Intelligente Energienetze – die Zukunft effizienter Versorgung

Wärmenetze unterschiedlicher Temperatur richtig nutzen

Intelligente Energienetze im Quartier koppeln die Sektoren Wärme, Strom und Mobilität. Dieser Beitrag stellt verschiedene Typen von Wärmenetzen mit unterschiedlichen Temperaturniveaus unter den Aspekten Dekarbonisierung und Wirtschaftlichkeit dar. Wärmepumpen spielen dabei eine wichtige Rolle.

Die Energieerzeugung und -versorgung wird allgemein dezentraler, lokaler und grüner, daher rücken Nahwärmekonzepte für neue Quartiere ebenso wie für Bestandsquartiere in den Fokus. Wenn mehrere Gebäude ökologisch zukunftsweisend versorgt und die künftigen Dekarbonisierungsvorgaben erfüllt werden sollen, lohnt sich der Blick auf eine sogenannte kalte Nahwärmelösung, also ein Wärme-Quartier. Denn diese Lösung sichert das Gebäudeinvest über die nächsten 50 bis 80 Jahre nachhaltig.

Insbesondere der zukünftig noch ambitioniertere Primärenergiefaktor für das Fernwärmenetz, den die Bauträger nachweisen müssen, ist im Einzelgebäude nur schwer zu realisieren. Gleichzeitigkeitseffekte von mehreren Kunden sowie Technologien wie Kraft-Wärme-Kopplung, Photovoltaik, Solarthermie, Wärmepumpen, Kältebereitstellung oder zentrale Batteriespeicher, die den klassischen Brennwertkessel ergänzen, eröffnen Nahwärmekonzepten wieder bessere Chancen. Für Hauseigentümer bringt es große Vorteile, wenn sie sich weder um Investment noch um Wartung oder Ersatz sowie Brennstoffeinkauf kümmern müssen. Außerdem sind technologische Verbesserungen einfacher umzusetzen als bei Einzelanlagen.

„Nahwärmenetze bringen maximale Flexibilität im Strom- und Wärmesektor. Sie sind vergleichbar mit einem Schweizer Offiziersmesser, dem Multi-Tool schlechthin“, sagt Dr. Arndt Brauckmann (E.ON).

Die Sektorenkopplung

In der Sektorenkopplung liegt ein wesentlicher Vorteil von intelligenten Energienetzen, bei denen im Quartier die Sektoren Wärme (Nahwärmenetz), Strom (Arealnetz mit Batteriespeicher) und Verkehr zusammenwachsen können. Der Stromsektor hat bereits einen großen Teil zur Energiewende beigetragen, Elektromobilität soll dies für den Verkehr erreichen. Im Sektor Wohnen kann es nicht um noch mehr Dämmung und vergleichbare bauliche Maßnahmen gehen, da stößt man bereits heute an Grenzen. Die Chance von Nahwärmenetzen und damit Quartierslösungen ist, Energieerzeugung und -verbrauch intelligent zu verbinden. Das schaffen die Wärmenetze, die in Abbildung 2 dargestellt sind, auf unterschiedliche Weise.

Arten der Wärmenetze

Im Quartier wird es künftig immer weniger eine klassische Erzeugung und eine Verteilung von Wärme auf hohem Temperaturniveau geben. In der Vergangenheit wurde im Wesentlichen zwischen öl- und gasbasierten Kessellösungen unterschieden (Abbildung 2, System 6), heute sind mehrere Möglichkeiten und insbesondere deren intelligente Kombination sinnvoll.

Ziel muss es sein, aus und mit den jeweiligen Gegebenheiten ökologisch wie ökonomisch sinnvolle Systeme zu realisieren. Der „Klassiker“ mit hohen Netztemperaturen und damit verbundenen hohen Verlusten von bis zu 40 % im Neubau und noch mehr im Bestand wird dabei meist nicht die bevorzugte Lösung sein.

Die Systeme 1 bis 5 haben alle den gemeinsamen Ansatz, Wärme auf einem niedrigen Temperaturniveau zu verteilen, so dass beim Verbraucher eine Wärmepumpe oder ein elektrischer Nachheizer (nur System 5) benötigt wird. In diesen sogenannten „kalten“ Netzen sind die Wärmeverluste geringer.

Quellnetze im Wasser- oder Solebetrieb

Die Systeme 1 und 2 sind sogenannte Quellnetze im Wasser- oder Solebetrieb. Bei diesen Lösungen wird zentral eine Quelle erfasst, wahlweise Grundwasser oder Sole über ein Sondenfeld oder Erdregister, und die gewonnene Energie dann ,,kalt“ verteilt. Die Vorteile dieses Netztyps: Der einzelne Haushalt muss sich nicht selbst um die Erschließung der Wärmequelle kümmern, weil dies zentral erfolgt.

Diese Lösung hat jedoch auch Nachteile. Für die Wärmeversorgung werden bei diesem Netzmodell einfache Wasserrohre ohne Dämmung verbaut. Dies senkt die Kosten der Erschließung aufgrund der preisgünstigen Verlegung. Allerdings kann ein solches Netz keine zusätzliche Umweltwärme wie Solarthermie aufnehmen. Darüber hinaus eignen sich Quellnetze nicht, um Mehrfamilienhäuser oder wärmeintensive Gewerbebetriebe zu versorgen, weil wenig Wärmeenergie transportiert wird und zugleich der Volumenstrom im Netz sehr hoch sein muss, um entsprechend viel Wärmeenergie aus dem Netz zu ziehen. Hier sind andere Netzformen deutlich besser geeignet.

Gleitende Netze und heiß/kalte Netze

Um den Strombedarf von Wärmepumpen deutlich gegenüber den reinen Quellnetzen zu minimieren, werden in der Regel die Systeme „gleitendes Netz“ (System 3) und „heiß/kaltes Netz“ (System 4) realisiert.

Bei diesen Netzvarianten lassen sich verschiedene Temperaturniveaus fahren. Es sind zukunftsoffene Systeme, sowohl was die Wärmegewinnung als auch deren Verbrauch betrifft. Zum Beispiel ist heute Kraft-Wärme-Kopplung mittels Blockheizkraftwerk vielfach die erste Wahl. Ändert der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen oder kommen technische Neuerungen auf den Markt, lässt sich das Blockheizkraftwerk durch neue, noch effizientere Strom-/Wärmeerzeuger ersetzen – ein Beispiel ist die Brennstoffzelle.

Der markante Leistungsindikator für diese intelligenten Nahwärmenetze ist, dass Energie aus der Umwelt zentral für die Wärmeerzeugung gewonnen und dann bedarfsgerecht verteilt wird. Darüber hinaus kann auch Abwärme mit unterschiedlichen Temperaturen in das Wärmenetz einfließen. Hier integriert Buderus spezielle Wärmepumpen, die auf der Verdampferseite Quelltemperaturen bis 50 °C erlauben. Darüber hinaus kann die Solarthermie wesentlich effektiver in das Netz einspeisen.

Gemessene Werte in dem Projekt Dollnstein in Kerpen zeigen einen um 45 % höheren Solarertrag von 720 kWh/a je Quadratmeter Kollektorfläche gegenüber herkömmlichen Anlagen, die in ein heißes Netz einspeisen. Grundsätzlich ist weniger Strom beziehungsweise erneuerbare Energie notwendig als im reinen Quellnetz, weil die Wärmepumpen weniger Hubarbeit verrichten müssen und bei höherem COP laufen können.

Allerdings ist das Investment bei diesen genannten Lösungen höher als im reinen Quellnetz, weil alle wasserführenden Leitungen isoliert sind. Ohne Abwärmequellen muss eine eigene Heizzentrale errichtet, mit den entsprechenden Wärmeerzeugern ausgestattet und betrieben werden.

Beispiel aus der Praxis

Entsteht ein neues Quartier mit einer Nahwärmeversorgung und Gebäuden mit Niedertemperaturheizung, ist der häufigste Ansatz das Wärmenetz Typ 3, das „gleitende Netz“. Ein Beispiel von Buderus zeigt, wie die Stadtwerke Kerpen effiziente Systeme der Wärmeversorgung in einem „kalten“ Nahwärmenetz realisiert haben. Das Projekt läuft seit 2019.

Das gleitende Wärmenetz hat einen Wärmebedarf von 1,05 GWh/a, angeschlossen sind 93 Einfamilien- und Reihenhäuser. Als Spitzenlastkessel ist ein Gas-Brennwertkessel „Logano plus KB372“ von Buderus mit 300 kW kaskadierend eingebaut (Mehr Informationen unter //qr.buderus.de/loganopluskb372:https://qr.buderus.de/loganopluskb372). Die Grundlast decken zwei Buderus-Blockheizkraftwerke „Loganova EN50“ mit jeweils 50 kW elektrischer und 79 kW thermischer Leistung (Details zum Blockheizkraftwerk unter: //qr.buderus.de/loganovaen:https://qr.buderus.de/loganovaen).

Weitere Komponenten sind 50 dezentral verbaute Wärmepumpen (3 - 9 kW), eine zentrale Luft-Wasser-Wärmepumpe mit 13 kW, eine Photovoltaikanlage, vier Batteriespeicher 75 kWh mit 50 kWp sowie ein 15.000 Liter fassender Pufferspeicher. Das Regelungssystem für diese Quartierslösung stammt ebenfalls von Buderus.

Bei diesem gleitenden Netz wird die Vorlauftemperatur im Nahwärmenetz immer in Abhängigkeit der Außentemperatur gehalten, gleitend zwischen 15 °C und etwa 40 °C, vergleichbar mit der Heizkurve einer Zentralheizung. Die Gebäude müssen so beschaffen sein, dass diese Temperatur zur vollständigen Beheizung ausreicht. Übertragen wird die Wärme durch Übergabestationen innerhalb der hierfür spezialisierten Wärmepumpen. Die Warmwassererzeugung übernimmt ganzjährig eine dezentrale Wärmepumpe in jedem Gebäude, das Warmwasser wird durch die Nahwärmezentrale vorgewärmt. Wenn die Bewohner eines Gebäudes individuell eine höhere Temperatur wünschen, kann die dezentrale Wärmepumpe entsprechend mehr Wärme bereitstellen.

Eine Besonderheit bei diesem Quartier: Im Sommer wird das Netz auf 15 °C gefahren, dadurch lassen sich die 93 angeschlossenen Wohngebäude auch kühlen. Die abgeführte Wärme wird in das Netz eingespeist, und die Wärmepumpen entziehen dem Netz wiederum Wärme für die Trinkwasserbereitung. Weil der Kühlbedarf höher ist als der Trinkwasserbedarf, muss eine kleine Wärmepumpe mit 13 kW in der Heizzentrale das Netz herunterkühlen. Das von Buderus konzipierte Quartierlösungs-Konzept übernimmt die komplette Steuerung für Strom und Wärme. Selbstlernende Algorithmen erkennen das Nutzerverhalten der Ladesäulen. So kann sich der vom BHKW und einer PV-Anlage mit Wettervorhersage gespeiste Batteriespeicher entsprechend einstellen. Der von BHKW und PV-Anlage erzeugte Strom wird dadurch optimal durch die Bewohner verbraucht. Investition, Wartung und Abrechnung übernehmen die Stadtwerke.

System 4 ist lediglich eine Variante des Typ 3 und insbesondere für Bestandsquartiere geeignet, die sogenannte „heiß/kalte“ Variante. Benötigen Bestandsgebäude zwingend hohe Vorlauftemperaturen, wird das Netz im Winter klassisch heiß betrieben. Ab einer Außentemperatur von etwa 12 °C und höher schaltet das Netz auf Sommerbetrieb um und läuft mit Vorlauftemperaturen von 20 bis 30 °C. Die dezentralen Wärmepumpen übernehmen in der Übergangszeit die geringe Heizlast und im Sommer die reine Trinkwasserbereitung. Im Winter fährt das Netz mit klassischen hohen Temperaturen.

Fazit

Das gleitende Wärmenetz (Typ 3), welches der Fahrweise einer Heizkurve im Einfamilienhaus entspricht, ist gerade bei neuen Wohnquartieren eine echte Alternative zum klassischen heißen Netz. Das „heiß/kalte“ Wärmenetz (Typ 4) eignet sich ideal, um ältere Bestandsnetze mit hohen Verlusten im Sommer zu sanieren, sodass sie dann nahezu verlustfrei betrieben werden können. Auch neue Wärmenetze mit Bestandsgebäuden, die hohe Vorlauftemperaturen von beispielsweise 90 °C benötigen, lassen sich damit verlustärmer betreiben.

Durch die isolierte Rohrausführung in beiden Varianten lassen sich spätere Abwärme-Potenziale oder neue Technologien ohne Probleme nutzen. Sie haben hier deutliche Vorteile gegenüber reinen Quellnetzen (Typ 1 und Typ 2), bei denen man die Quelle erst einmal kostenintensiv erschließen muss, wenn überhaupt eine Genehmigung vorliegt. Zusätzlich können Quellnetze keine hohen Energiedichten abdecken.

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