Ein Kältelabor für den Kilimandscharo

Deutsche Unterstützung für Berufsschule in Tansania

In Zusammenarbeit mit Lehrern und Dozenten der Berufsschulen Gelnhausen und Leonberg sowie Eberhard Leitz und der Louis Leitz Stiftung unterstützt die Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik, Maintal, ein außergewöhnliches Projekt. Es geht um den Aufbau einer Kältetechnikabteilung der „Berufsschule Kilimandscharo“ in Tansania.

Sven Jakob ist Fach-Dozent. Er arbeitet für die Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik, überwiegend am Standort Leonberg. Und er ist ein Mann der ersten Stunde, als nämlich das Projekt „Kilimandscharo“ (www.berufsschule-kilimandscharo.org) im Sommer 2015 startete. Was er damals nicht ahnte: Afrika sollte sein Leben verändern, zumindest ein kleines bisschen. Warum die Kältetechnik daran einen entscheidenden Anteil hat, darüber erzählt er in seinen Reiseaufzeichnungen.

Am Anfang stand ein Hilferuf

„Alles begann im Sommer 2015. Damals hatten wir das „alte Kältelabor“, welches Jahre zuvor noch in Maintal stand, aus Gelnhausen nach Leonberg transportiert und dort aufgearbeitet. Im November wurde es verpackt und zusammen mit einer komplett gespendeten Werkstattausrüstung des Stuttgarter Fachgroßhändlers Christoph Fischer GmbH sowie weiteren Geräten verschiedener Firmen in zwei großen Überseecontainern auf ein Frachtschiff nach Tansania verladen. Der Adressat: die Ausbildungswerkstätten Kältetechnik am St. Joseph‘s Vocational Training Center (VTC) Boma Ng’ombe. Im Februar 2016 kam alles an. Und wir erhielten einen Hilferuf aus Tansania, um doch bitte die Einrichtung der geliefertenKomponenten vorzunehmen.

Da die technischen Lehrer der Beruflichen Schule Leonberg, Kai Schäf und Oliver Löffler, mich bei der Aufarbeitung des Kältelabors tatkräftig unterstützt hatten und sie die erste Anlaufstelle von Eberhard Leitz und des damaligen Schulleiters Vater Calistus vom VTC für den Aufbau der kältetechnischen Ausbildung in Boma Ng‘ombe waren, fragte ich, ob sie mich für diesen Einsatz begleiten möchten. Leider war es den beiden so kurzfristig nicht möglich. Nach ein paar Telefonaten hatte ich dann dennoch ein schnelles Einsatzteam, bestehend aus Rainer Flach (Berufsschule Gelnhausen), Frank Dörfel (Gesellenprüfungsausschuss Baden-Württemberg) und mir zusammengestellt.

Als diese Personalfrage geklärt war, legten wir den Zeitraum unserer ersten Reise auf den 22. März bis 1. April 2016. Uns war klar, was das bedeutet: Ostern in Tansania! So kamen wir am 11. März für eine Einsatzbesprechung mit Eberhard Leitz in den Räumen der Leitz Stiftung in Stuttgart zusammen, um im Detail die notwendigen Maßnahmen zu klären. Bei unserem ersten Einsatz sollte das Hauptaugenmerk auf der Einrichtung der Werkstätten und Einweisung der beiden Fachlehrer John Mmbando und Lucy Moshi liegen.

Ankunft in Sabuko

Elf Tage später war es soweit: Frank, Rainer und ich trafen uns am Flughafen Frankfurt. Und nach zwölf Flugstunden standen wir dann in der Wartehalle des Flughafens Kilimandscharo. Dort erwartete uns Vater Calistus, der Ordensobere des Apostolic Life Community of Priests in the Opus Spiritus Sancti (ALCP/OSS) für die Provinz Afrika. Nach abenteuerlicher Fahrt kamen wir in Sabuko an. Am nächsten Morgen führte uns Vater Calistus durch den Ordensstandort. Hier ist die Hauptaufgabe der Priesterausbildung gewidmet, um sie danach in verschiedenen Ländern einzusetzen. Des Weiteren werden viele gemeinnützige Einrichtungen unterhalten.

VTC Boma Ng‘ombe – 1. Teil

Nach kurzer Fahrt erreichten wir am zweiten Tag über teilweise sehr schlechte Straßen das VTC in Boma Ng‘ombe. Dort entsteht die Kälteschule. Vater Calistus führte uns über das Schulgelände und stellte uns den Lehrern, Schwestern und Mitarbeitern vor. Wir besuchten die Ausbildungswerkstätten für die Automechanik und Autoelektrik, den klimatisierten Computerraum, die Klassenräume für Theorie- und Führerscheinausbildung, die Schneiderei, in der die schuleigenen Uniformen geschneidert werden, und zu guter Letzt das neu gebaute Gebäude für die kältetechnische Ausbildung. Dort verschafften wir uns erst einmal eine Übersicht und organisierten, dass uns die Schüler, die nicht in den Osterferien ihre Familien besuchten, beim Einrichten der Räume zur Hand gingen. Voller Begeisterung wurden wir von ihnen begrüßt. Anschließend begann das Auspacken und Verteilen der Werkstattschränke und Werkbänke. Nach dem Mittagessen ging es ans Ausladen des Containers mit den Werkzeugen, den Stühlen, Maschinen und dem Kältelabor. Wir hatten so viele Helfer, dass wir den Container nach zwei Stunden bis auf die letzte Kiste geleert hatten. Im Organisieren, Verteilen der Aufgaben und im Kontrollieren der Arbeiten lag unsere Hauptaufgabe. Wichtig dabei war, dass die Lehrer und Schüler lernten, sich selbst zu organisieren. Denn für uns waren viele Dinge selbstverständlich. Wenn man aber nicht viel zur Verfügung hat, braucht man sich über Organisation auch keine Gedanken zu machen.

Die nächsten beiden Tage wurden dann alle Werkzeuge in den Schränken und den Werkbänken verstaut, Schraubstöcke angebracht und das Kältelabor aufgebaut. Das hört sich für unsere Verhältnisse nach nicht viel Arbeit für zwei Tage an. Aber mit einer Bohrmaschine ohne Bohrfutterschlüssel, einer Kabeltrommel ohne Anschlussstecker und fehlenden Schraubensortimentskästen dauert es eben etwas länger. Wir verteilten also die Aufgaben untereinander: das Anbringen der Anschlussstecker an die Kabeltrommel, eine Besorgungsfahrt zum Eisenwarenhändler und das Betreuen der Bohrarbeiten an den Labortischen.

Das Leben in Afrika

Über die Osterfeiertage waren dann etwas Freizeit und eine Safari angesagt. Außerdem fuhr Vater Veri mit uns zu einem Massai-Dorf, um uns das Leben dort näher zu bringen. Wir trafen einen Massai, der uns eine halbe Stunde von Sabuko entfernt eine sich im Bau befindliche medizinische Erstversorgungsstation zeigte. Sie wird zukünftig von den Ordensschwestern geleitet und ist Anlaufstelle für alle Massai, die in diesem Gebiet weit verstreut leben. Dann durften wir ein Massai-Haus besichtigen. In den 10 bis 15 m² kleinen Hütten wird gekocht, gelebt und geschlafen. Man sieht aber, wie sich einiges verändert. Die Massai bauen sich auch Steinhäuser, es entstehen kleine Dörfer, in denen es Geschäfte mit Dingen des täglichen Bedarfs gibt. Was mich dann doch ein wenig überraschte: Das Mobiltelefon hat hier schon längst Einzug gehalten. Und der Nachrichtendienst WhatsApp ist so verbreitet wie bei uns Zuhause. Das Angenehme: Auf diesem Weg können wir auch von Deutschland aus einen sehr guten Kontakt zu den Priestern, Lehrern und Schülern pflegen – ja sogar zu den Massai. Wir folgten dann der Einladung unseres Guide nach Hause, wo wir von seiner ersten Frau und den Kindern sehr freundlich empfangen wurden. Er hat noch eine weitere Frau, ebenfalls mit Kindern – zusammen sind es zwölf!

Darum braucht es die Kälteschule

Über sehr staubige und holprige Wege kamen wir dann an der Krankenstation Ashe Engai an. Hier findet die weitere medizinische Versorgung der umliegenden Bevölkerung statt. Es ist ebenfalls eine soziale Einrichtung, die von dem Priesterorden geleitet wird. Es gibt sogar einen zahnärztlichen Behandlungsraum, nur leider noch keinen behandelnden Arzt mit der notwendigen Qualifikation. Mit Spenden aus Italien wurden zwei Operationssäle neu gebaut, um Operationen wie Kaiserschnitte, Blinddarmentfernung usw. durchzuführen. Kaum etwas entspricht zwar den uns vertrauten Standards, aber für die Verhältnisse vor Ort ist es eine hochmoderne und dringend erforderliche Einrichtung. Die Operationssäle werden mit einem Splitklima-Wandgerät gekühlt. Ein gutes Beispiel, dass die Kältetechnik-Ausbildung am Kilimandscharo kein Schnick-Schnack ist, sondern dringend benötigt wird. Wir wurden durch den Aufwachraum, das Arztzimmer und die Teeküche des Operationsgebäudes geführt. Alles aufs Nötigste reduziert, aber schön und vor allem funktionell eingerichtet. Der neue Operationssaal ist wirklich ein Segen für die umliegende Bevölkerung.

VTC Boma Ng‘ombe – Teil 2

Nach Ostern, unserem Safaritrip und den Eindrücken aus den sozialen Einrichtungen Kilasara und Ashe Engai fuhren wir am frühen Dienstagmorgen nach Boma Ng‘ombe ins VTC St. Joseph’s zurück, um unsere Arbeiten fortzusetzen. Ein Termin mit dem örtlichen Elektriker stand an, der die Hausinstallation im RAC-Gebäude vorgenommen hatte. Wie zu erwarten war, kam er natürlich nicht zum ausgemachten Zeitpunkt, sondern mit Verspätung. Aber man gewöhnt sich sehr schnell an die Dinge in Afrika und wie diese funktionieren – eben alles mit der nötigen Ruhe und Gelassenheit. Es gab noch ein paar Unstimmigkeiten, die wir mit dem Elektriker klären mussten. Denn wie wir an den Osterfeiertagen bei der Planung für die restliche Woche festgestellt hatten, stimmten die Pläne nicht mit der Installation überein. Und nachdem Rainer dem Elektriker die Problematik schilderte, er dies erst nüchtern zur Kenntnis nahm, die beiden sich dann aber gemeinsam auf die Fehlersuche in der mechanischen Werkstatt machten, wurden sie die besten Freunde. Er war wirklich froh und freute sich riesig, als er feststellte, dass unsere Anwesenheit Hilfe und nicht Besserwisserei bedeutete.

Wir hatten jetzt nur noch etwas mehr als zwei Tage, um die beiden Lehrer Lucy und John in die Werkstätten einzuweisen. Mit sehr viel Bedenken, dies in der kurzen Zeit zu schaffen, machten wir uns zusammen mit ihnen und einigen Schülern an die Arbeit und bauten die erste Kälteanlage am Labortisch auf. Sofort wurde die Skepsis nur noch größer. Mit viel Unterstützung durch uns gelang es dann aber, die erste Anlage betriebsfertig zu installieren und die elektrische Verdrahtung vorzunehmen. Doch schnell stellten wir fest, dass die Anlage einen Fehler hatte. Nach einigen Anläufen der Fehlersuche durch die beiden Lehrer haben schließlich wir den Austausch des defekten Expansionsventils vorgenommen. Uns war spätestens jetzt klar, was bei einem Defekt eines Labortisches ohne unsere Anwesenheit passieren würde: Die Anlage würde in diesem Zustand verbleiben, bis wir wieder vor Ort wären. An ein selbstständiges Arbeiten an den Labortischen war hier noch nicht zu denken. Wir machten uns also während des Mittagessens Gedanken, wie wir weiter vorgehen sollten, um wenigstens den Start der Ausbildung Kältetechnik am Kilimandscharo in den neuen Räumen zu ermöglichen. Rainer hatte dann die zündende Idee, einfach verschiedene Anlagen aufzubauen und aufgebaut zu lassen. Diesen Plan setzten wir in die Tat um und installierten neben den Expansionsventilanlagen noch eine mit Kapillarrohreinspritzung. Dann setzten wir unsere Einweisung fort und zeigten, wie die Anlagen in und außer Betrieb genommen werden können. Wir waren jetzt auf einem guten Weg, mit kleinen Schritten unserem Ziel näher zu kommen. Aber es bedarf noch einer intensiven Betreuung über Jahre, um das Ganze so zum Laufen zu bekommen, wie wir uns das vorstellen.

Vor uns lag jetzt noch die Einweisung in die mechanische Werkstatt. Denn viele Werkzeuge sind in Tansania einfach nicht bekannt. Also fingen wir mit dem Rohrschneider, dem Entgrater und dem Ausrichten der Rohrleitungen an. Die verschiedenen Biegewerkzeuge waren ebenfalls eine riesige Herausforderung und das Löten mit Propan eine Seltenheit. „Wir benutzen Acetylen“, hieß es dazu von John. Nach einer kurzen Einweisung in die Lötstation lötete dann Lucy ihr erstes Kupferrohr und das sogar sehr gut. John besorgte uns ein Stahlrohr, damit wir es mit dem Kupferrohr verbinden konnten. Es funktionierte sehr gut und gab uns Hoffnung sowie unseren Schülern eine Grundlage, auf die sich zukünftig aufbauen lässt.

Trotz allem liegt aber noch ein sehr langer Weg für die vollwertige Ausbildung im Bereich Kälte- und Klimatechnik vor uns allen. Mit sehr viel Tatendrang und Unterstützung von allen Beteiligten werden wir in Boma Ng‘ombe aber eine der besten Ausbildungsstätten im Bereich Kälte- und Klimatechnik weit und breit aufbauen. Davon sind wir alle überzeugt. Denn bei den Schülern und Lehrern gibt es ein sehr großes Interesse und eine noch größere Begeisterung. Mit dem guten Gefühl und dem Wissen, dass Zuhause in Deutschland noch einige Unterstützer dieses Projektes auf ihren Einsatz warten, fuhren wir dann nach Sabuko zurück, um uns von allen zu verabschieden – zumindest fürs Erste.

Ein Schlusswort

Afrika hat mich ergriffen. Vor allem die Menschen, so glücklich, ausgeglichen und mit dem Wenigen zufrieden, was sie besitzen. Ich wünsche mir diese Zufriedenheit auch hier bei uns, nicht ein stetes Jammern trotz unseres großen Wohlstandes. Daher meine Empfehlung: Erlebt Afrika, tut etwas für euer Wohlbefinden und allem voran: Unterstützt die Menschen vor Ort. – Fortsetzung folgt!

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