Haftung der Mitarbeiter
Entscheidend ist der Grad der Fahrlässigkeit
Fehler sind nie völlig zu vermeiden, im Privat- wie im Berufsleben. Während nach Bagatellschäden zur Tagesordnung übergegangen wird, stellt sich bei kostspieligen Schäden die Frage nach der Haftung und der (anteiligen) Übernahme des Schadens durch einen verursachenden Mitarbeiter.
Wird beispielsweise falsches Material verarbeitet, falsche Flüssigkeiten (Kältemittel, Öle, …) eingefüllt oder Konstruktionsmaße nicht eingehalten, kann es zu schwerwiegenden Folgen für den Kälteanlagenbauer kommen. Auch ein Zahlendreher in der Kalkulation, die Zerstörung einer Lieferung durch einen Verkehrsunfall oder eine falsch ausgeführte Wartung führen zu wirtschaftlichen Nachteilen.
Grundsätzlich gilt im Berufsleben die gleiche Haftung wie im Privatleben. Der Einzelne muss für sein Handeln einstehen, haftet für das, was er tut. Für die Haftung von Arbeitnehmern gelten allerdings eigenständige Regeln mit bestimmten Einschränkungen. Hier wird rechtlich zwischen der Fahrlässigkeit und dem Vorsatz unterschieden. Der Grad der Fahrlässigkeit ist für die Haftungsfrage das entscheidende Kriterium.
Grad der Fahrlässigkeit
Fahrlässiges Handeln liegt vor, wenn die „[…]im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wird […]“ (§ 276 Abs. 2 BGB). Ein Vorfall gilt bereits dann als fahrlässiges Handeln, wenn jemand durch mehr Achtsamkeit den Vorfall hätte vermeiden können. Im Berufsleben würde dies zu unzumutbaren Haftungsrisiken führen, weshalb die Frage, ob Arbeitnehmer für einen Schaden haften muss oder nicht, von der Schwere des Verschuldens abhängt. Die Rechtsprechung unterscheidet drei Fahrlässigkeitsstufen, welche bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten herangezogen werden können:
1. Grad des Verschuldens: Leichteste Fahrlässigkeit
Hierbei handelt es sich um geringfügig oder leicht entschuldbare Pflichtwidrigkeit, die von unerheblicher Schwere sind. Der Arbeitnehmer haftet, unabhängig von der Schadenshöhe, grundsätzlich nicht.
Beispiel: Ein Arbeitnehmer verzählt oder vertippt sich versehentlich, nimmt eine mündliche Anweisung falsch auf, interpretiert diese falsch oder versteht sie aus akustischen Gründen nicht.
2. Grad des Verschuldens: Mittlere Fahrlässigkeit
Ist eine Pflichtverletzung mehr als geringfügig, gilt es zu prüfen, ob sie grob fahrlässig geschah. Ist dies nicht der Fall, liegt mittlere Fahrlässigkeit vor. Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird der Schaden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt. Die sog. Quotelung hängt von mehreren Faktoren ab:
Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen des Schadens bei der ausgeübten Tätigkeit
Mitverschulden des Arbeitsgebers
Hätte der Arbeitnehmer den Schadenseintritt vorhersehen bzw. einkalkulieren können?
Höhe des Schadens im Verhältnis zum Einkommen des Arbeitnehmers
Betriebszugehörigkeitsdauer
Beispiel: Der Mitarbeiter sollte eine Kälteanlage bei A warten, hat sich aber im Tag „vertan“, Hin- und Rückfahrt von 2 Stunden waren vergeblich.
3. Grad des Verschuldens: Grobe Fahrlässigkeit/Vorsatz
Grob fahrlässig handelt ein Mitarbeiter, wenn er sich so sorglos verhält, das jedem einleuchten müsste, dass ein Schaden auftreten kann.
Bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit muss der Arbeitnehmer vollständig den Schaden tragen. Haftungserleichterungen greifen, wenn das Verhältnis zwischen Arbeitslohn und Schadenshöhe sehr hoch ist oder wenn der Arbeitgeber ein Mitverschulden zu tragen hat.
Voraussetzungen des Vorsatzes ist die feste Absicht etwas zu tun und dies willentlich durchführen, d.h. „Vorsatz ist das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs“ (§ 15 StGB).
Drei Vorsatzformen werden unterschieden
1. Grade/Absicht – Täter hält die Verwirklichung des Tatbestandes für sicher oder möglich, Täter möchte unbedingt diesen Erfolg sehen (also die negativen Auswirkungen).
2. Grades/Direkter Vorsatz – Täter hält die Verwirklichung für sicher, Erfolg kann dem Täter unerwünscht sein (kein direktes Wollen).
Bedingter Vorsatz – Der Täter kennt das Risiko seiner Tat und hält den Eintritt für möglich, findet sich jedoch damit ab, dass ein Risiko vorliegt und das Tatbestandsmerkmal doch nicht verwirklicht wird.
Vorsatz kann auch vorliegen, wenn der Täter sein Handeln nicht direkt umsetzen möchte, die Folgen jedoch kennt und diese in Kauf nimmt (sog. Eventualvorsatz). Bezogen auf die Arbeitnehmersituation liegt ein vorsätzliches Verhalten dann vor, wenn der Arbeitnehmer gegen seine (vertraglichen) Pflichten verstößt und dabei wissentlich und willentlich einen Schaden herbeiführt. Dies kann beispielsweise dann vorliegen, wenn der gekündigte Arbeitnehmer aus Frust und Betroffenheit wichtige Daten an einen Wettbewerber weitergibt, Werkzeuge bewusst beschädigt oder auch (auf unsere Branche bezogen) die Entsorgung von Kältemitteln mit Vorsatz falsch ausführt, sodass ein Schaden entsteht, der sich in Geld ausdrücken lässt. In diesen Fällen haftet der Arbeitnehmer im vollen Umfang auf Ersatz des gesamten Schadens.
Um den Grad der Fahrlässigkeit festzulegen, gilt es ein Gespräch mit dem Verursacher zu führen. Bei einer schriftlichen Anweisung ist die Situation meist eindeutig. Bei mündlichen Anweisungen ist es im Nachhinein schwer nachvollziehbar, wer den Fehler verursachte, da schriftliche Beweisdokumente fehlen. In solchen Fällen wird der Betrieb herangezogen, muss leichte Fahrlässigkeit einräumen und die Kosten tragen. Es gilt abzuwägen, ob eine schriftliche Anweisung, die Regelungen hinsichtlich der Haftung und dessen Aufteilung formuliert, hilfreich erscheint, um solche Probleme in Zukunft transparent und fair regeln zu können.
Weiteres Vorgehen
An erster Stelle steht die Ermittlung der Schadenshöhe. Verursacht ein Mitarbeiter einen Schaden und zieht dabei einen Dritten in Mitleidenschaft greift die Betriebshaftpflicht des Arbeitgebers. Die Betriebshaftpflicht übernimmt Schäden an Personen, Sachen und Vermögen.
Intuitiv wird ein Mitarbeiter, der seit 22 Jahren seine Arbeit sorgfältig ausführt anders behandelt, als ein neuer Mitarbeiter, welchem in den ersten fünf Monaten seiner Tätigkeit bereits mehrere kleine Fehler unterliefen. Dennoch gilt das Gleichbehandlungsgebot, sodass alle Mitarbeiter gleichbehandelt werden sollen. Es ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu beachten, um Diskriminierung vorzubeugen. Eine Ungleichbehandlung bedarf nachvollziehbarer Gründe, wie z.B. berufliche Qualifikationen, Lebensalter, Betriebszugehörigkeit in Jahren oder Familienstand.
Falls es sich um mittlere Fahrlässigkeit handelt, können weitere Kriterien herangezogen werden:
Objektive Gefährlichkeit der Arbeit – Ist es normal, dass hier ein Schaden eintreten könnte (Risiko)?
Höhe des Schadens
Vergütung des Mitarbeiters
Stellung des Mitarbeiters in der Betriebshierarchie
Verlauf des Arbeitsverhältnisses (Jahre der Zugehörigkeit, Verhalten)
Sozialauswahl – alleinstehend, Alter, Kinder
Hat der Arbeitgeber eine Versicherung, die den Schaden decken könnte?
Fahrlässigkeit wird nicht durch Strafen, sondern durch Klarheit und Nachvollziehbarkeit vermieden. So können schriftliche, dokumentiere Anweisungen mündliche Vorgaben ersetzen. Die modernen Kommunikationsmittel ermöglichen diese Kommunikation ohne die Vorteile des raschen, flexiblen Handelns aufzugeben.
Fallbespiele
Der Mitarbeiter soll Kältemittel für eine Anlage bestellen. Er wählt das falsche Produkt aus. Der Vorgesetzte bemerkt den Fehler, als die Lieferung eintrifft. Ein Einfüllen konnte gestoppt werden, eine Kältemittelflasche wurde jedoch angebrochen. Der Lieferant wird die Flasche zwar zurücknehmen, verlangt allerding einen Abschlag im unteren dreistelligen Euro-Bereich, da gleich mehrere Flaschen bestellt wurden und nun wieder zurücktransportiert werden müssen. Der Einkäufer erhielt eine schriftliche Kopie des Vertrages mit dem Kunden. Er ist seit 20 Jahren im Unternehmen, verdient 3.500 €. Seine finanzielle Situation ist angespannt, da er Alleinverdiener seiner Familie ist.
Das Bundesarbeitsgericht entschied „Je stärker er die im Geschäftsverkehr übliche Sorgfalt außer Acht lässt, umso teurer wird es für ihn“. Eine Abgrenzung von leichter und mittlerer Fahrlässigkeit ist schwierig. Bei leichter Fahrlässigkeit muss der Arbeitnehmer nicht haften. Hier könnte man aber schon fast von einer mittleren Fahrlässigkeit ausgehen, da sein Missgeschick Auswirkungen auf den Betrieb hat. Der Mitarbeiter hätte die Bestellung gegenprüfen können, dann wäre ihm aufgefallen, dass er das falsche Kältemittel bestellt hat. Erfolgt eine Quotelung des Schadens sind auch soziale Aspekte zu berücksichtigen (20 Jahre im Betrieb, Alleinverdiener etc.).
Höhe des Schadens im Verhältnis zum Einkommen: Hier würde der Schaden das Einkommen des Arbeitnehmers nicht erreichen.
Kalkulierbarkeit des Schadensrisikos: Der Arbeitnehmer hätte sich nicht für ein solches Missgeschick versichern können (aber eher unwahrscheinlich/unüblich).
Vorverhalten des Arbeitnehmer: hier keine Ansatzpunkte
Deshalb wäre eine Quotelung von möglicherweise 50% nicht gerechtfertigt – max. 3 Bruttomonatsgehälter, die laut Rechtsprechung im Einzelfall vertretbar sind, werden nicht erreicht.
Ein Servicetechniker soll die Anlage A beim Kunden Z warten, er fährt zu einem anderen Kunden, Hin- und Rückfahrt dauern zwei Stunden. Die Aufforderung erfolgte in der Hektik des Alltages per telefonischem „Zuruf“. Der Mitarbeiter ist erst seit drei Monaten im Unternehmen.
Hierbei wird es sich um leichte Fahrlässigkeit handeln, zumal eine entschuldbare Pflichtverletzung vorliegt, welche jedem passieren könnte.
Ein Montageleiter nutzt einen Dienstwagen auch privat, was vertragsmäßig zulässig ist. Er verursacht einen Unfall, wobei er eine rote Ampel überfuhr. Der Schaden am Dienstwagen beträgt 11.000 €, der am anderen beteiligten Fahrzeug 8.000 €. Er verdient 4.500 € monatlich. Außerdem erhält er eine jährliche Gratifikation, welche im letzten Jahr 6.000 € betrug.
Beim Überfahren einer roten Ampel handelt es sich um eine grobe Fahrlässigkeit. Entsprechend haftet der Dienstwagenfahrer komplett für den entstandenen Schaden.
Fazit
Kein Fachbetrieb muss seine Mitarbeiter für die von ihnen verursachten Schäden haftbar machen, allerdings sollten die grundsätzlichen Möglichkeiten bekannt sein. Bei einem entschuldbaren Fehler in der Hektik des Berufsalltags wird dann ein anderes Vorgehen gewählt, als wenn der Mitarbeiter bewusst und wissentlich Vorgaben ignorierte.