Kühlen mit Sonnenwärme
Solare Kühlung hat Potential
Das erste Intensivmessjahr der wohl größten solar unterstützen Klimatisierungsanlage Europas ist im August gestartet. Die bei der Firma Festo AG & Co.KG in Betrieb genommene Anlage wird von der Forschungsgruppe „Nachhaltige Energietechnik“ der Hochschule Offenburg im Rahmen des Förder- und Forschungskonzepts „Solarthermie2000plus“, wie bereits sieben andere Solargroßanlagen, wissenschaftlich technisch betreut. Die solare Kühlung besitzt dabei ein großes Potential, da gerade wenn der größte Klimatisierungsbedarf vorhanden ist, auch am meisten Sonnenenergie zur Verfügung steht.
Die voranschreitende Klimaveränderung sorgt für zunehmend heißere Sommertage, die nicht selten zu einer Überhitzung von Wohn- und Arbeitsräumen führen. Um aber trotzdem auch an heißen Tagen weiterhin diese Räume nutzen zu können, wird eine Klimatisierung erforderlich. Während die Solarenergie bisher hauptsächlich zur Wärmegewinnung eingesetzt wird, ist die solare Kühlung in Deutschland noch weitgehend ungenutzt. Dennoch ist es möglich, mit Wärme eine Klimatisierungsanlage anzutreiben. Die Grundidee solarer Kühlung besteht darin, die „überschüssige“ Sonnenenergie zur Kühlung von Gebäuden gerade in der heißen Tageszeit zu nutzen. Der Kühlbedarf steigt und fällt mit dem Angebot an Sonnenenergie. Im Gegensatz zu herkömmlichen Klimaanlagen, die mit elektrisch betriebenen Kompressoren arbeiten
und einen umso höheren Energiebedarf haben, je wärmer die zu kühlende Luft ist, spart die solare Kühlung Strom und hat, anders als bei der solaren Heizung, kein Speicherproblem. Gerade in Zeiten steigender Energiepreise und immer knapper werdender fossiler Brennstoffe könnte die umweltfreundliche Klimaanlage immer mehr an Bedeutung gewinnen. Die Festo AG & Co. KG möchte schon jetzt das Potential der solaren Kühlung nutzen.
1330 m² Kollektorfläche | Schon seit mehreren Jahren betreibt Festo am Hauptsitz in Esslingen die Kältemaschinen mit Abwärme von Kompressoren und Heizkesseln. Ende letzten Jahres wurde dann als dritte Wärmequelle die Solaranlage mit 1330 m² Kollektorfläche in das System integriert. Die Kollektoren sind auf dem Sheddach eines Produktionsgebäudes montiert. Sie sind gegenüber der Horizontalen um 30 ° geneigt und weichen in ihrer Ausrichtung um 18 ° nach Westen von der Südrichtung ab. Um eine möglichst gleichmäßige Erwärmung des Kollektorfeldes zu erreichen, wird der „kalte“ Vorlauf über eine zentral angeordnete Zulaufleitung auf die Kollektorstränge verteilt. Das durch die eingestrahlte Sonnenenergie in den Kollektoren erwärmte Heizwasser wird aus jedem Kollektorstrang in einem im Kollektorfeld mittig angeordneten Rücklaufsammler zusammengeführt und über den Kollektorkreis direkt in zwei Pufferspeicher gepumpt. Die Speicher besitzen ein Volumen von jeweils 8500 l und sind in Reihe geschaltet. Aus den Speichern wird die solare Wärme im Sommer über den Heizungsverteiler zum Technologiezentrum gepumpt und gelangt von dort zu den Kälteanlagen. Dabei werden drei Kälteanlagen des Typs „Mycom ADR-100“ mit je einer Nennleistung von 353 kW verwendet. Mit der erzeugten Kälte werden 26 760 m² Bürofläche sowie drei Atrien mit 2790 m² klimatisiert. Vor der solarthermischen Erweiterung wurden die Kältemaschinen mit Abwärme von Kompressoren und Wärme aus Erdgas-Kesseln betrieben.
Wasser im Kollektorkreis | Als Besonderheit der Solaranlage zirkuliert im Kollektorkreis ausschließlich Wasser. Durch eine Frostschutzschaltung wird verhindert, dass das Wasser im Winter einfriert. Vorteile dieses „Nur-Wasser-Systems“ sind u.a., dass der Wärmeübertrager zwischen Kollektorkreis und Speicherkreis entfällt und die Wärmekapazität von Wasser höher ist als von einem Wasser/Glykol-Gemisch. Beides führt zu einem höheren Energieertrag der Solaranlage.
Mit dieser Installation betreibt Festo seit November 2007 die, bezogen auf die Kälteleistung, wohl größte solar unterstützte Klimatisierungsanlage Europas. Durch die Einbindung der Solaranlage zur Kühlung der Büroräume und des Rechenzentrums werden vom Kollektorhersteller 500 MWh pro Jahr an solarem Ertrag garantiert. Laut Berechnungen sind sogar 650 MWh möglich, die das Unternehmen an Primärenergie einsparen kann.
Messdatenerfassung und -auswertung | Im Winter, wenn keine Kühlung benötigt wird, kann die Solarwärme für die Beheizung der Gebäude genutzt werden. Die Betreuung der solar unterstützen Klimatisierung des Technologiezentrums der Festo AG & Co. KG (www.festo.com) erfolgt von der Projektgruppe „Solarthermie2000plus“ der Hochschule Offenburg (www.fh-offenburg.de) und dem Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg. Kollektorfelder und Regelungstechnik liefert Paradigma. Die Hochschule Offenburg unterstützte Festo bei der Anlagenplanung und übernahm die Konzeption und Installation der Messtechnik. Seit Inbetriebnahme der Anlage ist die Hochschule zuständig für die mehrjährige Messdatenerfassung und -auswertung sowie die Überwachung und Beurteilung des Anlagenbetriebs. Mit dem Know-how des Offenburger Forschungsteams sollen eventuelle Störfälle analysiert und Optimierungsvorschläge eingebracht werden. Dabei wird die Hochschule vom Fraunhofer ISE, dem Spezialist im Bereich solare Klimatisierung, beratend unterstützt. Nach ersten Optimierungen im Probebetrieb startete nun im August das erste Intensivmessjahr des Vakuumröhren-Kollektorfelds als Wärmequelle für die Adsorptionskälteanlage.
Förderprogramm Solarthermie | Das Forschungsvorhaben und die messtechnische Begleitung der solar unterstützen Klimatisierungsanlage werden im Rahmen des Förderprogramms „Solarthermie2000plus“
durch das Bundesumweltministerium gefördert. Generelles Ziel ist es, durch forschungsbegleitende Pilot- und Demonstrationsprojekte die Voraussetzungen zu schaffen, dass die Solarthermie künftig einen höheren Beitrag am Wärmemarkt zur Substitution fossiler Brennstoffe leisten und damit auch ein Klimaschutz erreicht werden kann. Die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit durch die weitere Senkung der solaren Wärmekosten ist ebenfalls ein zentrales Ziel. Derzeit werden von der Hochschule Offenburg im Rahmen dieses Förderprogramms insgesamt acht
thermische Solargroßanlagen betreut. Sechs Anlagen zur Warmwasserbereitung mit Standorten in Freiburg, Mindelheim, Singen, Baden-Baden und Waldbronn, eine zur Unterstützung der Nahwärmeversorgung in Holzgerlingen sowie die Anlage bei Festo zur solar unterstützen
Klimatisierung in Esslingen.