„Cool Training“ für die Welt

Internationaler Wissenstransfer der Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik

Alles begann in den 80ern mit Programmen zur Entwicklungshilfe an der Bundesfachschule Maintal (siehe Infokasten). Heute geht es dabei vor allem um den Umwelt- und Klimaschutz. Denn seit den Protokollen von Montreal (1987) und Kyoto (1997) ist die internationale Staatengemeinschaft mit großem Einsatz bemüht, die Ozonschicht und das Klima unseres blauen Planeten zu stabilisieren. Dafür benötigtes Fachwissen wird in Maintal vermittelt und mit GIZ-KursteilnehmerInnen in die ganze Welt entsandt.

Sonja Mfarrej lebt in Tunesien. Das Thermometer fällt dort nur selten unter 8 °C; daher gehört Klimatechnik wie selbstverständlich zum allgemeinen Leben. Vor wenigen Monaten aber stand die selbstbewusste junge Frau in der Kältewerkstatt der Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik. Sie prüft Druck und Temperatur einer Propankälteanlage. Das System läuft zuverlässig und stabil. Sonja ist zufrieden. Die studierte Biologin hat ihre erste Kälteanlage auf ein natürliches Kältemittel umgestellt. Als Quereinsteigerin wird ihr das antrainierte Fachwissen in ihrem Land in Zukunft sehr nützlich sein. Denn Kältetechnik hat sie niemals gelernt. Aber aus welchem Grund ist sie überhaupt nach Deutschland gekommen?

Kurse der GIZ

Beim sogenannten „Cool Training“ wird der Umgang mit natürlichen Kältemitteln in Kälte- und Klimaanlagen vermittelt. Hinter dem Angebot steht die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) handelt. Als weiterer Partner zeichnet die Klimaschutzinitiative Proklima für die Organisation mitverantwortlich. Seit 2014 finden die Kurse in Maintal statt. Es gibt zwei Kurstypen:

Einwochenkurs der nationalen UNEP Ozone-Officer (UNEP: United Nations Environmentional Programme), um zu demonstrieren, was die Kälte-Ausbilder der UNEP-Programme im Feld alles lernen

Zweiwochenschulung mit Abschlussprüfung der nationalen Kälte-Ausbilder, die in ihren Ländern die Verantwortung für ihre Schulungen übernehmen

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP unterstützt in den Partnerländern die Ozone-Units und den nationalen Ozone-Officer. Dort werden beispielsweise Entsorgungskonzepte umgesetzt, koordiniert und überwacht. Die Kälte-Ausbilder haben in zwei Wochen und nach Abschluss einer Prüfung gelernt, welche Verbindungstechniken es gibt, wie wichtig die Dichtheit von Kälteanlagen ist, wie eine Lecksuche funktioniert, welche Kältemittelalternativen existieren und wie Propan oder CO2 in gewerblichen Kälteanlagen arbeiten. Das globale Ziel allen Wissenstransfers aus Sicht der Kälte- und Klimatechnik: Der Ausstieg aus den F-Gasen und die Reduktion von CO2-Emissionen, um den Montreal- und Kyoto-Anforderungen gerecht zu werden.

Propan in Klimaanlagen

Als einzige Frau zählte Sonja Mfarrej im vergangenen Jahr zu einer 14-köpfigen, internationalen Gruppe, die das zweiwöchige Training absolvierte. Drei weitere Kurse hatten zuvor mit anderen Teilnehmern stattgefunden – alles in allem aus über 30 verschiedenen Ländern. In ihrem Heimatland arbeitet Sonja Mfarrej als UNEP-Expertin im Zuständigkeitsbereich zur Kontrolle von die Ozonschicht gefährdender Gase. Dazu begleitet sie ein Projekt der UNIDO – neben UNEP ein weiterer Ableger der Vereinten Nationen (United Nations Industrial Development Organisation; Alle Informationen zum Ableger der Vereinten Nationen finden Sie unter www.unido.org). Der Hintergrund zu diesem Projekt: In Tunesien ist der Import von R22 noch nicht verboten – im Gegensatz zu Europa. Dennoch beschränkt das Montreal Protokoll seit 2015 die Produktion und den Import von recyceltem R22 auf 10 % des Verbrauchs von 1989 für jedes Land – so auch für Tunesien. Ein weltweites Verbot wird 2020 in Kraft treten. Das UNIDO-Projekt zielt ab auf Klimageräte aus Asien. Dort produziert der chinesische Klimaanlagengigant Midea noch heute zahlreiche Geräte mit R22-Füllung unter eigener Marke sowie als OEM-Produkte für den weltweiten Vertrieb. Midea erklärte sich im Rahmen einer Selbstverpflichtung dazu bereit, eine Produktionslinie mit jährlich 200.000 Splitklimageräten auf Propan umzustellen (Broschüre „Introduction to UNIDO – Inclusive and Sustainable Industrial Development“; Wien 2015; Seite 37). In diese Aufgabenstellung ist Sonja Mfarrej involviert. Ihr Ziel für Tunesien: der Wissenstransfer über die Umrüstung und den Betrieb von synthetischen Kältemitteln (R22 und R410A) auf Propan in ihrem Heimatland. Denn auch dort werden Geräteimporte von Midea, aber auch der Marken Haier oder LG schon heute von tunesischen Recyclingunternehmen auf Propan umgestellt. „Wenn möglich, wollen wir gleich den Übergang zu natürlichen Kältemitteln schaffen. Meine Aufgabe wird es sein, Ingenieure in den Unternehmen im Umgang mit Propan zu begleiten und zu überwachen. Das Wissen soll anschließend an die Facharbeiter weiter gegeben werden“, erklärt Sonja Mfarrej ihre Mission.

Wissen für die Welt

„Frau Mfarrej ist ein gutes Beispiel für den weltweiten Wissenstransfer an unserer Bundesfachschule“. Geschäftsführer Jörg Peters und sein Team um die Experten Berthold Schneider und Reiner Mayers sind nach einer etwas ruhigeren Phase 2013 wieder aktiv in die internationale Projektarbeit eingestiegen. Aufgrund früherer Erfahrungen und guter Referenzen wurde die Zusammenarbeit mit GIZ und UNEP neu belebt. Denn der weltweite Ausstieg aus möglichst vielen synthetischen Kältemitteln steht dort nach wie vor ganz oben auf der Agenda. Hinzu kommen Themen wie Anlagendichtheit, das Monitoring, die Effizienz der Systeme und die aktuellen Übergangskältemittel. In den „Cool Trainings“ werden ausführlich die natürlichen Kältemittel behandelt. „Wir schulen in Theorie und in der Praxis“, so Jörg Peters. „Neben den Labor- und Werkstattübungen gibt es dafür Exkursionen zu deutschen Unternehmen wie Teko in Altenstadt oder zum Bitzer-Schulungszentrum in Rottenburg. Auch der Besuch bei Kälteanlagenbetreibern soll nicht unerwähnt bleiben. So wurden bisher Roche in Mannheim, Nordfrost in Groß Gerau und die SAP-Arena in Mannheim besichtigt. Hier haben die Teilnehmer die Gelegenheit, sich vor Ort ausführlich über natürliche Kältemittel im Einsatz zu informieren. Das Programm läuft vorerst bis Ende 2016.“

Die nächsten Schwerpunkte wurden von der UNEP für Länder wie China und Südafrika festgelegt. Ende 2015 war bereits eine große Delegation von über 20 Chinesen an der Bundesfachschule. Und wie wichtig der Wissenstransfer in Asien ist, verdeutlicht ein Beispiel: Im Sommer sind in China rund 2 Mio. Wanderarbeiter unterwegs, die ausschließlich Klimageräte installieren. Denn trotz Konjunkturflaute wachsen dort Wohlstand und damit das Geschäft mit Klimatechnik. Außerdem wird die Lebensmittelkühlung aufgrund der Bevölkerungsexplosion immer bedeutender. Denn wenn in Entwicklungsländern Menschen zu Geld kommen, sind die ersten Anschaffungen der Fernseher und anschließend der Kühlschrank! „Für die zum Teil ungelernten Installateure soll in China eine beachtliche Zahl an Kälteschulen aufgebaut werden. Dafür konnten wir der chinesischen Delegation natürlich auch unsere jahrzehntelangen Erfahrungen mit auf den Weg geben“, resümiert Jörg Peters den Abschluss des letzten Trainings im Jahr 2015.

Wie das Resultat des von Maintal ausgehenden Wissenstranfers aussehen kann, zeigen exemplarisch die folgenden Beispiele: Ein Kursteilnehmer aus Costa Rica hatte nach seiner Heimkehr mit der Bundesfachschule Kontakt gehalten. „Es war schön zu hören, dass er inzwischen bereits über 170 Leute beschult hat. So stellen wir uns den Ansatz ‚Train the Trainer’ vor“, freut sich Jörg Peters und hofft natürlich auf einen ähnlichen Effekt in den anderen Ländern. Im Rahmen eines früheren Programms war er 1999 beispielsweise im arabischen Raum unterwegs. „Wir haben in verschiedenen Ländern gearbeitet. Im Libanon entstand darüber eine Kältefachschule nach dem Vorbild der BFS. Und heute kommt der damalige Kontaktpartner Ibrahim Ibrahim aus Beirut wieder zu weiteren GIZ-Schulungen zu uns.“ (Die Internetplattform www.green-cooling-intiative.org zeigt eine Auswahl an Erfahrungen zur Umsetzung von GIZ-Programmen.)

Erfahrung ist der größte Schatz

Seit den 80er Jahren hat sich an der Bundesfachschule in Maintal ein großer Fundus an Fachwissen und Erfahrungen angesammelt. Für die tatsächliche Umsetzung von „Cool Trainings“ der GIZ oder anderen Programmen ist dies von fundamentaler Bedeutung. Denn was nützt das beste Fachwissen, wenn die Landesgegebenheiten die Umsetzung verhindern? „Unser Ziel ist es, dass unsere internationalen Schüler fähig sind, pragmatische Entscheidungen in ihren Ländern zu treffen. Darum geben wir keine Lösungen vor, sondern machen Vorschläge. Und wir müssen so gut wie möglich wissen, wie die Situation vor Ort aussieht.“ Jörg Peters weiß aus eigener Erfahrung genau, worüber er spricht und erinnert sich an lehrreiche Erfahrungen. „Als wir einmal in Mexiko arbeiteten, wurde das mitgebrachte technische Gerät hier bei uns auf die dortige Spannungsversorgung von 110 V vorbereitet. Die erste Hürde war dann der Zoll. Was in Deutschland eine Formalie ist, erwies sich in Südamerika als große Schwierigkeit und am Ende konnten wir nur einen Teil des verschifften Materials auslösen. Als wir dann loslegen wollten, machte unsere Vakuumpumpe schlapp. Obwohl wir ja die dortige Versorgungsspannung berücksichtigten, haben wir nicht mit Netzschwankungen zwischen 90 und 130 V gerechnet! Am Ende half uns eine alte amerikanische Maschine aus der Klemme.“

Ein anderes Erlebnis war Namibia. „An einem Bildungszentrum in Namibia sollten wir Kälteschulungen durchführen. Als wir ankamen, stellte sich aber heraus, dass dort kaum Technik vorhanden war. Die Lösung lieferte dann einer der Kursteilnehmer. Er war Chef einer Kältefirma und erlaubte uns, alles Notwendige aus seinem Lager zu verwenden. So bauten wir improvisierte Entsorgungsgeräte.“ Wer dies jetzt liest, schmunzelt vielleicht. Tatsächlich sieht so aber in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern die Realität aus. Darum ist die Bundesfachschule aufgrund des Jahrzehnte langen Erfahrungsschatzes ein besonders fähiger Partner für die Umsetzung von Entwicklungsprogrammen der GIZ oder UNEP. „Bei den nächsten Kursen kommen jetzt die Trainer erst einmal zu uns. Wir werden dann gemeinsam vorbereiten, was dort funktioniert, wie es funktioniert und wo es haken könnte. Außerdem werden wir dann im Land vor Ort einen Kollegen wie Berthold Schneider mit sehr viel Praxiserfahrung benötigen. Denn bei aller Vorbereitung wird immer ein Rest Improvisationstalent notwendig sein“, weiß Jörg Peters die Situation richtig einzuschätzen.

Komme gerne wieder

Und was sagen die Kursteilnehmer? „Ich habe viel Neues gelernt. Wissen, dass ich jetzt weiter geben kann.“ Gerne blickt Sonja Mfarrej auf die zwei Wochen in Maintal zurück. „Unser Lehrer, Herr Berthold Schneider, ist ein sehr guter und erfahrener Trainer. Auch die beiden Manager der Recyclingfabrik in Tunesien, die ich künftig überwachen werde, waren schon hier. Nach dem ‚Cool Training’ konnten sie vieles in ihrer Firma anpassen und optimieren. Und außerdem war alles prima organisiert – vom ersten bis zum letzten Tag. Ich würde gerne wieder zu einem Training kommen.“ Ein besseres Zeugnis, als von den Teilnehmern selbst, kann man nicht ausgestellt bekommen. Sowohl für die Bundesfachschule als auch für die GIZ und für ein hoffentlich erfolgreiches Programm zum Schutz der Ozonschicht und zum Schutz des Klimas. Die Alternative? Es gibt keine, zumindest nicht für uns Menschen.

Die Welt zu Gast

Seit Anfang der 80er Jahre waren und sind bis heute Menschen aus aller Herren Ländern an der Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik zu Gast. Die ersten Regierungsstipendiaten kamen zur Weiterbildung aus Schwellen- und Entwicklungsländern wie Indonesien, Syrien, Ägypten oder Bangladesch. Damals war die Bildungseinrichtung noch in der Frankfurter Schönstraße eingemietet. Mit dem damaligen Programm wurde Fachwissen zurück in die Heimatländer der Teilnehmer aus aller Welt transportiert. Später unterstützte die BFS auch den Aufbau von Bildungseinrichtungen und Kältefachschulen überall auf der Welt. Einen umfassenden Überblick über alle Aktivitäten zum internationalen Wissenstransfer und die komplette Geschichte der Bundesfachschule inklusive der Europäischen Studienakademie Kälte-Klima-Lüftung (ESaK) liefert der „Goldene Kälteblick“. Die Festschrift erschien im Jubiläumsjahr 2015 und kann einfach per E-Mail kostenlos angefordert werden unter mit dem Stichwort „Goldener Kälteblick“ und der Angabe der Lieferanschrift.

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