„Sie sitzen alle in einem Boot!“

UBA-Infoveranstaltung zur F-Gas-Verordnung

Die Zeit der HFKW-Kältemittel läuft ab! Mit dieser unmissverständlichen Aussage begrüßte Dr. Christian Meineke, BMUB, am 2. Februar 2018 die Teilnehmer einer Informationsveranstaltung zur F-Gas-Verordnung im Umweltbundesamt (UBA) in Dessau. Dort sollte die Branche über die Auswirkungen des Phase-downs sowie klimaschonende Kältemittelalternativen informiert werden. Die Veranstaltung lieferte dann aber für die ausgewiesenen Kältemittelexperten im Saal wenig neue Erkenntnisse. Und Zeit für einen konstruktiven fachlichen Austausch blieb ebenfalls kaum.

Im Vorfeld der Veranstaltung in Dessau hatte die „Bonner Stimme“ (BIV, VDKV, ZVKKW) in Richtung BMUB und UBA gefordert, einen „Runden Tisch“ der Kälte-Klimabranche zu organisieren, um in einem konstruktiven Kreis Lösungen für die durch den Phase-down der F-Gase absolut unvorhersehbaren Schwierigkeiten für Kälte-Klima-Fachbetriebe und Betreiber von kälte- und klimatechnischen Einrichtungen zu erarbeiten. Aus dem ursprünglich angedachten „Runden Tisch“ in kleinerem Kreis zum Zweck eines intensiven Meinungsaustauschs machte das UBA dann eine große Infoveranstaltung, zu der gut 100 Teilnehmer erschienen. Zu einem echten Austausch in Form einer offenen Diskussion kam es dann in diesem Umfeld leider nicht, weil der Großteil der Zeit für Plenarvorträge genutzt wurde, in denen den Anwesenden zwar neue Zahlen und Statistiken geboten wurden – Antworten auf die konkreten Fragen blieben die Vertreter der Umweltbehörden jedoch meist schuldig, bzw. es wurde deutlich, dass unsere Branche bei ihren Problemen keine große Unterstützung zu erwarten hat. Zumindest im Rahmen einer Podiumsdiskussion konnten einige Sorgen der Branche an das UBA und BMUB adressiert werden.

Wahl zwischen Pest und Cholera

In seiner Begrüßungsansprache bezeichnete Wolfgang Plehn, UBA, den Bereich der Supermarkt-Kälte als Beweis dafür, dass man mit alternativen Kältemitteln erfolgreich den Anforderungen der F-Gas-Verordnung entsprechen könne. Es stimmt natürlich, dass in diesem Segment ein Kältemittel wie CO2 hervorragend eingesetzt werden kann. Hier machen es sich viele Politiker und Behördenvertreter aber zu einfach, wenn man sich immer nur diese Anwendung herauspickt, die geschmeidig läuft, die relativ einfach ohne F-Gase funktioniert, für die die erforderlichen Komponenten verfügbar sind und jahrelange Erfahrungen vorliegen. Was man bei großen Klimaanlagen, mobiler Kälte, Tiefsttemperaturanwendungen etc. tun könne, darauf ging Wolfgang Plehn dann auch lieber erst gar nicht ein. Und auch Dr. Christian Meineke, BMUB, blieb in seinem Grußwort äußerst unkonkret, wie die bereits jetzt existierenden Probleme der Branche gelöst werden können. So lobte er die F-Gas-Verordnung vor allem deshalb, weil sie den Vorteil der Flexibilität biete und man entscheiden könne, welchen Weg man einschlagen wolle. Unsere Branche hat bei manchen Anwendungen allerdings nur die Wahl zwischen Pest und Cholera – aber schön, dass wir zumindest flexibel entscheiden dürfen. Sehr konkret war dann jedoch seine oben bereits erwähnte Feststellung, dass die Zeit der HFKW ablaufe.

50 Euro/Tonne CO2

Dies machte auch Arno Kaschl deutlich, der in der Europäischen Kommission, Generaldirektion Klimapolitik, mitverantwortlich ist für den Bereich der fluorierten Gase. Zunächst stellte er noch einmal die allseits bekannten Grundlagen und Inhalte der F-Gas-Verordnung vor, verbunden mit dem Hinweis, dass vor allem der Phase-down der Kern der Verordnung sei. Die darin enthaltenen Verbote seien vergleichsweise einfach umzusetzen. Was in Bezug auf die Kältemittelpreise noch auf uns zukommen wird, machte Arno Kaschl ebenfalls deutlich. Die schon 2017 mehr als deutlich spürbaren Preisanstiege seien „im erwarteten Rahmen“. Ein Preis von 50 Euro pro Tonne CO2-Äquivalente sei langfristig zumutbar. Eine Beispielrechnung soll das verdeutlichen: 1 kg R404A entspricht knapp 4 t CO2-Äquivalente; macht also 200 Euro pro Kilogramm, die noch zu erwarten sind – eine Kältemittel-Havarie in einer Großanlage kann damit für den Betreiber existenzbedrohende Auswirkungen annehmen. Aber UBA und BMUB seien ja nur für die Umwelt zuständig, hieß es in Dessau. Für solche wirtschaftlichen Aspekte möge man sich daher an das Wirtschaftsministerium wenden – und dies solle die Branche am besten selbst übernehmen, da es in Bezug auf die Kommunikation zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium nicht immer zum Besten bestellt sei.

Auf die großen Probleme, die unsere Branche bei manchen Anwendungen in Bezug auf umsetzbare und finanzierbare Kältemittellösungen hat, gab es von Arno Kaschl eine ernüchternde Antwort: „Die F-Gas-Verordnung beinhaltet kein Krisenreaktionsin­strument.“ Veränderungen am Quotensystem seien nicht bzw. nur mit sehr großem zeitlichen Vorlauf möglich. In Artikel 15 der Verordnung würde zwar von der Möglichkeit von Ausnahmefällen gesprochen, aber dies werde sehr restriktiv betrachtet und ganze Sektoren auszuklammern, sei nicht vorgesehen. Wenn es für gewisse Anwendungsfälle keine Alternative zu Hoch-GWP-Kältemitteln gebe, müsse die Branche halt an anderer Stelle Quote einsparen. Und aus Sicht des Umweltschutzes laufe alles nach Plan: Die Emissionen würden fallen, der Verbrauch an HFKW-Kältemittel ebenfalls, die Firmen würden ihre Quoten einhalten und es gebe keine Anzeichen für illegalen Handel. Arno Kaschls Fazit lautete dann: „Sie sitzen alle im gleichen Boot. Die Reaktion aller Marktteilnehmer bestimmt die Weichheit der Landung. Ich halte das Jahr 2018 für ambitioniert, aber machbar.“

Abweichungen von der Gapometer-Roadmap

Andrea Voigt, General Manager EPEE (European Partnership für Energy and the Environment) gab in ihrem Vortrag zunächst noch einmal eine Zusammenfassung der Gapometer-Studie, die in der KKA bereits mehrfach erläutert wurde. Sie lieferte aber auch spannende neue Zahlen aus europaweiten OEM-Markterhebungen zum Status quo der Kältemittelsituation – wohlgemerkt die Aussagen gelten für ganz Europa. So liegt der Anteil der Verwendung von R410A bei kleinen, neuen Splitanlagen (<3 kg) im erwarteten und erhofften Bereich des sogenannten „Gapometer-Roadmaps“ – das heißt, ca. 65 % der in 2018 neu installierten Geräte verwenden nach wie vor R410A, bis 2021 müsse und werde dies wohl auch auf etwa 20 % sinken. Bei größeren Klimaanlagen (>3 kg) gebe es allerdings erhebliche Abweichungen. 2018 liegt der erwartete R410A-Anteil noch bei ca. 90 % der Neuanlagen, 80 % müssten es laut Roadmap eigentlich sein. Und die Prognose sieht nicht gut aus: 2021 müsste der Anteil der größeren R410A-Anlagen eigentlich bei ca. 25 % liegen, die Hersteller rechnen aber mit über 60 %. Bei größeren Füllmengen sei es aber auch nicht so einfach, Kältemittelalternativen wie z.B. R32 einzusetzen, weil es einerseits Restriktionen wegen der Brennbarkeit gebe und weil andererseits viele Handwerker nicht das nötige Know-how hätten, erklärte Andrea Voigt die Situation.

Was die Reduzierung der Leckagen in Kälte- und Klimaanlagen betreffe, gebe es relativ gute Nachrichten. Diese seien rückläufig und würden mit der Gapometer-Roadmap übereinstimmen. Die vom Markt genannten Zahlen seien jedoch mit Vorsicht zu genießen, weil sich die schwarzen Schafe wahrscheinlich nicht geoutet hätten. In Bezug auf die Umrüstung auf Niedrig-GWP-Alternativen hinke der Markt aber dem Fahrplan deutlich hinterher. Und in vielen Fällen habe man bei einer Umrüstung noch auf Kältemittel mit zu hohem GWP zurückgegriffen. Die Priorität der Prioritäten lautet laut Andrea Voigt jedenfalls: „Sofortiger Ausstieg aus der Verwendung von R404A und R507A.“ Diese Aussage verband sie mit der Forderung nach einer Anpassung der baurechtlichen Verordnungen und sicherheitstechnischen Vorschriften, um den Einsatz brennbarer Kältemittel vorantreiben zu können, sowie dem Aufruf an die Handwerker, sich schnellstmöglich die erforderliche Kompetenz für den Umgang mit neuen bzw. brennbaren Kältemitteln anzueignen. „Der Phase-down ist zu schaffen, aber es wird kein Spaziergang“, so ihr Resümee.

HFKW-Verbrauch in Deutschland

Kerstin Martens, UBA, stellte in ihrem Vortrag aktuelle Marktzahlen in Bezug auf den HFKW-Verbrauch in Deutschland vor. Aus der Fülle des präsentierten Datenmaterials sollen an dieser Stelle einige Kennwerte herausgegriffen werden:

Der HFKW-Verbrauch in Deutschland (in CO2-Äquivalenten) ist von 2015 bis 2016 um 13 % zurückgegangen.

Wurden 2009 noch 38 % der stationären Anlagen bei der Erstbefüllung mit einem Kältemittel mit einem GWP > 2500 ausgestattet, so sank dieser Wert auf 19 % im Jahr 2016.

Bei der Nachbefüllung sieht es schlechter aus: 2009 kam in 48 % der Fälle ein Kältemittel mit GWP > 2500 zum Einsatz, 2016 immer noch bei 45 % der Anlagen, bei einem gleichzeitigen Anstieg der Gesamtmenge um 22 %.

Der Durchschnitts-GWP der HFKW-Verwendungsmengen hat sich von 2009 bis 2016 leider kaum verändert (ca. 1800). Der Rückgang im Bereich der Erstbefüllung von Neuanlagen wird durch einen Anstieg bei der Nachfüllung kompensiert.

„Probleme an der Front“

Die UBA-Veranstaltung in Dessau endete mit einer Podiumsdiskussion, an der neben Arno Kaschl und Andrea Voigt auch Frank Heuberger, Bundesinnungsverband, Harald Conrad, Westfalen AG, und Hans Verolme, Climate Advisers Network, teilnahmen. Zum Auftakt machte Frank Heuberger unmissverständlich klar, wer die Auswirkungen der F-Gas-Verordnung an erster Stelle zu spüren bekommt: „Wir als Kälteanlagenbauer sind diejenigen an der Front, die im Gespräch mit dem Kunden Rede und Antwort stehen müssen. Wir fühlen uns von Politik und Behörden mit dieser Aufgabe alleine gelassen.“ Seine Erfahrungen aus Kundengesprächen hätten gezeigt, dass Betreiber – mit Ausnahme des Bereichs Supermarkt – kaum wüssten, was da auf sie zukomme. Und hier müssten die Behörden auch vor der eigenen Türe kehren – bei praktisch allen öffentlichen Ausschreibungen würde deutlich, dass keinerlei Kenntnis rund um die F-Gas-Verordnung vorhanden sei. Bei vielen Planern sehe es aber genauso aus. Ein weiteres Problem bestehe in der oft langen Zeit, die zwischen erster Planung und Realisierung eines Projekts vergehen könne. Nun müssten Anlagen realisiert werden, bei deren Planung die Inhalte und Auswirkungen der F-Gase-Verordnung noch gar nicht absehbar gewesen seien. Als weitere Hemmnisse in Bezug auf die Umsetzung der Verordnung nannte Heuberger baurechtliche Hemmnisse, was den Einsatz brennbarer Kältemittel betreffe sowie den Mangel an Fachkräften, die sich mit natürlichen Kältemitteln auskennen.

Auf welche Kältemittel sollte man als Betreiber und Kälteanlagenbauer nun setzen? Hans Verolmes Aussage trägt sicher nicht zur Beruhigung bei. Er betrachtet die vielerorts stattfindende Umstellung auf Kältemittel mit mittelhohem GWP als einen Fehler. „Wer jetzt auf diese umstellt, steht in zehn Jahren vor dem gleichen Problem.“ Und er rief jeden Einzelnen in der Branche auf, jetzt aktiv zu werden. „Wer nur darauf hofft, dass der Nachbar etwas unternimmt, macht einen Fehler. Dann schaffen wir die F-Gas-Verordnung nicht. Jeder muss Niedrig-GWP-Kältemittel einsetzen.“ Arno Kaschl unterstrich diese Aussage: „Wer heute noch zu R404A rät, handelt schlicht fahrlässig.“

Ob man tatsächlich in diesem Jahr noch die Wahl haben wird, welches Kältemittel man einsetzen möchte, sei dahingestellt. Man wird wohl unter Umständen das nehmen müssen, was ein Lieferant an Kältemittel überhaupt noch verfügbar haben wird. „Wir werden natürlich versuchen, unsere Stammkundschaft auch 2018 zu beliefern – mit welchem Kältemittel und in welcher Menge ist jedoch unsicher. Wir können nur das verkaufen, was wir haben“, betonte Harald Conrad in diesem Zusammenhang. Und auch er betrachtete die wirtschaftlichen Auswirkungen für Betreiber mit Sorge: „Eine Havarie an einer großen Kälteanlage kann existenzbedrohend werden.“ Die Wortmeldung eines Betreibers im Publikum machte das deutlich: „Wenn unsere Anlagen stillstehen, weil aufgrund eines Kältemittelengpasses eine Kälteanlage ausfällt, haben wir Millionenverluste. Was sollen wir da tun? An wen können wir uns wenden?“ Die Antwort der Behördenvertreter war sicher keine Beruhigung: „Die F-Gas-Verordnung ist starr. Da können wir nicht helfen.“ Immerhin ist das UBA bereit, bei Aufklärungsaktionen für Betreiber mitzumachen – organisieren bzw. initiieren könne man dies jedoch nicht. Hier seien die Verbände gefordert.

Ernüchterndes Fazit

Das Fazit der UBA-Veranstaltung war daher unterm Strich ernüchternd. Die Kälte- und Klimabranche steht mit der Umsetzung der F-Gas-Verordnung ziemlich alleine da. Ein offenes Ohr für konkrete Probleme gibt es beim UBA und BMUB kaum – aus Sicht des Umweltschutzes läuft ja alles wie gewünscht. So wurde die im Vorfeld der Dessauer Veranstaltung von neun Branchenverbänden gemeinsam erstellte Verbändeposition zum F-Gas-Phase-down noch nicht einmal erwähnt, geschweige denn, dass man sich auf der Veranstaltung damit konstruktiv auseinandergesetzt hätte. Es stimmt sicher, wie es mehrfach in Dessau zu hören war, dass alle Beteiligten bei der F-Gas-Verordnung im gleichen Boot sitzen. UBA, BMUB und die Europäische Kommission sind jedoch nicht mit an Bord – sie haben das Boot nur in unsichere Gewässer auslaufen lassen und betrachten das Ganze lieber vom Ufer aus.

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