(Kein) Hotspot Lüftungsanlage
Ich vermute einmal, dass es Ihnen ähnlich ergangen ist wie mir. Als die Raumlufttechnik bei Tönnies als Mitverursacher für die hohe Zahl an Corona-Infektionen in die Schlagzeilen geriet, wurde ich von Bekannten mit Fragen gelöchert: „Ist die Klimaanlage bei uns im Büro auch gefährlich?“ usw. Man kann es Otto-Normalverbraucher sicher nicht vorwerfen, dass er nicht weiß, was ein Umluftbetrieb ist. In der Berichterstattung rund um den Tönnies-Skandal wurden jedoch auch in den öffentlichen Medien die Begriffe Klima- bzw. Lüftungsanlage völlig undifferenziert verwendet und damit wurde eine ganze Branche in Misskredit gebracht. Dass Klimaanlagen Krankmacher seien, wird der Technik mit steter Regelmäßigkeit vorgeworfen. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie erhält dieser Vorwurf jedoch eine ganz andere Bedeutung und deshalb muss ihm mit Vehemenz widersprochen werden.
Ich bin kein Virologe und maße mir auch nicht an, mich hier über Übertragungswege von Viren kompetent auszulassen. Es ist jedoch völlig unstrittig, dass der regelmäßige Luftaustausch das Infektionsrisiko deutlich reduziert. Um es präzise zu formulieren: Der Frischluftanteil ist entscheidend. Ein bloßer Umluftbetrieb, bei dem lediglich die Luft abgekühlt und wieder in den Raum geblasen wird wie bei Tönnies, ist zwar aus Gründen der Energieeinsparung sinnvoll, aus Sicht des Infektionsschutzes aber kontraproduktiv. Aber selbst diese Betriebsweise ist unkritisch, wenn entsprechende Filter eingebaut sind und nicht aus Kostengründen auf sie verzichtet wird. Lüften ist die einfachste, beste und effektivste Methode, um einer Ansteckung vorzubeugen, weil durch den Luftaustausch die Belastung an möglicherweise vorhandenen Viren im Raum sinkt. Ebenfalls wichtig ist die Einhaltung der richtigen relativen Luftfeuchte. Kalte, trockene Luft begünstigt die Austrocknung der Schleimhäute und man wird anfälliger für Infektionen. Das hat u.a. der FGK mit seiner Kampagne „Mindestfeuchte 40 %“ kürzlich erst deutlich gemacht. Eigentlich ist es also ganz einfach: hoher Frischluftanteil, Befeuchtung und ggf. Einsatz von Filtertechnik. Und schon wird aus dem vermeintlichen „Hotspot Lüftungsanlage“ ein wirksames Mittel zu Bekämpfung der Corona-Pandemie.
Man sollte die Debatte aber nicht auf die Lüftungstechnik in der Fleischindustrie reduzieren. Mit Sorge betrachte ich nämlich die künftige Situation an unseren Schulen, wenn nach den Sommerferien wieder in voller Klassenstärke unterrichtet werden soll. 30 Personen dicht an dicht in einem Klassenraum, ohne Lüftungsanlage, bei geschlossenen Fenstern, weil es draußen zu kalt oder zu laut ist – bislang standen „nur“ die Probleme durch zu hohe CO2-Konzentrationen in Klassenräumen (Hygiene, Leistungsfähigkeit) im Vordergrund; in Zeiten von Corona könnte es dramatisch werden. Wir haben nämlich nicht nur ein Problem mit der Digitalisierung an unseren Schulen, sondern auch mit der Lüftung. Ein paar Milliarden weniger Unterstützung für die Lufthansa und TUI und dafür …
… träumt Ihr KKA-Chefredakteur
Christoph Brauneis