Weinreben gradgenau temperieren

Deckenstrahlplatten für die Rebenveredelung

Rund 50 km nordöstlich von Trier liegt an einer Flussschleife der Mosel das Städtchen Bernkastel-Kues. Die 1912 gegründete örtliche Kreisrebenveredelung ist die älteste, noch praktizierende Deutschlands. Hier werden für den nationalen und internationalen Markt verschiedene Rebsorten veredelt, um gegen Reblausbefall resistent zu sein. Nach dem Umzug in neue Betriebsanlagen war auch ein modernes Temperierungssystem gefragt, welches möglichst effizient und zuverlässig eine genaue Temperaturregelung ermöglicht. Deckenstrahlplatten stellten sich als geradezu ideale Lösung heraus.

„Rebenveredelungen wurden Anfang des 20. Jahrhunderts notwendig und sind es bis heute, um den Vormarsch der Reblaus aufzuhalten, welche in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus Nordamerika nach Europa eingeschleppt worden war“, erklärt Volker Emmrich, Prokurist des DRK-Sozialwerks, welches heute als Träger der Kreisrebenveredelung Bernkastel-Kues fungiert. „Weil die europäischen Weinstöcke gegen den Schädling weitgehend wehrlos sind, konnte die Reblaus damals große Teile des Gesamtbestands an Weinpflanzen auf dem ganzen Kontinent zerstören. Die bis heute sinnvollste Lösung zur Bekämpfung der Reblaus besteht darin, europäische Edelreiser auf resistente amerikanische Stöcke – so genannte Unterlags­reben – aufzupfropfen.“ Die Wurzeln dieser Weinsorten sind nämlich gegen die Reblaus resistent, wohingegen die Trauben der europäischen Sorten sich besser zur Weinkelterung eignen. In der Kreisrebenveredelung Bernkastel-Kues ist die Herstellung dieser – für den Ertragsweinbau unabdingbaren – Reb-Pfropfung zu einer besonderen Blüte geraten, die Reben werden regelmäßig von der Landwirtschaftskammer ausgezeichnet und finden ihre Abnehmer unter professionellen Winzern auf der ganzen Welt. Doch im Jahr 2006 war der alte Traditionsstandort endgültig zu klein und zu antiquiert geworden, um mit den modernen Ansprüchen und der Nachfrage nach Jungpflanzen Schritt halten zu können.

 

Umzug erforderlich

So wurde ein Umzug innerhalb der Ortschaft Bernkastel-Kues realisiert, um nun auf einer neuen Fläche von 800 m² in insgesamt drei Klimazellen nebst einem großen Arbeitsraum die Reben heranzuziehen. Bei den neuen Räumlichkeiten handelt es sich um das obere Stockwerk eines zweigeschossigen Hallenbaus aus dem Jahre 1969, der nun umfassend energetisch saniert und an die Bedürfnisse der neuen Nutzer angepasst werden sollte.

„Neben dem Umzug aus Platzgründen war auch der Modernisierungsgedanke ein zentrales Element des Projekts“, erinnert sich Volker Emmrich. „Wir wollten neben der Produktionskapazität auch die Energieeffizienz steigern und für beides war speziell das Temperierungssystem in den Klimazellen von zentraler Wichtigkeit.“

Denn damit in der Klimakammer die Unterlagsrebe optimal mit dem durch Wachs aufgepfropften Edelreiser zusammenwächst, sind für einen Zeitraum von drei Wochen absolut konstante Temperaturen von 30 °C erforderlich – während die jungen Reben gleichzeitig mit UV-Licht bestrahlt werden. Die Kombination aus Heizbetrieb und gleichzeitiger Benutzung von UV-Strahlern stellt dabei noch eine besondere Anforderung an die Regelgenauigkeit des Raumklima-Systems: Denn in dieser Phase sterben die Reben bereits ab einer Temperatur von 33 °C ab. Die Temperatur muss also trotz zusätzlichem Betrieb von UV-Leuchtröhren und deren Abwärme stets auf konstantem Niveau gehalten werden.

 

Deckenstrahlplatten als Lösung

Im alten Firmensitz musste die Raumtemperierung mit vergleichsweise großem Energie- und Regelungsaufwand über eine Röhrenheizung aus den 50er Jahren realisiert werden, welche trotzdem immer noch vergleichsweise ungenau funktionierte und deshalb ständig viele Nachjustierungen erforderte.

„Für die neue Anlage suchten wir also nach einem System, das besonders genau einzustellen ist und möglichst zuverlässig die gewünschte Temperatur hält“, so der Prokurist der Rebenveredelung. „Unser Anlagenplaner, das Ingenieurbüro Schneider aus Trier sowie der zuständige Installationsbetrieb Becker aus Maring-Noviand, haben uns dann einhellig zu einem Deckenstrahlplattensystem geraten.“

Die Wahl des Herstellers fiel auf die Zehnder GmbH aus Lahr, mit welcher Planungsbüro und Heizungsbauer bereits gute Erfahrungen gemacht hatten. Die Zehnder Deckenstrahlplatten funktionieren nach dem Prinzip der Strahlungswärme und erzeugen so auf sehr energiesparende Weise ein Raumklima, das besonders natürlich wirkt. Dabei ist das Funktionsprinzip identisch mit der Wirkung der Sonnenstrahlung. Gleichzeitig operiert das System mit einer extrem hohen Regelgenauigkeit bei sehr kurzen Ansprechzeiten. All diese positiven Faktoren liegen in der Konstruktion und dem Funktionsprinzip begründet: Zunächst verfügen die Zehnder-Deckenstrahlplatten selbst über vergleichsweise wenig Masse. Die Elemente werden durch Rohrleitungen von warmem oder kaltem Wasser durchströmt und temperieren so den Raum mittels Infrarotstrahlung. Das bedeutet, dass nicht wie bei einer herkömmlichen Konvektionsheizung oder -kühlung erst die gesamte Luft in der Raumkubatur umgewälzt und auf das gewünschte Temperaturniveau gebracht werden muss. Im Heizfall gibt die Deckenstrahlplatte die Infrarotstrahlung des durchströmenden Warmwasservorlaufs direkt in den Raum ab, erst beim Auftreffen auf einen Körper oder Gegenstand wandelt sich diese in Wärme um. Weil die empfundene Raumtemperatur dabei bis zu 3 °C über der Raumlufttemperatur liegt, lässt sich damit der Heizenergie-Aufwand um bis zu 40 % senken. Der Kühlbetrieb funktioniert analog dazu: Sobald kühles Wasser die Deckenelemente durchströmt, können diese die Wärmeabstrahlung aus dem Raum absorbieren und damit sofort und aufs Grad genau kühlen. „Ein weiterer schöner Nebeneffekt des Systems besteht darin, dass es uns durch seinen platzsparenden Charakter einen Mehrertrag von 4 bis 5 % an Reben pro Klimakammer ermöglicht“, merkt Volker Emmrich weiter an. Denn weil mit den insgesamt 180 m² Deckenstrahlplatten keine Installationen an den Seitenwänden mehr erforderlich sind, können die Kammern auf der kompletten Länge und Breite ohne Wandabstand mit Pflanzen befüllt werden. Die notwendigen UV-Strahler konnten zudem problemlos in die auf 4 m Höhe von der Decke abgehängten Strahlplatten integriert werden.

Die Wärme für die Klimakammern wird nach der Sanierung von einer Gastherme mit 60 kW und einem BHKW mit 30 kWth und 15 kWel, die zusammen auch für die Wärmeversorgung des gesamten Gebäudekomplexes zuständig sind, geliefert.

 

Fazit

Der erwartete sparsame Energieverbrauch wurde im laufenden Betrieb bestätigt. Das Resultat lautete: gewünschte Energieeffizienz bei höchster Regelgenauigkeit erreicht – und die Reblaus hat auch keine Chance mehr.

Eine gradgenaue Temperierung der Reben mit den Deckenstrahlplatten war das Erfolgsrezept dieses Projekts

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