Medizin-Produkte mit A2L-Kältemittel gekühlt

Erfahrungen eines Fachbetriebs mit brennbaren Kältemitteln

Die Firma Baxter ist ein Hersteller hochwertiger Medizin-Produkte. Am Standort in Höchstadt a. d. Aisch war die Kälteanlage zur Versorgung von zwei TK-Lagern (-25 °C) in die Jahre gekommen und musste ersetzt werden. Der Kältefachbetrieb installierte unter höchsten Anforderungen an die Betriebssicherheit der TK-Lager ein neues Kältesystem mit dem A2L-Kältemittel R454C.

„Seit mehr als 85 Jahren arbeiten wir daran, Leben zu retten und zu erhalten – dabei erhielten wir bedeutende Einblicke, die zur Entwicklung innovativer Technologien und neuer Ansätze im Gesundheitswesen weltweit beigetragen haben.“ So schreibt es die Firma Baxter auf ihrer Homepage. Am Standort der Firma in Höchstadt a. d. Aisch waren die Kälteanlagen der beiden TK-Lager nach über 20 Jahren an die Grenze der Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit gekommen. Da es sich bei den eingelagerten Waren um hochwertige Medizinprodukte handelt, hatte die Betriebssicherheit höchsten Stellenwert.

Vor Ort zuständig für das Facility Management ist die Fa. Spie, deren Mitarbeiter alle betrieblichen Abläufe genau kennen. Als ausführender Fachbetrieb kam für Spie nur ein regional ansässiges Unternehmen mit dem nötigen Know-how in Frage, um im Störungsfall schnell reagieren zu können. Mit dem Austausch der Kältetechnik beauftragt wurde die Horst Zimmermann GmbH aus Nürnberg, die genügend Erfahrung und geschulte Mitarbeiter, auch im Umgang mit A2L-Kältemitteln, vorweisen konnte.

Wachsende Bedeutung von A2L-Kältemitteln

Bei der gemeinsamen Planung aller verantwortlichen Mitarbeiter von Fachbetrieb, FM-Dienstleister und Nutzern vor Ort fiel die Wahl eindeutig auf das Kältemittel R454C als langfristig beste Lösung.

Die Kältemittelklassifizierung A2L sorgt jedoch bei der Erwähnung der Brennbarkeit im Kundengespräch leider immer erst einmal für besorgte Gesichter, bis hin zur Ablehnung. An diesem Punkt gibt es für uns als Anlagenbauer zwei Möglichkeiten. Entweder man weicht auf ein Kältemittel mit hohem GWP im Rahmen der (derzeit noch) gesetzlichen Möglichkeiten aus, oder man beurteilt die mögliche Gefährdung und erarbeitet gemeinsam mit dem Kunden die technische Umsetzbarkeit – so wie im Fall der Firma Baxter.

Auch wenn es im ersten Moment vielleicht etwas aufwendiger erscheint, wird unsere gesamte Kälte-/Klima-Branche nicht um die Anwendung und Weiterentwicklung der Anlagentechnik mit Low-GWP-Kältemitteln herumkommen. Schon seit einigen Jahren beschäftigen wir uns bei der Horst Zimmermann GmbH mit dem Thema „alternative Kältemittel“. Interessanterweise gibt es schon lange theoretische Vorträge über neue Kältemittel mit vielen Zahlen, Daten, Fakten. Auf mehreren Seminaren in Maintal, Karlsruhe oder bei Vorträgen diverser Veranstaltungen gibt es immer wieder Wissenswertes und neue Impulse. Einzig die Umsetzung war bisher schwierig.

Es wären zwar einige Projekte für einen ersten „Feldversuch“ geeignet gewesen; auch Kunden zeigten sich offen für diesen Weg der Umsetzung. Leider wurden wir immer wieder ausgebremst – hatte doch die Verfügbarkeit der erforderlichen Komponenten sehr lange auf sich warten lassen. Daran hatte die mögliche Brennbarkeit sicherlich einen großen Anteil. Bauteilprüfungen o. ä. Genehmigungen sind wahrscheinlich entsprechend aufwendig und langwierig. Soweit ist das auch verständlich – Sicherheit hat berechtigterweise einen sehr hohen Stellenwert, ebenso geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit. In letzter Zeit sind endlich einige Komponenten für alternative (brennbare) Kältemittel erhältlich und auch die entsprechenden Auslegungsprogramme der Hersteller lassen die benötigten Berechnungen zu.

Brennbarkeit von A2L-Kältemitteln ist beherrschbar

Als erfahrene Anlagenbauer (bzw. Mechatroniker) liegt es jetzt auch an uns allen, Nutzer und Führungskräfte mit unserem Fachwissen aufzuklären. Besonders in der A2L-Klasse reden wir von einer max. Brenngeschwindigkeit von 10 cm/s! Die benötigte Mindest-Zündenergie und das benötigte Mischungsverhältnis müssten zusätzlich vorhanden sein, um überhaupt eine Brennbarkeit zu erreichen. Vor allem bei Letzterem kann durch technische Maßnahmen die Gefährdung oft vermieden werden. Möglichst viele Anlagenteile im Freien oder großen (Maschinen-) Räumen zu installieren, wäre ein erster Schritt.

Die DIN EN 378 bietet hier einen guten Leitfaden zu den Aufstellungsbedingungen. Als Praktiker fehlt vielleicht gelegentlich die Lust, sich mit solchen Vorgaben zu beschäftigen. Das ist grundsätzlich verständlich, allerdings kann man sich nach einer Einarbeitung gut orientieren, was unter welchen Bedingungen umsetzbar ist.

Deshalb war es unsererseits ein fast logischer Schritt mit Herrn Lämmermann, als Vertreter vor Ort, die Umbaumaßnahme der neuen TK-Anlagen mit R454C zu planen. Mit einem GWP von 148 (gemäß IPCC IV: AR 4) ist das Kältemittel für mich die derzeit erste Wahl in diesem Arbeitsbereich.

Die Planung

Die Raumhöhe von 7 m in den TK-Zellen und die dadurch relativ hohe, maximal mögliche Kältemittelfüllmenge haben die Entscheidung deutlich erleichtert. Aus energetischen Gründen wurde auch eine Wärmerückgewinnung mitberücksichtigt. Während der Heizperiode wird die entstehende Abwärme direkt an eine große Lagerhalle abgegeben, was die Effizienz der Anlage deutlich steigert. Auf zusätzliche Magnet- oder Umschaltventile in der HG-Leitung wurde bewusst verzichtet, um mögliche Störungsursachen zu vermeiden.

Die Raumtemperatur wurde bei -26 °C geplant. Hilfreich war die Zusammenarbeit bei der Planung mit Herrn Riedel der Firma Frigotechnik, um Details durchzusprechen, praktikable Lösungen zu finden und auch ggf. kritisch zu hinterfragen. Themen wie Bedarfsabtauung, EEV und die Netzwerkfähigkeit wurden ausführlich besprochen und schließlich mit „AK-CC55“-Reglern von Danfoss und Bluetooth-Bedienteil umgesetzt. Eine ModBus-Anbindung hat die Fa. Cool-Concept geplant. Bei den Kompressoren im klassischen „Bitzer-Grün“ sind IQ-Module integriert, um einen möglichst hohen Schutz zu realisieren. Die übersichtliche Anordnung und eine einfache Bedienbar- und Zugänglichkeit aller (Regelungs-) Bausteine bei zukünftigen Wartungsarbeiten hatten bereits im Planungsstadium einen großen Stellenwert.

Die Montage

Im Gespräch beschreibt der Betriebsleiter Herr Czapka die Entscheidungskriterien: „Aus Baxter-Sicht waren wichtige Entscheidungskriterien die Nachhaltigkeit (Reduktion der CO2-Emissionen), Redundanz, Notfallmanagement und die Verfügbarkeit von Anlagenkomponenten. Verbunden mit der Kompetenz der eingesetzten Fachfirma.“

Wie üblich bei Umbau und Austausch der meisten Kälteanlagen konnten die betroffenen Lagerräume nicht einfach abgeschaltet werden. Im Vorfeld waren eine exakte Planung, Vorbereitung und Umsetzung nötig, um unnötigen Stillstand zu vermeiden. Für uns als Anlagenbauer hieß das, alle Anlagenteile (außer den Verdampfern) wurden montiert, Leitungen bis zur geplanten Durchführung in die TK-Zellen verlegt und abgedrückt.

Auch der Schaltschrank wurde komplett angeschlossen, Regler und Netzwerkzugang vor Ort bereits eingerichtet. Hilfreich war der freie Raum über den beiden TK-Zellen, in dem genug Platz zur Verlegung aller Kabel und Rohrleitungen zur Verfügung stand. Das Springen über bestehende Leitungen und Träger war auch so aufwendig genug.

Einer der schwierigsten Punkte zeigte sich allerdings in der Anordnung des Schaltschranks und der drei Kompressoren, um einen servicefreundlichen Zugang zu ermöglichen. In welchem Maschinenraum gibt es schon genug Platz für zusätzliche Anlagen, ohne vorher Altanlagen zu demontieren?

Die Verflüssiger konnten direkt an der Außenwand des Maschinenraums montiert werden, wenn auch mit einer Schienenkonstruktion im Raum gesichert. Zur Montage mussten sich Arme und Schraubenschlüssel teilweise fast akrobatisch um bestehende Anlagenteile herumschlängeln.

Die Inbetriebnahme

Nach Abschluss aller Vorbereitungen kam die „heiße Phase“ der Abschaltung der ersten in die Jahre gekommenen Anlage. Ab jetzt hieß es, mit aller Kraft die alte Anlage demontieren, neue Verdampfer montieren, anschließen und Anlage in Betrieb nehmen.

Da die neuen Verdampfer mit Ansaughaube und Shut-up (Abtauschlauch) ausgerüstet sind, musste auch hier der Platz gut ausgenutzt werden, um eine gute Luftverteilung zu ermöglichen. Die Abmessungen sind deutlich angewachsen im Gegensatz zum Vorgängermodell. Auch hier spielt die großzügige Auslegung im Bezug auf die Energieeffizienz eine entscheidende Rolle.

Der erste Probelauf konnte dank der guten Vorbereitung früher als geplant durchgeführt werden. Nach Umbau der vorhandenen Notstromversorgung und störungsfreiem Testbetrieb über mehrere Tage konnte das TK-Lager zur Nutzung freigegeben werden. Nach weiteren Tagen ohne Störungen wurde auch die andere TK-Zelle abgeschaltet und entsprechend umgebaut.

Da die Temperaturen in den TK-Lagern keinesfalls überschritten werden dürfen, wurde in jedem Raum noch ein zusätzlicher Verdampfer installiert. Jeder mit einem eigenen „AK-CC55“-Regler von Danfoss angesteuert. Sobald die „normale“ TK-Anlage in dem jeweiligen Raum eine Störung meldet, bekommt dieser Redundanz-Regler die Freigabe zur Kühlung. Versorgt werden die beiden Verdampfer über einen gemeinsamen zusätzlichen Kompressor, als eigene Redundanz-Kälteanlage.

Positives Fazit

Im Nachhinein betrachtet, war die gesamte Umbaumaßnahme einfacher zu realisieren als zunächst gedacht. Unerwartet stellte sich die Einbringung und Aufstellung des Schaltschranks als einer der schwierigsten Arbeitsschritte heraus. Die berechtigte Aufmerksamkeit zur Brennbarkeit des Kältemittels R454C macht Sinn und soll nicht leichtfertig unterschätzt werden. Eine Orientierung an den gängigen Normen macht den Umgang wiederum sehr einfach. Der Vorteil bei den A2L-Kältemitteln ist die bekannte Technik, mit der erfahrene Kälteanlagenbauer, bzw. Mechatroniker seit langem vertraut sind. Es wird Zeit, diese nicht nur bei einzelnen Prestigeprojekten einzusetzen, sondern auch bei mittleren und kleinen Anwendungen in unserer Branche anzuwenden und nicht auf die nächste Stufe des Phase-downs zu warten.

Technische Daten

Kältemittel: R454C
Kälteleistung: 7,3 kW
Verdampfung: -34 °C
Raum-Solltemperatur: -26 °C

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 02/2021

Kältemittel im Wandel?

Was ist beim Einsatz von A2L-Kältemitteln zu beachten?

Die F-Gas-Verordnung EU 517/2014 gab für die Kälte/Klima-Wärmepumpen-Branche den Startschuss zum generellen Umdenken. Alternative Kältemittel sind jetzt gefragt. Niedrig- und Extra...

mehr
Ausgabe 06/2020 Coolektiv

Positionspapier A2L-Kältemittel

Das Expertenkomitee Coolektiv hat ein Positionspapier zum Thema A2L-Kältemittel veröffentlicht. Coolektiv hat sich intensiv mit dem derzeitigen Marktangebot alternativer Kältemittel und der...

mehr
Ausgabe 04/2020

Einsatzmöglichkeiten für HFO-basierte Kältemittel

Interview mit Hans-Dieter Küpper, Chemours Deutschland GmbH
Hans-Dieter K?pper, Technical Marketing Spezialist bei Chemours Deutschland

KKA: Chemours hat Kältemittel mit niedrigem GWP entwickelt, die nach eigenen Angaben den Energieverbrauch und die Umwelteinflüsse minimieren. Könnten Sie bitte erklären, welche das sind? Küpper:...

mehr
Ausgabe 01/2020 Chemours

Lebensmittelmarkt mit R454C in England

Lebensmittelmarkt mit R454C in England

Chemours (www.chemours.de), die britische Handelskette Central England Co-Operative, die eine F-Gas-Strategie für die nächsten zehn Jahre entwickeln möchte, und weitere Kältetechnikunternehmen...

mehr
Ausgabe 06/2018 Chemours

Implementierung von A2L-Kältemitteln

Chemours fordert die Kälte- und Klimabranche angesichts der in der Europäischen F-Gas-Verordnung für das Jahr 2021 vorgesehenen signifikanten Reduktion von CO2-Äquivalenten auf, die Entwicklung...

mehr