Wärmeenergie aus dem Flusswasser
Selbst im Sommer beträgt die Wassertemperatur des Flüsschens Lauter nur etwa 10 °C – nicht einmal für ein Fußbad besonders angenehm. Trotzdem liefert das Flusswasser das ganze Jahr über so viel Wärme, dass damit in der Stadt Lauterecken öffentliche Gebäude beheizt werden können. Ein innerstädtisches Nahwärmenetz und eine neuartige Hochtemperaturwärmepumpe machen es möglich.
„Ein Wunderwerk der Technik“ nennt Bürgermeister Heinrich Steinhauer die Wärmepumpe „thermeco2“, die das Herzstück des neuen Heizsystems bildet. Seit Herbst 2011 im Einsatz, läuft die Maschine seit Dezember im Regelbetrieb. Sie entzieht dem Flusswasser Wärmeenergie und nutzt diese, um Heizwasser zu erzeugen. Dabei arbeitet sie hoch effizient: Aus der zugeführten elektrischen Energie entsteht mehr als das 3,5-fache an Heizwärme. Etwa 77 % der benötigten Heizenergie können so umwelt- und ressourcenschonend zur Verfügung gestellt und rund 53 t CO2-Emissionen pro Jahr vermieden werden.
Energieeinsparung auf kommunaler Ebene
Mit dem Nahwärmenetz hat die kleine Stadt im Pfälzer Bergland unweit von Kaiserslautern ein Vorzeigeprojekt in Sachen umweltfreundliche Energieerzeugung geschaffen. Die Idee dazu entstand vor etwa zwei Jahren, als für das Rathaus eine neue Heizung fällig war und das historische Veldenz-Schloss samt Turm ein Heizkonzept benötigte. „Um die künftigen Betriebskosten möglichst gering zu halten und als Gemeinde etwas für den Klimaschutz zu tun, haben wir uns für das Nahwärmenetz entschieden“, erklärt Bürgermeister Steinhauer. Die Leitungen dafür konnten bei der im Stadtzentrum ohnehin geplanten Straßenerneuerung gleich mit verlegt werden.
Blieb die Frage nach der Energiequelle für das Wärmenetz. „Wir haben verschiedene Optionen wie ein Blockheizkraftwerk und die Wärmegewinnung aus Grundwasser oder dem Schmutzwasserkanal diskutiert, bis wir auf den Gedanken kamen, die Lauter anzuzapfen“, erinnert sich Heinrich Steinhauer. Die „Zapfstelle“ befindet sich jetzt im Abstrom einer Wassermühle. Etwa zehn Liter Flusswasser werden hier pro Sekunde mit einer Tauchpumpe entnommen. Es gelangt über eine rund 150 Meter lange Leitung zur neu errichteten Nahwärmezentrale in der Schlossgasse. Dort steht die „thermeco2“-Hochtemperaturwärmepumpe, die mit der Energie aus der Lauter Heizwasser auf 65 °C bringt.
Anschluss an vorhandene Heizung
Die hohe Vorlauftemperatur war ausschlaggebend für die Wahl der Wärmepumpe. Einmal, weil sich damit auch konventionelle Heizkörper betreiben lassen; zum anderen ist sie wichtig für die Erhitzung von Brauchwasser. Letzteres war Voraussetzung, um möglichst viele Privathaushalte für den Anschluss an die Nahwärmeversorgung zu gewinnen.
„Die thermeco2-Maschine ist auf diesem Gebiet konkurrenzlos“, weiß Helmut Dahlmanns, Leiter der Bauabteilung der Verbandsgemeinde Lauterecken. „Wir haben uns das vom Bundesverband Wärmepumpe e. V. im Vorfeld extra bestätigen lassen.“
Durch den Einsatz der Technologie konnte das vorhandene System weiter genutzt und auf größere Umbaumaßnahmen verzichtet werden; ein großer Vorteil – vor allem, wenn es darum geht, bestehende und sogar denkmalgeschützte Gebäude auf regenerative Energie umzustellen.
Umweltfreundlich und effizient
Nicht nur die hohe Vorlauftemperatur unterscheidet die Maschine von herkömmlichen Wärmepumpen. Sie nutzt als Arbeitsmittel Kohlendioxid. „Im Gegensatz zu den verbreitet eingesetzten fluorierten Kältemitteln trägt das CO2 nicht zusätzlich zum Treibhauseffekt und zur Ozonzerstörung bei“, erläutert Steffen Oberländer, Geschäftsführer der Firma thermea. Energiesysteme GmbH. Das sächsische Unternehmen mit Sitz in Freital bei Dresden hat die neuartige Wärmepumpe entwickelt und hergestellt. Die „thermeco2“-Baureihe eignet sich für den Einsatz in der Gebäudetechnik ebenso wie für industrielle Heiz- und Kühlprozesse.
Für das ca. 200 m lange Nahwärmenetz in Lauterecken sind zunächst elf Anschlüsse vorgesehen, darunter das Rathaus mit Nebengebäuden, Schloss und Veldenzturm, die Kreissparkasse sowie mehrere Privathäuser. Die Großwärmepumpe des Typs „thermeco2 HHR 260“ mit einer Heizleistung von 232 kW kann den Bedarf dieser Gebäude übers Jahr fast komplett abdecken. Rund 520 MWh an Wärmeenergie wird sie jährlich bereitstellen. Die Kapazität reicht aus, um noch weitere Gebäude zu versorgen. Für den Fall, dass die Lauter doch einmal zufrieren sollte – was rein statistisch an sechs Tagen im Jahr passieren kann – stehen in der Nahwärmezentrale neben der Spezialpumpe sechs Gas-Brennwertkessel bereit. Sie werden auch bei Spitzenlasten automatisch zugeschaltet.
Rund 840 000 Euro hat das Nahwärmenetz samt Heizzentrale gekostet. Die Investitionen wurden mit etwa 360 000 Euro vom Bund und dem Land Rheinland-Pfalz im Rahmen des Konjunkturpaketes II gefördert. „Das Geld ist sinnvoll angelegt“, findet Bürgermeister Steinhaus. Er ist überzeugt, dass Nahwärmenetze und innovative Technologie dazu beitragen können, die Energieversorgung von kommunalen Liegenschaften zukunftssicher und nachhaltig zu gestalten. Der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz hat das Projekt in Lauterecken inzwischen als „Spitzenidee 2011” ausgezeichnet.
Für die Gemeinde rechnet sich das Ganze jedenfalls. Durch den Einsatz der Wärmepumpe lässt sich der Gasverbrauch drastisch senken. „Auch sind wir weniger abhängig von teuren fossilen Rohstoffen“, freut sich Bürgermeister Heinrich Steinhauer, „und die Lauter schickt keine Rechnung!“ Und sicher macht es ihr nichts aus, das um drei Grad abgekühlte Rücklaufwasser wieder aufzunehmen.