Gourmettempel Bareiss baut neue Küchenwelt
Monitoring mit Fernzugriff für die Kälteanlage
Zu Urlaub und bester Erholung in einem Nationalpark bietet der Schwarzwald lukullische Genüsse auf Sterne-Niveau. Eines der Aushängeschilder dafür ist das Hotel Resort Bareiss. Mit dem Küchenneubau entschied sich die Eigentümerfamilie für eine Komplettsanierung der gewachsenen Bestandskälteanlage – und für eine außergewöhnliche Monitoring-Lösung.
Eingangsfrage: Wo wird am besten gekocht? Antwort: In Baiersbronn. Denn die kleine Schwarzwaldgemeinde beheimatet gleich zwei der nur zehn deutschen Spitzenküchen, die 2021 mit der maximalen Auszeichnung von drei Sternen des Guide Michelin ausgezeichnet wurden – so viele wie in keinem anderen Ort. Eines davon ist das Hotel Bareiss. Dort zaubert Küchenchef Klaus-Peter Lumpp seit vielen Jahren in seiner Küche auf allerhöchstem Niveau.
Um diesen hervorragenden Ruf und Erfolg langfristig zu garantieren, investierte die Betreiberfamilie Bareiss einen Millionenbetrag. Zum einen in die Renovierung ihres 5-Sterne-Hotels, aber vor allem in den Bau einer neuen Küchenwelt. Die Lokalpresse berichtete dazu im März 2019 sogar von der größten Einzelinvestition seit dem Gründungsjahr 1951. Die neue Küchenwelt setzt Maßstäbe, bei der Technik und ebenso bei den neu durchdachten Abläufen einer Großküche für mehr als 50 Köche. So ist die neue Produktionsküche Teil eines dreigeschossigen Anbaus mit verschiedenen neuen Räumen für den Hotelbetrieb plus zusätzlicher Lager- und Kühlräume – alles in allem 1500 m² zusätzlicher Nutzfläche nebst Anlieferzone.
Aufwändige Bestandsaufnahme
Die besondere Herausforderung für die technische Gebäudeausrüstung und vor allem für die Kühlung vieler Frischeprodukte lag darin, den Neubau mit einem gewachsenen Bestand zu verschmelzen. Noch dazu ohne verfügbare Haustechnikpläne oder Leitungsverzeichnisse. „Immer mehr Kältetechnik war über Jahrzehnte hinzugekommen und am Anfang schwer zu überschauen“, erinnert sich Tino Leyrer über seinen ersten Eindruck. Der Vertriebsleiter Baden/Südpfalz der Rütgers GmbH & Co. KG aus Mannheim übernahm zunächst in beratender Funktion für das Karlsruher Unternehmen KW2 Ingenieure (Projektnehmer der TGA-Planung) den gesamten Part der Kältetechnik für die neue Küchenwelt. Später ging dieses Gewerk komplett an sein Unternehmen. „Fast 50 Kleinkälteaggregate und Verflüssigungssätze auf der einen und Kühlschränke, Kühlräume plus unzählige weitere Kühlstellen auf der anderen Seite. Wir mussten erst einmal herausfinden, was überhaupt vor Ort war und was zusammengehörte. So dauerte alleine die Bestandsaufnahme der gesamten Kältetechnik rund zwei Wochen.
Start der Bauphase
Schritt eins der Bauphase im Resort Bareiss betraf die Hotelrenovierung. Dafür schloss das Haus im März 2019 erstmals in der Unternehmensgeschichte für fünfeinhalb Wochen am Stück seinen Betrieb. In dieser Zeit startete ebenfalls der Rückbau des alten Gebäudebestands rund um die weiter intakte Sterneküche. Denn für die Hotelrestaurants nebst drei Außenstellen ging die Arbeit nach der Wiedereröffnung an Ostern 2019 ja weiter. Die Rohbauarbeiten der Küchenwelt dauerten bis Weihnachten 2019, als die Belegschaft das Richtfest feierte.
In diese Monate fiel die Ausschreibungs- und Angebotsphase für die Kältetechnik. Das Unternehmen Rütgers wurde vom Planungsbüro angefragt. Dort war bekannt, dass der Anlagenbauer auch im Stande ist, knifflige Aufgaben dieser Größenordnung zu lösen. Tino Leyrer erinnert sich an viele Gespräche mit dem Betreiber und dem Fachplaner. „Wir sollten den Altbestand an Kälteaggregaten abbauen, eine neue, zentrale Lösung vorschlagen, zusätzlich neue Kühlstellen einbinden, eine Wärmerückgewinnung für den Wellnessbereich des Hotels vorsehen und den zusätzlich benötigten Rückkühler möglichst unscheinbar platzieren. Dass dazu die Ausführung bei laufendem Hotel- und Küchenbetrieb zu geschehen hatte, sei nur am Rande bemerkt, war aber alles andere als eine Kleinigkeit.“ Die allergrößte Herausforderung aber wurde nach Abschluss aller Arbeiten zum echten Sahnestückchen: das Monitoring der Kälteanlage mit Fernzugriff – inklusive aller Bestandskühlstellen. „Herr Bareiss wollte bei der Kältetechnik kein Stückwerk mehr, sondern Klarheit und eine Lösung, die die nächsten Jahrzehnte hält, dazu die Betriebskosten im Auge behält. Denn die Bareiss Küchenwelt sollte Maßstäbe setzen. So war er offen für außergewöhnliche Vorschläge.“
Ein enger Zeitplan – eigentlich
Im Sommer 2019 begannen die Umbauplanungen der Bestandskältetechnik zeitgleich mit den Rohbaumaßnahmen. Vor allem aber der Zeitplan hatte es in sich. Denn nur wenige Monate waren nach dem Jahreswechsel 2019/20 für alle Gewerke zur Fertigstellung des gesamten Neubaus vorgesehen. Als Deadline stand Ostern 2020. „Zeitweise ging es zu wie im Ameisenhaufen“, erinnert Leyrer sich zurück. „So viele verschiedene Handwerker gleichzeitig vor Ort, deren Abläufe koordiniert werden mussten. Dazu kam die eine oder andere TGA-Überraschung. Denn was sich hinter einer alten Decke wirklich verbirgt, sieht man eben erst während einer Bauphase. Da ist dann schnell viel weniger Platz für neue Leitungen, Rohre und Kanäle, als angenommen. Pläne müssen dann rasch überarbeitet werden.“ Dafür hatte Rütgers aber ständig einen Montageleiter vor Ort und einen Projektleiter in der Zentrale. Trotzdem kam es zu Verzögerungen, der Zeitplan wurde immer enger. Mit dem ersten Lockdown entspannte sich die Lage, als der Betreiber am 18. März 2020 sein Hotel komplett schließen musste. Und wenngleich diese Anordnung der Fertigstellung der neuen Küchenwelt entgegenkam, so war die Stimmung aller doch sehr gedrückt. Glücklicherweise durften die Bauarbeiten unter Corona-Auflagen weitergehen und am 29. Mai 2020 kehrte mit fünf Wochen Verspätung das Strahlen in die Gesichter der gesamten Belegschaft bei der Wiedereröffnung zurück.
Die neue Kältetechnik
Wie sieht es heute im Hotel Resort Bareiss bei der Kältetechnik aus? Davon konnte sich der Autor im Frühjahr 2021 selbst einen Eindruck verschaffen. Start der kleinen Führung war im ersten Untergeschoss der neuen Küchenwelt. Dort stehen heute an zentraler Stelle drei Verbundkälteanlagen vom Fabrikat „[CF] Systems“. Sie versorgen alle Kühlstellen auf drei unterschiedlichen Niveaus bei -5 °C, -10 °C und -30 °C Verdampfungstemperatur. Die bisher arbeitenden, unzähligen Verflüssigungssätze gehören damit der Vergangenheit an. Ebenfalls in der Kältezentrale steht der Speicher für die Wärmerückgewinnung per Heißgasauskopplung. Darin wird zwar nicht die komplette, aber doch ein beträchtlicher Teil der Wassererwärmung für die vielen Pools der Badelandschaft außen und für den Wellnessbereich innen bevorratet. Das spart dem Betreiber Betriebskosten für die noch vorhandenen Gasthermen ein. Für die ungenutzte Abwärme fand sich im Außenbereich eine außergewöhnliche Lösung. Der große Cabero-Trockenkühler der Baureihe „GCDS“ befindet sich heute an Ort und Stelle der bisherigen eBike-Station und ist von außen nicht erkennbar. Der heiße Sommer 2020 lieferte außerdem das erwartete Ergebnis, dass selbst unter Höchstlast keine störenden Schallemissionen auftreten.
Zwei Stockwerke über dem Maschinenraum ist die neue Produktionsküche der Küchenwelt mit Kühlschränken, Kühltischen und mehreren Kühlzellen – alles in allem zehn neue Kühlstellen. Dort wird servierfertig vorgekocht für die Gastronomie der Außenstellen Forellenhof, Morlokhof und die Wanderhütte Sattelei. Alle drei gehören zum Resort Bareiss und befinden sich unweit des Hotels. Im alten Teil des Gebäudes schlägt weiter das kulinarische Herz mit einer weiteren Küche nebst Patisserie, Konditorei, Getränkebüffet, zahlreichen Kühlräumen, dem Mitarbeitercasino und natürlich mit der französischen Dreisterneküche von Küchenchef Claus-Peter Lumpp. Die Rede ist alles in allem von weiteren 75 Kühlstellen. Viele aus dem Bestand, warum bei der Sanierung einige alte Verdampfer ausgetauscht werden mussten. Einige sind aber auch neue Kühlschränke, Tische oder Kühlzellen.
Das Sahnestückchen
Der Clou des Ganzen ist aber das Monitoringsystem „rütgers:care“. In einem Versorgungsgang, der zwischen Alt- und Neubau verläuft, schlägt das Herz des Systems. Bei dem „boss“-Regler und „Moxa“-Server laufen alle Drähte zusammen. Die Verbindung zum World Wide Web wird über einen VPN-Server von Rütgers abgesichert. Systempartner Fischer Kälte-Klima, der bei der Planung, Programmierung und Inbetriebnahme eng mit Rütgers kooperierte, schreibt in seinen Unterlagen von einer „vollumfänglichen Browser-basierten mobile-ready Lösung, die tägliche Überwachung, Wartung und Systemoptimierung auf Smartphone und Tablet bringt.“ Das neue Monitoring bei Bareiss bietet dem Betreiber Systemüberwachung, -optimierung und Datenaufzeichnung nach HACCP-Standard. Heute sind die Verbundkälteanlagen und alle Kühlstellen aufgeschaltet – wofür die Kühlstellenregler auf das Produkt Carel umgestellt wurden. „Wir machten das wirklich bei allen Bestandsgeräten“, erinnert sich Tino Leyrer. „Unsere größte Herausforderung war aber eine andere: die Verbindung zum zentralen ‚boss‘-Regler.“ Dafür verlegten die Rütgers-Monteure Steuerleitungen zu jedem einzelnen Regler quer durch den Neubau und ebenfalls durch das Bestandsgebäude. Ein immenser Aufwand, aber mit der neuen Kühlstellenüberwachung kann heute genau überwacht werden, was wann wo geschieht. Das hat sich bereits ausbezahlt. „Seit Inbetriebnahme des Monitorings zeichnen wir das Lastverhalten aller Kühlstellen unseres Hauses auf und speichern die Daten in einer Historie. Das Lastverhalten zeigt exakt, wann welcher Verdampfer läuft, oder gibt Auskunft über die Öffnungszeiten der Kühlräume. Mit diesen visualisierten Informationen können wir unsere Betriebsabläufe und Produktionsprozesse rund um die Küchen noch besser optimieren, dazu die Kühlkette und die damit verbundene Logistik weiter verfeinern“, freut sich Juniorchef Hannes Bareiss über die neuen Möglichkeiten seiner Investition. Der Nutzen sind Betriebskosteneinsparungen im zweistelligen Prozentbereich, was bei einer Großküche wie im Hotel Bareiss stattliche Einsparungen und eine kurze Amortisationszeit bedeutet. Der gesamten Kälteanlage nebst Lebenszyklus kommt es auf Dauer ebenfalls zugute.
Eine besondere Hochzeit
Das Hotel Resort Bareiss hat in seiner langen Geschichte schon viele außergewöhnliche Hochzeiten erlebt. Kältebestand aber mit einer neuen Kälteanlage zu verheiraten, als System und vor allem mit Regelung und Monitoring, das ist schon etwas Besonderes. Darauf freute sich Hannes Bareiss schon zu Beginn von Um- und Neubau beim Betrachten der Pläne für den Küchenneubau. Der eingangs erwähnten Lokalpresse verriet er: „Ich steh‘ unter Strom“! Heute kühlt seine mit großer Vision entwickelte Küchenwelt ein Kältesystem, das mit Weitsicht geplant und verwirklicht wurde. Von dieser Seite steht vielen weiteren Sternen für den Gourmettempel im Schwarzwald definitiv nichts im Wege.
Der Guide Michelin über den Küchenchef
„Claus-Peter Lumpp – wer da ganz großes Kino erwartet, wird nicht enttäuscht! Seit März 1992 ist der gebürtige Schwabe Küchenchef im Bareiss‘schen Gourmetrestaurant und gehört gewissermaßen zum Inventar des Hauses. Er hat hier bereits seine Ausbildung absolviert und kehrte nach Stationen u. a. bei Eckart Witzigmann und Alain Ducasse zurück ins Murgtal. Er bleibt seiner Linie treu: klassische Küche, die aber mit eigener Idee daherkommt. Die Produkte vom Feinsten. Beeindruckend, wie er z. B. bretonischem Steinbutt oder Taube aus dem Elsass eine fantastische Geschmacksintensität verleiht. Eine Küche ohne Chichi und doch aufwändig bis ins Detail. Dazu stilvolles Ambiente, exzellenter Service und interessante, gerne auch mal seltene Weine. Ebenfalls klasse: Confiserie und Pralinen vom Wagen!“ (Guide Michelin, Ausgabe 2021)