Lüftungstechnik im Pandemiefall

Der richtige Umgang mit RLT-Anlagen und Sekundärluftsystemen

Die Raumluftqualität in Gebäuden sollte für Immobilienbetreiber immer ein wichtiges Thema sein, doch leider wurde sie in der Vergangenheit oftmals eher stiefmütterlich behandelt. Das hat sich geändert, seit der breiten Öffentlichkeit bewusst geworden ist, dass das Lüften ein wesentlicher Bestandteil der Pandemiebekämpfung ist. Doch was gilt es in diesem Zusammenhang zu beachten?

Nachdem zu Beginn der Pandemie zunächst die Schmierinfektion, also eine Aufnahme der Keime über das Berühren kontaminierter Flächen, beispielweise von Haltegriffen in öffentlichen Verkehrsmitteln, mit anschließender Verbringung an die eigenen Schleimhäute, als vorrangige Infektionsquelle angesehen wurde, sind im weiteren Verlauf der Pandemie und damit einhergehenden, vermehrten wissenschaftlichen Untersuchungen, zunehmend die Aerosole, in den Fokus geraten, die beim Atmen, Sprechen, Singen oder Husten automatisch freigesetzt werden. Zur Vermeidung der Aerosol-Ausbreitung wurden Abstands- und Hygieneregeln (Niesen, Husten; Händehygiene) sowie die allgemeine Maskenpflicht („Alltagsmaske“), kurz die AHA-Regel, eingeführt, die aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse später um das „+L“ für das Lüften ergänzt wurde.

Mit dem Wissen um die Infektionsgefahr durch luftgetragene Krankheitserreger ist die Qualität der Raumluft verstärkt in die allgemeine Wahrnehmung und die öffentliche Diskussion geraten. Die Medien nehmen viele der Verlautbarungen rund um das Infektionsgeschehen, nicht nur zum Thema der Raumluftqualität, auf und reagieren mit mehr oder weniger plakativen Meldungen auf die Äußerungen von Experten der Lüftungs- und Klimatechnik, von Medizinern, Virologen oder Politikern. Die umfassende Information der Bevölkerung ist wichtig, problematisch wird es aber, wenn Halbwahrheiten oder gänzlich falsche Äußerungen den Weg in die Presse finden.

 

Lüftungssysteme

Bleibt die Frage zu erörtern, wie denn nun pandemiegerecht gelüftet werden kann. Bei Räumen, die für eine Nutzung durch Menschen vorgesehen sind, muss der Luftaustausch zwingend vorgesehen sein. Üblicherweise wird das Lüftungskonzept im Verlauf der Planungsphase durch Abwägungen des Zusammenspiels von Raumgeometrie und -nutzung einerseits und den Anforderungen an die Lüftung andererseits erarbeitet und baulich umgesetzt. Aspekte des Infektionsschutzes spielen bei üblichen RLT-Anlagen, die nicht für Sondernutzungen vorgesehen sind, eine untergeordnete Rolle. Die unterschiedlichsten Lüftungssysteme sind dabei denkbar: eine freie Lüftung mittels Fenster oder Schächten, ein hybrides Lüftungssystem aus freier und mechanischer bzw. maschineller Lüftung, eine rein maschinelle Lüftung oder Mischformen aus verschiedenen Systemen. Jede Art der Lüftung hat ihre Vor- und Nachteile und muss auf ihre Eignung bezüglich des pandemiegerechten Lüftens gesondert betrachtet werden. Im Folgenden werden Hinweise zum Umgang mit bestehenden maschinellen Lüftungsanlagen und Sekundärlüftungsgeräten für Nichtwohngebäude gegeben.

 

RLT-Zentralgeräte

Zunächst die gute Nachricht: Wer eine korrekt geplante und betriebene raumlufttechnische Anlage (RLT-Anlage) einsetzt, ist „auf der sicheren Seite“. Die Experten sind sich einig, dass ein Austausch der Raumluft mit – unbelasteter – Außenluft das Mittel der Wahl ist. Bei RLT-Anlagen, die definitionsgemäß mit Außenluft oder zumindest anteilig mit Außenluft betrieben werden, ist ein Luftaustausch sichergestellt. Doch trifft das auch auf die eigene, individuell geplante und errichtete Anlage zu und wurde ein ausreichender, den aktuellen Empfehlungen entsprechender Luftwechsel vorgesehen? Antworten darauf gibt der BTGA-Praxisleitfaden „Planung und Betrieb von RLT-Anlagen bei erhöhten Infektionsschutzanforderungen“ [1].

Eine Grundlage für die Anlagendimensionierung von Wohngebäuden bildet die Norm DIN 1946 Teil 6 [2], bei Nichtwohngebäuden sind es einige Teile der Normenreihe DIN EN 16798 [3]. Die besonderen Anforderungen, die sich aus der aktuellen Situation ergeben, sind dort verständlicherweise bisher nicht berücksichtigt. Daher sind gesonderte Überlegungen anzustellen.

Nicht jede Anlage ist gleich gut geeignet, um den Anforderungen in einem Pandemiefall zu genügen. Es gibt jedoch einige Grundsätze, die für den Betrieb von RLT-Anlagen bei erhöhten Infektionsschutzanforderungen beachtet werden sollten. Die folgende Auflistung gibt dazu Hinweise:

Die RLT-Anlage sollte mit dem größtmöglichen Außenluftvolumenstrom betrieben werden. Berechnungsmodelle und Strömungssimulationen verschiedener Hochschulen und Fachexperten zeigen auf, dass ein Außenluftvolumenstrom von ca. 50 m³/h pro Person angestrebt werden sollte. Dieser Wert entspricht dem Auslegungsluftvolumenstrom für eine Büronutzung gemäß DIN EN 16798 Teil 1 [4] nach Kategorie I. Kann dieser Wert durch die Anpassung der Betriebsweise der RLT-Anlage nicht erreicht werden, sind auch organisatorische Maßnahmen, etwa eine Verringerung der Anzahl anwesender Personen im Raum, hilfreich.

Die Betriebszeiten sollten über die Nutzungszeiten hinaus ausgedehnt werden. Etwa eine Stunde vor der geplanten Raumnutzung sollte die RLT-Anlage in Betrieb genommen werden, danach sollte sie für ca. zwei Stunden weiter betrieben werden.

Falls die RLT-Anlage für einen Umluft-/Misch­luftbetrieb ausgelegt ist, sollte dieser möglichst vermieden werden. Dazu sind die Umluftklappen (wenn vorhanden) zu schließen. Sofern ein Umluftbetrieb aus technischen Gründen nicht vermieden werden kann, sind weitere Maßnahmen erforderlich. Dazu sollten zunächst organisatorische Maßnahmen, dann auch technische Lösungen in Betracht gezogen werden.

Der entscheidende Unterschied zwischen Umluft und Sekundärluft besteht darin, dass bei der Sekundärluft einem Raum die Luft entnommen, diese behandelt und demselben Raum wieder zugeführt wird, wohingegen bei der Umluft die einem Raum entnommene Luft meist mit Außenluft vermischt, behandelt und auch anderen Räumen als Zuluft wieder zugeführt wird, wodurch Aerosole in andere, bis dahin nicht belastete Räume, übertragen werden können. Die mögliche Aerosolbelastung kann durch die Kombination von Filtern verschiedener Klassen deutlich verringert werden. Einige Experten empfehlen den Einsatz der Filterkombinationen von Feinfiltern nach der Normenreihe DIN EN 16890 [5] mit der Mindestqualität ePM1 60 %. Einen Berechnungsansatz zur Ermittlung möglicher Filterkombinationen bietet der Status-Report 52 des FGK [6]. Da durch den Einsatz dieser Filterkombination ein höherer interner Druckverlust im Zentralgerät zu erwarten ist, muss vor einem Umbau die Anlagenfunktion bei diesen Betriebsverhältnissen geprüft werden.

 

Sekundärluftgeräte

Falls eine Aufrüstung der Zentralgeräte mit Umluftanteil (nur für diese Geräte ist der Einsatz von hochwertigeren Filterkombinationen erforderlich) nicht möglich ist, können mit entsprechenden Filtern ausgestattete Sekundärluftgeräte zum Einsatz kommen. Durch die Verwendung von Filtern der Klasse HEPA 13 oder besser nach DIN EN 1822 [7], kann die Virenlast bei korrekter Planung der Geräte nahezu vollständig vermieden werden.

Ist eine Nachrüstung bestehender RLT-Zentralgeräte mit Umluftanteil aus technologischen Gründen nicht möglich, kann die Virenlast durch den Einsatz von Luftdesinfektionsgeräten reduziert werden, bei denen vorrangig die Bestrahlung mit UV-C-Licht zum Einsatz kommt. Auch dem Einsatz dieser Geräte sollte eine Fachplanung vorausgehen, um eine optimale Wirkung zu erzielen.

Sind keine RLT-Zentralgeräte installiert, kann der Einsatz der vorgenannten Sekundärluftgeräte unter Beachtung eines hygienisch erforderlichen Mindestluftwechsels in Betracht gezogen werden. Ein Indikator für den Mindestluftwechsel ist der Anteil von CO2 in der Raumluft, der in ppm (parts per million) angegeben wird, wobei ein Wert von 1.000 ppm CO2 nicht überschritten werden sollte.

Bei jeder Verwendung von Sekundärluftgeräten ist auf eine korrekte Bedarfsplanung für den jeweiligen Anwendungsfall und die richtige Auswahl der Geräte zu achten. Ein besonderes Augenmerk sollte auf die Schallleistung gelegt werden. Sind die Geräte im Regelbetrieb zu laut, werden sie von den Nutzern nicht akzeptiert und entweder auf eine niedrigere Betriebsstufe geschaltet oder gänzlich außer Betrieb genommen, womit das Ziel des Infektionsschutzes verfehlt würde.

Schließlich dürfen auch Aspekte der Anlagensicherheit nicht außer Acht gelassen werden.  Zu denken wäre hier u.a. an Geräte, die mit der auch für den Menschen schädlichen UV-C-Strahlung arbeiten. Bei diesen Anlagen darf keine Strahlung nach außen dringen, sie müssen so robust aufgebaut sein, dass sie z.B. auch einem harten Schulalltag standhalten.

 

Fazit

Werden bestehende RLT-Anlagen nach fachlicher Bewertung entsprechend auf- bzw. umgerüstet sowie möglicherweise erforderliche Sekundärluftgeräte korrekt dimensioniert und platziert, kann bei gleichzeitiger Umsetzung der AHA-Regeln ein ausreichender Infektionsschutz gewährleistet werden, sodass sich die Bilder von dick eingepackten, frierenden Kindern in Klassenzimmern nicht wiederholen müssen.

Literatur

[1] BTGA-Praxisleitfaden: www.btga.de, kostenfreier Download möglich

[2] DIN 1946-6 „Raumlufttechnik – Teil 6: Lüftung von Wohnungen – Allgemeine Anforderungen, Anforderungen an die Auslegung, Ausführung, Inbetriebnahme und Übergabe sowie Instandhaltung“

[3] DIN EN 16798 „Energetische Bewertung von Gebäuden – Lüftung von Gebäuden“

[4] DIN EN 16798-1 „Teil 1: Eingangsparameter für das Innenraumklima zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden bezüglich Raumluftqualität, Temperatur, Licht und Akustik“

[5] DIN EN ISO 16890 „Luftfilter für die allgemeine Raumlufttechnik“

[6] FGK Statusreport 52: www.fgk.de, kostenfreier Download möglich

[7] DIN EN 1822 „Schwebstofffilter (EPA, HEPA und ULPA)“

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