Das EPEE-Gapometer

Studie zum Kältemittelmarkt in Europa

Die Inhalte der novellierten F-Gase-Verordnung mit ihren Verboten für bestimmte Kältemittel und den Phase-down-Stufen dürften allen mittlerweile bekannt sein. Trotzdem lassen viele die kommende Reduzierung der F-Gas-Mengen in aller Seelenruhe auf sich zukommen. Der Verband EPEE hat nun mit dem „Gapometer“ eine Studie vorstellt, in der untersucht wurde, welche Auswirkungen der Phase-down auf die Branche haben wird und mit welchen Maßnahmen man darauf reagieren müsste.

Der Herstellerverband EPEE (European Partnership for Energy and the Environment, www.epeeglobal.org) vertritt die Interessen der Kälte-, Klima- und Wärmepumpenindustrie in Europa. Der Expertenverband wurde im Jahr 2000 gegründet und setzt sich aus 41 Unternehmen, internationalen und nationalen Verbänden zusammen, die in Europa einen Umsatz von über 30 Milliarden Euro erzielen sowie über 200.000 Mitarbeiter beschäftigen. Der Fokus der EPEE-Aktivitäten liegt dabei auf den Bereichen Energieeffizienz, Kältemittel und Marktüberwachung. Wer mehr über die Aktivitäten und Ziele von EPEE erfahren möchte: In KKA 4/2015 ist ein Interview mit Andrea Voigt, Director General bei EPEE, erschienen (Sie finden es hier).

Die Lücke schließen

Am 28. April 2016 stellte EPEE im Rahmen einer internationalen Pressekonferenz in Brüssel die Ergebnisse einer neuen Studie zur Kältemittelsituation in Europa vor. Die Studie trägt den Titel „Gapometer“ – abgeleitet vom englischen Begriff „gap“ für Lücke – und beschreibt, mit welchen Ansätzen der Kältemittel-Phase-down in Europa, der sich aus der novellierten F-Gase-Verordnung ergibt, umgesetzt werden kann bzw. muss. Dass eine Lücke im Kältemittelangebot entstehen wird, ist unausweichlich – spätestens 2018 wird diese schmerzhaft zu spüren sein, wenn die erste große Phase-down-Stufe greift. Die Herausforderung besteht nun darin, die richtigen Schritte einzuleiten – und zwar rechtzeitig –, damit die zur Verfügung stehende Kältemittelmenge trotzdem für alle neuen und bestehenden Kälte- und Klimaanlagen ausreicht. Betrachtet man die Größenordnung der einzelnen Phase-down-Stufen, so wird jedem die Notwendigkeit klar, dass dringend Maßnahmen erforderlich sind – und zwar bevor erste Kältemittelverbote greifen und bevor die Preise drastisch anziehen.

2018 kommt eine Kältemittelreduzierung um 44 %

Basis aller Betrachtungen ist der gemittelte Kältemittelverbrauch der Jahre 2009 bis 2012 in Europa. Umgerechnet in CO2-Äquivalente – je höher der Treibhauseffekt (GWP) eines Kältemittels ist, umso mehr CO2-Äquivalente bringt es in die Waagschale – ergibt das eine Gesamtmenge von 183 Megatonnen (Mt) CO2. Diese sinkt 2018 auf nur noch 115 Mt CO2. In den 183 Mt CO2 fehlt jedoch noch das Kältemittel (ca. 22 Mt CO2), das über vorbefüllte Anlagen in den Markt gebracht wird. Bei den Phase-down-Stufen wird diese Menge dann allerdings ebenfalls mit eingerechnet. 2018 werden also insgesamt 90 Mt CO2 weniger  Kältemittel verfügbar sein als heute – das entspricht einem Rückgang um etwa 44 % im Vergleich zu 2015. Bis 2030 geht es mehreren Stufen weiter abwärts, bis nur noch 38 Mt CO2 in den Markt gebracht werden dürfen.

Low-GWP-Kältemittel und Leckagen

Ray Gluckman, der die Gapometer-Studie mit seinem Beratungsunternehmen im Auftrag von EPEE erstellt hat, erläuterte diese in Brüssel im Detail. Als dringend erforderliche Maßnahme bei Neuanlagen bezeichnete er den Einsatz von Kältemitteln mit niedrigem GWP. Was angesichts der seit Jahren bestehenden Kältemitteldiskussion wie eine banale Binsenweisheit klingt, hat dennoch einen ernsten Hintergrund, denn trotz der F-Gase-Verordnung werden in Europa nach wie vor etliche neue Kälte- und Klimaanlagen verkauft, die mit Hoch-GWP-Kältemitteln arbeiten. So mancher Betreiber und ihn beratender Anlagenbauer hat eben die Zeichen der Zeit nach wie vor noch nicht erkannt. Gluckman forderte bei Neu- und Bestandsanlagen auch ein viel stärkeres Engagement, die Kältemittelleckagen zu reduzieren und durch entsprechende Anlagentechnik geringere Füllmengen anzustreben. Bei den Leckagen steht vor allem die Gewerbekälte am Pranger, bei der die jährliche Leckagerate bis 2018 auf unter 10 % sinken muss, um nicht den zu erwartenden Kältemittelengpass zusätzlich zu verschärfen – die Zahlen gelten wohlgemerkt für ganz Europa; in Deutschland sieht es sicher heute schon besser aus.

Retrofit und Wiederaufbereitung

Bei Bestandsanlagen – vor allem bei R404A-Anlagen – müsse noch intensiver die Verwendung von Kältemittel mit niedrigem GWP als Retrofit-Lösung forciert werden, führte Gluckman weiter aus. Und hier sei Tempo gefordert: Bis Ende 2017 müsse es u.a. gelingen, die Hälfte aller Supermarktanlagen auf Low-GWP-Kältemittel umzustellen. Auch die Nutzung von wiederaufbereitetem Kältemittel sei ein wichtiger Ansatzpunkt, um die Folgen des Phase-downs abzuschwächen. Dies erfordert allerdings eine größere Sorgfalt beim Umgang mit den Recyclingflaschen, die möglichst sortenrein zu befüllen sind, damit sie in einer Wiederaufbereitungsanlage überhaupt genutzt werden können. Andernfalls bleibt nur die thermische Spaltung in die Ausgangsstoffe, was aber der Kältemittelquote nicht hilft.

Bei Klimaanlagen wird ein drastischer Wechsel auf Anlagen mit dem Kältemittel R32 oder mit HFO-Blends unvermeidlich sein. Und ganz generell wird man, wo immer es sinnvoll und sicher möglich ist, auf natürliche Kältemittel umschwenken müssen, was aufgrund der Brennbarkeit bzw. Toxizität der Substanzen erhöhte Sorgfalt bei Installation und Betrieb erfordert.

Die Gapometer-Studie betrachtet auch die verwendeten Mengen an CO2-Äquivalenten in den jeweiligen Anwendungsbereichen von Kälte- und Klimaanlagen und um welchen Anteil diese jeweils sinken müssen, um die geforderten Quoten zu erreichen. Den größten Brocken wird die Gewerbekälte schlucken müssen. Bis 2018 müssten hier ca. 47 Mt CO2 eingespart werden. Die Indus­triekälte wird auf ca. 12 Mt CO2 verzichten müssen, mobile Klimaanlagen auf 15 Mt CO2. Und aus einem anderen Blickwinkel betrachtet: Für Neuanlagen werden 36 Mio. Mt CO2 und für Bestandsanlagen 30 Mt CO2 weniger zur Verfügung stehen. 24 Mt CO2 müssen durch wiederaufbereites Kältemittel ersetzt werden – das sind beachtliche 27 % der gesamten Kältemittelmenge. Ob hierfür in allen Ländern die erforderlichen Lieferketten und Aufbereitungsanlagen zur Verfügung stehen, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Bekannte Kältemittel verschwinden

Betrachtet man die Summe aller GWP-Werte der eingesetzten Kältemittel und errechnet einen Mittelwert, so wird Kältemittel in Neuanlagen in der Gewerbekälte 2018 einen durchschnittlichen GWP von 750 haben müssen, um den Phase-down zu meistern, ab 2020 wird dieser auf unter 500 sinken. Was bedeutet dies für die einzelnen Kältemittel? In der Gewerbekälte wird R404A ab 2018 nahezu vollständig vom Markt verschwinden, R134a spätestens ab 2022. Nicht brennbare Kältemittelgemische mit einem GWP zwischen 1400 und 2100, die derzeit noch den Löwenanteil ausmachen, werden sich ab 2022 bei etwa 10 % einpendeln, den größten Anteil wird CO2 als Kältemittel ausmachen. Kältemittelgemische mit geringer Brennbarkeit werden in der Gewerbekälte dann ca. 25 % Marktanteil haben.

Bei kleineren und mittleren Klimaanlagen wird der durchschnittliche GWP von knapp über 2000 im Moment auf 1500 im Jahr 2018 und auf 750 im Jahr 2022 sinken müssen. Dieses bedeutet bei Klimaanlagen einen kontinuierlichen Phase-out von R410A, das spätestens ab 2022 fast vollständig von R32 und HFO-Blends ersetzt wird.

Fazit zum Gapometer

Als größte Hindernisse, die dazu führen könnten, dass die Ziele nicht erreicht werden, nannte Ray Gluckman die Ignoranz vieler Marktteilnehmer, die teils unbegründete Sorge von Betreibern und Anlagenbauern brennbare Kältemittel einzusetzen, zu wenige für neue Kältemittel geeignete Komponenten, zu geringes Tempo bei der Umrüstung von Altanlagen, ein Mangel an Fachkräften und auch die noch zu geringen Preise für Kältemittel mit hohem GWP – viele hätten bis 2014 noch entsprechende Kältemittelmengen mit hohem GWP gebunkert, so dass die Verknappung und damit einhergehende Verteuerung derselben zu langsam geschehe.

All dies sind äußerst ambitionierte Ziele, die nur erreicht werden können, wenn alle Akteure der Branche sich engagiert beteiligen: Betreiber, Anlagenbauer, Endkunden, Komponentenhersteller, Kältemittellieferanten, Behörden und Weiterbildungseinrichtungen.

Ein erklärendes Video zum EPEE-Gapometer gibt es in verschiedenen Sprachen auf Youtube – unter diesem Link finden Sie es in deutscher Sprache: https://www.youtube.com/watch?v=dwOeId4ohNk.

Brexit bremst EU-Vorhaben

Andrea Voigt, Director General bei EPEE, und Fanny van der Loo, Mitarbeiterin im EPEE-Team in Brüssel, berichteten auf der Pressekonferenz über weitere Themen, die die EU derzeit beschäftigen. In Zeiten von wachsenden Terrorgefahren, Flüchtlingsströmen, Freihandelsabkommen, der Finanzkrise in Griechenland und nicht zuletzt dem Volksentscheid zum Brexit, dem eventuellen Austritt Großbritanniens aus der EU, ist es verständlich, dass so manches andere Vorhaben, das unsere Branche betrifft, derzeit mit etwas geringerem Engagement vorangetrieben wird. So sind die ErP- (Ökodesign-)Richtlinien im Moment größtenteils auf Eis gelegt. Man will anscheinend vor der Brexit-Entscheidung vermeiden, dass durch weitere EU-Vorgaben evtl. eine negative Berichterstattung in den Medien forciert wird. Ob sogar die eigentlich ab Juli 2016 unter anderem für Flüssigkeitskühlsätze und Verflüssigungssätze geltende Ökodesign-Verordnung ENTR LOT1 noch Aufschub bekommt, wurde auf der EPEE-Pressekonferenz unterschiedlich bewertet – ein kleines Fragezeichen sollten aber alle noch dahinter machen. Für die meisten Hersteller in diesen Produktsegmenten hätte dies jedoch nur geringe Auswirkungen, da sie ihre Produktpalette schon lange entsprechend der Verordnung angepasst und optimiert haben.

Brexit hin oder her – extrem viele EU-Vorhaben setzen derzeit den Fokus auf die Themen Energie und Umwelt. Zum einen strebt die EU eine größtmögliche Unabhängigkeit von Energielieferungen aus Nicht-EU-Ländern wie Russland an, zum anderen werden die EU-Ziele – Senkung der Treib­hausgasemissionen, Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien und Erhöhung der Energieeffizienz – mit viel Nachdruck verfolgt. Hier hat das Pariser Klimaschutzabkommen für Bewegung gesorgt. „Dies war ein ganz wichtiger Schritt nach vorne. Jetzt muss es dringend in den nationalen Parlamenten umgesetzt werden“, forderte Fanny van der Loo.

Nach Auffassung von Andrea Voigt ist die Heating & Cooling-Strategie der EU, die im Februar 2016 veröffentlicht wurde, ebenfalls ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. EPEE engagiert sich bei diesem Thema, damit die europäischen Bürokraten eine ganzheitliche Sichtweise bei der Erarbeitung der Strategie berücksichtigen. Den in der Strategie formulierten starken Fokus auf Nah- und Fernwärme bzw. -kälte sah Andrea Voigt z.B. kritisch. EPEE setze in der Argumentation eher auf Technologieoffenheit, ohne dabei natürlich die energiepolitischen Ziele aus dem Auge zu verlieren. Man sollte sich auch nicht zu sehr nur auf die Energieeffizienz von Produkten konzentrieren, sondern auch eine optimierte Wartung, Planung und In­stallation von Kälte- und Heizungsanlagen forcieren. Produkte lassen sich halt leichter regulieren als der Sachverstand der am Bau Beteiligten. Zum Teil werde hier aber der Bogen überspannt und die Hersteller würden an die Grenzen des technisch Machbaren geführt – zumal diese nicht nur die Energieeffizienzforderungen erfüllen, sondern gleichzeitig auch die F-Gase-Verordnung umsetzen müssten.

Die eingeführten Energielabel für diverse Anlagen bezeichnete Voigt als guten Ansatz, sie forderte aber eine Überarbeitung, da die Label einerseits für viele Verbraucher zu komplex seien und andererseits schon an ihre Grenzen stießen. Wer kann schon mit einem A+++ etwas anfangen und was helfen Energieklassen von A bis G, wenn alle Geräte sich nur im Bereich von A+++ bis B bewegen? Hier müsse man zurückkehren zu klar verständlichen Symbolen und einer Neujustierung der Effizienzklassen, um eine Steuerung des Kaufverhaltens bei Nutzern zu erzielen.

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