CO2 braucht ein Preisschild
Energiemanagement-Kongress des EHI mit klaren Signalen
Seit Jahren geht der Handel voran und senkt seinen Energieverbrauch. Der jährliche Energiemanagement-Kongress in Köln stellte am 27. und 28. November 2018 dazu wieder verschiedene Möglichkeiten und Maßnahmen vor – verbunden mit der klaren Forderung an die Bundespolitik zur Einführung einer neuen CO2-Besteuerung.
Neben der Industrie übernimmt beim Klimaschutz in Deutschland vor allem der Handel Verantwortung. So lautet eine der Kernbotschaften des wissenschaftlichen EHI Retail Institute aus Köln. Denn seit Jahren investieren Food- und Nonfoodhändler eigeninitiativ in energiesparende Märkte und Filialsanierungen. Neben neuen verbraucherfreundlichen Ladenkonzepten geht es immer auch um die Reduzierung der Energieverbräuche für Licht, Wärme, Klima- und Kältetechnik. Dazu kommt die sukzessive Umstellung auf natürliche Kältemittel wie Propan und CO2. Insgesamt haben in den vergangenen fünf Jahren 41 % der Lebensmittelhändler jeweils mehr als 25 Mio. € in Energieeffizienzmaßnahmen investiert (siehe Grafik). Nach wie vor liegt die Sanierungsquote im Handel bei traumhaften 10 %.
Der Fluch der guten Tat
Durch die jährlichen Großinvestitionen konnte der Einzelhandel in den vergangenen Jahren seinen Stromverbrauch stetig senken. Allerdings scheint ein Kipppunkt erreicht, denn 2018 wurden auf der Verkaufsfläche keine nennenswerten Verbrauchssenkungen mehr verbucht. So lag nach der jährlichen Erhebung des EHI („Energie-Monitor 2018“) der durchschnittliche Verbrauch im Food-Handel mit 321 kWh/m2 Verkaufsfläche nur kapp unterhalb 2017. Der Nonfood-Handel blieb mit durchschnittlich 104 kWh/m2 Verkaufsfläche sogar unverändert. Und weil Umlagenerhöhungen den Strom verteuerten, stiegen 2018 für den Handel die Kosten im Stromeinkauf nach Jahren des Rückgangs wieder an. An der Studie „Energie-Monitor 2018“ haben sich 54 marktführende Handelsunternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz beteiligt. Das entspricht über 32.000 Handelsfilialen und rund 52 Mio. m² Verkaufsfläche. Dem Nonfood-Bereich sind dabei 48 % der Befragten, dem Food-Bereich 52 % zuzurechnen. Die vollständige Studie ist im EHI-Shop erhältlich unter www.ehi.org.
„Wir Handelsunternehmen haben seit 1990 50 % CO2-Einsparungen erzielt und damit die bis 2030 gesteckten Klimaschutzziele der Bundesregierung bereits heute übererfüllt. Alleine seit 2013 wurden dafür über 500 Mio. € investiert“, betonte Lars Reimann, Abteilungsleiter Energie- und Umweltpolitik beim Handelsverband Deutschland (HDE) e.V., Berlin, in seinem Vortrag. „Es ist jetzt dringend notwendig, derzeitige Klimaschutzmaßnahmen neu auszurichten. Dazu gehört nach unserer Überzeugung auch ein Preisschild für CO2, was Klimaschutzmaßnahmen begünstigt und damit auch den Handel finanziell entlastet.“ Bereits eingangs der Veranstaltung verwies der Moderator des ersten Kongresstages, Prof. Jörg Probst, im Hauptberuf Geschäftsführer der Gertec GmbH aus Essen, in ähnlichem Zusammenhang auf die Schweiz. „Dort wird seit 2008 eine Lenkungsabgabe für fossile Brennstoffe erhoben. Sie liegt seit 2018 bei 96 Schweizer Franken (CHF) pro Tonne CO2“. Schaut man sich deren Mechanismus etwas genauer an, dann wird der Charme dahinter deutlich. Denn von den Abgabeerträgen werden rund zwei Drittel wieder verbrauchsunabhängig via Krankenversicherer an die Bevölkerung und Wirtschaft zurückverteilt, landen also nicht als Steuer im Staatssäckel oder werden zweckentfremdet. Das letzte Drittel (max. 450 Mio. CHF) fließt in das Gebäudeprogramm zur Förderung CO2-wirksamer Maßnahmen wie energetische Sanierungen oder erneuerbare Energien. Weitere 25 Mio. CHF kommen einem Technologiefonds zu.
Lars Reimann stellte anschließend die neue Kampagne www.hde-klimaschutzoffensive.de mit Tipps, Projekten, Checklisten und einem Förderrechner vor. Sie wendet sich gezielt an mittelständische Händler, die keine eigenen Energieabteilungen unterhalten oder Großinvestitionen tätigen können. Das Ziel des HDE als führende NGO des Handels ist es außerdem, über diese neue Plattform Erfahrungen auszutauschen, gegenüber der Politik verantwortliches Handeln zu dokumentieren und über Partner neue Anregungen zum Klimaschutz im Einzelhandel zusammenzutragen – gerne auch mit beigesteuerten Beispielen aus der Kältetechnik. Die Teilnahme ist für jeden neuen Partner offen.
Nachhaltige Kältetechnik in zweiter Reihe
Nachdem das Kongressprogramm in den vergangnen Jahren reichlich Platz für moderne Kühlkonzepte vorsah, standen beim letzten EHI-Kongress Themen wie Elektromobiliät, Personalführung und Recruting, Beleuchtung sowie Geschäftsmodelle in Zeiten des Klimawandels im Fokus. Zwar geht es im Lebensmittelhandel nicht ohne die Kältetechnik, sie stand dieses Mal aber etwas im Schatten. Dennoch befasste sich zum einen eine von ZVKKW-Geschäftsführer Dr. Matthias Schmidt geleitete Podiumsdiskussion mit der Digitalisierung und dem Betriebsmonitoring in der Gebäude- und Kältetechnik. Zum anderen zählten wieder zwei Lebensmittelhändler mit nachhaltigen Marktkonzepten für CO2-Minderungsstrategien zu den Gewinnern des jährlich verliehenen EHI-Awards:
Lidl
Mit dem ganzheitlichen Energiemanagement- und Nachhaltigkeitskonzept „ECO2NEXT“ überzeugte Lidl die Jury und wurde in der Kategorie „Filialübergreifendes Energiemanagementkonzept“ ausgezeichnet. Dieses berücksichtigt nicht nur energieeffiziente Gebäude- bzw. Kältetechnik in der Filiale, auch die Logistik, die Mobilität der Mitarbeiter, Material- und Warenrecycling sowie der Weg der Kunden zum Einkauf werden optimiert. Zu dem ganzheitlichen Konzept zählen auch intelligente Bezugs- und Speicherstrategien von Windstrom über das vom BMWi geförderte Projekt WindNODE, um das öffentliche Stromnetz zu entlasten. Alles in allem schätzt Lidl sein CO2-Emissionseinsparpotential durch die vorgenannten Maßnahmen auf 32.000 t pro Jahr.
Metro
Die Metro Cash & Carry Österreich GmbH wurde in der Kategorie „Pilotfilialen mit vorbildlicher Energieeffizienz/Nachhaltigkeit“ ausgezeichnet. Das Pilotprojekt im österreichischen St. Pölten beinhaltet die Errichtung eines Null-Emissionsgroßmarktes, bei dem größtenteils nachhaltige Materialien verwendet wurden. Am Ende des Lebenszyklus können diese recycelt bzw. zurückgebaut werden. Der Großmarkt funktioniert ohne externe Wärmezufuhr und Klimaanlage mit einer Betonkernaktivierung und einem natürlichen Lüftungskonzept. Im Winter wird mit der Abwärme der transkritischen CO2-Kälteanlage plus Ejektor geheizt. Durch alle realisierten Maßnahmen liegt der Energiebedarf bei minimalen 115 kWh/m2 Verkaufsfläche. St. Pölten ist Teil der ZEUS-Initiative (ZERO Emission Unit Store) von Metro, welche den Bau von Null-Emissionsgroßmärkten zum Ziel hat und das Absenken aller CO2-Emissionen um 50 % bis 2030 vorsieht. Damit verpflichtet sich Metro selbst zur Nachhaltigkeit bei Neubauten.