Die Kältemittel-Quote ist niedriger als gedacht

DKV/IZW-Veranstaltung über Herausforderungen 2018 für unsere Branche

Bereits zum sechsten Mal veranstalteten die beiden Verbände DKV (Deutscher Kälte- und klimatechnischer Verein) und IZW (Informationszentrum Wärmepumpen) eine Konferenz über Herausforderungen für Kälte-, Klima- und Wärmepumpentechnik. Wie schon bei der ersten Tagung 2013 stand auch am 6. Februar 2018 in Darmstadt die F-Gas-Verordnung im Mittelpunkt der Vorträge und Diskussionen.

2013 hatten DKV und IZW die Veranstaltung „Herausforderungen für Kälte-, Klima- und Wärmepumpentechnik“ kurzfristig ins Leben gerufen, um die Branche zeitnah über die kurz zuvor bekannt gewordene F-Gas-Verordnung zu informieren. Ging es damals noch um das Begreifen der Inhalte, so standen 2018 die Auswirkungen, Probleme und Lösungsansätze zur Bewältigung der Folgen der F-Gas-Verordnung im Fokus. 2018 trat bereits die zweite Stufe der Quotenreduzierung in Kraft und unsere Branche steht vor gewaltigen Herausforderungen. Dies betrifft in gleicher Weise Kältemittellieferanten und -händler, Anlagenbauer, Planer und Betreiber, wie in den Vorträgen in Darmstadt deutlich wurde. Der zweite Vortragsblock der Veranstaltung widmete sich dem Thema Sorptionstechnik, auf den im Rahmen dieses Nachberichts jedoch nicht detailliert eingegangen wird.

 

Traditionelle Lieferketten geschwächt

Den Auftakt machte Dr. Karsten Schwennesen, Mexichem, der aus Sicht eines Kältemittellieferanten über die Auswirkungen der F-Gas-Verordnung berichtete. Er erläuterte als erster Redner zunächst einige Grundlagen, die für das Verständnis der F-Gas-Verordnung relevant sind. Dazu gehört auch der GWP-Wert von Kältemitteln, dessen Ermittlung sicher nicht allen bekannt ist. GWP steht für Global Warming Potential und bezeichnet den Beitrag eines Stoffes zum Treibhauseffekt – relativ zu CO2 (GWP-Wert von 1). Es handelt sich dabei nicht um eine Stoffkonstante wie Dichte, Siedepunkt o.ä., sondern der GWP-Wert eines Kältemittels ist eine „Interpretation“ von Forschungsergebnissen (Einflussgrößen sind z.B. das Absorptionsverhalten eines Kältemittelmoleküls im mittleren Absorptionsbereich – behindert die Abkühlung der Atmosphäre, die Konzentration in der Atmosphäre oder die dortige Verweildauer). Die GWP-Werte werden im sogenannten Assessment Report (AR) des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) veröffentlicht. Basis für die F-Gas-Verordnung ist der AR 4 von 2007, in dem z.B. R134a einen GWP-Wert von 1430 hat. Kommen neue Erkenntnisse über die Treibhauswirksamkeit eines Kältemittels hinzu, verändern sich u.U. auch die GWP-Werte. Aktuell gültig ist der AR 5 von 2014. Der GWP-Wert von R134a hat darin den Wert von 1300. R134a wäre also eigentlich ca. 10 % weniger treibhauswirksam, was aber leider in der F-Gas-Verordnung nicht berücksichtigt wird (Basis ist wie beschrieben der AR 4). Der GWP-Wert eines Kältemittels spielt dann eine maßgebliche Rolle bei der Menge an Kältemittel, die im Rahmen der F-Gas-Verordnung pro Jahr in der EU verkauft werden darf, da sich die erlaubte CO2-äquivalente Menge aus der Masse eines Kältemittels multipliziert mit dem GWP-Wert ermittelt.

89 % der Gesamtquote wird aufgeteilt unter den Big Playern im Kältemittelmarkt (Chemours, Honeywell, Mexichem, Arkema und Daikin Chemical), die verbleibenden 11 % wurden an „Neueinsteiger“ (NER) verteilt, die sich hierfür bewerben konnten. Karsten Schwennesen erläuterte das recht komplizierte Rechenverfahren hinter der Quotenzuteilung, basierend auf Referenz- und Mittelwerten, und zeigte auf, dass ein Anbieter wie Mexichem 2018 nur noch 48 % der Kältemittelmenge (in CO2-Äquivalenten) verkaufen könne wir vor der F-Gas-Verordnung; 2021 geht es dann runter auf 28 %, während die NER über 17 % der Quote verfügen. Neben der bekannten generellen Reduktion der Kältemittelmengen sinkt demnach auch der Anteil der traditionellen und „gelernten“ Lieferketten an der Gesamtmenge. Karsten Schwennesen befürchtet in diesem Zusammenhang, dass die an rund 1000 NER-Firmen zugeteilte Quote womöglich nicht vollständig im Markt bzw. beim Endanwender ankommen werde – eine zusätzliche Verschärfung der Kältemittelsituation. Erschwerend komme hinzu, dass sich auch Firmen um Quoten beworben und diese auch zugeteilt bekommen hätten, die vorbefüllte Anlagen importieren wollen. Hierfür dürften sie die zugeteilte Quote aber gar nicht einsetzen, so dass sie womöglich gar nicht genutzt werde.

Auf einen traditionellen Lieferanten wie Mexichem komme nun eine schwierige Jahresplanung zu. Man werde trotz aller Widrigkeiten versuchen, den bestehenden Kunden das ganze Jahr über definierte Kältemittelmengen – aufgeteilt auf die verschiedenen Kältemittel mit variierenden GWP-Werten – zukommen zu lassen. Mehrlieferungen seien nur möglich, wenn ein Kunde bei einem anderen Kältemittel in vergleichbarer CO2-äqivalenter Menge verzichte.

 

Zusätzliche Quotenreduzierung

Felix Flohr, Daikin Chemical, zeigte in seinem Vortrag auf, dass es neben der gesetzlich geregelten, weitere („ungewollte“) Reduzierungen der Kältemittel-Quote gebe. Zum einen sei nicht allen bewusst, dass nur 75 % der CO2-Äquivalente, die von der F-Gas-Verordnung geregelt werden, für den Bereich Kälte/Klima/Wärmepumpen zur Verfügung stünden. Das restliche Viertel werde für Aerosole, Schäume sowie Anwendungen in der Elektrotechnik und Photovoltaik verwendet.

Außerdem seien F-Gas-haltige Produkte, die in der EU hergestellt, aber ins Nicht-EU-Ausland verkauft würden, trotzdem quotenpflichtig. Problematisch seien in diesem Zusammenhang vor allem die Pkw- und Lkw-Exporte. Felix Flohr rechnete vor, dass bei ca. 3 Mio. exportierten Pkw mit je ca. 500 g R134a in der Klimaanlage in Summe 1500 t R134a „aus der Quote fallen“. Hinzu kämen geschätzte 145.000 Nutzfahrzeuge mit ca. 145 t R134a. Insgesamt seien dies etwa 2,5 Mio. t CO2-Äquivalente. Ein weiterer Bereich seien ins Nicht-EU-Ausland exportierte Kälte-, Klima- und Wärmepumpenanlagen. Das Marktvolumen sei schwierig einzuschätzen, bemerkte Felix Flohr. Er gehe aber von 1-2 % der Gesamtquote aus (= 1,7 Mio. t CO2-Äquivalente) – in Summe mit den Fahrzeugexporten also 4,2 Mio. t CO2-Äquivalente. Die „Bonner Stimme“ (VDKF, BIV, ZVKKW, ÜWG) geht sogar von 5 % der Gesamtquote aus (= 5,75 Mio. t CO2-Äquivalente). Bei einem von Arno Kaschl (EU-Kommission) bezifferten, zwar noch nicht erreichten aber „der Branche zumutbaren“ Preis von 50 €/t CO2-Äquivalente ergebe das einen „Exportverlust“ in Höhe von 287,5 Mio. €, weil Hersteller diese Quote nicht mehr in der EU verkaufen dürften, beklagte Felix Flohr.

 

Die Decke ist einfach zu kurz

Auch Harald Conrad, Westfalen AG, hatte Grund zu klagen. Er kritisierte, dass die mahnenden Worte vieler Branchenvertreter über die dramatischen Auswirkungen der F-Gas-Verordnung von Kälteanlagenbauern und Betreibern größtenteils ignoriert worden seien. „Die Branche hat zwei Jahre verschlafen und die Chance vertan, frühzeitig mit Umrüstungen zu beginnen.“ Zudem seien noch in viel zu großem Umfang Neuanlagen mit Hoch-GWP-Kältemitteln realisiert worden.

Dann warf er einen Blick auf die von den großen Anbietern zur Verfügung gestellten Kältemittelarten. Nicht alle Anbieter hätten dabei, wie z.B. Chemours und Honeywell, geeignete Ersatzkältemittel mit niedrigerem GWP im Portfolio – vor allem aus Lizenzgründen dürften sie diese nicht vertreiben. Die Quotenreduzierung durch die F-Gas-Verordnung ginge bei ihnen daher stärker als bei den anderen zu Lasten der Menge, weil sie vor allem traditionelle Kältemittel liefern müssten. Westfalen selbst ist kein Hersteller von Kältemittel, das Unternehmen vertreibt sie „nur“ als Händler. Aber natürlich steht auch Westfalen vor einem schwierigen Jahr, was die Planung der eigenen Lieferfähigkeit angeht. „Mehrlieferungen an einen Kunden sind sehr problematisch. Die Decke ist einfach zu kurz. Wenn man für einen Kunden an einer Seite zieht, bekommt halt ein anderer Kunde die kalten Füße“, veranschaulichte Harald Conrad die Situation.

Zuletzt ging er auf ein, vielen Anlagenbauern nicht bewusstes, Problem ein: die Verfügbarkeit von Kältemittelflaschen. Der Flaschenpark wachse bei Westfalen durch die vielen neuen verfügbaren Kältemittel – eine logistische Herausforderung. Die Planung und das Handling würden aber dadurch erschwert, dass viele Kunden die Kältemittelflaschen nicht ordnungsgemäß zurückgäben und bei sich bunkerten. „Als die Preise für Kältemittel 2017 anzogen, haben viele Anlagenbauer in größeren Mengen Kältemittel gehortet“, kritisierte Conrad. Diese Flaschen seien dadurch dem üblichen Kreislauf entzogen worden. Es sei noch unklar, wie man bei Westfalen den 2018 zu erwartenden Engpässen bei den Kältemittelflaschen begegnen könne. „Wir sind schließlich kein Flaschen-, sondern ein Gase-Händler.“ Die Situation erinnert an den heißen Sommer 2003, als viele Hersteller von Mineralwasser Alarm schlugen, weil nicht genügend Pfandflaschen bzw. Kästen zurückgebracht wurden.

 

Training, Training, Training

VDKF-Präsident Wolfgang Zaremski beleuchtete die Kältemittelsituation aus Sicht des Handwerks. Er thematisierte in gleicher Weise wie die Vorredner die Kältemittel-Engpässe und Preisanstiege und ging dann auf ein besonders brisantes Thema ein: Im Markt befänden sich unendlich viele R404A-Bestandsanlagen. Wie könne sichergestellt sein, dass diese auch künftig noch gewartet bzw. betrieben werden können? Hier müsse das Handwerk seinen Kunden Rede und Antwort stehen – eine Antwort konnte aber auch Wolfgang Zaremski nicht liefern. Das Problem besteht und lässt sich nicht einfach lösen. Wenn große Kältemittel-Hersteller und -Händler 2018 die Lieferung von R404A wie angekündigt einstellen werden, kommen Betreiber, die letztendlich die Zeche der F-Gas-Verordnung zahlen müssen, an einer Umstellung ihrer Anlagen nicht vorbei. Ob dann das Handwerk allein von der Manpower her in der Lage sein wird, diese Herkulesaufgabe zu stemmen, steht auf einem anderen Blatt. Zumindest, was das nötige Fachwissen im Umgang mit Kältemittelalternativen betreffe, müsse sich das Handwerk aber wappnen, betonte Zaremski. Auch das saubere Arbeiten vor dem Hintergrund der Anlagendichtheit erlange größere Bedeutung. In diesem Zusammenhang warb er für eine Beteiligung am „Supersmart“-Projekt von VDKF, BIV und Bundesfachschule. „Sie müssen Champions werden in diesem hochkomplexen Markt­umfeld mit seiner Fülle an Vorschriften. Im Supersmart-Projekt machen wir Sie fit. Die F-Gas-Verordnung ist auch eine Steilvorlage für Chancendenker im Handwerk. Aber das bedeutet auch Training, Training, Training.“

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