Herausforderung: Historisches Gebäude

Miniatur Wunderland
mit großer Klimatechnik

Herausforderung: Historisches Gebäude der Hamburger Speicherstadt

In der Ausstellung der größten Modelleisenbahnanlage der Welt tummeln sich am Tag bis zu 5000 Menschen, um die einmalige Miniaturwelt zu betrachten und zu bestaunen. Die Anlage mit einer reinen Ausstellungsfläche von jetzt 1300 m² mit 930 Zügen auf insgesamt 13 Kilometern verlegten Gleisen, 8850 zum Teil fahrenden Autos und Schiffen, sowie einem einmaligen Lichtermeer aus über 300 000 einzelnen Lichtern befindet sich in einem Gebäude der historischen Speicherstadt in Hamburg. Die dynamische Entwicklung dieser Ausstellung, die erst in Jahr 2000 eröffnet wurde und im Dezember 2012 ihren 10-millionsten Besucher begrüßen durfte, machte es notwendig ältere vorhandene Lüftungs- und Kältetechnik mit moderneren und leistungsstärkeren Aggregaten zu ersetzen.

Hindernisse für die Klimatechnik

Gerade die Architektur des historischen Gebäudes, das die Ausstellung beherbergt, führt zu besonderen Herausforderungen bezüglich der Klimatisierung der Räume. Die Besucher sollen in gut belüfteten Räumen in angenehmer Atmosphäre ohne Zugerscheinungen (Modelleisenbahnzüge ausgenommen) die Ausstellung genießen können. Die Deckenhöhe in den ursprünglichen alten Speicherböden ist größtenteils jedoch nur 2,5 m Meter. Hinzu kommt, dass in dem historischen Gebäude beim Bau keinerlei Wege für Lüftungskanäle vorgesehen waren, und diese mühsam und mit hohem Aufwand erst geschaffen werden mussten.

Im touristisch aktiven Umfeld des Gebäudes gibt es keinerlei Aufstellflächen, um Aggregate für die Erzeugung der notwendigen Kälteleistung unterzubringen. Die gesamte Lüftungs- und Kältetechnik ist innerhalb der historischen und optisch ansprechenden Gebäudehülle installiert. Frischluft und Fortluft müssen über bestehende Dachgauben zu- und abgeführt werden.

Erweiterung der Ausstellung und technische Herausforderungen

Die stetige Erweiterung der Ausstellung, zuletzt durch die Bereiche des Knuffingen Airports mit 150 m², des neu gestalteten Restaurantbereichs und des im Moment in Bau befindlichen neuen Italien-Abschnitts mit weiteren 170 m² machte es notwendig, gleichzeitig zusätzliche Lüftungsgeräte und Kälteaggregate zu installieren. Die durch die hauseigene Planungs- und Haustechnikabteilung (Dipl.-Ing. Dirk Rahe und Andreas Hasselmann) erstellten Planungen für die aktuellen Erweiterungen begannen 2009. Sie wurden im Laufe des Jahres 2012 umgesetzt und manche Bereiche sind zum Teil jetzt noch im Bau.

Die klimatechnische Aufgabe war, 600 kW zusätzliche Kälteleistung zur Verfügung zu stellen und die Luftleistung für die Ausstellungsfläche, Büros, Technik- und Sozialräume zu erhöhen. Dafür stand ausschließlich der bis dahin als Lager genutzte Dachboden des historischen Speichergebäudes zur Verfügung. Erst eine detaillierte Statikberechnung führte zu einer Lösung, mit der der bis dahin für solche Lasten nicht vorgesehene Dachboden tauglich gemacht werden konnte. Durch Auslegen der gesamten Aufstellfläche mit Stahlträgern und gleichmäßige Verteilung der Lasten konnte der vier Tonnen schwere Kühlturm (inklusive Wasserlast) und die drei Tonnen schwere Kältemaschine sicher aufgestellt werden, neben den vier Puffertanks mit insgesamt 4 m³ Puffertankvolumen.

Die größten Probleme machte die Abführung der Wärmemenge von 720 kW, da große Durchbrüche in der Gebäudehülle nicht genehmigungsfähig waren. Auch die Nutzung des umgebenden Wassers der Elbe in den Fleeten war wegen geltender Vorschriften ausgeschlossen. Die von der Haustechnikabteilung gewählte Lösung ist ein offener Kühlturm, dessen Fortluftschacht durch einen begrenzten Durchbruch in der der Stadt abgewandten Dachseite reicht und der so von der attraktiven Gebäudefront aus nicht zu sehen ist. Die Frischluftmenge für den Kühlturm wird durch eine mit einem Wetterschutzgitter versehene Dachgaube auf der Gebäuderückseite angesaugt. Die maximale Luftmenge, die über den Radialventilator des Kühlturms gefördert wird, beträgt  60 000 m³/h und erzeugt damit eine Strömungsgeschwindigkeit in der Gaubenöffnung von 4m/sec.

Die Einbringung aller Anlagenteile musste über eine 2 x 2 m große Dachgaube unter Beachtung der Statik des Transportwegs zum endgültigen Standort erfolgen. Der Kühlturm wurde dazu in Einzelteilen angeliefert und erst im Inneren des Dachbodens endgültig aufgebaut.

Besondere Aufmerksamkeit musste dem Risiko einer Wasserleckage gewidmet werden, denn unter der im Dachboden aufgebauten Kältetechnik, mit insgesamt acht Kubikmetern Kühl- und Kaltwasser in den Geräten, Pufferspeichern und der Verrohrung, befindet sich die Ausstellung mit der Modelleisenbahnanlage. Um hier das Risiko eines schweren Wasserschadens an der Modelleisenbahnanlage zu minimieren, wurde die Fläche unter der kältetechnischen Anlage vollständig mit einer starken wasserdichten Folie ausgelegt. Die dadurch geschaffene Wanne kann das gesamte Wasservolumen der Kalt- oder der Kühlwasserseite aufnehmen, ohne dass Wasser durch den Boden auf die darunterliegende Ausstellungsanlage läuft.

Klimatechnische Besonderheiten

Die Lage des Gebäudes, in dem sich das Miniatur Wunderland befindet, ist geprägt durch den Hamburger Hafen und die Speicherstadtarchitektur. Vor und hinter dem Gebäude verlaufen Wasserwege. In der Ausstellung befinden sich bis zu 1200 Besucher, die oft in Gruppen vor den Highlights der Ausstellung zusammendrängt stehen.

Die Miniatureisenbahnanlage ist auf eine Unterkonstruktion, die überwiegend aus Holz besteht, aufgebaut. Änderungen der Raumluftfeuchte müssen von der Lüftungsanlage in einem engen Band gehalten werden, andernfalls führen Verformungen in der Schienenanlage zum Entgleisen der Modelleisenbahnzüge. Diese müssen dann mühsam von Hand wieder auf die Schienen gesetzt werden.

Der Feuchtekontrolle in der Raumluft muss also große Aufmerksamkeit gewidmet werden. Zusätzlich kann, je nach Wetterlage, die angesaugte Frischluft wegen der umliegenden Wasserflächen eine hohe relative Luftfeuchte aufweisen. Insgesamt führt dies zu einem hohen Spitzenbedarf an Kühlleistung, um die notwendige Entfeuchtungsleistung in den Lüftungsgeräten zu gewährleisten, während zu anderen Zeiten zwar stetig, aber nur in geringerem Maße, Kühlleistung gebraucht wird. Bei einem solchen Lastverlauf macht sich besonders der Vorteil der eingesetzten Kältemaschine mit Turbocor-Verdichtern bemerkbar, die im Teillastbereich sehr hohe Wirkungsgrade von bis zu über 10 (EER) erreicht.

Aufbau der Kälteversorgung

Die Anlage zur Erzeugung der notwendigen Kälteleistung von knapp 600 kW für den Ersatz der älteren Kältetechnik und die zusätzlich notwendige Leistung für die Ausstellungserweiterungen besteht aus einem offenen Kühlturm mit 720 kW Rückkühlleistung mit zugehöriger Wasseraufbereitungstechnik und einem wassergekühlten Kaltwassersatz mit zwei Turbocor-Verdichtern. Aus Redundanzgründen wurden die Kühlwasserpumpe und die Kaltwasserpumpe vom gleichen Typ gewählt, so dass mit einer auf Lager gehaltenen Ersatzpumpe jede dieser beiden Pumpen schnell ersetzt werden kann. Die Wasseraufbereitung besteht aus einer Leitfähigkeitsmessung und -steuerung mittels Abschlämmventil, der Enthärtungsanlage zur Vermeidung von Verkalkung im Kühlturm, und der Biozid-Dosierung zur Vermeidung der Verkeimung des Kühlwassers.

Alle Antriebe sind über Frequenzumrichter drehzahlgesteuert. Der Frequenzumrichter der Kühlwasserpumpe erhält ein Signal aus einem Drucksensor im Kaltwassersatz. So können zu tiefe Verflüssigungsdrücke vermieden werden. Die Drehzahl des Kühlturmventilators wird zur Leistungsregelung und Energieeinsparung über die Kühlwasservorlauftemperatur gesteuert. Die Drehzahl der Kaltwasserpumpe wird bei stehenden Verdichtern reduziert, um Energieeinsparungseffekte zu nutzen. Über zwei Schaltschränke mit den Frequenzumrichtern und Steuerungen wird der Betrieb automatisiert und die Regelung der Aggregate erreicht.

Im kurzen Sommer 2012 lief die Anlage ohne Störungen, allerdings noch nicht unter voller Last, da ein Teil der Lüftungsgeräte noch nicht in Betrieb waren.

Fazit

Durch geschickte Auswahl der Aggregate und sorgfältige Detailplanung entstand versteckt unter dem Kupferdach des historischen Speicherstadtgebäudes in Hamburg eine kältetechnische Anlage, die den Bedürfnissen der Ausstellungsbetreiber entspricht und durch beste Energieeffizienz einen Beitrag zum ökologischen Anspruch der Betreiber leistet. Der Schwerpunkt der Planungsvorgabe war die Einsparung von Energie. Im Vergleich zu den bestehenden Kältemaschinen mit Spiralverdichtern sollte der Stromverbrauch erheblich gesenkt werden. Durch den Teillastbetrieb der Turbocor-Verdichter und Umstellung der LTG`s auf  8 bis 13 °C wurde ein Einsparpotential von 56 % ermittelt. Der Verbrauch im Sommer/Herbst 2012 bestätigt den Wert mit 58 % vorläufig.

Durch feinverzahnte Zusammenarbeit der verschiedenen Gewerke konnte die Anlage innerhalb von nur vier Wochen bei laufendem Betrieb in der Ausstellung eingebracht, aufgebaut und in Betrieb gesetzt werden. Eine Präsentation der neuen klimatechnischen  Anlage hat das Miniatur Wunderland in einem eigens gedrehtem Video unter folgendem Internet-Link veröffentlicht: http://tagebuch.miniatur-wunderland.de/eintrag/gerrits-tagebuch-vol-33-klimasteuerung-bilder-testfluegen-china-eastern-a330.

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