Natürliche Kältemittel als umweltfreundliche Alternative
Die Suche nach den besten Arbeitsstoffen dauert seit Beginn der Kältetechnik an. Chlorhaltige Kältemittel wurden in Europa inzwischen verboten und überwiegend durch chlorfreie HFKW-Kältemittel ersetzt. Diese HFKW haben jedoch teilweise hohe Treibhauseffekte. Sinnvolle Lösungen werden gesucht – dies schließt auch den Einsatz natürlicher Kältemittel ein. Dabei wird auch CO2 als Kältemittel wieder interessant. Um CO2 einzusetzen, ist jedoch eine aufwändigere Anlagentechnik nötig. Und nicht zuletzt braucht es gut ausgebildetes Personal, das den Umgang mit diesen Anlagen auch beherrscht.
Natürliche Kältemittel haben den Vorteil geringster GWP-Werte. Diese liegen beispielsweise für NH3 bei 0, für CO2 bei 1 und für Kohlenwasserstoffe (z.B. Propan R290) bei 3.
Alle diese Stoffe sind seit langem bekannt, konnten sich jedoch aufgrund ungünstiger Eigenschaften (Toxizität, Drucklage oder Brennbarkeit) nur in Teilbereichen durchsetzen.
Kohlendioxid (CO2, R744) als
Alternativ-Kältemittel
CO2 ist weder toxisch noch brennbar. Ein idealer Ersatzstoff also? Das war er lange Zeit: CO2 wurde bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts noch häufig eingesetzt. Ab diesem Zeitpunkt jedoch verdrängten die so genannten Sicherheitskältemittel CO2 vom Markt. Grund dafür waren die teilweise ungünstigen thermodynamischen Eigenschaften für die gängigen kältetechnischen Anwendungen. So ist beim Betrieb einer Kälteanlage mit CO2 die Drucklage sehr hoch und die kritische Temperatur mit +31,1°C (bei 73,6 bar) sehr niedrig.
Je nach Temperatur des Wärmeträgers auf der Hochdruckseite erfordert dies eine transkritische Betriebsweise mit Drücken bis weit über 100 bar. Unter diesen Bedingungen ist jedoch der indirekte Treibhauseffekt durch den hohen Energieverbrauch entsprechend höher – und damit sinkt die Wirtschaftlichkeit gegenüber einem klassischen Kaltdampfprozess mit Verflüssigung des Kältemittels.
Mit CO2 betriebene Anlagen sind besonders wirtschaftlich und haben eine gute Öko-Effizienz, wenn zum Beispiel subkritisch betriebene Kaskadensysteme zur Kühlung eingesetzt werden können. Weiter kann CO2 als Sekundärfluid in industriellen und größeren gewerblichen Anwendungen eingesetzt werden. Sowohl aus energetischer Sicht als auch hinsichtlich der Drucklagen ist dies von Vorteil. Transkritische Systeme, bei denen die hohen Druckgastemperaturen auf der Hochdruckseite genutzt werden, wie zum Beispiel zur Brauchwassererwärmung, können ebenfalls die Energiebilanz verbessern.
Vorteile hat CO2 bei den Wärmeübergangswerten, die deutlich höher sind als mit anderen Kältemitteln. Damit besteht zusätzliches Potential durch die sehr kleinen Temperaturdifferenzen in Verdampfern, Verflüssigern oder Gaskühlern. Der Einfluss des Druckabfalls ist auf Grund der thermodynamischen Eigenschaften von CO2 hinsichtlich der Effizienz gering, es können damit relativ kleine Rohrdurchmesser gewählt werden.
Der TEWI-Kennwert
Um Kälteanlagen auf ihren gesamten Treibhauseffekt beurteilen und bewerten zu können, wurde der so genannte TEWI-Kennwert (Total Equivalent Warming Impact) entwickelt. Mit dieser Berechnungsmethode ist es möglich, sowohl den direkten als auch den indirekten CO2-Eintrag individuell für jede Anlage abzubilden.
Ein Beispiel: Alle halogenierten Kältemittel, einschließlich der chlorfreien HFKW, zählen zur Kategorie der Treibhausgase. Bei CO2, das auch in der natürlichen Atmosphäre vorkommt, ist das Treibhauspotential jedoch wesentlich geringer. So sind 1300 kg CO2 in etwa gleichzusetzen mit der Emission von 1 kg R134a (GWP 1300). Doch dieser Wert sagt nicht alles: Den höchsten Anteil am Treibhauseffekt einer Anlage hat die indirekte CO2-Emission durch ihren Stromverbrauch. Im Durchschnitt liegt die freigesetzte CO2-Masse bei der Stromerzeugung in Deutschland bei 0,6 kg/kWh elektrischer Energie. Über die gesamte Lebensdauer einer Kälteanlage gesehen ergibt sich dadurch ein erheblicher Treibhauseffekt. Neben der Forderung nach Kältemitteln mit geringem GWP-Potential muss deshalb der Fokus auf der Energieeffizienz von Kälteanlagen liegen.
Andere Länder, andere Sitten
Zur Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen hat die EU verbindliche Regelungen erlassen: Hier gilt seit Juli 2007 die EG-Verordnung Nr. 842/2006 (F-Gas-Verordnung) als gesetzliche „Verordnung über bestimmte fluorierte Treibhausgase“. Einen Zwang, nur noch natürliche Kältemittel einzusetzen, gibt es jedoch (noch) nicht.
In einigen Nachbarländern Deutschlands, wie zum Beispiel in Dänemark oder in der Schweiz, gibt es sogar noch darüber hinausgehende Regelungen, die den natürlichen Kältemitteln dort eine besondere Bedeutung zukommen lassen. Aufgrund dessen werden in diesen Ländern bereits weite Bereiche in der Gewerbekälte mit CO2-Kälteanlagen ausgeführt. Einige Beispiele der Lieferung von Kälteanlagen nach Dänemark und in die Schweiz zeigen darüber hinaus auch mögliche Exportchancen für deutsche Firmen auf.
So konnte das Unternehmen Christof Fischer aus Stuttgart (www.kaeltefischer.de) aufgrund der umweltpolitischen Rahmenbedingungen bereits zahlreiche CO2-Verbundkälteanlagen in diese Länder exportieren, unter anderem mit Verdichtern der Firma Bitzer Kühlmaschinenbau aus Sindelfingen (www.bitzer.de).
Begonnen hat dieser Prozess mit der Lieferung von Kaskadensystemen nach Dänemark, bei denen für die Tiefkühlung bereits seit 2002 CO2 eingesetzt wurde. Dadurch reduzierte die Kundschaft in Dänemark die Steuern, die seit März 2001 pro Kilogramm eingefüllte FKW-Kältemittel (abhängig vom Treibhauspotential, ca. 50 EUR/kg R404A) gezahlt werden mussten. Von dieser Art Anlagen für die Tiefkühlanwendung wurden im Verlauf der Jahre über 100 Stück im Leistungsbereich von wenigen kW bis zu 350 kW geliefert.
Im Jahr 2007 wurden die umweltpolitischen Regelungen in Dänemark noch einmal verschärft. So dürfen alle Kälteanlagen mit mehr als 10 kg Füllmenge nur noch mit natürlichen Kältemitteln befüllt werden. Damit kamen bei der Verwendung von CO2 für die Normalkühlung nur noch transkritische Anlagen in Frage, die dann von Christof Fischer auch ab 2007 geliefert wurden. Kamen dabei am Anfang noch Kaskadensysteme (zwei Kältekreise) zum Einsatz, wurden diese in 2008 bald durch die günstigeren Boostersysteme abgelöst. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass sowohl die TK-Verdichter als auch die NK-Verdichter mit CO2 in einem gemeinsamen Kreislauf betrieben werden.
Dass diese transkritischen Kälteanlagen nicht nur im Leistungsbereich der Gewerbekälte (ca. 20-250 kW) eingesetzt werden können, zeigt das Beispiel einer Kälteanlage für ein großes Logistikzentrum, bei dem seit Januar 2010 insgesamt 34 Verdichter (Fabrikat Bitzer, aufgeteilt auf vier Verbundanlagen) die Bereitstellung von 1200 kW Kälteleistung übernehmen. Diese Leistung entspricht der von ca. 25 Discountmärkten. Die Anlagen wurden von Christof Fischer entwickelt, gebaut und von dem dänischen Anlagenbauer Vojens installiert und in Betrieb genommen.
Auch in der Schweiz geht man schon einige Jahre eigene Wege bei der Reglementierung des FKW-Einsatzes. So unterliegt das Erstellen von Kälte-, Klima- und Wärmepumpenanlagen mit mehr als 3 kg HFKW seit dem 1.1.2004 einer Bewilligungspflicht. Diese wird nur erteilt, wenn nach dem Stand der Technik keine Ersatzstoffe oder Ersatzverfahren verfügbar sind und Emissionen so weit wie möglich vermieden werden.
Eigens zu diesem Zweck, nämlich eine klare Regelung zu schaffen, wurde eine gut nachvollziehbare „Wegleitung“ [1] erstellt, mit deren Hilfe der Anlagenbauer seine infrage kommende Alternative ermitteln kann. Sie legt für die verschiedenen Anwendungsbereiche (Industrie-, Gewerbe- und Klimakälte) den Stand der Technik fest. Dieser umfasst die Umweltverträglichkeit, die Energieeffizienz, die technische Reife, die Betriebssicherheit, die Verfügbarkeit auf dem Markt, die wirtschaftliche Tragbarkeit und die Sicherheit von Personen und Umwelt in ihrer Gesamtheit. Mit der Änderung des Standes der Technik soll die „Wegleitung“ auch periodisch angepasst werden.
So wird beispielsweise im mittleren Gewerbe (bis 30 kW) seit 2010 für kombinierte NK/TK-Anlagen schon CO2 für die TK-Stufe vorgeschrieben, im Großgewerbe (ab 80 kW) und der Industriekühlung fast ausschließlich natürliche Arbeitsstoffe.
Seit der Gründung von drei eigenen Niederlassungen der Christof Fischer AG/CH im Jahr 2006 werden auch die Kunden in der Schweiz mit Kälteanlagen mit natürlichen Arbeitsstoffen (CO2, NH3, R723 und Propan) beliefert. Diese Anlagen kommen in der Gewerbekühlung (Supermarkt und Discounter), aber auch in der chemischen- und Verfahrensindustrie zum Einsatz. Das besondere an der letzteren Sparte ist, dass die Einsatzbereiche von denen der wesentlich mehr verbreiteten Supermarktkühlung stark abweichen und damit ganz neue Voraussetzungen an die Anlagen- und Verdichtertechnik stellen. Da viele dieser Anlagen mit CO2 nicht dauerkalt sind (d.h. kontinuierlich in Betrieb), aber aus energetischen Gründen ohne Notkühlsysteme auskommen sollen, müssen sie in druckfester Ausführung erstellt werden. Dies erfordert dann eine Druckfestigkeit auch auf der Saugseite von mindestens 75 bar.
Weitere Merkmale sind der meist zwar unterkritische, weil wassergekühlte Betrieb. Da die Fabrikwasserkühlung jedoch bis zu +25 °C ansteigen kann, ist der Einsatz transkritischer Verdichter in einem zum Teil deutlich erweiterten Einsatzbereich nötig.
Anlagenbau in Deutschland
Trotz der Zurückhaltung der Kältebranche in Sachen CO2 sind auch in Deutschland bereits einige Anlagenbauer mit CO2-Verbundanlagen auf Erfolgskurs. Nach dem Einstieg in subkritische Kältesysteme werden inzwischen auch vermehrt transkritische Systeme nachgefragt. Dass bei der Entscheidung für ein natürliches Kältemittel auch das von der Bundesregierung in 2008 aufgelegte „Impulsprogramm für Klimaschutzmaßnahmen an gewerblichen Kälteanlagen“ eine Rolle spielt, dürfte sicher klar sein.
Dabei sind es nicht unbedingt nur die großen Supermarktketten, welche die Effizienz und Umweltverträglichkeit dieser Systeme testen, sondern auch kleinere Märkte und Franchise-Betreiber wollen nicht nur bei den Waren auf „Bio“ und „Natur“ setzen, sondern auch bei der Infrastruktur. Und dass dieser Wandel in der Unternehmenspolitik immer wichtiger wird, belegt eine im Dezember 2010 veröffentlichte deutschlandweite Studie von IBH Retail Consultants. Danach richten 60 % der Befragten ihre Kaufentscheidung zusätzlich daran aus, ob Unternehmen das inzwischen zunehmend geforderte nachhaltige Handeln im Geschäftsalltag umsetzen [2].
Schulungsangebote für die
CO2-Anwendung
Die Planung, der Bau und die Wartung von CO2-Anlagen erfordern sehr spezifische Kenntnisse – so beispielsweise in den unterschiedlichen subkritischen und transkritischen Betriebsweisen. Um eine CO2-Anlage sicher zu betreiben, müssen nicht nur Projekteure, sondern auch Monteure vorab CO2-Kompetenz erwerben.
„Da wir bei CO2-Kälte mit unseren Verdichtern ein Marktführer sind, müssen wir natürlich auch dafür sorgen, dass wir unsere Kunden in der CO2-Technik schulen und trainieren können“, sagt Albrecht Höpfer, Direktor Vertrieb für Deutschland und die Schweiz bei Bitzer.
„Im Anlagenstörfall ist rasches Handeln geboten. In solchen Fällen muss der Monteur wissen, wie er die Situation sicher angehen kann“, beschreibt Höpfer ein mögliches Szenario. Im werkseigenen Schulungszentrum am Standort Rottenburg-Ergenzingen gibt Bitzer auf die verschiedenen Herausforderungen bei Planung, Aufbau, Inbetriebnahme, Fehleranalyse oder Störungsbehebung Antworten. Regelmäßig bietet das Unternehmen in seinem CO2-Trainingscenter dazu Schulungen an. Ein Hauptaugenmerk liegt neben der Theorie auch insbesondere auf praktischen Übungen. So wird beispielsweise die Inbetriebnahme an CO2-Kaskaden- und Boosteranlagen geübt.
Bei diesen Schulungen legt Bitzer Wert auf kleine Gruppen, um Wissen optimal zu vermitteln – höchstens zehn Kältespezialisten pro Kurs sind dabei die Regel. „Der größte Lerneffekt in einem Seminar entsteht, wenn die Teilnehmer in kleinen Gruppen möglichst viel selbst machen“, sagt Albrecht Höpfer. Seit Ende 2010 bietet Bitzer diese CO2-Seminare mit großem Erfolg an. „Die Branche sollte erkennen, dass die Ausbildung von zukünftigen Fachkräften entscheidend ist, um in dieser Technik erfolgreich arbeiten zu können“, so Höpfer weiter. „Schließlich bringen nur von Grund auf gut ausgebildete Fachleute diese Technik im Ganzen weiter.“ Eine Herausforderung, der zukünftig nicht nur mit zusätzlichen Schulungen begegnet werden kann.