kaltwasser (Sole) versorgt werden, wie unbedingt notwendig, lassen sich die Systeme wirtschaftlich und energiesparend betreiben. Um dies zu gewährleisten, muss auch die Kaltwasserverteilung entsprechend den thermischen Verbraucherlasten abgeglichen werden. Auch hier müssen zunächst Kühllastberechnungen durchgeführt werden, um den Kühlbedarf eines Raumes, eines Gebäudes oder eines Kühlmöbels zu ermitteln und die optimale Größe und Leistung der Kälteanlage zu bestimmen. Im Falle eines Gebäudes basiert die Berechnung der Kühllast auf der Zusammenstellung der inneren und äußeren Wärmeeinträge – nur so kann der Kühlbedarf beispielsweise eines Einfamilienhauses, eines Bürogebäudes oder einer Industrieanlage ermittelt werden.

Die inneren Lasten setzen sich aus verschiedenen Faktoren zusammen, die davon abhängen, wie der Raum genutzt wird. Dazu gehören Personen (QP), Einrichtungen wie Computer und Bildschirme (QE), Beleuchtung (QB), Motoren von Maschinen (QM), technische Prozesse (QC), transportierte Güter (QG) und Nachbarräume (QR). Jeder dieser Faktoren erzeugt Wärme, die abgeführt werden muss. Die äußeren Lasten hängen dagegen von der Ausrichtung und Architektur des Gebäudes ab. Hierzu zählen Wärmeeinträge durch Wände, Böden, Dächer und Türen (QW) sowie Fenster (QF), die durch Transmission und Strahlung Wärme ins Gebäude lassen. Undichtigkeiten in der Gebäudehülle (QFl) sind ebenfalls ein wichtiger Faktor, da sie die Wärmeeinträge erhöhen können.

Um die normale Kühllast zu berechnen, werden alle inneren und äußeren Wärmeeinträge addiert. Hierzu kann die folgende Formel verwendet werden:

QK    = (QP + QE + QB + QM + QC + QG + QR) + (QW + QF + QFl).

Im nächsten Schritt werden diese Werte, wie im Beispiel der Heizungsanlagen, mit der tatsächlichen Kühlleistung des Kühlsystems abgeglichen. Beim hydraulischen Abgleich werden die Durchflussmengen an den Strangregulierventilen für jeden Raum (oder jedes Kühlmöbel) bedarfsgerecht eingestellt. Dabei werden neben der thermischen Verbraucherlast (Kühllast) auch die Rohrlängen und -durchmesser berücksichtigt. Um die Rohrlängen und -durchmesser für eine Kälteanlage mit Kaltwassersystem zu berechnen, müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden.

Zunächst ist es wichtig, die Fließgeschwindigkeit des Kühlmittels (Wasser oder Sole) zu bestimmen. Diese hängt von der Spreizung ab, also der Differenz zwischen Kaltwasserrücklauf- und Kaltwasservorlauftemperatur. Je geringer die Spreizung, desto höher der Volumenstrom und somit auch der benötigte Rohrdurchmesser. Die empfohlenen Strömungsgeschwindigkeiten liegen dabei bei 0,5 bis 1,5 m/s in Saugleitungen und 1,0 bis 3,5 m/s in Druckleitungen.

Um den benötigten Rohrdurchmesser zu berechnen, kann folgende Formel verwendet werden:

Durchmesser = 1000 x Wurzel aus [(Volumenstrom x 4) / (Fließgeschwindigkeit x 3,14 x 3.600)]

Hierbei wird der Volumenstrom in m³/h, die Fließgeschwindigkeit in m/s und der Durchmesser in mm angegeben.

Der Volumenstrom wiederum hängt von der Wärmeabgabe der Verbraucher, der Spreizung und dem Mindestdurchfluss der Kältemaschinen ab. Die Formel zur Berechnung des Volumenstroms lautet vereinfacht:

Volumenstrom  = (Leistung x 0,859) / Spreizung

Hierbei wird Volumenstrom in m³/h (vereinfacht mit Dichte von 1.000 kg/m³), die Leistung in kW und die Spreizung in K (Differenz aus Kaltwasserrücklauf- und Kaltwasservorlauftemperatur) angegeben.

Druckverluste und schalltechnische Anforderungen müssen bei der endgültigen Auslegung der Rohrleitungen ebenfalls berücksichtigt werden. Um die Volumenströme der Strangleitungen so einzustellen, dass in jede Kühlstelle die geforderte Kühlleistung geräuscharm erreicht wird, werden Strangregulierventile eingesetzt und deren Druckverluste entsprechend eingestellt. Diese werden in den Strangleitungen der Sole- bzw. Wasserkreisläufe installiert und ermöglichen die Volumenstromanpassung der Strangleitungen untereinander. Strangregulierventile können außerdem während des Anlagenbetriebs einreguliert werden, um reale Durchflusswerte im Vollastbereich zu ermitteln und eine optimale Auslegung der Anlage zu gewährleisten.

Herausforderungen und neue ­Lösungswege

Um einen hydraulischen Abgleich ordnungsgemäß durchführen zu können, ist es wichtig, potenzielle Schwierigkeiten wie fehlende oder ungenaue Daten, falsch eingestellte Ventile, und unvorhergesehene Ereignisse wie undichte Rohre oder beschädigte Ventile zu berücksichtigen.

Mit modernen Lösungen lässt sich das Verfahren jedoch deutlich vereinfachen. Heute können Installateure den hydraulischen Abgleich vereinfacht durchführen, indem sie eine entsprechende App auf ihr Smartphone oder Tablet herunterladen. Diese führt den Anwender anschließend Schritt für Schritt durch den Abgleichsprozess. So ermöglicht beispielsweise die kompakte Umwälzpumpe von Grundfos in Verbindung mit dem ALPHA Reader und der App Grundfos GO Balance die Durchführung des hydraulischen Abgleichs in nur wenigen Stunden und das ohne großen Aufwand. Der Reader muss lediglich an der Pumpe befestigt und eingeschaltet werden, um die Echtzeitdaten über den Durchfluss an die App zu übertragen. Diese berechnet dann automatisch, wie das System korrekt eingestellt werden muss. Sobald die Anlage hydraulisch abgeglichen ist, wird automatisch ein Bericht erstellt, den Installateure direkt über die App speichern und per E-Mail versenden können. Zudem können sie bei Bedarf über die App auf alle früheren Ergebnisse hydraulischer Abgleiche zugreifen.

Ungenutztes Potential trotz ­steigender Relevanz

Generell ist der hydraulische Abgleich ein einfaches Mittel, um Energieeffizienz zu gewährleisten, da er den Energieverbrauch und die damit verbundenen Kosten deutlich senken kann. Die Durchführung erfordert zwar ein gewisses Maß an Vorkenntnissen, ist dann aber relativ schnell zu bewerkstelligen. Bislang ist der Großteil aller deutschen Heizungs- und Kühlanlagen noch unzureichend abgeglichen. Praktisch bietet jedoch jedes Gebäude, das über eine Wasserleitung mit einem Rohrsystem verfügt, die Möglichkeit für einen hydraulischen Abgleich. Folglich ist hier noch großes Verbesserungspotential vorhanden.

In der Kälteanlagentechnik wird der hydraulische Abgleich in Hinblick auf die Umstellung auf natürliche Kältemittel (insbesondere Kohlenwasserstoffe) und den dadurch bedingten Einsatz indirekter Systeme künftig noch eine größere Rolle einnehmen.

Quellen und weiterführende Informationen:

Deutsche Thermo (2020), Kühllastberechnung: Kühlleistung richtig berechnen (Kurzlink: https://t1p.de/tqrvv)

Forum Verlag (2013), Hydraulischer Abgleich von Heizungs- und Kühlanlagen Optimale Effizienz (Kurzlink: https://t1p.de/mma8j)

Grundfos, Einführung in den hydraulischen Abgleich von Anlagen in Einfamilienhäusern (Kurzlink: https://t1p.de/3v8e2)

Grundfos, Perfekter hydraulischer Abgleich mit Grundfos GO Balance (Kurzlink: https://t1p.de/q5yha)

Haustechnik Verstehen (2022), Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 2: Heizlastberechnung (Kurzlink: https://t1p.de/yz38o)

Heizsparer (2021), Hydraulischer Abgleich: Funktionsweise (Kurzlink: https://t1p.de/4989a)

Heizungskauf Online, What is hydraulic balancing? Procedure, benefits and costs explained easily (Kurzlink: https://t1p.de/qjsvn)

Hydraulischer Abgleich, Die Definition des hydraulischen Abgleichs (Kurzlink: https://t1p.de/t989e)

Hydraulischer Abgleich, Energieeffizienz ganz einfach (Kurzlink: https://t1p.de/yb8ck)

Hydraulischer Abgleich – Muster-Berechnung und Einstellung (Kurzlink: https://t1p.de/e8asv)

Verbraucherzentrale (2022), Hydraulischer Abgleich macht Ihre Heizung effizienter (Kurzlink: https://t1p.de/cd2zy)

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