Kälteanlagen kleiner Leistung mit halogenfreien Kältemitteln

Stand der Technik und des Wissens

Natürliche Kältemittel sind in aller Munde. Seit vielen Jahren ist jeder neue Kühlschrank damit befüllt. Wie aber sieht es heute in der stationären Kältetechnik aus? Was ist Stand der Technik und welche Hürden sind noch zu nehmen? Eine Bestandsaufnahme für CO2 und Propan.

Das Kältemittel R744 (CO2) ist seit einigen Jahren insbesondere in Europa im Lebensmittel-Einzelhandel meist die favorisierte Lösung für zentrale Kälteanlagen. Dabei kommen üblicherweise Verdichter-Verbundanlagen mit halbhermetischen Hubkolbenverdichtern zum Einsatz. In Kombinationen von Normalkühl- und Tiefkühlstufen ergeben sich dabei häufig Gesamtleistungen von 50 bis 250 kW Kälteleistung. Noch größere Leistungen werden beispielsweise in Cash & Carry Märkten, in der Kühllogistik und auch in anderen gewerblichen und industriellen Anwendungsbereichen ausgeführt.

Mindestens ein Verdichter je Druckstufe wird standardmäßig mit variabler Drehzahl betrieben. Je größer die zu installierende Kälteleistung ist, desto mehr werden diverse technische Merkmale zur Verbesserung der System-Energieeffizienz möglich und meist auch realisiert. Dazu zählen zum Beispiel Parallelverdichtung, mehrstufige Entspannung, Wärmerückgewinnung, Ejektorbetrieb, Expander, teilüberflutete Verdampfer und adiabatische Vorkühlung der Luft am Gaskühler-Eintritt, sowie externe Flüssigkeitsunterkühlung.

Im Leistungsbereich unterhalb 50 kW Kälteleistung sind ebenfalls zunehmend R744-Verbundanlagen mit kleinen halbhermetischen Hubkolbenverdichtern zu finden. Hinsichtlich der Regelbarkeit bei Teillast-Anforderung unter Berücksichtigung des sub- und transkritischen Betriebs kann es jedoch technische Grenzen geben.

Alternativen bei kleiner Leistung

Um auch den kleinen Leistungsbereich bis zur unteren Leistungsgrenze von etwa 2 kW Kälteleistung mit R744 zu erschließen, startete das Unternehmen Rivacold vor einigen Jahren die Entwicklung, Produktion und Vermarktung von kompakten R744-Kälteanlagen kleiner Leistung. Inzwischen liegen vielfältige Anwendungserfahrungen vor.

Die kompakten R744-Kälteanlagen kleiner Leistung sind hinsichtlich des Aufbaus, der Projektierung und des Betriebs nicht eins-zu-eins vergleichbar mit den R744-Verbundanlagen größerer Leistung. Eventuell bisher gemachte Erfahrungen aus dem größeren Leistungsbereich sind daher nicht unbedingt vollständig übertragbar. Das führt dazu, dass die Anforderungen an Planung, Montage und Betrieb im kleinen Leistungsbereich häufig unterschätzt und in der Konsequenz die Anlagen dann nicht optimal betrieben werden.

Parallel findet eine zunehmende Marktentwicklung mit R290-Anlagen und Geräten statt. Propan (R290) ist aus verschiedenen Gründen insbesondere bei kleinen Leistungen eine technisch und wirtschaftlich sehr interessante Alternative zu H-FKW Kältemitteln und auch zu R744.

Standard-Baureihen für R744 und R290

Neben einer Vielzahl von projekt- und kundenspezifischen Ausführungen für wasser- und luftgekühlte Systeme gibt es von Rivacold eine umfangreiche Baureihe an Standardprodukten von „steckerfertigen“ Kompaktkältegeräten bis hin zu Verdichter-Verbundanlagen mit mehreren hundert Kilowatt Kälteleistung. Nachfolgend werden nur ausgewählte Beispiele von luftgekühlten Standardbaureihen näher betrachtet, da diese erstens die Plattformen für kundenspezifische Lösungen darstellen und zweitens die überwiegende Anzahl der Geräte und Systeme luftgekühlt wird. Auf eine komplette Übersicht über alle Standardbaureihen und auf Beispiele von kundenspezifischen Geräteserien wird hier nicht weiter eingegangen.

R290 Kompakt-Kältegeräte

Die kompakten Geräte der Baureihe BEST sind optimiert für die Kühlung entweder von NK- oder TK-Kühlzellen. Bei üblichen Auswahlkriterien können mit einem einzelnen Gerät Normalkühlräume von 5,5 bis 124 m3 beziehungsweise Tiefkühlräume von 3 bis 60 m3 Volumen gekühlt werden. Installationsaufwand und Inbetriebnahme-Zeit sind auf ein Minimum reduziert. Durch eine Vielzahl von konstruktiven Verbesserungen bei der Entwicklung dieser neuen Geräte und in Verbindung mit dem Kältemittel R290 ergibt sich eine hohe Energieeffizienz, eine hohe Umweltfreundlichkeit (geringer TEWI) und eine sehr gute Wirtschaftlichkeit. Mit der integrierten Regelung kann z.B. via Bluetooth und Smartphone-App kommuniziert oder es können in Master-Slave-Funktion bis zu 10 Geräte gleicher oder unterschiedlicher Leistung parallelgeschaltet werden. Die realisierbaren Kälteleistungen der einzelnen Geräte für Normalkühlung (NK) sind in Tabelle 1 dargestellt. Bei der maximalen Anzahl von zehn parallelgeschalten Geräten sind so theoretisch bis zu 31,9 kW Kälteleistung realisierbar. Dies ist jedoch unüblich, da es in diesem Leistungsbereich sehr gute Alternativen mit zentralisierten Verdichter-Verbundanlagen und ähnliches gibt.

R290-Kältesysteme mit indirekter Verdampfung, also mit Sekundärkreislauf, bieten bei Anwendungen mit kritischen Aufstellbedingungen und/oder größeren Kälteleistungen einen interessanten Lösungsansatz. Moderne Flüssigkeitskühlsätze, wie die Baureihe CHAMP, die mit hocheffizienten Komponenten, optimaler Auslegung und digitaler Regelung plus integrierter Fernzugangsmöglichkeit ausgerüstet ist, lassen in der Anwendungspraxis Installations- und Betriebskosten zu, die durchaus mit allen anderen Systemen konkurrieren können – und dies im für typische Flüssigkeitskühlsätze kleineren Leistungsbereich. Die integrierte Steuerung und Regelung erlaubt einen Parallelbetrieb mit Master/Slave-Funktion von bis zu vier Geräten. Damit kann eine System-Gesamtkälteleistung von rund 70 kW realisiert werden. Für alle Leistungsstufen gibt es zusätzlich entsprechend angepasste Hydraulikmodule und die passende Steuerung/Regelung.

R744 Verflüssigungssätze kleiner Leistung

Alle Geräte der Baureihen MHX und MH2X (Tabelle 3.1 und 3.2) sind mit einem integrierten Regler ausgestattet, der den/die Verdichter, das Hochdruckregelventil und das Flashgas-Bypassventil regelt. In Verbindung mit der Verflüssiger-/Gaskühler-Lüfterdrehzahlregelung, der Verdichter-Drehzahlregelung, der Verwendung hochwertiger und energieeffizienter Bauteile sowie der Systemgestaltung mit Mitteldrucksammler, zweistufiger Entspannung und IWT (Flüssigkeit/Sauggas) wird ein effizienter und sicherer Anlagenbetrieb ermöglicht. Für die Baureihe MH2X steht als weiteres Effizienz steigerndes Zubehör-Kit eine Wärmerückgewinnungsfunktion (WRG) zur Verfügung. Mit einer individuell ausgeführten adiabatischen Vorkühlung für die Luft des Gaskühlers lässt sich die Jahresarbeitszahl (JAZ, SCOP, SEPR u.a.) weiter deutlich verbessern. Der verwendete Regler kann von Haus aus diese Funktion mitausführen. Als Zubehör stehen aktuell jedoch keine Befeuchtungsmatten seitens Rivacold zur Verfügung. Bei großen Verdichter-Verbundanlagen sieht das hingegen anders aus.

Kompakte Verdichter-Verbund­anlagen mittlerer Leistung

Die kompakten R744-Boosteranlagen für NK und TK können entsprechend des aktuellen Bedarfs entweder nur Normalkühlung, nur Tiefkühlung, oder Normal- und Tiefkühlung „parallel“ bedienen. Die Kälteleistungsdaten in Tabelle 4 beziehen sich auf den jeweiligen regelbaren Kälteleistungsbereich, wenn nur die entsprechende Temperaturstufe allein gefordert wird. Im Kombinationsbetrieb muss die NK-Stufe die Wärmelast aus der Tiefkühlstufe mit abführen, so dass für die NK-Verbraucher nur eine reduzierte Kälteleistung zur Verfügung steht, was bei Boosteranlagen üblich ist. Optional stehen folgende Ausführungen/Ergänzungen zur Verfügung: Gehäuse-Blechverkleidung (Wetterschutzgehäuse), zusätzliche Schalldämmung, passende Gaskühler der Baureihe RRCX mit EC-Lüftermotoren.

Verdichter-Verbundanlagen größerer Leistung

Mit der Baureihe TS (Bild 5 und Tabelle 5.1) wird zur Angebotskomplettierung ein nahtloser Übergang von kleiner zu großer Systemleistung für Normalkühlung mit R744 ermöglicht. Eine zweistufige Entspannung mit Mitteldrucksammler und Flashgas-Bypassventil sind Standard. Diverses Zubehör und Ausführungsoptionen stehen zur Verfügung, zum Beispiel Wetterschutzgehäuse, zusätzliche Schalldämmung, Wärmerückgewinnung, separater Gaskühler, Stillstandskühlung und „Sicherheitspakete“. Projekt- und kundenspezifische Anpassungen sind in vielfältiger Form möglich.

Die Baureihe TB (Tabelle 5.2) bildet das obere Leistungsende der Standard-Verbund­anlagen für R744. Neben den bereits zuvor beschriebenen Optionen und Zubehör sind adiabatische Vorkühlung (für die Kühlluft des Gaskühlers), Parallelverdichtung und Ejektorbetrieb ergänzende Ausführungsoptionen. Im Leistungsbereich oberhalb der aufgelisteten Verbundanlagen werden ausschließlich kundenspezifische Lösungen angeboten. Leistungsmäßig gibt es praktisch keine Grenze.

Entscheidungskriterien bei der System- und Geräteauswahl

Wesentliche Kriterien bei der System- und Geräteauswahl ergeben sich durch den Aufstellungsort und Platzbedarf, durch ­Sicherheitsaspekte, Energieeffizienz, Umweltrelevanz und Wirtschaftlichkeit. Wenn kein Kältemittel der Sicherheitsgruppe A3 (z.B. R290) in direktverdampfenden Systemen eingesetzt werden soll oder darf, kann ein indirektes System eine gute Lösung sein. Bei kleineren Leistungen ist der Einsatz kompakter R290-Geräte aus Sicht von Umweltrelevanz und Wirtschaftlichkeit die beste Wahl. Bei schwierigen Sicherheitsanforderungen kann dagegen eine kleine R744-Anlage die Lösung mit halogenfreien Kältemitteln sein. Je größer die geforderte Leistung, desto interessanter wird R744.

Bisherige Praxiserfahrungen

R744-Geräte und Anlagen kleiner Leistung sind in der Planung, Betreuung und dem technischen Support im Vergleich zu Anwendungen mit herkömmlichen Kältemitteln aufwändiger. Das mag sich in den nächsten Jahren mit zunehmender Verbreitung, wachsendem Know-how und weiteren Erfahrungswerten mit R744 verbessern. Eine starke Konkurrenz erwächst aber mit R290-Geräten, die in der Regel einfacher aufgebaut sind, und leichter in Betrieb genommen werden können. Die Standards und Vorschriften entwickeln sich dazu hin zu größeren Kältemittel-Füllmengen und damit größeren Leistungen, was diese Entwicklung begünstigt.

Zusammengefasst sind kompakte R290-­Kleingeräte sehr wirtschaftlich und indirekte R290-Systeme technisch wie auch ökonomisch gute Lösungen. Der Ersatz von H-FKW durch R290 und/oder R744-Lösungen ist bereits heute fast überall technisch möglich, kann aber je nach projektspezifischen Vorgaben vergleichsweise aufwändig und teuer werden. Besonders bei R744-Anlagen kleiner Leistung ist zunächst meist ein sehr ungünstiges Kosten/Nutzen-Verhältnis auszumachen.

R744-Anlagen haben aber das „natürliche“ Potential, auch bei extremem Sommerwetter, also sehr hohen Außentemperaturen, weiter laufen zu können. Diese Möglichkeit muss jedoch meist durch eine entsprechende Regler-Parametrisierung nutzbar gemacht werden. Dazu ein Beispiel:

Der luftgekühlte Verflüssiger einer Kälteanlage wird für eine bestimmte Temperaturdifferenz ausgelegt. Bei Systemen mit FKW und R290 wird mit steigender Lufteintrittstemperatur der Hochdruck bei Betrieb ansteigen. Dabei kommen die Anlage und/oder der Verdichter irgendwann an ihre Einsatzgrenzen und die Anlage wird über die Sicherheitskette abgeschaltet. Eine Gegenmaßnahme ist die „aktive Über­wachung der Verdichter-Einsatzgrenzen“, was zu einem Lastabwurf (=> Verdichter-Teillastbetrieb) vor dem Abschalten über die Sicherheitskette führen muss. Die Anlage läuft in diesem Fall mit verringerter Leistung weiter (auch wenn der Bedarf höher ist), da aufgrund der geringeren Last am Verflüssiger die Temperaturdifferenz sinkt und somit ­einige Grad „Spielraum nach oben“ möglich werden. Bei kleinen Geräten mit unge­regeltem Verdichter ist dies jedoch nicht möglich.

Besonderheiten von R744-Kleinanlagen

Bei R744-Anlagen ist die Situation anders. Selbst R744-Kleinanlagen sind mit einem leistungsgeregelten Verdichter ausgerüstet. Zudem befinden sie sich im Sommer im transkritischen Betrieb und sind nicht mehr von der Dampfdruckkurve abhängig. Der Anlagen-/Geräteregler steuert das Hochdruckregelventil nach einem Algorithmus, der abhängig von der Lufteintrittstemperatur oder Gaskühleraustrittstemperatur den jeweils optimalen Hochdruck einstellt. Dies kann aber dazu führen, dass auch hier eingestellte Designdrücke und/oder Einstellungen der Sicherheitskette erreicht werden und es zu einer Hochdruck-Sicherheitsabschaltung kommt. Genau hier kann mit einer veränderten Regelstrategie eingegriffen werden. Ab einem festzulegenden Hochdruck-Wert kann die Funktion „optimaler Hochdruck“ deaktiviert und eine Druckbegrenzung verfolgt werden. In vielen Fällen lässt sich das durch eine entsprechende Regler-Parametrisierung erreichen, unter Umständen sollten/müssen aber weitere Einstellungen (z.B. Sicherheitskette, max. Drehzahl Verdichter) verändert werden.

In der Praxis gibt es hin und wieder ein Missverständnis bezüglich der angegebenen Temperaturgrenzwerte: In der Regel werden Kälteanlagen für eine bestimmte Maximal-Umgebungstemperatur ausgeführt und entsprechend dokumentiert. Bei luftgekühlten Anlagen ist dies gleichbedeutend mit der Lufteintrittstemperatur am Verflüssiger/Gaskühler. Wenn ein Gerät aber in direkter Sonnen­einstrahlung aufgestellt wird, findet eine zusätzliche Erwärmung statt und die Grenzwerte für einen störungsfreien Betrieb werden zwangsläufig früher überschritten.

Durch die zunehmenden Wetterextreme, bedingt durch den ­Klimawandel, können hierdurch auch in Deutschland Probleme auftreten, die bislang nur in Südeuropa und anderen heißen ­Klimazonen bekannt waren. Hier kann man von den Erfahrungen aus den heißen Klimazonen lernen und Geräte/Anlagen so planen, dass sie zum Beispiel im Gebäudeschatten aufgestellt, oder bei ­Bedarf durch zusätzliche bauliche Maßnahmen verschattet werden.

Ausblick

Bei Planung, Bau, Inbetriebnahme und späterem Service steigen die Anforderungen an die Fachqualifizierung durch den vermehrten Einsatz von natürlichen Kältemitteln. Ebenfalls durch die zunehmende Digitalisierung, die dabei ein Teil der Lösung sein kann. Darum müssen Geräteentwicklungen und Qualifizierungen für R290 und R744 weiter optimiert und ausgebaut ­werden. Durch große Einschränkungen bei Verfügbarkeiten und Anwendungsverboten synthetischer Kältemittel ist der ­Wandel bereits seit einigen Jahren in Gang und wird sich fortsetzen, auch ohne weitere Verschärfungen von gesetz­lichen Regulierungen.

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