Lösungswege in die nächste Kältemittel-Ära
Bundesweiter Frigotechnik-Praxistreff
Vor dem Hintergrund der F-Gas-Verordnung veranstaltete der Kälte-/Klima-Großhändler Frigotechnik im Oktober und November 2017 gemeinsam mit den Firmen Bitzer, Danfoss, GHC und Güntner einen Praxistreff an zehn Standorten im gesamten Bundesgebiet. Die KKA-Redaktion war bei dem Termin in Hamburg am 8. November vor Ort.
Die Brisanz für die Kältebranche, die in der Quotenreduzierung der F-Gas-Verordnung steckt, haben mittlerweile die allermeisten Kälteanlagenbauer erkannt. Und mit steigenden Preisen und Lieferengpässen haben sie auch schon erste Auswirkungen zu spüren bekommen. Aber wie kann man der Situation begegnen, welche Lösungswege gibt es in die nächste Kältemittelära? Mit diesen Fragen beschäftigten sich die Referenten des diesjährigen Frigotechnik-Praxistreffs.
Kampf um die CO2-Äquivalente
Roland Becker, Vertriebsleiter bei GHC, stellte aus Sicht eines Kältemittel-Lieferanten dar, dass das Quotensystem bereits jetzt heftige Konsequenzen für die Kältebranche habe, und gab eine Prognose ab, wie die weitere Entwicklung aussehen wird. „Der Kampf um die CO2-Äquivalente hat begonnen. Die Kältemittelpreise steigen deutlich an, wobei es sich z.T. um theoretische Preise handelt, weil die Kältemittel gar nicht mehr verfügbar sind“, beklagte Becker. Neukunden könnten nur in Ausnahmefällen beliefert werden und auch Bestandskunden müssten bereits 2017 Abstriche bei den Liefermengen hinnehmen; 2018 werde sich dies verschärfen. Das Kunststück bestehe darin, die Kältemittelmenge möglichst konstant zu halten und trotzdem die CO2-Äquivalente im kommenden Jahr um 44 % zu senken. Selbst wenn man 2018 komplett auf die neuen, nicht entzündbaren HFO-Kältemittelblends umschwenken würde, hätte man lediglich 29 % der erforderlichen Quotenreduzierung geschafft, rechnete Becker vor. Man werde also nicht um die Verwendung brennbarer bzw. schwer-entzündbarer Kältemittel herumkommen. Diese Kältemittelalternativen der nächsten Generation stellte er anschließend vor, verbunden mit der düsteren Prognose: „Es wird 2018 nicht mehr darum gehen, welches Kältemittel man haben möchte, sondern nur noch darum, was man vielleicht bekommen kann.“ Rauschgifthändler würden bald auf R404A-Handel umschwenken und Buntmetall-Diebe auf den Kältemittelflaschen-Diebstahl, prophezeite ein Zuhörer daraufhin.
Auslegung von Wärmetauschern, Verdichern und Regelventilen
Maximilian Haberlik, Firma Güntner, ging in seinem Vortrag auf die nicht zu unterschätzende Problematik des Temperatur-Gleits von zeotropen Kältemittelgemischen ein und worauf man dadurch bei der Auslegung von Wärmeübertragern achten müsse. Die meisten neuen Kältemittelalternativen mit niedrigem GWP bestehen aus mehreren Komponenten (z.B. R449A besteht aus R32, R125, R1234yf und R134a) mit entsprechend unterschiedlichen Verdampfungstemperaturen. Der Gleit könne je nach Kältemittel bis zu 9 K betragen. Für die Auslegung von Wärmeübertragern empfahl er daher die sogenannte Mitteltemperaturmethode. Diese finden Anwender im GPC – Güntner Product Calculator.
Um die Ziele der F-Gase-Verordnung zu erreichen, sind neben Kälteanlagen mit natürlichen Kältemitteln Kälteanlagen mit konventioneller Technik und entsprechenden „Low GWP“-Kältemitteln auf breiter Fläche nicht wegzudenken. Diese Kältemittel, die der Sicherheitsgruppe A1 oder A2L angehören, haben zwar ähnliche Eigenschaften wie die aktuell noch eingesetzten Kältemittel wie R134a oder R404A, jedoch auch Unterschiede in Handhabung und Einsatzgrenzen. Die Besonderheiten der Kältemittel im Bezug auf die Verdichter und praktische Hinweise bei der Auslegung wurden von Frank Löchel, Firma Bitzer, dargestellt.
Im Vortrag von Frank Bahke, Firma Danfoss, ging es um die Auswahl der richtigen Regelventile. Gerade beim Einsatz von neuen Kältemitteln ist es wichtig, auch die Energieeffizienz nicht zu vernachlässigen und auch bei sich ändernden Gegebenheiten, wie z. B. anderen Drucklagen oder abweichenden volumetrischen Kälteleistungen, die optimale Leistung der Kälteanlage zu erreichen. Auf diese Herausforderungen hat die Firma Danfoss entsprechende Antworten im Produktprogramm. Am Beispiel von elektronisch betriebenen Expansionsventilen, optimierten Komplettverflüssigungssätzen sowie neuen Technologien für CO2-Anlagen gab Frank Bahke Anregungen, wie effiziente Anlagen auch in Zukunft gebaut werden können. Er empfahl den Zuhörern, das Low-GWP-Tool von Danfoss zu nutzen. Dabei handelt es sich um eine leicht zu bedienende Vergleichssoftware für eine umweltgerechte Kältemittelwahl. Das Tool stellt sicher, dass ein Kältesystem auch nach der Umstellung auf ein neues Kältemittel noch genügend Kälteleistung liefert. Mit diesem Programm können Anwender allein durch die Eingabe von Basisdaten wie Ventiltyp, aktuellem und gewünschtem Kältemittel sowie Arbeitsbereich eine zukunftssichere Wahl treffen und sehen, wie sich die Leistung mit dem neuen Kältemittel verändert.
Alle sitzen im gleichen Boot
Michael Hendriks, technischer Leiter Frigotechnik, fasste in seinem Vortrag die Inhalte der Referenten zusammen und gab auch aus seiner Sicht Praxis-Tipps für die neue Kältemittel-Ära. Auch er sieht schwierige Zeiten auf die Branche zukommen: „Die Quotenregelung haben viele Akteure unterschätzt. Jetzt wird es ernst. Wir sind alle im gleichen Boot.“ R404A und R507 sind aus seiner Sicht derzeit das größte Problem, wobei man sich bei Alternativen nicht auf ein einziges Ersatzkältemittel und nur auf einen Lieferanten beschränken könne. „Die Hersteller haben nur begrenzte Quoten. Sind die verbraucht, ist Schluss. Dann muss man versuchen, Alternativen anderer Hersteller einzusetzen. Auch natürliche Kältemittel müssen in Zukunft immer als Alternative in Betracht gezogen werden“, mahnte Hendriks. „Neuanlagen mit Hoch-GWP-Kältemittel sind aber ab sofort ein absolutes No-Go. Jeder Anlagenbauer muss sich auch mit brennbaren A2L-Kältemitteln auseinandersetzen.“ Schließlich gebe es zu R410A und R407C keine nicht brennbaren Alternativen. R1234ze ist nach Auffassung von Michael Hendriks ein Vertreter der A2L-Kältemittel mit großem Potential, das gut einzusetzen sei, weil es wirklich kaum brennbar sei. Dem Thema Retrofit von R404A-Anlagen müsse man sich ebenfalls schleunigst widmen, denn wenn 2020 das Serviceverbot für Kältemittel mit GWP > 2500 greife, werde es nicht möglich sein, kurzfristig alle Bestandanlagen umzurüsten, weil schlicht das Fachpersonal hierfür fehle. „Wir müssen an allen Stellschrauben drehen, Leckagen vermeiden, Füllmengen reduzieren, Niedrig-GWP-Kältemittel verwenden – sonst können wir die Anforderungen der F-Gas-Verordnung nicht meistern“, war sein Schlusswort und Aufruf an die Teilnehmer des Praxistreffs – einer rundum gelungenen Weiterbildungsveranstaltung.