Das erste Lehrjahr schafft wichtige Grundlagen
Der Weg zum „Mechatroniker/-in für Kältetechnik“ – Teil 1
„Handwerk hat goldenen Boden“ – das Sprichwort gilt heute mehr denn je, ist aber etwas in Vergessenheit geraten. Wer nach seinem Schulabschluss mit einer Berufsausbildung in der Kälte- und Klimatechnik liebäugelt, sollte neben einigen Grundvorsaussetzungen vor allem eines mitbringen: handwerkliches Interesse und Lust auf einen spannenden technischen Beruf. Dann wird eine Belohnung nicht ausbleiben.
In Deutschland gibt es 41 eingetragene Vollhandwerke. Sie alle sind gelistet in Anlage A der Handwerksordnung. Für diese Gewerke ist eine Meisterprüfung die Voraussetzung zur Selbstständigkeit. Diese oder vergleichbare Qualifikationen fordert der Gesetzgeber, wenn ein Beruf besonders gefahrgeneigt ist sowie eine besondere Ausbildungsleistung erbracht wird. Die Anlage B1 nennt alle weiteren Handwerksberufe, in denen eine Meisterprüfung freiwillig abgelegt werden kann. Das sogenannte „handwerksähnliche Gewerbe“ wird in Anlage B2 erfasst.
Ein echtes Vollhandwerk
Als echtes Vollhandwerk ist aber der Kälteanlagenbauer in Anlage A gelistet. Seit 2007 titelt der Beruf zeitgemäß als „Mechatroniker/-in für Kältetechnik“, wird darum auch unter dieser Bezeichnung bei den „Elektro- und Metallhandwerken“ beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) geführt. Laut dessen Statistiken gab es im Jahr 2016 insgesamt 3939 Auszubildende, verteilt über insgesamt vier Lehrjahre. Das entspricht einer Steigerung von 6,3 % zum Vorjahr. Einziger Wermutstropfen: Wie bei vielen technischen Handwerken betrug die Frauenquote lediglich 2 %.
Alles in allem ist aber eine klare Entwicklung bei den Ausbildungszahlen erkennbar. Trotz anhaltendem Mangel an Fachkräften wächst das Gewerk kontinuierlich, würde gerne noch mehr ausbilden. Es sind derzeit etwas über 1000 Anwärter, die diesen Beruf jährlich ergreifen. Worauf kommt es vor der Berufswahl an und welche Voraussetzungen fordert das erste Lehrjahr von einem Aspiranten?
Aller Anfang … braucht Fleiß
„Normalerweise kommen die jungen Leute direkt von der Schule zu uns, sind 16 oder 17 Jahre alt und wagen den Schritt in den rauen Arbeitsalltag des Handwerksberufslebens“, weiß Dipl.-Ing. (FH) Jürgen Kaul zu berichten. „Das ist für so manchen eine große Umstellung, gelegentlich auch eine zu große Aufgabe, weshalb wohl generell im ersten Jahr die Zahl der Abbrecher am höchsten ist. Viele stellen dann aber fest, dass das Gras anderswo auch nicht grüner ist, die Arbeitsbedingungen oft deutlich weniger attraktiv sind als im Kälteanlagenbau.“ Jürgen Kaul weiß nicht nur als Geschäftsführer des Ausbildungsbetriebs Kälte- und Klimatechnik Kaul GmbH in Rüsselsheim, wovon er spricht. In seiner Funktion als Obermeister der Landesinnung Kälte-Klima-Technik Hessen-Thüringen/Baden-Württemberg hat er regelmäßig mit Berufsstartern im eigenen und in anderen Betrieben zu tun, kennt die Erfahrungen und auch die Anforderungen des Marktes genau.
„Das Ausbildungsniveau zum Mechatroniker für Kältetechnik hat gerade in den letzten Jahren stark angezogen. Ob Elektro- und Regelungstechnik, Digitalisierung, Vorschriften und Sicherheit oder die laufende Kältemittelthematik. All das braucht ein Grundverständnis für Naturwissenschaften und Mathematik. Auch die Fähigkeit zum logischen Denken hilft ungemein.“ Aus diesen Gründen klopft die Firma Kaul ihre Bewerber für eine Ausbildungsstelle vorher ab, hat dafür einen kleinen Einstellungstest entwickelt. „Uns ist wichtig, dass unsere neuen Auszubildenden eine gute Grundausbildung von ihrer Schule mitbringen, schon deshalb, damit sie in der Berufschule oder überbetrieblichen Lehrunterweisung (ÜLU) dann am Ball bleiben können.“ Sollte dennoch das eine oder andere Defizit bestehen, wird natürlich auch nachgeholfen, wenn sich der Bewerber willig, interessiert und talentiert zeigt. Denn vor allem handwerkliches und technisches Interesse bzw. Geschick sind wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Lehre. „Durch unseren Test zeigt sich meist, wer schon handwerkliche Erfahrungen gesammelt und sich ein paar Gedanken darüber gemacht hat, was Handwerk wirklich bedeutet.“
Das erste Jahr
Der Einstieg in das erste Ausbildungsjahr erfolgt in der Regel nach abgelegtem Schulabschluss. Es gibt aber keine Zulassungsvoraussetzungen. Dennoch braucht es gute Kenntnisse in Physik, Mathematik oder Chemie, um die Anforderungen der Kälte- und Klimatechnik im Anlagenbau zu verstehen, umzusetzen oder bei der Fehlersuche anzuwenden. Wer noch kein Abschlusszeugnis hat, ist dennoch gut beraten, sich frühzeitig um die begehrten Ausbildungsplätze zu kümmern. Die Firma Kaul stellt beispielsweise zwei Auszubildende pro Jahr neu ein, hat aber meist deutlich mehr Bewerbungen vorliegen. Von Vorteil kann bei der Entscheidung ein zuvor geleistetes Berufspraktikum sein, das schon während der Schulzeit absolviert wird. So merkt ein Ausbilder schnell, wer sich für die Ausbildung eignet und ein Schüler stellt fest, ob ihm ein technischer Beruf Spaß macht.
Beginn des ersten Lehrjahres ist immer nach den Sommerferien je nach Bundesland ab 1. August oder 1. September. Der Lehrling erhält den Ausbildungsvertrag von seinem Arbeitgeber, lernt seinen Ausbilder kennen und wird über den Ablauf „Betrieb – Unterricht“ des ersten Jahres informiert. Denn mit der dualen Ausbildung werden im Unternehmen, in der Berufsschule sowie mit der überbetrieblichen Lehrunterweisung theoretische und praktische Inhalte parallel vermittelt. „Unser duales System ist einmalig in Europa und die beste Möglichkeit, einen Auszubildenden auf das Berufsleben vorzubereiten. Unsere Gesellen sind nach ihrer Ausbildung sofort einsatzbereit, müssen nach der Theorie und dem Berufabschluss nicht erst noch die Praxis lernen, was in anderen Ländern meist der Fall ist“, weiß Jürgen Kaul aus eigener Erfahrung.
Alles in allem umfassen die ersten zwölf Monate fünf „Lernfelder“, um Grundkenntnisse und Grundlagen zu vermitteln (s. Tabelle). Während der 320 Unterrichtstunden in der Berufschule geht es dabei um Arbeitsmittel und handwerkliche Fertigkeiten, ohne die keine Anlage erstellt werden kann. Außerdem hat der Lehrling erste Berührungen mit dem Kältekreislauf, dessen Komponenten, Funktionen und Anwendungsmöglichkeiten. Die ÜLU unterstützt die Lernfelder zusätzlich während eines zweiwöchigen Grundkurses (GKK). Die meiste Zeit aber verbringt der Lehrling in seinem Ausbildungsbetrieb und ist mit Mitarbeitern unterwegs, um Service- und Wartungsarbeiten sowie Neubau von Kälte- und Klimaanlagen durchzuführen.
Auszubildende berichten
Wie es sich tatsächlich anfühlt, Mechatroniker für Kältetechnik zu werden, erzählen zwei Auszubildende der Firma Kaul mit unterschiedlichen Biographien. Dennis Eichhaus (27) zum Beispiel ist motivierter denn je. Nachdem sein erster Anlauf in einem anderen Betrieb aus persönlichen Gründen scheiterte, sammelte er einige Jahre Lebenserfahrung, um jetzt nochmals durchzustarten. „Ich bin sehr glücklich, dass Herr Kaul mir diese zweite Chance gibt. Es ist ein super Beruf und ich bin hochmotiviert, werde jetzt auch in der Schule gute Leistungen abliefern. Dass ich ein Handwerk lernen will, war mir schon immer klar. Bei meinem heutigen Arbeitgeber habe ich seit Beginn meiner Lehre viele Möglichkeiten, werde voll eingebunden in die Montage, bei der Wartung oder im Kundendienst. Es ist schon sehr früh ein teilselbständiges Arbeiten mit Netz und doppeltem Boden.“ Nach seinen Erfahrungen in der Berufschule ist das nicht für jeden Schüler der angebotene Weg, hängt immer vom Ausbildungsbetrieb und dem Lehrling ab. Er selbst ist aber sehr zufrieden. „Wir lernen durchs Tun, das ist der beste Weg. Mein Kollege und ich sind auch schon weiter als andere Lehrlinge in der Berufsschule, denke ich. Die wussten noch nicht, wie man mit einem Manometer umgeht, als ich in der Werkstatt unter Aufsicht schon die ersten Anlagen evakuiert habe.“
Sein Kollege heißt Mustafa Abusaida, ist 35 Jahre und hat Familie. Seine Biografie ist sehr ungewöhnlich, zeigt aber, dass es immer einen Weg gibt, wo ein Wille ist. „Ich komme aus dem Irak, habe zuhause Biologie studiert und hatte danach eine eigene Computerfirma“. Der Informatiker hatte bislang keine Berührungspunkte zur Kältetechnik, fühlt sich aufgrund seiner umfangreichen Erfahrungen in der Heimat aber als Handwerker. Man merkt ihm an, wie viel Spaß ihm seine Ausbildung macht. Und trotz noch vorhandener Sprachbarrieren spricht er schon ein gutes Deutsch. „In der Schule ist es manchmal schwierig, aber ich bin ein Mensch, der Fragen stellt, wenn ich etwas nicht verstehe.“ Er lobt das Arbeitsklima mit seinen Kollegen, erhält von ihnen große Unterstützung. „Schon nach zwei Monaten durfte ich löten, war gleich mit auf den Baustellen und lerne am Besten in der Praxis – weiß aber, dass man auch die Schule braucht“, sagt der zweifache Familienvater schmunzelnd.
Ausbildung braucht Begleitung
Die Firma Kaul hat zwei Meister, die sich um die Ausbildung der Lehrlinge kümmern, die Berichtshefte kontrollieren oder Prüfungen mit vorbereiten. Kälteanlagenbau im Fachbetrieb bedeutet anders als in der Industrie, dass Auszubildende schon früh mit Monteuren unterwegs sind. Es ist sehr abwechslungsreich und bedeutet im Kundendienst ständigen Kundenkontakt. Auch das muss ein junger Mensch meist erst einmal lernen. Gleiches gilt für die Auftragsabwicklung auf der Baustelle in Koordination mit den anderen Gewerken vor Ort.
In der Werkstatt wird gelernt, wenn es etwas ruhiger ist. Dann geht es im ersten Ausbildungsjahr um Grundlagen der Metallverarbeitung wie Bohren, Sägen, Feilen, die sachgerechte Bedienung von Werkzeugen und Maschinen oder um Verbindungstechniken. „Die Kältetechnik selbst wird in den ersten zwölf Monaten eher noch begleitend zusammen mit den Gesellen oder Monteuren draußen ‚erlebt’ und durchs Zuschauen gelernt“, fasst Jürgen Kaul zusammen. „Und wenn wir glauben, ein Auszubildender ist schon soweit, dann lassen wir ihn auch mal alleine ran. Vielleicht zuerst in der Werkstatt, wenn eine Altanlage entsorgt werden muss. So können wir sehen, wie er sich anstellt. Denn wenn einer nicht weiß, wo was angeschlossen wird, können im Feld schlimme Fehler passieren. Das muss Stück für Stück beigebracht werden.“ So erleben es auch Dennis Eichhaus und Mustafa Abusaida. Beide gehören zu den fleißigen und lernwilligen Lehrlingen, haben gute Aussichten, von ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen zu werden.
Was nach den Grundlagen und ersten Felderfahrungen im zweiten Lehrjahr auf einen angehenden Mechatroniker für Kältetechnik zukommt, darüber informiert Teil 2 dieser Serie in der nächsten Ausgabe und wirft dafür den Blick in einen mittelständischen Industriebetrieb.
Ausbildung im Handwerk
Wie wird man „Mechatroniker/-in für Kältetechnik“? Antworten auf diese und viele weitere Fragen liefert die vierteilige Serie der KKA in Kooperation mit der Landesinnung Kälte-Klima-Technik Hessen-Thüringen/Baden Württemberg. Sie ist gedacht zum Sammeln und zur Weitergabe an interessierte Berufseinsteiger.
Teil 1 beschreibt wichtige Voraussetzungen für die Berufswahl und die Anforderungen des ersten Lehrjahres. Dafür standen unter anderem Lehrlinge und der Inhaber der Kälte- und Klimatechnik Kaul GmbH in Rüsselsheim Rede und Antwort. Teil 2 der nächsten KKA-Ausgabe wirft das Augenmerk auf die Inhalte von Ausbildungsjahr 2 und wie diese in einem Unternehmen mit industrieller Kleinserienproduktion vermittelt werden.