Insolvenzanfechtung

Gefahren und Lösungen

Bei drohenden Zahlungsschwierigkeiten eines Kunden versuchen Handwerker, mit Hilfe von Abtretungsvereinbarungen und Vorkasseregelungen ihre Forderungen zu sichern. Dennoch besteht bei einem später durchgeführten Insolvenzverfahren die Gefahr einer Vorsatzanfechtung durch den Insolvenzverwalter. Wann diese Gefahr besteht und wie sich Handwerker vor den gravierenden Konsequenzen schützen können, zeigt der folgende Beitrag auf.

Forderungsmanagement des Kälte-Fachbetriebs

Insolvenzen sind in der Baubrache keine Seltenheit. Entsprechend können Kälte- und Klimafachbetriebe nur dann wirtschaftlich erfolgreich sein, wenn sie ihre Forderungen konsequent eintrieben. Begleicht ein größerer Kunde seine Verbindlichkeiten nicht zum vereinbarten Zahlungszeitpunkt, reißt dies nicht nur ein gefährliches Loch in die Kasse des Unternehmers, sondern bringt auch erhebliche Folgen mit sich. Aufgrund der noch offenen Rechnungen fehlt es nicht selten an Mitteln, um selber offene Forderungen bei Lieferanten zu begleichen oder neues Material für anstehende Aufträge zu bestellen. Ohne das erforderliche Material können keine neuen Aufträge ausgeführt werden, der Umsatz geht weiter zurück, sogar eigene Mitarbeiter können nicht mehr entlohnt werden. Bei mehreren, vergleichbaren Fällen droht sogar die eigene Insolvenz, weshalb alle Möglichkeiten genutzt werden müssen diese Entwicklung zu vermeiden.

Zwar ist die Zahlungsmoral privater und mittelständischer Kunden noch besser als die von Großunternehmen und staatlichen Stellen, der pünktliche Rechnungsausgleich Standard. Anders sieht dies jedoch aus, wenn der Kunde selbst in die Gefahr der Insolvenz gerät und als Folge Zahlungen gar nicht oder nur noch schleppend eingehen. In diesem Fall greifen Handwerker immer wieder auf Vorkasseregelungen oder auf Abtretungserklärungen zurück, um sich vor einen Zahlungsausfall zu schützen. Bei Wartungs- und Serviceverträgen erfolgt die Auftragserfüllung dann teilweise nur noch, wenn sämtliche Rückstände ausgeglichen werden. Hätte der Kälteanlagenbauer allerdings von der drohenden Insolvenz seines Kunden wissen können, kann der Insolvenz­verwalter im Rahmen der Insolvenzanfechtung dessen Zahlungen noch bis zu zehn Jahre nach Eröffnung der Insolvenz zurückfordern. Ist dies der Fall, bedroht ein derart hoher, unerwarteter Rückzahlungsanspruch oft auch den Fortbestand des eigenen Unternehmens.

Risiken einer Kundeninsolvenz

Kann ein Schuldner seine Zahlungen nicht mehr leisten, ist er überschuldet oder droht ihm eine Zahlungsunfähigkeit, ist er dazu verpflichtet Insolvenz anmelden. Die Eröffnungsgründe eines Insolvenzverfahrens sind in der Insolvenzordnung (InsO) erläutert:

17 InsO: Zahlungsunfähigkeit

Die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners liegt vor, wenn er nicht mehr dazu in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Eine Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel dann anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

18 InsO: Drohende Zahlungsunfähigkeit

Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu erfüllen.

19 InsO: Überschuldung

Eine Überschuldung des Schuldners liegt vor, wenn sein Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr decken kann, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.

Ist der Kunde des Handwerksbetriebs insolvent geworden, prüft der Insolvenzverwalter alle Zahlungen, welche in der Vergangenheit liegen. Erhielt ein Gläubiger noch Zahlungen, wusste um die drohende Insolvenz seines Schuldners und nahm er es billigend in Kauf, andere Gläubiger zu benachteiligen, liegen die Gründe einer Insolvenzanfechtung nach § 133 InsO vor. Bei einer Insolvenzanfechtung können Zahlungen innerhalb der letzten zehn Jahre vom Insolvenzverwalter zurückgefordert werden. Dies bedeutet also, dass zum aktuellen Zeitpunkt noch Vorgänge aus dem Jahr 2004 Relevanz besitzen können.

Hierbei handelt es sich nicht um einzelne Zahlungen, sondern um die gesamten Umsätze des Handwerkers, welche zwischen dem Bekanntwerden der finanziellen Schwierigkeiten und dem Eintritt der Insolvenz getätigt wurden. Damit sind bspw. auch Umsätze aus dem Neuanlagengeschäft betroffen, wenn eine Bevorzugung nur beim Ausgleich von Wartungsverträgen durchgesetzt wurde. Somit kann bei wichtigen und größeren Kunden eine erhebliche Größenordnung erreicht werden und dies führt u. U. zur Insolvenz des eigenen Unternehmens. In einem Gespräch mit dem Kunden sollte die kritische Situation gemeinsam analysiert und das hier dargestellte Risiko aus eigener Sicht dargestellt werden. Da auch andere Lieferanten rasch die Situation erkennen können, droht eine gefährliche Abwärtsspirale, welche es zu vermeiden gilt. Bei „wackeligen“ Kunden kann das Gesamtrisiko exemplarisch anhand der Daten der Buchhaltung ermittelt werden.

Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung

Die Insolvenzanfechtung durch den Insolvenzverwalter kann beim Vorliegen bestimmter Rechtshandlungen (insbesondere Zahlungen) erfolgen, die der insolvente Schuldner in einem Zeitraum von bis zu zehn Jahren vor der Stellung des Insolvenzantrages vorgenommen hat. Diese Zahlungen können zurückgefordert werden. Auf diesem Weg soll eine Vermögensverschiebung zu Lasten einzelner oder aller Gläubiger rückgängig gemacht werden, um eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger zu gewährleisten.

Sogenannte Anfechtungstatbestände ergeben sich aus §§ 129 ff InsO. Der weitreichendste Tatbestand ist in § 133 InsO geregelt. Dabei handelt es sich um die sogenannte Vorsatzanfechtung. Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und die Handlung die anderen Gläubiger benachteiligten wird.

Die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung liegen vor, wenn:

Die Zahlung des Schuldners zehn Jahre vor dem Insolvenzantrag oder nach Stellung des Insolvenzantrages erfolgte.

Der Vorsatz des Schuldners bestand, durch die Zahlung andere Gläubiger zu benachteiligen. Dabei ist die Vorrausetzung bereits erfüllt, wenn der Schuldner die Benachteiligung anderer Gläubiger durch seine Handlung erkennen kann und billigend in Kauf nimmt.

Die Kenntnis des Gläubigers vom sogenannten Gläubigerbenachteilungsvorsatz vorlag. Diese Kenntnis wird gemäß § 133 I Satz 2 InsO vermutet, wenn der Gläubiger weiß, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners droht und dass seine Zahlung andere Gläubiger benachteiligt.

Deshalb sollte bei langanhaltenden Zahlungsschwierigkeiten wichtiger Kunden stets geprüft werden, ob diese einen Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren darstellen und ob die Voraussetzungen einer Vorsatzanfechtung vorliegen könnten.

Wissen um die Zahlungsunfähigkeit

Grundsätzlich wird eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners durch den Gläubiger angenommen, wenn dieser sie aus sogenannten Beweiszeichen ableiten kann. Danach lassen unter anderem folgende Anzeichen auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Gläubigers schließen:

schleppende Zahlungen,

abgeschlossene Ratenzahlungsvereinbarungen,

Nichtzahlung eines wesentlichen Teils der Verbindlichkeiten,

Vollstreckungsversuche,

geplatzte Schecks.

Der Gläubiger muss zu seiner Entlastung nachweisen, dass trotz Vorliegen dieser Beweiszeichen keine Zahlungsunfähigkeit seines Schuldners drohte oder bestand. Hier liegt somit eine Umkehr der Beweislast vor.

Wenn der Gläubiger weiß, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners droht, muss er davon ausgehen, dass die finanziellen Mittel des Schuldners nicht ausreichen, um alle Gläubiger zu befriedigen. Zahlungen an einzelne Gläubiger führen demnach zwangsläufig zur Benachteiligung anderer Gläubiger. Die Beweispflicht, dass dies im Einzelfall nicht so ist, liegt beim Gläubiger. Deshalb sollten gezogene Auskünfte und Gesprächsunterlagen sowie der schriftliche Geschäftsverkehr mit dem Kunden sorgfältig aufbewahrt werden, damit diese im Falle einer Insolvenzanfechtung als Beweismittel fungieren können. Hierbei ist die aufgeführte Frist von zehn Jahren einzuhalten.

Folgen einer Insolvenzanfechtung

Das Risiko einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung ist für den Gläubiger sehr hoch, da das Vorliegen praktisch aller Tatbestandsmerkmale nach der aktuellen Gesetzeslage und Rechtsprechung anhand von Vermutungsregelungen und Beweiszeichen zunächst einmal unterstellt wird. Der Gläubiger muss durch konkreten gegenteiligen Vortrag diese Vermutungen und Beweiszeichen widerlegen. Da in der Regel kein Zugriff auf die beweiserheblichen Tatsachen möglich ist, gelingt dies nur selten. Als Folge muss der Gläubiger den angefochtenen Betrag zurückzahlen. Handelt es sich um einen wichtigen und/oder großen Kunden des Handwerksbetriebs, kann der Rückzahlungsbetrag erhebliche Höhe erreichen. Kann dieser Betrag nicht aufgebracht werden, besteht die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit und somit der eigenen Insolvenz. Dieses Risiko wird vor allem bei weit zurückliegenden Geschäftsbeziehungen, als auch bei regelmäßigen, aber geringen Umsätzen systematisch unterschätzt.

Risiko des eigenen Unternehmen

Das Risiko für das eigene Unternehmen hängt von der Umsatzhöhe und der Krisendauer ab.

Die erste Risikokomponente ist die Höhe der getätigten Umsätze mit dem betroffenen Kunden. Sind diese im Vergleich zum Gesamtumsatz des Unternehmens relativ gering, können mögliche Forderungen des Insolvenzverwalters ausgeglichen werden und haben keinen großen Einfluss auf die Ergebnissituation und die liquiden Mittel des Kälte-Fachbetriebs. Dies wird typischerweise bei einer Vielzahl kleinerer Kunden gegeben sein, mit denen seltene, unregelmäßige bzw. einmalige Umsätze getätigt werden. Gibt es dagegen einen festen Kundenstamm mit regelmäßigen Umsätzen oder binden einzelne Großaufträge zeitweise die gesamte Kapazität, nimmt das Risiko entsprechend zu.

Zweite Risikokomponente ist die Dauer der Krise. Zieht sich der Vorgang über Jahre hin, summieren sich die Rückerstattungsansprüche auf, wobei die Gefahr der langen Krise insbesondere bei kleinen Unternehmen besteht, deren Inhaber wiederholt private Mittel nachschießen, bis die Insolvenz unvermeidlich wird.

Hier kann sich eine prinzipiell positive Eigenschaft des Mittelstandes als Nachteil erweisen: die noch verbreitete Loyalität zu den Geschäftspartnern. Oft wurden wirtschaftlich schwierige Zeiten gemeinsam überstanden, die Geschäftsbeziehung besteht seit Jahren, ja Jahrzehnten, dann lässt man den Anderen bei ersten Schwierigkeiten nicht wie die sprichwörtliche heiße Kartoffel fallen.

Lösungsansätze in der Praxis

Um das Risiko einer Insolvenzanfechtung auf ein vertretbares Maß zu reduzieren, sollten folgende Punkte umgesetzt werden:

Das Risikobewusstsein schärfen

Der erste Schritt besteht sicherlich in der Kenntnis des Risikos einer möglichen Insolvenzanfechtung. Ist das Risiko einer Insolvenzanfechtung bekannt, besteht die Möglichkeit einer entsprechenden Risikoerfassung. Wie dargelegt, liegt diese nicht im Ausfall bestehender Forderungen, sondern der möglichen Abführung der seit Entstehen der Krise erzielten Kundenumsätze des Unternehmens. Entsprechend sollten bei ersten Krisenanzeichen die Umsätze mit dem Kunden ab diesem Zeitpunkt gesondert erfasst und dokumentiert werden. Diese Information darf sich nicht auf die Unternehmensleitung begrenzen, sondern sollte auch das Rechnungswesen, den Verkauf und das Service- und Wartungsgeschäft einbeziehen.

Das Klumpenrisiko beachten

Werden die Einzelrisiken zusammengefasst, ergibt sich nicht selten die Existenz eines Klumpenrisikos. In der aktuellen Situation kann eine bestimmte Region und/oder Branche besonders betroffen sein. Weiterhin können verbundene Unternehmen und Privatpersonen über Patronatserklärung, Bürgschaften oder Garantieerklärungen eine Kettenreaktion auslösen. Ist das eigene Unternehmen aufgrund seines Geschäftsmodells in einer entsprechenden Nische tätig, gilt es die folgenden Hinweise mit noch größerer Konsequenz umzusetzen. Langfristig kann eine Risikoreduktion über die Aufnahme neuer Kundengruppen erfolgen, welche in anderen Regionen und/oder anderen Branchen tätig sind.

Sonderbehandlung vermeiden

Vor diesem Hintergrund ist eine mögliche Sonderbehandlung kritisch zu prüfen. Zwar kann die Gefahr eines Forderungsausfalls reduziert werden, wenn bspw. Abtretungserklärungen vereinbart werden, jedoch wird das Risiko einer Insolvenzanfechtung hierdurch stark zunehmen. Auch bei alten, vertrauten und loyalen Kunden ist eine Lösung zu suchen, so unangenehm entsprechende Gespräche sein mögen. Vertretbar erscheint eine definierte, schriftlich festgelegte Vorgehensweise, welche sich nicht auf einzelne Kunden und deren spezielle Situation, sondern auf Kunden mit bestimmten Merkmalen konzentriert. So kann gegenüber privaten Kunden anders als gegenüber Geschäftspartner vorgegangen werden, können langjährige Kunden anders als neue Kunden behandelt werden.

Lösungen anmahnen

Das Risiko einer drohenden Insolvenzanfechtung besteht nicht selten darin, dass auch andere Lieferanten hiervon betroffen sein könnten und immer schneller ein Abbruch der Geschäftsbeziehung erfolgen wird. Insbesondere wenn Lieferanten ihre Forderungen kreditversichern, erfolgt aufgrund der Reaktionen der Kreditversicherer auf die zunehmende Anzahl der Insolvenz­anfechtungen immer rascher ein Abbruch der Geschäftsbeziehungen, schon weil die Versicherungssumme drastisch reduziert wird. Fallen wichtige Lieferanten aus, tritt rasch eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale ein. Deshalb sollte die Problematik gegenüber dem Kunden offen angesprochen werden. Ob eine grundlegende Sanierung erforderlich ist, frisches Kapital zugeführt werden muss oder auch ein Verkauf bzw. die Beendigung der Geschäftstätigkeit und die Liquidation des Unternehmens die beste Lösung darstellt, ist ergebnisoffen zu diskutieren. Langjährige Geschäftspartner wissen oft unbewusst, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann, und sind für einen entsprechenden Impuls von außen nicht undankbar.

Einheitliche Gläubigerbehandlung sicherstellen

Im Rahmen einer entsprechenden Lösung gilt es, die Gleichbehandlung der Gläubiger zu gewährleisten und eine entsprechende Dokumentation anzumahnen bzw. zu begleiten. Mögen verspätete Zahlungen nicht unüblich sein, sollte dennoch nicht auf einer besonderen Gläubigerbehandlung bestanden werden.

Zeitpunkt des Kriseneintritts dokumentieren

Wie dargelegt, können Forderungen des Insolvenzverwalters bis zu zehn Jahre in die Vergangenheit zurückgehen. Umso wichtiger ist es, den Eintritt einer Unternehmenskrise eindeutig zu terminieren, um den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz zumindest zeitlich einzugrenzen bzw. zu widerlegen.

Kundenbeziehung aufgeben und Umsätze reduzieren

Der letzte Schritt besteht in der Aufgabe der Kundenbeziehung. So schmerzhaft der Verlust für beide Beteiligten auch sein mag, ist dies die letzte Möglichkeit, einer Insolvenzanfechtung vorbeugend entgegen zu wirken. Dabei sollen nicht alleine die negativen Folgen betrachtet werden. Oft binden kritische Kunden einfach ein hohes Maß an Zeit und Energie, welches besser zum Aufbau neuer, zukunftsträchtiger Geschäftsbeziehungen verwendet werden kann.

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