Adsorptionskälte im industriellen Umfeld

Kühlung von Faulgasen bei der Stadtentwässerung Mannheim

In nur wenigen Jahren nach Beginn der Markteinführung ist der Einsatz von Adsorptionskältemaschinen zur Praxis im Kälteanlagenbau geworden. Das Projekt Stadtentwässerung Mannheim, bei der eine Adsorptionskälteanlage für die Kühlung des Faulgases aus den drei Faultürmen der Kläranlage in Betrieb genommen wurde, zeigt beispielhaft die Einsatzmöglichkeiten der Technik.

Der Druck Energieverbräuche zu senken, die Energieeffizenz von Prozessen zu steigern, den Ausstoß von CO2 zu verringern und nicht zuletzt die Kältemittelproblematik mit zeitnahen Ausstiegsszenarien für viele heute übliche Kältemittel fordern die Weiterentwicklung anlagenbautechnischer Kompetenz, gerade auch in der Kältetechnik.

Der häufig von Betriebsleitern produzierender Betriebe geäußerte Wunsch die Abwärme aus ihren Prozessen, Abwärme von Druckluftkompressoren oder die Abwärme der Klimaanlagen ihres Serverraums technisch zu nutzen, stellt den klimatechnischen Fachmann oft vor Probleme. Es liegen Temperaturniveaus von 800 °C bei Abgasnachverbrennung bis 35 °C aus Rückkühlwerken vor, diskontinuierlich entstehende Wärmemengen aus dem Betrieb von Druckluftkompressoren, Wärmemengen in aggressiven Gasen oder in Kühlwasserkreisen mit unterschiedlichsten Verschmutzungsgraden. Und nicht zuletzt die Ideen bezüglich der Abwärmenutzung wie Hallenheizung, Trocknungsprozesse, am liebsten noch Stromgewinnung: ein Perpetuum Mobile käme hier manchmal gerade recht. Und doch sind diese Wünsche berechtigt. Der Ölpreis wird nicht auf Dauer so niedrig bleiben, wie er momentan ist, die Strompreise sinken, wenn überhaupt, nur marginal. Und Energiekosten sind oft wesentliche Anteile an den Herstellkosten der Produkte.

Wärme als Antrieb für Kältemaschinen

In der Kältetechnik ist die Nutzung von Wärme als Antriebsenergie für Kältemaschinen ein alter Hut. Absorber-Kältemaschinen sind seit vielen Jahrzehnten im Einsatz mit Kältemitteln wie Ammoniak oder Wasser/Lithiumbromid. Jedoch wird hier mit Antriebstemperaturen von über 100 °C die Abwärmenutzung schwierig oder bei Maschinen, die mit Gasbrenner direkt zu befeuern sind, unmöglich.

Hinzugekommen sind jedoch vor einigen Jahren industriell einsetzbare Ad(!)sorptionskältemaschinen (AdKM). Gerade diese sind im Leistungsbereich bis 250 kW Kälteleistung und für die Nutzung von Wärme ab einem Temperaturniveau von 50 °C aufwärts für die nutzbringende Verwertung von Abwärme geeignet. Das Kältemittel ist reines Wasser, das Sorbensmittel Silikagel oder Zeolith, allesamt ungiftig und im Gebrauch und bei späterer Entsorgung umweltverträglich.

Die Nutzung von Abwärme zum Erzeugen von Kälteleistung über einen Adsorptionskälteprozess findet mittlerweile in vielen kältetechnischen Anlagen Anwendung.

Gerade durch die steigende Anzahl von in Betrieb befindlichen Blockheizkraftwerken ergeben sich immer mehr wirtschaftlich interessante Einsatzmöglichkeiten der Abwärmenutzung. Wo bisher mit Kompres­sionskältemaschinen gearbeitet wurde, kann in vielen Fällen die Prozessabwärme eines Produktionsbetriebs oder eines BHKW genutzt werden, um Kälte zu erzeugen. Gerade im Zusammenhang mit einem Blockheizkraftwerk ergibt sich der Zusatznutzen der Wärmesenke im Sommer, die zu wesentlich längeren Laufzeiten der BHKW führt. Im Winter steht die BHKW-Abwärme für Heizzwecke zur Verfügung, dann kann mit freier Kühlung über die zur Adsorptionskältemaschine gehörige Rückkühlung die notwendige Kühlleistung erbracht werden.

Gehen die mittleren jährlichen Wirkungsgrade von elektrisch angetriebenen Kaltwassersätzen mit Kompressionskältetechnik bei luftgekühlten Maschinen bis ca. 4 (4 kW Kälte für 1 kW elektrische Antriebsleistung) und bei wassergekühlten Maschinen bis ca. 6, so liegen die Wirkungsgrade der aktuell realisierten Adsorptionskälteanlagen bei bis zu 16. Werden die Anlagen ganzjährig und bei mehr oder weniger stetiger Last betrieben, können die Mehrkosten innerhalb eines Zeitraums von zwei bis vier Jahren wieder eingespart werden. Ab dann bleibt die Kostenersparnis durch die deutlich niedrigeren Betriebskosten für die elektrische Antriebsenergie dem Betrieb zur Verfügung.

Ein Faktor für den wirtschaftlichen Einsatz von Adsorptionskältemaschinen ist die notwendige Kaltwasservorlauftemperatur. Liegt diese im Klimabereich von 8 bis 16 °C wie für die Kühlung von Rechenzentren, Serverräumen, in der Biogaskühlung und vielen anderen technischen Prozessen, so ist dies der richtige Temperaturbereich, um den Adsorptionskälteprozess effizient zu betreiben.↓

Praxisbeispiel Stadtentwässerung Mannheim

Aktuell hat der Eigenbetrieb Stadtentwässerung Mannheim eine Adsorptionskälteanlage für die Kühlung des Faulgases aus den drei Faultürmen der Kläranlage in Betrieb genommen. Angestoßen durch Herrn Dr. Schönung, den Leiter der Sachgebiets Abwasserchemie, wurden schon Ende 2012 erste Planungen zum Umbau der bestehenden Anlage erstellt.

Bis dato wurde das Faulgas mit Brunnenwasser gekühlt, um darin enthaltenen Wasserdampf als Kondenswasser auszuscheiden und das Gas damit zu trocknen und damit die Aktivkohlefilter der Blockheizkraftwerke zu schützen. In diesen BHKW wird das Faulgas, das zu ca. 65 % aus Biomethan besteht, als Brenngas genutzt. Trotz großer Anstrengungen, eine Verockerung des hydraulischen Systems und des Gaskühlers zu verhindern, wurden in regelmäßigen Abständen aufwendige Reinigungsarbeiten fällig. Als Verockerung  wird die Bildung von Eisenhydroxiden und Mangan(IV)-oxid in Grundwassernutzungsanlagen bezeichnet. Die sich aus dem Brunnenwasser heraus jeweils neu bildende Ockerschicht musste entfernt werden, um den Wärmeübergang im Wärmetauscher wiederherzustellen.

Der daraus folgende Wunsch des Anlagenbetreibers, einen geschlossenen Kühlkreislauf zu erstellen und für die Kühlung überschüssige Wärmemenge der Blockheizkraftwerke und anderer Prozesse im Betrieb zu nutzen, führte letztendlich zur Entscheidung für eine Adsorptionskälteanlage.

Der im Bestand befindliche Edelstahl-Rohrbündelwärmetauscher wurde ein letztes Mal mechanisch und chemisch gereinigt und wird nun mit Kaltwasser von 11 °C aus der neu erstellten Adsorptionskälteanlage mit einer Kälteleistung von 30 kW versorgt. Der Faulgasstrom wird dadurch von ca. 33 °C auf ca. 19 °C abgekühlt und der im Gas mitgeführte Wasserdampf als Kondenswasser ausgeschieden.

Freecooling-Betrieb

Da die Anlage über die biologischen Prozesse in den Faulgastürmen im Dauerbetrieb läuft und im Winter die Kühlung über die zur Anlage gehörenden Rückkühlwerke erfolgen kann, wurde eine automatische Umschaltung und Regelung für den sogenannten Freecooling-Betrieb integriert. Bei tieferen Außentemperaturen erfolgt die Kühlung des zirkulierenden Wasser-Glykol-Gemisches ausschließlich über die Rückkühler mit den hocheffizienten EC-Axialventilatoren; die Adsorptionskältemodule nehmen dann keine Wärmemengen zum Betrieb des Adsorptionskälteprozesses mehr auf.

Die Vorteile des Einsatzes der Adsorptionskältetechnik für den Betreiber sind:

Nutzung der eigenen Abwärme aus den BHKW,

geschlossener wartungsarmer Kaltwasserkreislauf,

keine Kältemittelproblematik, da das im Adsorptionskälteprozess eingesetzte Kältemittel reines Wasser ist,

hohe Einsparung von elektrischer Antriebs­energie gegenüber einer Kompressionskältetechnik.

Das Anlagenschema

Im hydraulischen Anlagenschema sind die drei Wasserkreise gezeichnet, die für den Betrieb der Adsorptionskältemaschinen notwendig sind:

HT = Heißwasserkreis (rot)

MT = Rückkühlwasserkreis (grün)

LT = Kaltwasserkreis (blau)

Zum Einsatz kamen zwei Adsorptionskältemodule mit jeweils 15 kW Kälteleistung. Angetrieben werden diese mit Heißwasser aus dem Heizkreisverteiler der Gesamtanlage, getrennt über einen Plattenwärmetauscher. Die Rückkühler führen die Gesamtwärmemenge aus dem Antriebskreis zusammen mit der dem Gas entzogenen Wärmemenge an die Außenluft ab. Das erzeugte Kaltwasser wird dem Rohrbündelwärmetauscher im Keller des Anlagengebäudes zugeführt. Das gekühlte und damit entfeuchtete Faulgas wird in den Antriebsmotoren der angeschlossenen Bockheizkraftwerke verbrannt, die entstehende Wärme wiederum dem Heizkreis und von dort weiteren Verbrauchern in der Anlage zugeführt.

Die Adsorptionskältemodule

Die Adsorptionskältemodule bestehen im Wesentlichen jeweils aus zwei würfelförmigen Vakuumbehältern, die die in einem patentierten Verfahren mit Silikagel beschichteten Wärmtauscher und Wasser als Kältemittel beinhalten. Hinzu kommen hydraulische Umschaltventile, die die Wärmetauscher wechselseitig mit Heiß- oder Rückkühlwasser beaufschlagen und so den Adsorptionsprozess antreiben.  Es entstehen keine Geräusche außer den Laufgeräuschen der Ventilköpfe und ab und zu ein leises Knacken durch die wechselnden Temperaturen in der Maschine. Selbst bei Volllast ist kaum etwas zu hören.

Auch die elektrischen Werte der Module beeindrucken. Die gesamte mittlere elektrische Leistungsaufnahme der beiden Adsorptionskältemodule ist zusammen nur 28 W.

Die Rückkühler

Die Rückkühler sind mit EC-Ventilatoren ausgestattet und werden über ein Signal von 0 bis 10 V aus dem Schaltkasten heraus angesteuert. Damit wird die Rückkühlung im Adsorptionskältebetrieb so geregelt, dass nur die unbedingt notwendige Rückkühlwassertemperatur entsteht und unnötiger Elektroenergieverbrauch vermieden wird.

Bei tieferen Außentemperaturen werden die Rückkühler über einen Plattenwärmetauscher mit dem Kaltwasserkreis verbunden und über eine zweite Regelung für die Freecooling-Funktion genutzt. Die Umschaltung erfolgt ohne Eingriff des Betreibers automatisch über die Außentemperatur.

Die maximale elektrische Leistungsaufnahme der beiden Rückkühler zusammen liegt bei 2,6 kW, die jedoch nur wenige Stunden im Jahr bei sehr hohen Außentemperaturen in Anspruch genommen werden.

Das hydraulische System mit Rohrbündelwärmetauscher

Besondere Aufmerksamkeit bei Anlagen dieser Art ist der richtigen Auslegung des hydraulischen Systems zu widmen. Für eine Anlage, die sich übers Jahr hinweg mit fast 8760 Betriebsstunden im Dauerlauf bei wenig wechselnder Last befindet, ist die Wahl hocheffizienter Pumpen unerlässlich und die Auslegung der Rohrquerschnitte sorgfältig auszuführen. Um Druckverluste von Armaturen wie z.B. Abgleichventilen einzusparen, bietet sich die Verrohrung von parallel anzuschließenden Aggregaten nach Tichelmann an. Im Zuge der Inbetriebnahme der Anlage sind die Wassermengen grundsätzlich mit einem Ultraschallmessgerät zu prüfen und eventuell zu korrigieren. Im vorliegenden Fall ergaben sich durch die sorgfältige Planung der Hydraulik ausgeglichene Wasserumlaufmengen.

In dieser Anlage ist der alleinige Verbraucher der große Edelstahl-Rohrbündelwärmetauscher in DN 450 und 3 m Länge. Hier trifft das Faulgas aus den drei Faultürmen auf das Kaltwasser und verliert durch Auskondensation den größten Anteil an mitgeführtem Wasserdampf. Wegen der bisher immer wieder notwendigen Reinigungen, wozu der Wärmetauscher ausgebaut werden musste, blieb dieser bisher unisoliert.

Gesamtanlage

Insgesamt fand die Anlage auf wenigen Quadratmetern Platz, inklusive der beiden Plattenwärmetauscher; der Schaltkasten direkt an der Anlage beinhaltet die gesamte Steuerung und Regelung.

Die Adsorptionskälteanlage ist seit April 2014 im Dauerbetrieb und hat ihre hohe Ausfallsicherheit unter Beweis gestellt. Zwei Wartungen mit Kontrolle der Betriebsparameter wurden zwischenzeitlich durchgeführt, wobei sich keine unerwünschten Abweichungen ergaben.

Fazit

Wo Kaltwasser-Vorlauftemperaturen von 8 bis 16 °C erforderlich sind und eine Wärmequelle zur Verfügung steht oder als BHKW gleich mitgeplant wird, ist der Einsatz von Adsorptionskältemaschinen eine wirtschaftliche Alternative zur konventionellen Kompressionskältetechnik. Mit Blick auf die Kältemittelproblematik und zu erwartende Energiekostensteigerungen sollte deshalb in der Projektphase immer auch der Einsatz von Adsorptionskältemaschinen geprüft werden.

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