Energieeffizienz bei Lüftungsleitungen

Wunschdenken oder Notwendigkeit?

Ohne Dämmung löst sich bei Klima- und Lüftungsleitungen jegliche Energieeffizienz wortwörtlich in Luft auf. Dabei schlummert gerade hier ein enormes Potential Gebäudeenergiekosten zu senken. Wird hier richtig gedämmt, sind große Energieeinsparungen möglich. Die Realität auf den meisten Baustellen sieht allerdings anders aus.

Grundsätzlich nimmt der Energieverbrauch innerhalb von Gebäuden auch aufgrund des Einbaus von Klima- und Lüftungsanlagen stetig zu. Unabhängig davon, ob durch die Leitungen ein Raum erwärmt oder gekühlt werden soll, zeigt die Praxis auf der Baustelle allerdings, dass die Dämmung oft nach anderen Kriterien ausgelegt wird.

Auf der einen Seite werden viele Leitungen mit geringen Temperaturdifferenzen (4–6 Kelvin) im Bereich der Wärme gar nicht gedämmt, auf der anderen Seite, der Kälte, steht die Bauphysik an erster Stelle. Die Frage „Mit welcher Dämmdicke erreiche ich einen Tauwasserschutz?“ ist eine der am häufigsten gestellten Fragen an die Mitarbeiter bei der Isover-Anwendungstechnik-Hotline.

Ein typisches Beispiel hierfür ist ein einfacher Klimakanal mit den Abmessungen: Länge 10 m, Breite 0,8 m, Höhe 0,5 m, Mediumtemperatur –14 °C und Umgebungstemperatur 0 °C.

Bei Leitungen zur Erwärmung findet man in den meisten Ausschreibungen bei im Innenbereich liegenden Leitungen eine Dämmdicke von 30 mm, für im Außenbereich liegende Leitungen 50 mm vor. Stellen Sie sich vor, ein im Außenbereich liegender Kanal mit vorkonditionierter Luft von ca. 40 °C wird nach Eintritt ins Gebäude überwiegend durch ein Kaltdach geführt. Bei einer Dämmung mit 30 mm haben wir über die Länge der Leitung bei einem Durchmesser von 500 mm bereits einen Temperaturverlust von ca. 10 K. Würde man hierfür eine Dämmung mit 100 mm einsetzen, liegt der axiale Temperaturverlust nur noch bei ca. 6,5 K. Diese geringen Temperaturverluste finden allerdings kaum Beachtung.

Bei der Auslegung von Klima- und Lüftungsanlagen spielt die eingesetzte Dämmdicke kaum eine Rolle. Das Einsparpotential, was sich aus den erhöhten Dämmdicken ergibt, wird kaum erkannt und genutzt. So wäre mit geringeren Luftgeschwindigkeiten und Zulufttemperaturen eine deutliche Steigerung der Energieeffizienz möglich.

Es stellt sich also die Frage, warum setzen sich höhere Dämmdicken, besonders bei Lüftungsleitungen, nicht durch? Hinzu kommt eine Vielzahl völlig ungedämmter Leitungen innerhalb von Installationsschächten und bei relativ geringen Entfernungen vom Wärmetauscher zum Endabnehmer.

Die Energiekosten unterliegen seit Jahren einem stetigen Anstieg, Energieeffizienz ist ein Thema, was uns im täglichen Alltag zwar begleitet, aber nicht in allen Bereichen Beachtung findet. Wenn wir uns Beispiele aus dem europäischen Ausland ansehen, hat man die Notwendigkeit von höheren Dämmdicken nicht nur erkannt, sondern auch normativ umgesetzt.

Erstes Beispiel Schweiz

In der Schweiz gibt es bereits seit Januar 2010 für den Kanton Basel die Vollzugshilfe EN-4 BL/BS Lüftungstechnische Anlagen. Hier wird ausdrücklich vorgeschrieben, dass Luftkanäle, Rohre und Geräte von Lüftungs- und Klimaanlagen gegen Wärmeübertragung (Wärmeverlust und Wärmeaufnahme) geschützt werden müssen. Grundlage für die Auslegung der Dämmung ist die Temperaturdifferenz.

Innerhalb der Norm gibt es zwar begründete Fälle, wie z.B. Kreuzungen und Wand- und Deckenbrüche, bei denen die Dämmung reduziert werden kann, aber grundsätzlich müssen alle Lüftungsleitungen gemäß der Darstellung auf der folgenden Seite gedämmt werden.

Innerhalb der Schweizer Norm sind zusätzlich explizit die Leitungen aufgeführt, die wärmegedämmt werden müssen:

Außenluftleitungen innerhalb der thermischen Gebäudehülle, z.B. Leitungen, die in Betondecken eingelegt sind;

Fortluftleitungen innerhalb der thermischen Gebäudehülle, z.B. Leitungen in Steigzonen;

Zuluftleitungen außerhalb der thermischen Gebäudehülle, z.B. Leitungen in unbeheizten Räumen im Untergeschoss;

Abluftleitungen außerhalb der thermischen Gebäudehülle.

Eine Leitung ohne Dämmung aufgrund geringer Temperaturdifferenzen, z.B. in Steigschächten wie in Deutschland, ist somit nicht möglich. Dämmdicken von 100 mm sind bei Leitungen, die durch unbeheizte Bereiche führen (z.B. Kaltdach) und somit Temperaturdifferenzen von ≥ 15 K aufweisen können, gesetzlich vorgeschrieben und energietechnisch sinnvoll.

Zweites Beispiel Österreich

Ein weiterer Blick geht in unser Nachbarland Österreich. Hier gilt seit September 2013 die ÖNORM H 5155: Wärmedämmung von Rohrleitungen und Komponenten von haustechnischen Anlagen. Ziel dieser ÖNORM ist es, für haustechnische Systeme, bei denen eine Minimierung des Wärmestroms vom Transportmedium an die Umgebung oder umgekehrt erforderlich ist, Dämmdicken vorzugeben.

Diese ÖNORM ist für alle haustechnischen Systeme gemäß ÖNORM B 2110, bei denen eine Minimierung des Wärmestroms vom Transportmedium an die Umgebung oder umgekehrt erforderlich ist, anzuwenden, insbesondere für Heizungs-, Warmwasserbereitungs- und Solaranlagen sowie für Kaltwasser-, Kälte- und Kühlwassersysteme und für Luftleitungssysteme.

Das Kapitel 4.1.5 beschäftigt sich explizit mit Luftleitungen, unterteilt in Heizen und Kühlen. Im Bereich Heizen ist eindeutig geregelt, dass die Wärmeabgabe von Luftleitungen durch technische Maßnahmen zu begrenzen ist. Zuluftleitungen sind dann zu dämmen, wenn der Unterschied zwischen Umgebungstemperatur und der Auslegungs-Zulufttemperatur größer als 10 K ist.

Vergleichbar zu den Dämmdickenvorgaben der EnEV gibt es in der ÖNORM H 5155 für den Bereich Heizen eine Vorgabe, die abhängig von der Dimension der Leitung ist.

Für den Bereich Kühlen müssen technische Maßnahmen zur Begrenzung des Wärme- und Dampfeintrags bereits ab einem Temperaturunterschied von 5 K ergriffen werden. Der Tatsache, dass das Erzeugen von Kälte in der Regel einen deutlich höheren Energieaufwand erfordert als von Wärme, wird hier bereits Rechnung getragen.

Die Situation in Deutschland

Wenn wir auf die Situation in Deutschland zurückkommen, stellt sich die Frage, auf welcher Basis Lüftungsleitungen ausgelegt werden sollten? Ein Ansatz ist sicher die Energieeinsparverordnung (EnEV) mit ihrer neuen Fassung von 2014. Zweck der EnEV ist die Einsparung von Energie in Gebäuden, um das Ziel der Bundesregierung zu unterstützen, einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand bis 2050 zu erreichen. Die Verordnung gilt für Gebäude, soweit sie unter Einsatz von Energie beheizt oder gekühlt werden, und unter anderem für Anlagen und Errichtungen der Heizungs-, Kühl- und Raumlufttechnik.

Erfüllt die EnEV ihren Anspruch im Bereich Kühl- und Raumlufttechnik wirklich? Konkrete Vorgaben für Dämmdicken bei Lüftungsleitungen, vergleichbar wie für Rohrleitungen Heizung, gibt es leider nicht.

Der Abschnitt 4 beschäftigt sich mit den Anlagen der Heizungs-, Kühl- und Raumlufttechnik sowie der Warmwasserversorgung. Natürlich gibt es Vorgaben für die Auslegung der raumlufttechnischen Anlagen, z.B. den Volumenstrom. Auch in § 12 zur energetischen Inspektion von Klimaanlagen findet man einen Verweis auf bauphysikalische Eigenschaften des Gebäudes, erwähnt werden auch Temperatur und Feuchte. Dies spricht wieder für eine Auslegung nach der Leistung der raumlufttechnischen Anlage und bauphysikalischer Anforderungen, wie die Verhinderung von Tauwasser. Auch hier fehlen konkrete Hinweise zur Auslegung von Dämmdicken.

Natürlich finden wir in der EnEV auch Hinweise für Dämmdicken. Sowohl in § 14 Absatz 5 als auch in § 15 Absatz 4 wird auf die Anlage 5, Tabelle 1, verwiesen. Diese Dämmdicken, ausgelegt nach dem Innendurchmesser von Heizungsrohrleitungen, haben sich im Bereich Wärme durchaus bewährt, werden doch Dämmdicken von 20–100 mm auf Basis einer Wärmeleitfähigkeit von 0,035 W/mK gefordert. Man bezieht sich ausschließlich auf Innendurchmesser von Rohrleitungen und damit auf runde Leitungen.

Im Bereich der Kälteverteilungs- und Kaltwasserleitungen sowie Armaturen von Raumlufttechnik- und Klimasystemen wird eine Dämmdicke von 6 mm vorgeschrieben. Hier geht die EnEV einen Weg, der weder der gängigen Baupraxis noch in vielen Fällen der Erfüllung von bauphysikalischen Anforderungen, besonders für den Tauwasserschutz, entspricht.

Da besonders die Kühlung von Räumen energieintensiv ist, widerspricht die EnEV in diesem Punkt auch jeglichen Bemühungen, das Thema Energieeffizienz zu erhöhen.

Eindeutige Vorgaben für eckige Leitungen, wie z.B. in der ÖNORM H 5155 vorgegebene Dämmdicken nach Umfang der Leitung, gibt es nicht.

Natürlich gibt es mit der VDI-Richtlinie 2055: „Wärme- und Kälteschutz von betriebstechnischen Anlagen in der Industrie und in der technischen Gebäudeausrüstung“ Berechnungsgrundlagen. Diese Norm liefert Verfahren für die Berechnung von Wärmeströmen und Diffusionsvorgängen und die Bemessung der Dämmschichtdicken nach technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Die Betrachtung der Anlagen erfolgt hier allerdings nach den betrieblichen Anforderungen, wie z.B. Wärmeverluststrom oder eben Verhinderung von Oberflächentauwasser. Auch die nach VDI 2055 ausgelegten Anlagen bewegen sich oft im Bereich 30 bis 50 mm.

Einen ganzheitlichen Ansatz für die Auslegung von Lüftungsleitungen, der neben der bauphysikalischen Notwendigkeit auch die Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit betrachtet, ist in der Richtlinie VDI 4610: „Energieeffizienz betriebstechnischer Anlagen; Wärme- und Kälteschutz/Wärmebrückenkatalog“ angedacht. Diese sich im Entwurf befindliche neue Richtlinie soll Anlagenbetreibern, Planern und Bauausführenden ein Werkzeug zur Effizienzsteigerung und Energie-Einsparung mittels optimierter technischer Dämmung an die Hand geben.

Im ersten Gründruck (der sich mittlerweile in einer weiteren Überarbeitung befindet, welcher auch die Energieeffizienzklassen betrifft) waren Klassen A bis G angedacht.

Aus heutiger Sicht ist die Einführung dieser neuen Richtlinie, aus der sich auch Dämmdickenvorgaben für Klima- und Lüftungsleitungen nach Energieeffizienz auslegen ließen, nicht vor 2016 zu erwarten. Wann dies Einzug in die Praxis hält, bleibt also offen.

Sicherlich wird es Unterschiede zwischen Dämmungen für Anlagen zur Erwärmung und Anlagen zur Kühlung geben. Auch die tägliche Praxis auf einer Baustelle beweist uns immer wieder, dass besonders bauliche Gegebenheiten, wie z.B. zu geringe Abstände zwischen den Leitungen, höhere Dämmdicken verhindern.

Es ist Zeit für ein Umdenken.

Einen ersten Schritt bietet hier die neue Fassung der DIN 4140: „Dämmarbeiten an betriebstechnischen Anlagen in der Industrie und in der technischen Gebäudeausrüstung“ vom April 2014. Hier werden die Abstände zwischen Klima- und Lüftungsleitungen neu geregelt und damit die Voraussetzungen für den Einbau höherer Dämmdicken geschaffen.

Ein weiteres Beispiel für neue Wege im Bereich Energieeffizienz sind Green-Building-Gebäude. Als grünes Gebäude (engl. green building) wird ein Gebäude bezeichnet, das unter dem Leitgedanken der Nachhaltigkeit entwickelt wurde. Die Gebäude zeichnen sich unter anderem durch eine hohe Ressourceneffizienz in den Bereichen Energie, Wasser und Material aus. Hier wurde für den Bereich der Klima- und Lüftungsanlagen erkannt, welchen positiven Einfluss höhere Dämmdicken auf die Auslegung solcher Anlagen haben.

Anlagenbetreiber, Planer und ausführende Fachfirmen stehen in der Verantwortung, das Potential von Dämmungen für die Auslegung von Klima- und Lüftungsleitungen stärker einzubeziehen und bauphysikalisch notwendige gegen energieeffiziente Dämmdicken auszutauschen. Deutschland hat sich ehrgeizige Ziele im Bereich Umweltschutz und CO2-Einsparung gesetzt. Energieeffizienz spielt dabei eine ausschlaggebende Rolle. Höhere Dämmdicken bieten in diesem Bereich deutliche Einsparpotentiale, die derzeit vielfach nicht genutzt werden.

Gehen Sie mit uns einen weiteren Schritt voran. Isover unterstützt mit Berechnungsprogrammen und innovativen Dämmstoffen Ihren Weg zu einer energieeffizienten Dämmung von Klima- und Lüftungsanlagen.

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