3 MW Klima-Kälte für den SWR
Klimatisierung der „Unteren Funkhöhe“
Große Kaltwassersysteme bieten vielfältige Einsparpotentiale für die Klimatechnik. Herausfordernd sind vor allem Sanierungen in der Klima-Kälte, wenn sich das neue Kühlsystem den baulichen Gegebenheiten anpassen muss. Eine interessante Lösung wurde beim SWR in Baden-Baden in enger Kooperation mit dem Lieferanten der Turbokältemaschinen realisiert.
Der Südwestrundfunk SWR ist innerhalb der ARD die zweitgrößte öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalt in Deutschland. Ihre Funkhäuser verteilen sich auf die Standorte Mainz, Stuttgart und Baden-Baden. Dort, mitten im südlichen Schwarzwald, findet der Besucher einen modernen Sende- und Produktionsstandort. Darüber hinaus sind verschiedene Programmdirektionen und die Direktion für Produktion und Technik mit der Fachgruppe Klimatechnik vor Ort. Das gesamte Areal teilt sich auf einer Gesamtfläche von 178.000 m² in die obere und untere Funkhöhe. Mit einer neuen „Turboline“-Kälteanlage der Rütgers GmbH & Co.KG aus Mannheim hat der SWR in Baden-Baden dafür das bisherige CO2-Äquivalent eines 16 Jahre alten Kaltwassererzeugers halbiert, ein Legionellenrisiko eliminiert und dazu seine Betriebskosten reduziert.
Bauabschnitt 1: Die Wärmepumpe
„Die ersten Überlegungen für die 2020 erfolgte Sanierung unserer Kaltwassererzeugung begannen schon 2012“, erinnert sich Stefan Schwenk, Projektleiter der Fachgruppe Klimatechnik/Leitwarte innerhalb der Gebäudemanagementabteilung in Baden-Baden. „Damals ergab eine umfassende Potential- und Detailanalyse für die Liegenschaften der unteren Funkhöhe große Energie- und Kosteneinsparmöglichkeiten bei unserer Heizungstechnik und dem weit verzweigten Verteilsystem.“ Es folgte die übliche Routine. Der Allgemeine Technische Vergabeausschuss (ATV) des SWR wurde informiert und stimmte überzeugt dem von der Fachgruppe Klimatechnik vorgeschlagenen Invest über rund 1 Mio. € für das Vorhaben zu. Anfang 2014 startete der 1. Bauabschnitt zur „Optimierung der Heizzentrale der Liegenschaften untere Funkhöhe“ bei laufendem Produktions- und Sendebetrieb. Im September des gleichen Jahres folgte die Inbetriebnahme. „Durch die Sanierung der alten Heizkessel ergab sich die Chance, erneuerbare Energien einzubinden. Meine Wahl fiel auf eine Hochtemperatur-Sole-/Wasser-Wärmepumpe mit dem Kältemittel CO2.“ Der damalige Plan von Stefan Schwenk: Eine Doppelnutzung von Wärme- und zusätzlich kostenloser Kühlenergie für die Kaltwassererzeugung. Der Plan ging auf. Mit der Wärmepumpe wird seither 400 kW Wärmeenergie für die Grundlast zum Heizen gepuffert und bedarfsgerecht abgerufen [1]. Die Energie kommt mittels Wärmerückgewinnung aus dem Kaltwassernetz von den Liegenschaftsgebäuden, vor allem aber aus den Produktions- und Sendestudios. Dort muss durch die hohen inneren Wärmelasten praktisch das ganze Jahr klimatisiert und Wärme abgeführt werden. Im Sommerbetrieb versorgt die Wärmepumpe die Nacherhitzer der Klimaanlagen und deckt additiv einen Teil der Kühllast ab. Heizen und Kühlen über die Wärmepumpe miteinander zu koppeln war also ein durchdachter Schachzug. Seither spart der SWR jedes Jahr Betriebskosten in Höhe von rund 160.000 €. Und die im gleichen Zeitraum rund 600 t vermiedener CO2-Emissionen sind ein weiterer positiver Nebeneffekt.
Bauabschnitt 2: „Turboline“
Für die Klimatisierung der unteren Funkhöhe über ein weit verzweigtes Kaltwassernetz und verschiedene Lüftungszentralgeräte waren in Baden-Baden 16 Jahre lang auch zwei Turboflüssigkeitskühler mit jeweils 1,4 MW Kälteleistung im Einsatz. Sie deckten den Spitzenkältebedarf und gaben die Abwärme über zwei offene Kühltürme an die Umgebung ab (ein Beitrag zur oberen Funkhöhe war in [2]). Beides sollte im nächsten Bauabschnitt 2 modernisiert und für den Sommerbetrieb optimiert werden. „Da wir schon damals die beiden Turbokältemaschinen projektierten, gab uns Stefan Schwenk die Möglichkeit, ein Angebot nebst Systemvorschlag für ein neues Konzept abzugeben.“ Darum kümmerte sich Tino Leyrer, Vertriebsleiter Baden/Südpfalz bei Rütgers und orientierte sich an den folgenden Vorgaben:
Die neuen Kältemaschinen decken Spitzenlasten. Sie arbeiten im Verbund mit einer zweiten Kältemaschine nebst freier Kühlung und der CO2-Wärmepumpe.
Die bestehende Kühlwasserversorgung mit offenen Kühltürmen soll eine langfristig sichere Lösung ersetzen. Generell ist auf die Verdunstung von Wasser zu verzichten.
Wegen der Außenaufstellung muss die neue Lösung leise sein.
Der Vorschlag von Tino Leyrer waren zwei wassergekühlte Flüssigkeitskühler mit ölfrei magnetgelagerten Zentrifugalverdichtern, doppelter „Turbocor“-Turbine und einer Kälteleistung von jeweils 1,47 MW. Denn die Baureihe „Turboline TWH…TT/Y“ eignet sich für die Innenaufstellung, arbeitet mit überfluteten Verdampfern auf der Kältemittelseite und ist im Leistungsbereich zwischen 10 und 100 % drehzahlregelbar. Die beiden Standardgeräte des Herstellers KTK Klimatechnik mussten den Gegebenheiten in Baden-Baden nur geringfügig angepasst werden – beispielsweise durch eine Umrüstung der Schaltschränke – weshalb die neuen Maschinen im Verhältnis Preis-Leistung-Qualität das überzeugendste Angebot waren und schlussendlich den Zuschlag erhielten. „Die Vorteile für unseren Kunden liegen zum einen in der überfluteten Bauweise der Verdampfer und zum anderen bei den zweistufigen „Turbocor“-Verdichtern. Gerade im Teillastbereich sind die Eigenschaften der frequenzgeregelten und magnetgelagerten Antriebe herkömmlichen Turbos oder auch Schraubenverdichtern überlegen. Hinzu kommt der ölfreie Betrieb. Und die ständige Überwachung wird zusätzlich durch unser Monitoringsystem ,rütgers:care‘ sichergestellt.“ Und einen weiteren Nutzen verschaffte der Vorschlag von Tino Leyrer. In Verbindung mit gut ausgelegten Rückkühlern ohne Wasserkühlung kann der zu erwartende Effizienzverlust gegenüber dem alten System mit Kühlturm mehr als ausgeglichen werden.
Trockenkühler statt offenem
Kühlturm
Tatsächlich hängt die Effizienz eines Flüssigkeitskühlers direkt von der Leistungsfähigkeit des Rückkühlers ab. Bislang übernahmen diese Aufgabe zwei Kühltürme. Zum Besprühen wurde Stadtwasser eingesetzt, dass laufende Betriebskosten verursachte, außerdem aufwändig und kostenintensiv aufbereitet wurde. Hinzu kamen regelmäßige Inspektionen und Überprüfungen. So schreiben es die 42. BImSchV „Verordnung über Verdunstungskühlanlagen, Kühltürme und Nassabscheider“ bzw. die VDI 2047 für Rückkühlwerke vor. Am Standort Baden-Baden sollte dieser Kostenfaktor, aber auch das ständig zu überwachende Umweltrisiko durch Legionellen oder andere Krankheitserreger ein für alle Mal eliminiert werden.
Verschiedene Produkte wurden verglichen. Letztendlich kristallisierte sich eine Lösung heraus, die zur nächst besten Wahl eine höhere Effizienz, 2 dB(A) weniger Emissionen sowie 30 kPa weniger Druckverluste hatte und mit 250 m² mehr Verdampferfläche die Nase vorn hatte.Die Wahl der Projektverantwortlichen fiel auf eine geschlossene und trockene Bauweise. Heute stehen sechs Trockenrückkühler der Cabero Wärmetauscher GmbH auf einem neuen Stahlgerüst des Daches direkt oberhalb der beiden „Turboline“-Maschinen. Jeder mit einer Kühlleistung von 618 kW, ausgelegt für maximale Kühlwassertemperaturen bis 50 °C. Effizient wird die neue Lösung vor allem durch eine bewusste Entscheidung, betont Stefan Schwenk. „Wir haben uns gegen hohe Luftvolumenströme und für eine große Gesamtfläche aller Wärmeübertrager entschieden. Im Invest war dies teurer, ist im Betrieb auf Dauer gesehen aber die günstigere Variante. Außerdem liegen selbst in einem heißen Sommer die Geräuschemissionen der 120 Lüfterventilatoren mit Diffusoren deutlich unterhalb der Vorgaben, die ein Gutachten für das nahe gelegene Wohngebiet vorgab. Die EC-Motoren brauchen kein Bus-System und sind über ein 0- bis 10-V-Signal sternförmig verkabelt. Und sollte einmal einer ausfallen, steht nicht gleich der gesamte Rückkühler still.“ Außerdem können die Kühlwassertemperaturen mit den größeren Rückkühlern über den gesamten Betriebszeitraum sehr niedrig gefahren werden. Das spart nach ersten Abschätzungen in den rund 1000 Betriebsstunden pro Jahr zwischen 22 °C und 38 °C Umgebungstemperatur bei den beiden „Turbocor“-Kältemaschinen rund 32.000 kWh Strom. An Stelle der alten Kühltürme findet sich heute übrigens die gesamte Hydraulik, die die Kälteanlagen mit den Trockenrückkühlern bzw. mit dem Kaltwassersystem für die untere Funkhöhe verbindet.
Kompromiss nur beim Kältemittel
Wurden für die beiden Kältemaschinen und das Rückkühlsystem bei der Planung keine Kompromisse gemacht, war gleiches beim Kältemittel nicht möglich. Denn eigentlich hätte Stefan Schwenk nach heutigem Stand der Technik gerne die langfristig beste Variante gewählt, was für die neuen „Turbocor“-Verdichter das HFO R1234ze mit einem GWP-Wert kleiner 1 bedeuten würde. „Wir hätten dafür sogar die zusätzlichen Sicherheitsanforderungen in unserem geschlossenen Maschinenraum realisiert, die für ein A2L-Kältemittel vorgeschrieben sind. Es scheiterte aber am Aufstellort, der nur eine räumlich begrenzte Fläche ausweist.“ Und die beiden neuen Flüssigkeitskühler konnten nur dort platziert werden, wo die alten Maschinen standen. Für die projektierte Gesamtkälteleistung hätte das aber mit dem Low-GWP-Kältemittel R1234ze im Vergleich zum vormals genutzten R134a deutlich größere und vor allem um 1 m längere Maschinen bedeutet. Der Grund: Verglichen mit R134a ergeben die thermodynamischen Eigenschaften für R1234ze Einbußen bei der Kälteleistung von rund 25 %, warum Maschinen bei gleichen Anforderungen größer werden. Das führt bei Sanierungen häufig zu unüberbrückbaren Hürden. So auch beim SWR, warum schlussendlich die Wahl auf das A1-Kältemittel R513A (besteht aus jeweils 50 % R134a und R1234yf) mit einer annähernd gleichen Kälteleistung zu R134a fiel. Beide Kältemittel unterscheiden sich allerdings deutlich beim GWP-Wert, der für die neue Lösung 56 % kleiner ist. Damit reduziert sich bei einer Füllmenge von rund 610 kg pro Flüssigkeitskühler das CO2-Äquivalent des neuen Systems um insgesamt 973 t. Letztendlich ist es ein Kompromiss, mit dem der Betreiber aber noch viele Jahre gut leben wird.
Ein ausgeklügeltes System
Der Standort in einer der wärmsten Gegenden Deutschlands und die unterschiedlichen Lastprofile von Bürogebäuden bzw. Produktions- und Sendebetrieb haben beim SWR in Baden-Baden in enger Abstimmung aller Beteiligten zu einem ausgeklügelten neuen Kühlsystem geführt. Dessen Kältebedarf ist saisonal stark von der Außentemperatur abhängig. Liegt diese weit unterhalb 12 °C, arbeiten die Rückkühler einer bereits vorhandenen 1,2 MW Kältemaschine mit Schraubenverdichtern im Modus „freie Kühlung“ bis 600 kW Kälteleistung. Steigen die Temperaturen, schaltet die CO2-Wärmepumpe stufengeregelt zu. Werden die 12 °C überschritten, übernehmen die Schraubenverdichter die Kälteerzeugung solange, bis die Umgebungstemperatur 22 °C überschreitet. Dann folgt der Einsatz der beiden neuen und wesentlich effizienteren Flüssigkeitskühler, indem die 2 x 4 „Turbocor“-Verdichter stufenweise und leistungsgeregelt einschalten. Angepasst ist das gesamte System bei maximalem Kältebedarf auf Umgebungsbedingungen bis 38 °C. Eine Temperatur, mit der langfristig überall in Mitteleuropa zu rechnen und die an einem Standort wie Baden-Baden schon heute real ist.
Literatur
[1] Sanierung beim SWR Baden-Baden – Umbau einer Heizzentrale plus Wärmeverteilung, Achim Frommann, tab 1/2016, Seiten 24 bis 29
[2] 365 Tage öffentlich-rechtliches Klima – Kältetechnik beim SWR in Baden-Baden, Steffen Klein und Patrick Koops, tab 10/2016, Seiten 46 bis 49
„Mit der Firma Rütgers verbindet uns eine lange Zusammenarbeit.
Mitte der 70er wurden bereits die ersten R11-Turbokältemaschinen geliefert.
2001 folgte der Austausch auf das Kältemittel R134a. Die neuen „Turbocor“-Anlagen
sind folglich bereits die 3. Generation beim SWR in über 40 Jahren.“
Stefan Schwenk, Projektleiter Klimatechnik beim SWR in Baden-Baden
„Bei den neuen SWR-Maschinen kommt unser 2016 vom Land Baden-Württemberg ausgezeichnetes Monitoringsystem „rütgers:care“ zum Einsatz. So ist ein 24/7-Zugriff möglich, um ein abweichendes Betriebsverhalten vollautomatisch zu erkennen und zu beheben. Dafür wird neben der Kälteanlage jeder der acht Turboverdichter einzeln überwacht. Eine regelmäßige Auswertung der visualisierten Betriebsdaten dient darüber hinaus als Grundlage der Anlagenoptimierung.“ Tino Leyrer, Vertriebsleiter Baden/Südpfalz, Rütgers
Daten zum Projekt
Anwendung: Kaltwassererzeugung beim Südwestrundfunk SWR in Baden-Baden
Kältemaschinen: 2 x „Turboline TWH/TTY/DR 1541 TT Y“, wassergekühlt
Kälteleistung: 2 x 1.473 kW
Verdichtertyp: 8 ölfreie, magnetgelagerte und leistungsgeregelte „Turbocor“-Turbinen ESEER-Wert: 10,24 (nach Eurovent)
Monitoringsystem: „rütgers:care“
Kältemittel: R513A (A1, GWP Wert 631)
Kältemittelmenge: 610 kg pro Maschine
CO2-Äquivalent: Eingesparte 973 t/a gegenüber R134a
Trockenrückkühler: 6 x „JGCD SS“ pulverbeschichtet
Kühlleistung: 6 x 618 kW
Ventilatoren: 20 Stück je Rückkühler in Sternschaltung, drehzahl-geregelt, axial mit Diffusor
Schalldruckpegel: 44 dB(A) in 5 m Entfernung
Der „Turbocor“-Verdichter
Turboverdichter sind Strömungs- und keine Verdrängermaschinen. Sie eigenen sich ideal für die Kaltwassererzeugung bei Verdampfungstemperaturen zwischen 0 °C und 25 °C. Als Sonderbauform gilt der magnetgelagerte und ölfreie „Turbocor“-Verdichter. Durch die magnetische Schwebetechnologie entfallen alle mit einem Kältemaschinenöl verbundenen Systemanforderungen nebst Kosten und thermodynamischer Gegebenheiten. Verdichterschäden mangels Schmierung sind ausgeschlossen. Durch die minimalen Reibungs- und Strömungsverluste der Magnetlagerung werden außerdem beste EER- und ESEER-Werte unter Voll- und Teillast erreicht. Die Lager sind durch eine Dreifachlagerung und über Sensoren mit 6 Mio. Messungen pro Minute und Lager in jedem Betriebspunkt geschützt. Das gilt sowohl beim Anlaufen, als auch bei maximalen 48.000 U/min, oder bei einer abrupten Unterbrechung der Stromzufuhr.