Bodengefrieranlage für den russischen Bergbau
Bekannt ist die Region Perm in Russland für ihre chemische Industrie. In Beresniki, einer der östlichsten Städte Europas, befinden sich mehrere Bergwerke zum Abbau von Kalisalz. Für eines dieser Bergbau-Projekte hat das deutsche Unternehmen L&R Kältetechnik eine Bodengefrieranlage entwickelt und geliefert.
Mit der Anfrage über eine Bodengefrieranlage mit einer Gesamt-Kälteleistung von 3600 kW bei einer Sole-Vorlauftemperatur von -38 °C für ein Bergbau-Projekt in Russland kam die Thyssen Schachtbau GmbH im vergangenen Jahr auf L&R Kältetechnik zu. Thyssen, bereits seit über 100 Jahren eines der führenden Unternehmen im Berg- und Schachtbau, plant und erschließt Bergwerke im Kundenauftrag weltweit.
So auch in der 160 000-Einwohner-Stadt Beresniki in der russischen Region Perm. Dort gibt es große Vorkommen an Kalisalzen. Sie sind eine Mischung aus verschiedenen Salzmineralien mit einem hohen Gehalt an Kaliumverbindungen, die industriell zu Düngemitteln für die Landwirtschaft weiterverarbeitet werden. Die Bevölkerung in Beresniki lebt zum großen Teil von dieser chemischen Industrie. Insgesamt sind 2500 Unternehmen vor Ort, von denen 40 % allein in dieser Branche tätig sind.
Vereisung des Grundwassers
Im Bergbau werden Bodengefrieranlagen eingesetzt, um das Grundwasser im Erdreich zu vereisen. Das Erdreich wird durch die Vereisung im Bereich des zu erstellenden Schachts stabilisiert. Das Schachtteufen kann mit dieser Methode schnell, kontrolliert und sicher vorangetrieben werden. Das Erdreich kann leicht abgetragen werden und die Staubentwicklung wird deutlich reduziert. Für das Projekt in Beresniki sind ein Versorgungs- und ein Förderschacht geplant. Beide Schächte haben einen Durchmesser von 7,5 m und werden mehrere hundert Meter tief in die Erde getrieben.
Das Einfrieren des Erdreiches wird wie folgt durchgeführt: Vor Beginn des Schachtteufens werden kreisförmig um die beiden zukünftigen Schächte kleinere Bohrungen vorangetrieben, die 270 m tief ins Erdinnere reichen. In diese Bohrlöcher werden Rohrleitungen gelegt, durch die dann Kaltsole zirkuliert. Die von L&R Kältetechnik gelieferten Flüssigkeitskühlsätze kühlen die Sole auf -38 °C Vorlauftemperatur ab. Auf ihrem Weg durch die Rohre erwärmt sich die Sole auf -33 °C. Mit dieser Methode wird das komplette Erdreich im Schachtbereich der beiden geplanten Schächte über einen Zeitraum von drei Monaten eingefroren, bis das Grundwasser im Boden vollständig vereist ist. Ab diesem Zeitpunkt und während der gesamten Aushubarbeiten in den folgenden zwei Jahren ist es die Aufgabe der Bodengefrieranlage, das Erdreich exakt auf der von den Bergbauingenieuren als optimal berechneten Temperatur zu halten, um ein sicheres und schnelles Schachtteufen zu gewährleisten. Zur Kontrolle wird während der gesamten Bauphase die Temperatur des Gebirges mit hochexakten Sensoren kontinuierlich gemessen. Die Sensoren sind über eigene, separate Bohrungen ebenfalls im Erdreich verlegt.
Konzept zur technischen Lösung
Flüssigkeitskühlsätze für Bodengefrieranlagen werden in den meisten Fällen aufgrund der hohen zu installierenden Kälteleistung als NH3-Anlagen ausgeführt. Nach Sichtung der Kundenanforderungen hat sich L&R Kältetechnik in diesem Fall jedoch für ein Konzept mit dem Sicherheitskältemittel R507A entschieden.
Die wesentlichen Anforderungen des Auftraggebers waren neben der Erzeugung der benötigten Kälteleistung eine hohe Betriebssicherheit, ein niedriger Wartungsaufwand sowie ein möglichst niedriger Sicherheits- und Schulungsaufwand für das Bedienpersonal vor und während der Betriebszeit. Zudem sollte die komplette Anlage von Thyssen und im Notfall auch von L&R Kältetechnik von Deutschland aus über ein Fernwartungssystem komplett überwacht und bei Bedarf ferngesteuert werden können.
Auf Basis dieser Anforderungen entwickelte L&R Kältetechnik zwei Anlagenkonzepte mit dem Kältemittel R507A. R507A ist ein Sicherheitskältemittel, das gemäß der relevanten Norm EN 378 der Kältemittel-Gruppe A1 zugeordnet wird, d.h. es ist nicht toxisch und nicht brennbar. Zudem bietet R507A mit die höchste spezifische Kälteleistung unter den Kältemitteln der Gruppe A1 und ist aufgrund der niedrigen sich einstellenden Druckgastemperaturen sehr gut für den Einsatz in der Tiefkühlung geeignet. Der Verdampfungsdruck von R507A liegt bei der gegebenen Verdampfungstemperatur von -43 °C immer noch im Überdruckbereich, so dass selbst bei kleinen Leckagen in einem Kältekreislauf keine Gefahr besteht, Umgebungsluft in die Anlage einzusaugen. Umgebungsluft im Kreislauf sammelt sich im Verflüssiger und kann dann als nicht kondensierbares Fremdgas zu Hochdruckstörungen führen.
Als Kälteträger Sole wurde „Tyfoxit F50“ mit einer Frostgrenze von -50 °C eingesetzt. „Tyfoxit“ ist im Gegensatz zu der in den meisten Fällen in Bodengefrieranlagen eingesetzten Sole Kalziumchlorid gegen die im Solekreislauf verwendeten Materialien der Wärmeübertrager und der Edelstahlrohrleitungen nicht aggressiv und damit für den Dauerbetrieb gut geeignet.
Die Unterschiede in den beiden von L&R Kältetechnik entwickelten Konzepten lagen im Wesentlichen in der Ausführung der Verflüssiger.
Während die gängige Methode zur Rückverflüssigung des Kältemittels bei Flüssigkeitskühlsätzen für Bodengefrieranlagen der Einsatz von Nasskühltürmen ist, legte L&R Kältetechnik ein alternatives Konzept mit trockenen, luftgekühlten Verflüssigern in V-Form vor, in die der Glykol-Rückkühl-Kreislauf für die Ölkühlung der Verdichter jeweils direkt mit integriert ist. Vorteile dieses Konzepts sind ein geringer Wartungsaufwand, keine Notwendigkeit für die Pflege und Aufbereitung des Kühlwassers und der Entfall des Einfrierrisikos bei den extrem kalten Umgebungstemperaturen am Aufstellort der Anlage im Winter. Zudem entstehen keine Kosten für die Verlegung von Wasserleitungen sowie keine Betriebskosten für die Wasserversorgung, wie dies beim Konzept mit Nasskühlturm notwendig wäre.
Zur Verbesserung des Anlagenwirkungsgrades wird die von L&R Kältetechnik entwickelte „Vari-Kon“-Verflüssigungsdruckregelung eingesetzt. L&R konnte gegenüber dem Auftraggeber mit Vergleichsberechnungen nachweisen, dass mit dem Konzept der R507A-Anlage mit halbhermetischen Bitzer-Schraubenverdichtern mit Economiser-Schaltung, Einsatz von luftgekühlten Verflüssigern mit großen Wärmeübertragerflächen und einer intelligenten Regelung eine Anlage auf dem Energie-Effizienzniveau einer industriellen NH3-Anlage mit Nasskühlturm bei gleichzeitig geringen Wartungskosten und einem niedrigen Sicherheitsaufwand realisierbar ist. Nach intensiven technischen Gesprächen entschied sich Thyssen die vorgeschlagene Lösung einzusetzen.
Technische Daten je Kältekreis
Anwendung
Sole-Flüssigkeitskühlsatz für Bodengefrieranlage
Kältemittel
R507A
Kältemittel-Füllgewicht in kg
120 kg/Kältekreislauf (18 Kreise)
Kälteleistung in kW
200 kW pro Kreis
Betriebsbedingungen
Verdampfungstemperatur -43 °C;
Verflüssigungstemperatur +38 °C;
Economiser-Betrieb
SekundärMedium
„Tyfoxit F50“;
Vorlauftemperatur -38 °C;
Rücklauftemperatur -33 °C
Aufbau der 40‘ Fuß-Container
In jedem der sechs Container ist ein komplett unabhängiger Sole-Flüssigkeitskühlsatz mit jeweils drei Kältekreisläufen sowie eigener SPS-Steuerung und Schaltschrank aufgebaut. Jeder Kältekreislauf besteht aus zwei parallel geschalteten halbhermetischen Bitzer-Schraubenverdichtern vom Typ „HSN8591-160Y-40P“ mit integriertem Ölmanagement System.
Die Verdichter der „HS.85“-Baureihe haben einen eingebauten Leistungsregelungsschieber mit integriertem Economiser-Port. Dadurch kann jeder Verdichter zwischen 50 und 100 % leistungsgeregelt werden. Der Economizer-Betrieb dient zur Erhöhung der Kälteleistung bei gleichzeitiger Verbesserung der Energieeffizienz und kann in allen Teillast-Stufen betrieben werden.
Pro Kältekreislauf kommt ein Ölabscheider „OA9111“ mit hohem Abscheidegrad zum Einsatz, der auf die Verdichter optimal abgestimmt ist. Die Wärmeübertrager, Verdampfer, Economiser und Ölkühler sind als Plattenwärmeübertrager im Kreuzgegenstrom mit kleinen Temperaturdifferenzen ausgeführt. Dies trägt zu einer kompakten Bauweise bei und ermöglicht eine geringe Kältemittel-Füllmenge pro Kreislauf.
Ölmanagement-System der „HS.85“-Baureihe
Die halbhermetischen Schraubenverdichter der „HS.85“-Baureihe sind mit einem integrierten Ölmanagement-System ausgerüstet. Das Öl übernimmt im Verdichter wesentliche Aufgaben. Neben der Schmierung der Wälzlager der Verdichter hat das Öl die Aufgabe die Verdichter zu kühlen und sorgt darüber hinaus für die interne Abdichtung zwischen den beiden Rotoren der Maschine sowie zwischen den Rotoren und dem umgebenden Gehäuse während des Verdichtungsprozesses.
Die Druckdifferenz zwischen Hoch- und Niederdruck im System sorgt für das treibende Druckgefälle für die Ölversorgung. Der Einsatz einer externen Ölpumpe ist damit nicht notwendig. Die Komponenten des Ölkreislaufes – Ölfilter mit Druckverlustkontrolle, Öldurchflusswächter und Ölstopp-Ventil – sind im Verdichter integriert.
Der von Bitzer mitgelieferte Hocheffizienz-Ölabscheider dient gleichzeitig als Ölreservoir und ist darüber hinaus ab Werk mit Minimalstandswächter, Ölheizung und Ölthermostat ausgestattet. Durch diesen einfachen Systemaufbau mit nur wenigen Lötstellen wird auch die Leckagegefahr deutlich reduziert. Die Wartung des Systems beschränkt sich im Großen und Ganzen auf eine jährliche Funktionsprüfung. Aufgrund des fabrikmäßigen Aufbaus der Kältekreisläufe bei L&R Kältetechnik und der damit verbundenen hohen System-Reinheit ist davon auszugehen, dass ein Ölwechsel während der kompletten Betriebszeit nicht erforderlich ist.
Bitzer empfiehlt bei fabrikmäßig gefertigten Kältesätzen einen Öltest zur Kontrolle der Ölqualität im Zuge der turnusmäßigen Wartung. Ein Ölwechsel muss nur bei Bedarf durchgeführt werden.
Fazit
Durch den Einsatz des Sicherheitskältemittels R507A in Verbindung mit den halbhermetischen Schraubenverdichtern der „HS.85“-Baureihe mit Economiser-Schaltung, den Einsatz von trockenen, luftgekühlten Verflüssigern mit intelligenter Verflüssigungsdruckregelung, Schaltschränken mit SPS-Steuerung und Fernüberwachung und der kompletten Vormontage der Anlage in mehreren 40-Fuß-Containern ist es der L&R Kältetechnik möglich, alle von der Thyssen Schachtbau GmbH gestellten Anforderungen zu erfüllen und eine betriebssichere, wartungsarme und effiziente Bodengefrieranlage für das Bergwerk in Beresniki zur Verfügung zu stellen.
Nach nun schon mehreren Monaten Betriebszeit in Russland ist die Thyssen-Schachtbau GmbH hochzufrieden mit der von L&R Kältetechnik gelieferten Bodengefrieranlage und wird das modulare Konzept auch bei weiteren Schachtteufprojekten wieder zum Einsatz bringen.