Konstruktive Kritikgespräche

Auf Fehler des Mitarbeiters reagieren

Schlechte Leistungen zu kritisieren macht keinem Vorgesetzten Freude; doch kommt man nicht daran vorbei, wenn man seine Mitarbeiter richtig führen will. Doch wie verhält man sich in Kritikgesprächen richtig? Einerseits soll der Mitarbeiter nicht demotiviert oder gar verletzt werden, andererseits müssen die Probleme aber auch klar zur Sprache gebracht werden: Der folgende Leitfaden gibt Tipps für erfolgreiche Kritikgespräche.

Die „destruktive Kritik“ macht dem Mitarbeiter in vorwurfsvoller Weise die Leistungsdefizite klar und gibt zu wenig Tipps, die Wiederholung des Fehlers zu vermeiden. Im Gegensatz dazu steht die „konstruktive Kritik“, die sich durch ein aufbauendes Gespräch auszeichnet. Wer konstruktiv kritisiert, beschäftigt sich mehr mit den Ursachen und weniger mit dem Schuldigen. Wer auf die Suche nach dem Sündenbock zunächst verzichtet, belastet nicht das Selbstwertgefühl des Mitarbeiters. Führung, die auf Kooperation basiert, vermeidet eine „Blame Culture“, die durch das Anklagen des Kritisierten kontraproduktiv wirkt.

Jeder Mitarbeiter erlebt seinen eigenen Fehler anders: Der Erste bemerkt ihn gar nicht und macht weiter, ein Zweiter korrigiert ihn sofort oder ruft einen Kollegen zur Hilfe, und der Dritte sucht nach einer Ausrede für seinen Fehler, wenn er ertappt wird. Da Fehler gerne vertuscht werden, erfährt der Vorgesetzte längst nicht alles; die geschätzte Dunkelziffer liegt bei ca. 30 %. Deshalb ist es so wichtig, Fehler transparent zu machen, denn nur so wird man aus Schaden klug. Das Erkennen von Fehlern und das Wissen um die Folgen setzen einen scharfen Blick voraus. Durch frühes Erkennen kann man den Fehler stoppen und die Kosten verringern. Fehleroffenheit ist nur möglich, wenn der Betreffende keine nachteiligen Folgen fürchten muss und mit einem professionell geführten Kritikgespräch rechnen kann.

Damit Gespräche gut laufen

Regel 1: Am Gespräch beteiligen

Wenn der Kritisierte Gelegenheit zu einer Stellungnahme erhält, ist er eher bereit, sein Verhalten zu überprüfen und zu verändern. Durch Fragen erfährt man vom Mitarbeiter die Fehlerursache und kann mit ihm Verbesserungen besprechen. Ein wichtiger Grundsatz lautet: weniger behaupten („Das haben Sie falsch gemacht.“), sondern mehr fragen („Weshalb machen Sie das so?“). Die Äußerung „Das darf nicht mehr passieren, geben Sie sich doch mehr Mühe“ wirkt wie ein Vorwurf, obwohl es manchmal stimmt. Es kommt nicht nur darauf an, was der Vorgesetzte mit seiner Kritik meint, sondern wie seine Worte auf den Kritisierten wirken. Deshalb müssen die sogenannten Problemfragen vermieden werden: „Wieso dauert das solange?“ Erfolgreiche Fragen sind lösungsorientierte Fragen: „Wie könnten Sie das schneller erledigen?“ oder „Was müsste passieren, damit es klappt?“ Damit hilft man dem Mitarbeiter lösungsorientiert zu denken, sich selbst auf die Suche nach einer Verbesserung zu machen. Lösungen beschäftigen sich mit dem zukünftigen Verhalten, Kritik mit der Vergangenheit.

Regel 2: Nie persönlich werden

Kritisiert werden dürfen nur der Fehler und das Leistungsdefizit des Betreffenden, nicht seine Person. Das hört sich einfacher an, als es ist, denn ein persönlicher Fehler, z.B. mangelnde Freundlichkeit bei Kunden, ist schwer messbar. Im Kritikgespräch kommt es auf die einzelnen Worte an, die sachlich oder persönlich wirken. Die Formulierung „Von Ihnen bin ich enttäuscht“ kann sachlich gemeint sein, sie hört sich jedoch für den Kritisierten sehr persönlich an. Weil er ein Stück Selbstwertgefühl verliert, geht er dagegen vor, wehrt sich, sucht nach Ausreden. Mitarbeiter machen einen Fehler nicht absichtlich, oft ist es ihnen nicht bewusst, etwas falsch zu machen. Vielen ist es sogar peinlich, dass sie Fehler machen, es kratzt an ihrem Selbstwertgefühl, schon längst vor dem Kritikgespräch. Weil jüngere und neue Mitarbeiter nicht auf Anhieb volle Leistung erbringen können, muss das bei der Bewertung einer Leistung berücksichtigt werden. Leistungen sollen nicht an Arbeitsergebnissen der Spitzenkräfte gemessen werden. Erwartungen an Mitarbeiter müssen realistisch sein. Wer überfordert wird, ist demotiviert und traut sich anspruchsvolle Arbeiten nicht zu.

Regel 3: Nur unter vier Augen

Jemanden vor anderen zu kritisieren, zeigt schlechten Führungsstil und ist für das Arbeitsklima besonders schädlich. Kritik an einer Person vor anderen ist ein Verstoß gegen Führungsgrundsätze. Diskretion ist oberstes Gebot, vor oder nach dem Kritikgespräch  dürfen andere Personen nicht unnötigerweise über den Fehler eines Mitarbeiters informiert werden. Auch bei einer Kundenreklamation ist es selbstverständlich, dass der Chef auch dann hinter seinem Mitarbeiter steht, wenn dieser die Reklamation verursacht hat.

Regel 4: Hilfe anbieten

Zur konstruktiven Kritik gehört es, nicht nur Fehler festzustellen, sondern auch Hilfe anzubieten. Besprechen Sie nicht nur die Konsequenzen aus dem Fehler, sondern die Möglichkeiten, ihn zu vermeiden. Erklären Sie dem Mitarbeiter auch die positiven Folgen für den Betrieb und für ihn persönlich, wenn der Fehler vermieden wird. Sprechen Sie nicht von den negativen Folgen eines Fehlers (Worst Case), sondern von den positiven bei Vermeidung (Best Case). Für den Kritisierten wird die Kritik somit zu einer Art „Fördergespräch“, in der es um seine berufliche Entwicklung, um seine Karriere geht.

Regel 5: Die Ich-Botschaft

Damit Sie den Kritisierten nicht persönlich verletzen, formulieren Sie in der Ich-Botschaft. Verzichten Sie außerdem auf die negative Bewertung: „Sie sind zu langsam …“, „Sie müssen sich mal beeilen …“ etc. Die Ich-Botschaft wirkt vorwurfsfrei und wird eher angenommen: „Ich habe festgestellt …“, „Mir fällt auf …“ etc. Formulieren Sie dann Ihre Erwartungen konkret: „Ich wünsche mir …“, „Ich erwarte, dass …“. Kritik ist für den Mitarbeiter eine Chance, etwas über sich selbst zu erfahren und sich zu entwickeln. Der Vorgesetzte kann erwarten, dass sich der Mitarbeiter kritisch mit seinem Verhalten auseinandersetzt und auf die bekannte Abwehrhaltung verzichtet. Wer Kritik annimmt, hat nicht verloren, zeigt vielmehr Größe.

Nur nach einem gelungenen Kritikgespräch wird sich der Mitarbeiter besonders anstrengen. Wenn sich das Arbeitsergebnis verbessert, erwartet er eine ausdrückliche Anerkennung vom Vorgesetzten. Fehlerfreies Arbeiten braucht auf jeden Fall eine deutliche Rückmeldung. Das spornt an und motiviert, die gute Leistung zu halten.
Ein Kritikgespräch endet, indem man Zuversicht und Vertrauen zum Mitarbeiter äußert, und davon ausgeht, dass sich der Fehler nicht wiederholt. Damit verpflichtet man den Kritisierten zur besseren Leistung, und weckt in einem motivierten Mitarbeiter Ehrgeiz. Kritik ist konstruktiv, wenn sie akzeptiert wird und Besserung eintritt.

Fazit

Ein kritisierter Mitarbeiter muss zunächst seinen Fehler rechtzeitig erkennen und transparent machen. Im darauffolgenden Kritikgespräch geht es zu allererst darum, die Ursache zu finden und Präventivmaßnahmen zu treffen, um weitere Fehler auszuschließen. Das Gespräch sollte mit offenen Fragen geführt werden, Schuldzuweisungen sind zu vermeiden. Gleichzeitig muss bei der Arbeitseinteilung zukünftig auf Überforderung eines Einzelnen geachtet werden. Arbeitet der Kritisierte durch Engagement und Ehrgeiz fehlerfrei, ist eine Bestätigung vom Chef nötig, damit seine Motivation erhalten bleibt.

Checkliste: Kritikgespräche führen


1. Hat sich der gleiche Fehler beim Betreffenden wiederholt?
2. Konnte der Mitarbeiter die Kritik mit Erfolg zurückweisen?
3. Ist der Mitarbeiter zwar guten Willens, kann aber die Leistung,
die von ihm erwartet wird, nicht erbringen?
4. Hat sich der Mitarbeiter nach dem Gespräch frustriert zurückgezogen?
5. Ist es zu einer Diskussion über den Tatbestand gekommen?
6. Sind Sie nachtragend oder auch misstrauisch nach dem Kritikgespräch?
7. Ist die Diskretion verletzt worden, haben andere, vor allem Unbeteiligte,
von diesem Gespräch erfahren?
8. Übersehen Sie als Vorgesetzter Fehler des einen Mitarbeiters,
den Sie bei einem anderen kritisieren?
9. Wird mit der Kritik gewartet, so dass Tatbestände schon länger zurückliegen?
10. Ist ein Sachverhalt kritisiert worden,
für den der Mitarbeiter nicht verantwortlich ist?
11. Kommt es zu persönlichen Äußerungen, die verletzend sind?


Auswertung: Je mehr Sie „Ja“ angekreuzt haben, desto schlechter. „Nein“-Antworten zeigen, dass Ihre Kritik ankommt.

Das Kritikgespräch ist nicht gelungen, wenn …

...         sich der gleiche Fehler beim Betreffenden wiederholt, also keine Besserung eintritt.
...         sich die Leistung nur kurzfristig bessert und dann wieder nachlässt.
...         der Mitarbeiter guten Willens ist, aber die erwartete Leistung nicht erbringen kann.
...         der Mitarbeiter sich frustriert zurückzieht und sich sein Einsatz verschlechtert.
...         es zu einer Diskussion über den Tatbestand kommt.
...         der Vorgesetzte selbst nachtragend oder auch misstrauisch ist.
...         die Diskretion verletzt wird und Kollegen oder Kunden von der Kritik erfahren.
...         er mit seiner Kritik zu lange wartet, Tatbestände also schon länger zurückliegen.
...         der Vorgesetzte etwas kritisiert, für das der Mitarbeiter nicht verantwortlich ist.
...         er persönlich wird, weil er selbst erregt ist über den Vorfall.

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