Entwicklung einer NH3/H2O-
Kälteanlage zur solaren Kühlung

Abschließende Bewertung

Am Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik (Universität Stuttgart) wurde das Forschungsprojekt „Entwicklung einer solar angetriebenen Absorptionskälteanlage mit einem Eisspeicher“ (BMWi, Förderkennzeichen 0327397A) von 2006 bis 2010 bearbeitet. Beschreibungen, Entwicklungsschritte und Ergebnisse sind im Abschlussbericht zum Vorhaben dokumentiert. Für die energieeffiziente Wärmeversorgung und Klimatisierung von Gebäuden gewinnen Wärmepumpen und Absorptionskältemaschinen immer größere Bedeutung. Ziel des Vorhabens war die Entwicklung einer solar angetriebenen, ausschließlich mit Umgebungsluft gekühlten, Absorptionskälteanlage mit einer Kälteleistung von ca. 10 kW. Um Kälteenergie effizient zu speichern, wurde zusätzlich ein Eisspeicher entwickelt und erprobt. Es folgte der Aufbau eines solar angetriebenen Kühlsystems am ITW mit der Absorptionskältemaschine und dem Eisspeicher.

Die Bedeutung der energieeffizienten Wärmeversorgung und Klimatisierung von Gebäuden steigt stetig. Dadurch rücken auch Wärmepumpen und Absorptionskältemaschinen immer mehr in den Fokus. Um die Leistungsfähigkeit dieser Technologie zu untersuchen, wurde das Forschungsprojekt „Entwicklung einer solar angetriebenen Absorptionskälteanlage mit einem Eisspeicher“ am Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik (Universität Stuttgart) durchgeführt.

 
Der Kälteprozess

In Abb.1 ist der Aufbau der Absorptionskältemaschine schematisch dargestellt. Am Austreiber wird die Antriebswärme auf hohem Temperaturniveau zugeführt. Im Austreiber befindet sich die reiche Ammoniak/Wasser-Lösung. Aufgrund der Wärmezufuhr verdampft Ammoniak sowie ein geringer Anteil an Wasser. Der Wasseranteil im Kältemittel ist dem Prozess abträglich und muss entfernt werden. Dies geschieht im Dephlegmator, der mit kalter, reicher Lösung gekühlt wird. Dadurch kondensiert der Wasseranteil im Kältemittel und am Austritt des Dephlegmators liegt nahezu reines Ammoniak als Kältemittel vor.

Das dampfförmige Kältemittel wird im Kondensator verflüssigt. Dabei ist Kondensationswärme abzuführen. Das flüssige Kältemittel gelangt in das Reservoir, das als kurzzeitiger Pufferspeicher dient, und durchströmt anschließend den Kältemittelwärmeübertrager. Dort wird dem flüssigen Kältemittel, das noch Kondensationstemperatur besitzt, Wärme durch den Kältemitteldampf (bei Verdampfungstemperatur) entzogen. Aufgrund dieses Kältemittelwärme­übertragers kann die Effizienz der Kältemaschine deutlich gesteigert werden.

Im Anschluss wird der Druck des flüssigen Kältemittels durch das Expansionsventil vom Hochdruck auf den Tiefdruck gesenkt. Das Kältemittel strömt in den Verdampfer und verdampft unter Aufnahme von Wärme. Dabei entsteht die nutzbare Kälteleistung. Nachdem der Kältemitteldampf den Kältemittelwärmeübertrager passiert hat, wird er am Absorber mit der armen Lösung in Kontakt gebracht. Die arme Lösung strömt vom Austreiber, durch den Lösungsmittel­wärmeübertrager zum Expansionsventil und wird auf den Tiefdruck gedrosselt. Aufgrund der Kühlung des Absorbers kann die arme Lösung den Kältemitteldampf absorbieren und am Austritt des Absorbers liegt eine reine Flüssigkeit (reiche Lösung) vor. Die reiche Lösung wird mit der Membranpumpe auf die Hochdruckseite in den Austreiber gepumpt. Dabei durchströmt die reiche Lösung einerseits den Lösungsmittelwärme­übertrager und andererseits den Dephlegmator. Auf diese Weise wird die reiche Lösung schon vor dem Eintritt in den Austreiber vorgewärmt und im Lösungsmittelwärmeübertrager wird die arme Lösung abgekühlt. Der Lösungsmittelwärmeübertrager trägt auf diese Weise einen wesentlichen Teil zur hohen Effizienz der Anlage bei.

Mit Ausnahme des Austreibers sind alle wärmeübertragenden Bauteile als Plattenwärmeübertrager ausgeführt. Dies führt zu einer sehr kompakten Bauform. Selbst bei den momentanen Abmessungen von 1,8 m x 0,5 m x 0,5 m (Höhe x Breite x Tiefe) besteht noch die Möglichkeit der Reduzierung des Bauvolumens.

Entwicklung des Austreibers

Der Austreiber ist eine Sonderanfertigung und wurde im Rahmen des Forschungsprojektes entwickelt. Der Behälter (vgl. Abb. 2) ist in drei Bereiche aufgeteilt und ist bis zur bis zur Markierung „Austr_Mitte“ mit Ammoniak/Wasser-Lösung geflutet. Der untere Teil wird über die Wärmequelle (z.B. Solarkollektoren) beheizt. Dort herrschen die höchsten Temperaturen im Prozess. Ammoniak verdampft aus der Lösung. Bei der Verdampfung des Ammoniaks verdampft stets auch ein geringer Anteil an Wasser. Dieses Wasser vermindert die Kälteleistung im Verdampfer.

Bei dem entwickelten Austreiber gelangt der Dampf in den Bereich des internen Lösungsmittelwärmeübertragers (LMWÜ, Abb. 2). Der Dampf wird im Gegenstrom mit der kalten reichen Lösung (rL), die oben zugeführt wird, in Kontakt gebracht und Wasser kann abgeschieden werden. Weiterhin wird die reiche Lösung durch den aufsteigenden Kältemitteldampf (KM) sowie die abgesaugte arme Lösung (aL) vorgewärmt. Im Bereich der Rektifikation wird durch eingebrachte Edelstahlgestricke eine Oberflächenerhöhung erzielt, um Kältemitteldampf und reiche Lösung in Kontakt zu bringen. Im Austreiber stellt sich eine deutliche Temperaturschichtung ein. Die Temperatur des Kältemitteldampfes am Austritt ist, je nach Betriebspunkt, 20 bis 30 K geringer als die Temperatur am Behälterboden (Austreiber_Fuß). Aufgrund der im Austreiber enthaltenen Rektifikation kann als Maßnahme zur Kostensenkung der externe Dephlegmator (siehe Abb. 1) eingespart werden.

Im Fall von hohen Temperaturen im Verdampfer (5 bis 15 °C) ist kein Einfluss des externen Dephlegmators auf den COP der Kältemaschine festzustellen.
Bei tiefen Temperaturen im Verdampfer (0 bis -10 °C) hat der externe Dephlegmator nur noch geringfügige Vorteile. Der COP ist ohne Dephlegmator um maximal 0,05 kleiner als bei Nutzung des Dephlegmators. Der externe Lösungsmittel­wärmeübertrager kann nicht eingespart werden. Bei Überbrückung dieses Wärmeübertragers wurde ein drastischer Rückgang von Kälteleistung und COP (bis zu 0,2) festgestellt.

Kennfeld

Die Tabellen 1 und 2 zeigen ein breites Kennfeld von Betriebspunkten. Innerhalb dieser Grenzen kann die Anlage betrieben werden. Der Temperaturbereich am Austreiber kann noch deutlich nach oben erhöht werden. Jedoch sinkt bei noch höheren Austreibertemperaturen als 110 °C der Kollektorwirkungsgrad stark ab. Der COP wurde in Tabelle 1 und 2 als Quotient von Kälteleistung und der Summe von Heizleistung und Hilfsenergie berechnet. Die benötigte Hilfsenergie ist die elektrische Leistung der Membranpumpe. Sie beträgt ca. 250 W.
Bei hohen Rückkühltemperaturen sinkt die Kälteleistung ab. Dann sind höhere Heiztemperaturen erforderlich, um eine entsprechende Kälteleistung zu erzielen.

Herstellungskosten

Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden in den Jahren 2006, 2008 und 2009 drei Kältemaschinen gebaut. Die Herstellungs­kosten sind in Abb. 4 aufgetragen.

Im Verlauf des Projekts wurden Möglichkeiten zur Kostensenkung analysiert und umgesetzt. Die Gesamtkosten für eine Anlage konnten mehr als halbiert werden. Trotzdem ist die Summe der Herstellungskosten noch sehr hoch. Großes Potential zur weiteren Kostensenkung liegt in einer Erhöhung der Stückzahl. Komponenten wie die Membranpumpe oder die Plattenwärmeübertrager (PWÜ) sind bei einer Einzelanfertigung noch sehr teuer. Bei einer Serienfertigung können durch fertigungstechnische Optimierungen auch die Kosten des Austreibers und des Zusammenbaus der Anlage stark gesenkt werden.

 
Entwicklung eines Eisspeichers

Bei der Konstruktion des Speichers wurde ein Optimum aus folgenden Anforderungen angestrebt:

› hohe Be- und Entladungsleistung

› hohe Speicherkapazität

› geringe Material- und Herstellungskosten

› Platz sparende Anordnung der Rohre

› symmetrische Anordnung und parallele Durchströmung der Rohrstränge, wodurch ein gleichmäßiges Eiswachstum begünstigt werden soll

› geringer Druckverlust

Untersucht wurden Wärmeübertrager aus Kupfer, Kunststoff und Edelstahl.


Kupfer-Wärmeübertrager

Der erste Wärmeübertrager aus Kupfer (System A) ist aus neun parallelen Strängen aufgebaut. Der äußere Durchmesser der Rohre beträgt 18 mm. Die Übertragungsfläche beträgt 5,5 m². Der zweite Wärmeübertrager aus Kupfer (System C) besteht aus 16 parallel durchströmten Rohrsträngen mit einem äußeren Rohrdurchmesser von 10 mm. Die Anzahl der durchströmten Rohrstränge ist variierbar. Somit kann die Übertragungsfläche verändert werden.

Die Endkonfiguration des Wärmeübertragers (System D) wurde anhand von Simulationen ausgelegt. Dieser Wärmeübertrager besteht aus zwölf parallel durchströmten Kupferrohrmäandern mit einem Rohraußendurchmesser von 10 mm. Die Länge der jeweiligen Mäander beträgt etwa 11 m. Die Mäander sind mit einem Gerüst aus Aluminiumlochblech verbunden und stabilisiert. Dieses Lochblech bietet eine zusätzliche Wärmeübertragungsfläche von etwa 4 m². Die gesamte Wärmeübertragungsfläche der Kupferrohrmäander beträgt damit etwa 6 m².

 
Weitere Wärmeübertrager

Es wurden auch Wärmeübertrager aus Kunststoff (System B) und Edelstahl (System E) vermessen. Das Wärmeübertragersystem B besteht aus Kapillarrohrmatten (Polypropylen), System E ist mit Edelstahlwellrohr in vier Strängen mit unterschiedlicher Länge aufgebaut. Tabelle 3 zeigt einen qualitativen Vergleich der einzelnen Wärmeübertrager. System D stellt den besten Kompromiss zwischen Herstellungsaufwand, Kosten und Übertragungsleistung dar und wurde deshalb ausgewählt.

Der Wärmeübertrager D wurde in einen quaderförmigen Speicherbehälter aus Polypropylen mit Hartschaumisolierung eingesetzt. Der Speicher hat ein Gesamtvolumen von 0,5 m³. Das Wasservolumen beträgt ca. 400 l. Es können maximal 46 kWh an Kälteenergie gespeichert werden. In der Praxis wird der Speicher jedoch mit höchstens 40 kWh beladen, da die erforderlichen Beladungstemperaturen ab 40 kWh deutlich sinken und als Folge auch die Kälteleistung der Absorptionskältemaschine.

 
Solare Kühlung am ITW

Der Aufbau des Kühlnetzes wurde im Jahre 2008 umgesetzt. In den folgenden Jahren wurde aufgrund von aktuellen Erkenntnissen aus den Messungen das Kühlnetz stetig verändert und optimiert. Abbildung 6 zeigt schematisch den Aufbau der Kälteversorgung.
In fünf Räumen am Institut wurden Kühldecken (Fa. Lindner, Plafotherm B) installiert. Die erforderliche Vorlauftemperatur für die Kühldecken wird zentral mit einer Rücklaufbeimischung geregelt. Durch Drosselung des Massenstroms am Kühldeckeneintritt kann die gewünschte Raumtemperatur geregelt werden. Ein Wärmeübertrager trennt den Wasser-Glykol-Kreislauf durch Verdampfer und Eisspeicher vom Wasserkreislauf mit den Kühldecken. Der Eisspeicher wird über den gleichen Kreislauf beladen und entladen. Zusätzlich wurde parallel zum Eisspeicher ein Kaltwasserspeicher in das System eingebunden. Dieser Speicher dient als kurzzeitiger Puffer. Über einen Tagesverlauf betrachtet, ist die solar erzeugte Kälteleistung nicht deckungsgleich mit dem Kühlbedarf eines Raumes. Es gibt Zeiträume, in denen die Kälteleistung der Kältemaschine viel größer ist als der Bedarf. Die Antriebsseite der Absorptionskältemaschine (AKM) kann in diesem Fall nicht gedrosselt werden, da kein Wärmespeicher zur Verfügung steht. Die gesamte Heizleistung, die das Kollektorfeld liefert, wird zur Kälteerzeugung genutzt. Somit entsteht eine große Kälteleistung, die z.B. im Eisspeicher gespeichert werden könnte. Wäre der Kaltwasserspeicher nicht vorhanden, könnten die Räume nicht gekühlt werden, da die Anlage entweder mit dem Eisspeicher oder mit den Räumen verbunden ist. Der Kaltwasserspeicher bietet jedoch die Möglichkeit kurzfristig (stundenweise, je nach Kühlbedarf) die Raumkühlung zu übernehmen, während die Kältemaschine den Eisspeicher vereist.
Als Kaltwasserspeicher wurde ein dem Eisspeicher identischer Speicher eingesetzt. Auch der Kaltwasserspeicher kann bei Bedarf vereist werden. Dies erfolgt, wenn über mehrere Tage hinweg (z. B. Wochenende) kein Kühlbedarf besteht. Die Betriebssicherheit und die Ausnutzung des Systems wurden dadurch deutlich gesteigert.

Die Kälteversorgung der Räume ist deutlich besser als beim Einsatz eines einzelnen Eisspeichers. Durch den Einsatz des Eisspeichers und des Kaltwasserspeichers (mit der Möglichkeit der Vereisung) ist das gesamte System sehr kompakt bei hoher Kapazität. Würden Wasserspeicher mit der gleichen thermischen Kapazität verwendet, vergrößert sich das zu installierende Speichervolumen um den Faktor 7.
Bei einem südlich ausgerichteten Kollektorfeld kann die Absorptionskältemaschine von ca. 10:00 bis 16:30 Uhr betrieben werden. In den frühen Morgenstunden und am Abend wird mit dem Eisspeicher die Kühllast der Räume gedeckt.

Ausblick

Da die Investitionskosten für eine solare Kälteanlage noch immer sehr hoch sind, besteht dringender Bedarf zur Kostenreduzierung. Dies bezieht sich vor allem auch auf das Gesamtsystem der Kälteversorgung.
Am ITW ist deshalb die direkte Luftkühlung der Absorptionskältemaschine ein weiteres Entwicklungsziel. Dabei strömt die Ammoniaklösung an Absorber und Kondensator durch jeweils einen Luft-Flüssigkeitswärmeübertrager. Mit einem Ventilator wird Außenluft an den Wärmeübertrager gefördert. Die Wärmeabgabe erfolgt durch erzwungene Konvektion.
Rückkühlwerk und Kühlwasserpumpe können so eingespart werden. So werden neben den Investitionskosten für die Anlage die Betriebskosten für die Kühlwasserpumpe gespart.

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