„Hippothermie“ – Heizen mit Pferden

Mist und Jauche als Wärmequelle

Dass Pferde gute Freunde des Menschen sind und auch sein Herz erwärmen können, ist keine neue Erkenntnis. Dass man mithilfe von Pferden auch sein Wohnhaus beheizen kann, ist eine junge Entwicklung. Die Firma Combitherm GmbH aus Fellbach hat dies mit ihrem „Hippothermie“-Projekt bewiesen, welches in Kooperation mit dem Reitstall Haghof in Alfdorf durchgeführt wird.

Ausgangspunkt war ein Gedanke des Se­nior­chefs des Haghofs, Siegfried Bulling. Jahrelang sah er zu, wie sich die Wärme seines Pferdemistes buchstäblich in Luft auflöste, während er in seinem Wald mühsam Holz für die Beheizung seines Wohnhauses schlagen und stapeln musste. Bei einem Gespräch zwischen ihm, seiner Tochter Isabelle als Betreiberin des Reitbetriebs und Steffen Klein, Geschäftsführer des Wärmepumpenherstellers Combitherm GmbH (www.combitherm.de), wurde im Reiterstüble die Idee geboren, die Wärme des Pferdemistes mittels einer Wärmepumpe für die Beheizung der Wohnungen zu nutzen. Entscheidend dabei war, dass nicht nur der Misthaufen selbst als Wärmequelle dient, sondern unter dem Mistplatz eine Jauchegrube mit einem Wasservolumen von ca. 30 m³ liegt. Diese dient als Reserve zur Wärmegewinnung, wenn der Mistplatz entleert ist oder bei längeren Frostperioden.

Stabile Jauchetemperaturen

Die ersten Untersuchungen ergaben, dass in dem Misthaufen durch biologische Prozesse Temperaturen bis +80 °C entstehen. Bei einer kontinuierlichen Entwärmung lässt sich dieses Temperaturniveau allerdings nur für kurze Zeit aufrechterhalten und sinkt dann sehr schnell ab. Eine direkte Nutzung für das Heiz- oder Brauchwasser ohne Wärmepumpe kommt daher nicht in Frage. Die Jauchetemperatur liegt ganzjährig recht stabil bei 15 bis 25 °C, die Wärme kommt überwiegend von der darüberliegenden Mistlagerung, die Außentemperatur spielt eine untergeordnete Rolle.

Nachdem das Wärmepotential analysiert war, wurde im nächsten Schritt ein Versuch aufgebaut:

In den Mistplatz wurden marktgängige Kunststoffschlangen vollflächig einbetoniert, wie sie für Fußbodenheizung/-kühlung üblich sind.

Zur Entwärmung der Jauche wurden Wellflex-Edelstahlschläuche verwendet, welche sich schwimmend dem schwankenden Wasserpegel anpassen. Damit könnte die Jauche auch als Eisspeicher arbeiten; wie bei Solar-Eisspeichern würde anstatt mit Sonnenenergie dann mit Pferdeenergie abgetaut. Damit ergibt sich allein aus der Jauchegrube ein Entzugspotential in einer Größenordnung von 1000 kWh, ohne dass jegliche Energie nachgeführt werden müsste!

Wirtschaftlich rentabler Wärmepumpenbetrieb

Die daraus gebildete Wärmequelle wurde eine Heizsaison umfassend getestet und ausgewertet. Ergebnis war, dass der Mistplatz mit einer Grundfläche von ca. 40 m² genügend Wärme liefert, um eine Wärmepumpe mit 10 kW Heizleistung wirtschaftlich zu betreiben. Die Kosten für die Installation der Wärmequelle liegen dabei ca. 30 % unter einer vergleichbaren Geothermiebohrung.

In der darauffolgenden Heizsaison wurde dann eine Wärmepumpe der Firma Combitherm mit stufenlosem Verdichter und einer maximalen Heizleistung von 20 kW eingebaut und an ein optimiertes Heiznetz angeschlossen. Das System arbeitet monoenergetisch, für alle Fälle gibt es noch einen elektrischen Heizstab mit 6 kW Leistung.

Ergebnisse aus dem laufenden Betrieb

Nach einer kompletten Heizsaison lassen sich die Ergebnisse wie folgt zusammenfassen:

Das System arbeitet absolut zuverlässig und versorgt 100 m² Wohnfläche mit Heizung und Trinkwassererwärmung.

Der Heizstab als Zusatzheizung wird nicht benötigt.

Die biologischen Prozesse des Misthaufens werden durch das dauerhafte Entwärmen nicht wesentlich beeinträchtigt.

Die Jauchegrube erfüllt ihre Funktion als Notreserve.

Somit erfüllt die „Hippothermie“ sämtliche in sie gesetzten Erwartungen. Sie ist eine echte Alternative zu Geothermie- und Luft-/Wärmepumpen, sofern man über genügend Pferde als Wärmelieferant verfügt.

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