Der Handel handelt
Hohe Investitionsbereitschaft in Kältetechnik
Im Lebensmitteleinzelhandel planen knapp 88 % der Händler in die Tiefkühlung und 75 % in die Normalkühlung zu investieren (Grafik 1). Zu diesen und weiteren Ergebnissen kommt das EHI Retail Institute, Köln, in seiner aktuellen Studie „Energiemanagement im Einzelhandel 2014“. Vorgestellt wurde diese auf dem gleichnamigen Kongress – mit weiteren vielversprechenden Signalen für die deutsche Kälteindustrie und den Anlagenbau.
Geschichtsträchtig war der Ort, an dem sich zum siebten Mal der Food- und Nonfood-Handel zum Fachkongress „Energiemanagement im Einzelhandel“ versammelte: Das Grandhotel auf dem Bonner Petersberg. Wo sich vor allem in den 90ern hohe Staatsoberhäupter und Regierungschefs die Klinke in die Hand gaben, waren es am 11.und 12. November 2014 rund 200 Experten der Betreiberseite, aber auch aus Forschung und Industrie, die zwei Tage über Maßnahmen zum rationalen Umgang mit Energie informierten und diskutierten.
Sparen, wo Kosten entstehen
Ein Fazit vorweg: Der Lebensmitteleinzelhandel hat erkannt, wo für ihn die größten Einsparpotentiale schlummern. Es sind die Kälte- und die Lichttechnik. Beide zusammen machen für die Betreiber 67 % der jährlichen Energiekosten aus. Dass die Kälte alleine mit 45 % und großem Abstand größter Einzelverbraucher ist, verwundert nicht. Denn Normal- und Tiefkühlprodukte gehören zum wohl größten Einzelwarensortiment der Märkte, Filialisten sowie seit Jahren auch namhafter Discounter – mit stetig steigender Nachfrage. Ein Beispiel: Das Deutsche Tiefkühlinstitut (dti) rechnet für das zurückliegende Jahr erneut mit einem Umsatzwachstum von 2 % bei Tiefkühlkost. 2013 lag der Umsatz der TK-Branche bei 12,4 Mrd. €, damals sogar mit einem Plus von 3,3 %.
Wenn man vorweg geht
Zu einem überraschenden Ergebnis kommt nun die Studie des EHI: Trotz wachsender Nachfrage sind im Einzelhandel 2014 die Energiekosten im Vergleich zum Vorjahr durchschnittlich um 6,4 % gesunken! Als Hauptgrund für diese Entwicklung nennen die befragten Händler an erster Stelle präventive Maßnahmen, wie den Einsatz effizienter Kältetechnik, verglaster Kühltheken oder auch energiesparender LED-Beleuchtung. Dies ist umso bemerkenswerter, da der Strompreis, getrieben durch die abermals gestiegene EEG-Umlage, auch 2014 für den Handel nur eine Richtung kannte – nach oben. Weil außerdem die Handelsmargen im unteren einstelligen Bereich liegen, ist Ideenreichtum gefragt, um im Wettbewerb langfristig bestehen zu können.
Wer handelt, wird bestraft
Der Handel handelt also. Und es gibt ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis, das die Tagung erbrachte. „Der Handel hatte bereits 2012 seinen Beitrag zum Erreichen der CO2-Minderungsziele der Bundesregierung beigesteuert!“ Darüber informierte Claudia Horbert. Sie arbeitet seit über 20 Jahren beim EHI und leitet heute den Forschungsbereich Ladenplanung und Einrichtung, dem die Energiemanagement-Studie zugeordnet ist. „Gemeinsam mit den Sektoren Gewerbe und Dienstleistungen hat der Handel gegenüber dem Basisjahr 1990 das Zwischenziel der deutschen Klimapolitik bei der CO2-Emissionsminderung gar um 8 % übererfüllt (Grafik 2).“
Doch nun soll die Novelle des 2010 in Kraft getretenen Energiedienstleistungsgesetzes dieses proaktive Handeln bestrafen. „Das Gesetz verpflichtet in der vorgelegten Fassung ab 5. Dezember 2015 zu Energieeffizienzmaßnahmen und ignoriert dabei alles, was von der Branche bislang schon umgesetzt wurde.“ Mit den angekündigten Belastungen sind beispielsweise Kosten für Audits und die Verwaltung eines Energiemanagementsystems oder Bußgelder bei Zuwiderhandlung gemeint. Allerdings räumt Horbert ein, dass der Handel die bereits erreichten Erfolge bislang noch zuwenig an die Politik kommuniziert. „Dies wird sicher eine der Herausforderungen des Jahres, geeignete Diskussionsplattformen zu schaffen und Projekte zu definieren, damit deutlich wird, was der Handel bereits heute erreicht hat.“ Und sie hofft, in Kooperation mit dem Handelsverband Deutschland (HDE) genügend Einfluss geltend machen zu können, dass die Überarbeitung des Energiedienstleistungsgesetzes zu keiner Belastung wird, sondern Ansporn gibt, auch in Zukunft noch sparsamer zu handeln.
Das Geld ist da
Dass Kälteindustrie und Anlagenbau auch in Zukunft von Effizienzmaßnahmen profitieren können, wurde auf dem Bonner Petersberg deutlich. Denn die Investitionsbereitschaft ist hoch und bei den Budgets der Betreiber sind Rücklagen dafür inzwischen zu einem fest eingeplanten Posten geworden. Konkret bedeutet das: Bestehende Märkte werden sukzessive auf neue Kühlmöbel, effizientere Kältemittel oder auf eine neue Kältetechnik umgerüstet. Und wie steht es mit Neubauten? Vor allem dafür spricht die EHI-Studie eine deutliche Sprache: 90 % der Befragten sehen bei den natürlichen Kältemitteln die Zukunft – allem voran für CO2, das heute sowohl in der Normal- als auch in der Tiefkühlung einsetzbar ist. Auch bestehende Märkte werden darauf schon umgerüstet, wobei der Sanierungs- und Investitionsbedarf dann meist sehr groß ist.
Der Antreiber für die natürlichen Kältemittel ist ganz klar die neue F-Gase-Verordnung. Alleine deshalb rechnen 60 % der befragten Food-Händler bis 2030 mit einer Erhöhung des Investitionsbedarfs in Kältetechnik um mehr als 10 %. „Man will, dass Kältemittel mit einem hohen Treibhauspotential teuer werden“. Als ersten Meilenstein für diese Einschätzung sieht Dr. Matthias Schmitt, Geschäftsführer beim ZVKKW in Siegburg, das Jahr 2018. „Dann wird es durch das Phase-Down-Szenario einen harten Einschnitt geben, der zu einer Verteuerung von Gemischen wie R404A führen wird. Wer nicht wartet und sich schon heute Gedanken nach Alternativen macht, ist also sehr gut beraten.“ Welches Kältemittel am Ende das Rennen macht, konnte aber auch er nicht auflösen. Zu breit ist das aktuelle Angebot an immer neuen synthetischen wie auch den alt bekannten natürlichen Stoffen. Und wenn man am Infostand eines Herstellers über deren neue HFO-Blends sprach, war große Zuversicht zu spüren, dass es noch eine lange Übergangsphase für bekannte und vor allem für neue synthetische Lösungen mit niedrigem GWP geben wird.
Kein Award für den Lebensmittelhandel
Für die Kältetechnik rundeten weitere Vorträge über das systematische Energiemanagement für Supermärkte, den richtigen Einsatz von Türluftschleiern, Einsparerfolge bei Kühllagern und über das Monitoring eines energieeffizienten Supermarktes die Tagung ab. Das Highlight des Festabends war aber die Verleihung des alljährlichen EHI-Energiemanagement Awards – der leider nicht an die Kältetechnik ging. Ausgezeichnet wurden hingegen zwei bemerkenswerte Projekte, einmal aus der Textilbranche und als zweites ein Modehaus, das nach einer Komplettsanierung vollständig geothermisch heizt und kühlt. Da dieser Award in den Kategorien „Filialunternehmen“ und „Selbständiger (Fach-) Einzelhändler“ vergeben wird, ist natürlich die Betreiberseite und nicht der Kälteanlagenbau gefragt. Aber zu welchen Ergebnissen kam eingangs erwähnt die EHI-Studie: Im Lebensmitteleinzelhandel planen knapp 88 % der Händler in die Tiefkühlung und 75 % in die Normalkühlung zu investieren. Bei soviel Potential sollten doch im Jahr 2015 auch Leuchtturmprojekte aus dem Lebensmittelhandel zu den Anwärtern zählen – und hoffentlich am Ende auch zu den Gewinnern!
EHI-Studie „Energiemanagement im Einzelhandel 2014“
Bereits seit 2008 stellt das EHI mit seiner Energiestudie jährlich umfassende Hintergrundinformationen und detaillierte Kennzahlen zum Energiemanagement im Einzelhandel für den deutschsprachigen Raum zur Verfügung. An der aktuellen Studie haben sich 29 marktführende Handelsunternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz beteiligt. Da es sich hierbei schwerpunktmäßig um große Filialisten handelt, sind mit der Befragung 14 305 Handelsfilialen bzw. etwa 22 Mio. m² Verkaufsfläche erfasst. Dem Nonfood-Bereich sind dabei 55 % der Befragten, dem Food-Bereich 45 % zuzurechnen. Die Studie kann zum Preis von 465 € (zzgl. MwSt. und Versand) direkt beim EHI erworben werden (www.ehi.org).
Über das EHI
Das EHI Retail Institute ist ein Forschungs-, Bildungs- und Beratungsinstitut für den Handel und seine Partner. Das internationale EHI-Netzwerk umfasst rund 700 Mitgliedsunternehmen aus Handel, Konsum- und Investitionsgüterindustrie. In Kooperation mit dem EHI veranstaltet die Messe Düsseldorf die weltweit führende Investitionsgütermesse für den Handel ‚EuroShop’ und die ‚EuroCIS’ mit neuesten Produkten, Lösungen und Trends der IT- und Sicherheitstechnik.