Eisbrei als Energieträger

Treffen der Interessengemeinschaft Eisbrei an der Hochschule Karlsruhe

Die Idee, Eisbrei (ein pumpfähiges Wasser/Eis-Gemisch) als Energieträger einzusetzen, ist nicht neu. Vor 20 Jahren wurde diese Technik in der Kältebranche bereits intensiv diskutiert und es entstanden seitdem auch eine ganze Reihe an Referenzanlagen. Doch die Technik geriet etwas in Vergessenheit. Nur wenige Hersteller, Fachfirmen und Forschungseinrichtungen befassen sich in Deutschland noch mit dem Thema Eisbrei. Das soll sich nun ändern. Am 16. Januar 2019 gab es in Karlsruhe ein „Eisbrei-Treffen“, dessen Teilnehmer der Technik zum Revival verhelfen wollen. 

Auf Initiative von Willy Löffler, Seniorchef der Firma Thermofin aus Heinsdorfergrund, und Prof. Michael Kauffeld, Institut für Kälte-, Klima- und Umwelttechnik an der Hochschule Karlsruhe, trafen sich am 16. Januar 2019 etwa 35 Interessierte, um sich über die Erzeugung und Anwendungsmöglichkeiten von Eisbrei zu informieren. Doch nicht nur der fachliche Austausch stand auf der Agenda, es wurde auch gemeinsam beraten, wie man die Eisbreitechnologie wieder beflügeln könnte.

 

Was ist Eisbrei?

Ice Slurry, Eisbrei, Flüssigeis, Binäreis, Flow Ice – bei diesen Begriffen handelt es sich mehr oder weniger um das gleiche Produkt: eine pumpfähige Mischung aus kleinen Eis­partikeln (0,1 – 1 mm), Wasser und einem Gefrierpunkt senkenden Zusatzstoff (z.B. Salz oder Ethanol). In Abhängigkeit des Zusatzes und dessen Konzentration wird der Gefrierpunkt auf eine bestimmte Temperatur unter 0 °C gesenkt. Die Mischung ermöglicht den Einsatz des Kälteträgers Wasser bei Einsatztemperaturen unterhalb des Gefrierpunkts. Eisbrei ist ein umweltfreundlicher Kälteträger mit einer hohen Energiedichte und einem bis zu 100 % höheren Wärmeübergang, der pump- und lagerfähig ist. Zum Transport ist im Vergleich zu einem flüssigen, einphasigen Kälteträger eine um den Faktor 8 geringere Pumpleistung erforderlich und aufgrund der hohen Energiedichte können kleinere Rohre verwendet werden. Knackpunkt der Technik ist die Eiserzeugung, bei der das Entstehen zu großer Eispartikel vermieden werden muss, um ein pumpfähiges Gemisch zu erhalten. Auch den Eisanteil muss man im Blick behalten. Zwar steigt die Energiedichte, je mehr Eis vorhanden ist, mit normalen Pumpen ist der Eisbrei aber nur bis 30 % Eisanteil förderbar; bei 60 % Eisanteil ist auch mit Verdrängerpumpen das Ende der Fahnenstange erreicht.

 

Warum sollte man Eisbrei einsetzen?

Im Zusammenhang mit der Energiewende in Deutschland steht bei Politikern und auch in den Medien meist die Stromerzeugung, dessen Transport und Speicherung im Vordergrund. Dass thermische Speicher viel effektiver und sinnvoller sind als Batteriespeicher, wird viel zu wenig beachtet. So erzielen thermische Speicher lange Speicherdauern und lassen lange Entnahmezeiten zu, man kann sie bedarfsgerecht in vielen Größen realisieren, sie sind relativ preiswert, erlauben eine große Anzahl an Lade-/Entladezyklen und erzielen hohe Wirkungsgrade. Warmwasserspeicher haben zwar viele noch auf dem Schirm, auch wenn selbst diese Technik und ihre Anwendungsmöglichkeiten mehr Aufmerksamkeit verdient hätten; auf die kalte Seite hingegen schaut fast niemand. Hier wäre Eisbrei neben Kaltwasser- (Vorteil: uneingeschränkt pumpfähig) und klassischen Festeisspeichern (Vorteil: hohe Energiedichte) eine spannende Kälteträger- bzw. Kältespeicher-Alternative, die die Vorteile beider Systeme in sich vereint. Einsatzmöglichkeiten gäbe es viele: in Brauereien zur Bierkühlung, in Krankenhäusern und im Catering zur Lebensmittel- bzw. Speisenkühlung, in der Fischereiindustrie als Scherbeneis­ersatz, zur Gebäudekühlung, aber auch mit Flüssigeis beaufschlagte Luftkühler in Kühlräumen wären eine denkbare Alternative.

Beim Eisbrei-Treffen in Karlsruhe berichteten mehrere Referenten über ihre Erfahrungen mit der Eisbrei-Technik und stellten realisierte Anlagen vor.

 

Cook&Chill im Krankenhaus

So ging Tilo Neumann, Sachsen-Kälte GmbH Dresden, auf eine Cook&Chill-Anwendung in einem Stuttgarter Krankenhaus ein. Bei diesem Verfahren werden die warmen Speisen ganz normal zubereitet und gegart, dann aber schnell heruntergekühlt. Die gekühlte Speise kann mehrere Tage gelagert werden und wird erst unmittelbar vor der Ausgabe wieder erwärmt. In der Speisenerzeugung in dem Stuttgarter Krankenhaus wird Eisbrei zur Kühlung der Kessel eingesetzt. Aber auch die Wagen, auf denen die gekühlten Speisen auf die Stationen transportiert werden, sind mit Eisbrei gefüllt. Bei diesem Projekt handelt es sich um eine ältere Eisbrei-Altanlage, die von Sachsen-Kälte wieder ertüchtigt wurde. Sie könnte als gelungenes Beispiel dienen, um im Kreis der Küchenplaner Vertrauen für die Eisbreitechnik zu schaffen. Eine Schwierigkeit sei derzeit jedoch, dass nur ganz wenige Hersteller Komponenten für Eisbreianlagen anbieten würden. Gerade bei öffentlichen Ausschreibungen habe man dann ein Problem, wenn man keine alternativen Produktangebote machen könne, führte Tilo Neumann aus.

 

Methoden der Flüssigeiserzeugung

Üblicherweise wird Eisbrei mechanisch erzeugt, in dem ein Schaber („Scraper“) Eispartikel vom gekühlten Rand eines Behälters abkratzt. Vom Prinzip her ist es die gleiche Methode, mit der man im Haushalt Speiseeis erzeugt. Eine andere Variante ist ein an der Hochschule Karlsruhe entwickeltes und von Prof. Kauffeld vorgestelltes Verfahren, bei dem die Eispartikel abgespült werden, nachdem die gekühlte Rohrwand induktiv kurz erwärmt wurde. Auch die Eisbreierzeugung mit unterkühltem Wasser (ca. -2 °C), in dem sich das Eis an Kristallisationskeimen bildet, ist ein Forschungsthema in Karlsruhe.

Das ILK Dresden beschäftigt sich u.a. mit der Flüssigeiserzeugung unter Einsatz von Vakuumtechnik durch Direktverdampfung. Dieses Verfahren wurde von Dr. Mathias Safarik, ILK Dresden, vorgestellt. Bei der Eiserzeugung mit dem sogenannten Vakuumeis- oder auch Tripelpunktsverfahren wird Wasser aus einer freien Wasseroberfläche bei etwa -0,5 °C im Vakuum verdampft. Dabei wird der umgebenden Flüssigkeit Energie entzogen und es bilden sich Eispartikel. Je mehr Wasser verdampft wird, umso größer wird der Eisgehalt im Wasser-Eis-Gemisch. Dabei werden spezielle, vom ILK entwickelte Wasserdampf-Turboverdichter eingesetzt. Eine Herausforderung stellt noch der Einsatz der Technik bei Anwendungen bis -5 °C dar, um auch für industrielle Projekte interessant zu werden. Das ILK Dresden hat bereits mehrere Anlagen mit der Vakuumtechnik realisiert, z.B. an der Hochschule Zwickau (50 kW-Anlage), aber auch schon eine Anlage für ein Rechenzentrum mit 400 kW Leistung. Im Bau befindet sich eine Großanlage im Rahmen des „WindNODE“-Projekts (www.windnode.de) mit 500 kW Leistung. Ziel des Verbundprojekts ist es, in der Modellregion Nordostdeutschland Musterlösungen für eine intelligente Energieversorgung mit wachsenden Anteilen erneuerbarer Energien zu entwickeln. Für Eisbreisysteme können übrigens seit Anfang 2019 Förderzuschüsse beantragt werden.

Intensive Beschäftigung mit der Anwendung

Ernst Jahn, Cooltech GmbH (www.cooltech-online.de), der sich schon seit Ende der 1980er Jahre mit pumpfähigem Eisbrei befasst, berichtete aus seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz mit dieser Technik, von den Erfolgen, aber auch von den Misserfolgen und Problemen mit der Eisbreitechnik. Sein wichtigster Rat lautete: Man müsse sich ganz intensiv mit den jeweiligen Anwendungen beschäftigen – eine Eisbreianlage von der Stange gebe es eigentlich nicht. Wichtig sei in jedem Fall der Einsatz eines Speichers, aus dem der Eisbrei zum Verbraucher geführt wird. Auf diese Weise muss der Eisbreierzeuger nicht auf die für die Anwendung erforderliche Spitzenlast ausgelegt werden. Eine spannende Anwendung ist aus seiner Sicht der Einsatz von Eisbrei auf Fischtrawlern, weil man das Seewasser direkt zur Eiserzeugung einsetzen kann, weil ein Salzanteil ja eh erforderlich ist. Die Firma Cooltech bietet diese Lösung unter dem Begriff „EasyEis“ an. Dieses besteht aus Meerwasser und daraus entstandenen kleinen Eiskristallen, die zusammen ein schneeartiges, weiches Eis ergeben, das sich der Oberfläche des Kühlgutes perfekt anpasst.

Kaltwasser nicht vergessen

Prof. Thorsten Urbaneck, TU Chemnitz, lenkte in seinem Vortrag den Blick ein wenig weg von der Eisbreithematik hin zu thermischen Speichern im Allgemeinen. Er betonte, dass man nicht nur über Eisbrei nachdenken, sondern auch große Kaltwasserspeicher einsetzen solle. Diese seien leichter zu bauen, weniger störanfällig und hätten bereits eine hohe Akzeptanz auf Kundenseite. Vor allem in Kombination mit Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungsanlagen und dem Einsatz in Nah- und Fernkältenetzen gebe es gute Erfahrungen und viele Vorteile.

Eisbreianlage der Karlsruher Mensa

Eine beeindruckende Eisbrei-Referenzanlage konnten die Teilnehmer des Treffens in Karlsruhe gleich vor Ort in Augenschein nehmen. Dort werden die kältetechnischen Anwendungen in der Mensa des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), in der täglich bis zu 10.000 Personen essen gehen, mit einer Eisbreianlage versorgt. In einem 40-Fuß-Container sind drei getrennte Propan-Kältekreisläufe mit je 10 kg Füllmenge untergebracht, die die Kälte für sechs Eis­erzeuger (mit Schabern) mit je 14 kW Kälteleistung bereitstellen. Jeder Eiserzeuger kann ca. 3,5 t Eis am Tag produzieren. Dies geschieht im Zeitraum von 15 Uhr nachmittags bis 9 Uhr morgens. Neben dem Con­tainer befindet sich ein 40 m³ fassender Speichertank für den erzeugten Eisbrei. Diverse Kühlstellen in der Mensa werden aus diesem über ein Eisbrei-Leitungsnetz versorgt. Die Erfahrungen im Betrieb sind sehr positiv, wie Claus Konrad, Leiter der Hochschulgastronomie des Studierendenwerks Karlsruhe, ausführte. Bau und Betrieb dieser Anlage wurden von der Hochschule Karlsruhe wissenschaftlich begleitet.

Interessengemeinschaft Eisbrei

Wie schon im Editorial der KKA 1/2019 (Eisbrei-Revival?!) beschrieben, ging es den Teilnehmern des Treffens in Karlsruhe neben der Wissensvermittlung auch darum, das Thema Eisbrei einer breiteren Fach-Öffentlichkeit ins Bewusstsein zu rücken. So wurde der Vorschlag befürwortet, eine Interessensgemeinschaft ins Leben zu rufen, um die Eisbreitechnologie zu fördern. Denn wenn nur eine Handvoll Idealisten das Thema begleiten und potentielle Kunden nur wenige Hersteller und Fachbetriebe als Anbieter zur Auswahl haben, wird die Technik das Nischendasein nicht verlassen. Die Teilnehmer riefen daher dazu auf, dass sich alle Planer und Fachfirmen, die Interesse daran haben, Eisbreianlagen zu planen und zu errichten und diese Technologie in ihrem Unternehmen zu einem strategischen Geschäftsfeld aufzubauen, bei Prof. Kauffeld melden sollen. Er wird die weiteren Schritte koordinieren: .

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