IKEA auf Eis

Erneuerbare Energien für Heiz- und Kühlbetrieb

Das zentrale Auslieferungslager des Möbelriesen IKEA für den Großraum Wien wird weitestgehend regenerativ geheizt und gekühlt. Die Hauptrolle spielt ein Eis-Energiespeicher im Zusammenspiel mit weiteren Komponenten von Viessmann.

Groß und nachhaltig zugleich ist das zentrale Logistikzentrum von IKEA in Wien-Strebersdorf. Das zweigeschossige Lager mit Abholstation ist seit November 2019 in Betrieb. Auf 50.000 m² Fläche lagert und distribuiert der Weltkonzern in seinem Customer Distribution Center (CDC) alles, was Kundinnen und Kunden in und um Wien in Sachen Einrichten und Wohnen wünschen. 43 Verladetore sorgen für einen reibungslosen Ablauf bei der Belieferung der demnächst drei Möbelhäuser und mehrerer Abholstationen in und um die österreichische Hauptstadt.

Das BREEAM-zertifizierte Gebäude ist gezielt auf Nachhaltigkeit geplant. Sowohl Heizen als auch Kühlen erfolgen weitestgehend regenerativ. Das Ziel der Gebäudeplanung war ein gleichmäßiges Temperaturverhalten für das in Normalzeiten im Zwei-Schichtbetrieb laufende Logistikzentrum.   

Für die Kühlung stehen ebenso wie im Heizbetrieb gleich mehrere erneuerbare Energiequellen zur Verfügung: thermische Solarabsorber und eine Photovoltaikanlage auf dem Dach, eine Brunnenanlage für Grundwasser und nicht zuletzt ein Eis-Energiespeicher. Dieser ist mit einem Gesamtvolumen von 1.700 m³ aktuell der größte Europas. „Der Eis-Energiespeicher dient sowohl im Heiz- als auch im Kühlbetrieb als zentraler Puffer, sozusagen als Verschiebebahnhof für Energie“, erklärt Heiko Lüdemann, Bereichsleiter für Eis-Energiespeichersysteme. „Wir nutzen hier auf intelligente Weise die vielfältigen Eigenschaften von einfachem Trinkwasser“. Davon sieht man nach der Fertigstellung übrigens kaum etwas: Der Betonbehälter mit 19 m Durchmesser und 6 m Höhe ist unsichtbar im Erdreich vergraben und mit Lkw befahrbar.

Heizen und Kühlen mit Eis

Im Heizbetrieb entziehen zwei Wärmepumpen „350-G Pro S“ von Viessmann (www.viessmann.de) dem gespeicherten Wasser die Wärme. Dazu sind in dem Betonbehälter 23 km Wärmetauscherrohre aus Kunststoff verlegt. Die Leistung des Eis-Energiespeichers erreicht so 832 kW. Die Heizleistung der beiden Eisspeicher-Wärmepumpen beträgt jeweils 520 kW. Am Ende der Heizperiode ist das Wasser zum überwiegenden Teil zu Eis gefroren. Sobald die Anlage im Sommer durch Revision der Wärmepumpen auf Kühlbetrieb umstellt, taut die Abwärme das Eis nach und nach auf. Dieses „natural cooling“ deckt bei einem Gebäude dieser Größe und dieses Typs einen Teil des Kältebedarfs.

Der Betonbehälter ist allerdings nicht nur ein ebenso robuster wie ökologisch vorteilhafter Wärmespeicher, in dem das Wasser im Jahreslauf bis zu einer Temperatur von maximal 30 °C erwärmt wird. Durch die entstehende Kristallisationsenergie beim Gefrieren des Wassers ist er auch Energielieferant. Der Effekt ist reine Physik: Beim Erstarren von Wasser zu Eis „rasten“ die vorher frei beweglichen Wassermoleküle in ein festes Molekülgitter ein. Die freiwerdende Bewegungsenergie lässt sich als Kristallisationswärme nutzen. Erstarren 126 l Wasser zu Eis, wird eine Energiemenge von rund 10 kWh frei, was einem Liter fossilem Heizöl entspricht. Gefrieren die nutzbaren 1.500 m³ Wasser vollständig, entspricht dies überschlägig 11.900 l Heizöl beziehungsweise einem Heizwert von etwa 116.000 kWh.

Während fossile Energieträger neben ihrem Energiegehalt klimaschädlichen Abfall in Form von Kohlendioxid produzieren, ist der Kristallisationseffekt beliebig wiederholbar. „Je nach Anlagenauslegung und Anwendungszweck kann die Vereisung auch mehrmals im Jahr stattfinden“, erläutert Heiko Lüdemann. Üblich ist allerdings eine circa 70-prozentige Vereisung und Regeneration innerhalb eines Jahres. Die Dimensionierung des Eis-Energiespeichers orientiert sich deshalb am optimalen Verhältnis von Kosten zu Leistung.

Um eine zu frühe Eisbildung zu verhindern, arbeiten die Wärmepumpen bis zu einer Außentemperatur von ca. +2 °C als Luftwärmepumpe mit einem Wärmeentzug aus der Außenluft über 172 Solar-Luft-Kollektoren vom Typ „Viessmann SLK-600“. Deren Kunststoffleitungen ergeben auf einer Fläche von jeweils 6 x 3 m und einer Rohrlänge je Kollektor von 425 m eine Gesamtlänge von 73 km. Dieser Wärmeentzug ist auf Grund der enorm hohen Oberfläche der Kollektoren ohne Ventilatoren möglich.

 

Kühlen über Außenluft und Grundwasser

Nach dem Abtauen des im Heizprozess erzeugten Eises (natural cooling) arbeiten die Wärmepumpen als Kältemaschinen und geben ihre Abwärme zuerst an die 1.500 m³ Wasser ab. Um eine zu starke Erwärmung des Speicherwassers zu verhindern, wird dieses in den Nachtstunden über die Solar-Luft-Kollektoren regeneriert. Bis zu einer Außentemperatur von ca. 25 °C kann die Abwärme der Kältemaschinen über die Kollektoren auch direkt an die Außenluft abgegeben werden.

Um den generellen Kältemaschinenbetrieb zu minimieren und die Kapazität des Wasserspeichers für die Aufnahme von Spitzenlasten freizuhalten, ist es möglich, das Gebäude auch über einen Brunnenwasser-Wärmetauscher zu kühlen. Die damit erzielbaren Kühlwassertemperaturen von circa 15 °C ermöglichen dann allerdings keine Entfeuchtung der Außenluft.

Um einen herkömmlichen Kältemaschinenbetrieb auch bei den in Zukunft häufiger zu erwartenden, sehr hohen Außentemperaturen zu ermöglichen, wurde der eventuelle Anschluss eines Rückkühlers zur Wärmeabfuhr vorgesehen. Insgesamt steht eine Kühlleistung von 450 kW zur Verfügung. Verteilt werden Wärme und Kälte über Industrieflächenheizungen, Deckenstrahlplatten, Torluftschleier, Kühldecken, Fancoils und Lüftungsgeräte.

„Die Herausforderung liegt im Heiz- und im Kühlbetrieb in der intelligenten Verknüpfung der Energiequellen“, betont Ing. Andreas Pischulti, dessen Unternehmen die Anlage gemeinsam mit Viessmann und der TBH Ingenieur GmbH (www.tbh.at) geplant und installiert hat. Die Fa. Ing. Pischulti (www.pischulti.at) hat deshalb eine Regelung für insgesamt neun Szenarien entwickelt, welche die unterschiedlichen Betriebszustände der Anlage bei diversen Außentemperaturen abbildet.

Die Energie zum Betrieb der Wärmepumpen und der sonstigen elektrischen Anlagen kommt ebenfalls direkt vom Dach. Eine Photovoltaikanlage mit 3.350 Modulen auf einer Fläche von rund 20.000 m² erreicht eine Leistung von 1 MWpeak und liefert sauberen Strom. Was nicht im Gebäude selbst verbraucht wird, speist IKEA in das öffentliche Netz der Hauptstadt ein.

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