Nachhaltiges Energiekonzept mit Latent-Energiespeicher
TWK Karlsruhe-Stutensee weiht modernen Neubau ein
Nach jahrzehntelangem Bemühen konnte am 22. April 2016 die neue Wirkungsstätte der Valerius-Füner-Stiftung und ihrer „Tochter“, der TWK GmbH, eingeweiht werden. Besonderes Augenmerk wurde bei der Planung und beim Bau des Gebäudes auf ein nachhaltiges Energiekonzept gelegt.
Ein Blick in die Geschichte: Der gute Ruf von Karlsruhe als eines der kältetechnischen Zentren in Deutschland geht auf Prof. Rudolf Plank zurück, der die Kältetechnik 1925 an der TH Karlsruhe etablierte und 1926 das weltweit erste kältetechnische Institut gründete. Einer seiner Schüler, Prof. Valerius Füner, führte die Kältetechnik 1948 am damaligen Staatstechnikum Karlsruhe ein, der heutigen Hochschule Karlsruhe. 1952 baute Prof. Füner mit Hilfe von Spenden aus der Industrie ein kältetechnisches Labor auf und rief den ersten kältetechnischen Fortbildungslehrgang (kurz: „Kältekurs“) ins Leben. Er leitete diese Kurse bis 1979. 1980 führte sein Nachfolger an der Fachhochschule Karlsruhe, Prof. Johannes Reichelt, diese Lehrgänge fort und baute sie wesentlich aus. 1980 wurde die Fachhochschule Karlsruhe auch eine von drei in Deutschland zugelassenen, neutralen DIN-Prüfstellen für Wärmepumpen und Kältetechnik. Die Mess- und Prüfaktivitäten wurden seitdem ebenfalls immer stärker ausgebaut. 1987 erfolgte der Anschluss an die Steinbeis-Stiftung unter der Bezeichnung „Transferzentrum für Kälte- und mobile Klimatechnik Karlsruhe“. 1996 kam es zur Gründung der TWK GmbH – Test- und Weiterbildungszentrum Wärmepumpen und Kältetechnik. 2001 schließlich gründete Prof. Reichelt mit Hilfe von Spenden aus der Kälteindustrie die Valerius-Füner-Stiftung und übergab die TWK GmbH 2004 kostenlos an diese Stiftung.
Umzug nach Stutensee
Räumlich hat sich das Institut mehrfach verändert. 1997 wurde in der Floridastraße 1 in Karlsruhe ein Gebäude außerhalb der Fachhochschule Karlsruhe für die kältetechnische Weiterbildung und Prüfstelle bezogen und 2005 wurde eine Laborhalle neben dem bisherigen TWK-Gebäude erstellt. Doch schon unmittelbar nach dem Einzug Anfang 1997 in das gemietete Gebäude wurde die Suche nach einem Gebäude oder Grundstück fortgesetzt. Mehrere Bauplätze und Gebäude wurden begutachtet und zahlreiche Baupläne erstellt, bis schließlich Anfang 2015 auf einem Grundstück in Stutensee-Blankenloch (nördlich von Karlsruhe) das Bauprojekt nach Plänen der Architekten Adolf Knoll und Robert Fox beginnen konnte.
Latent-Energiespeicher statt Erdsonden
Da sich die TWK und die Stiftung als Eigentümerin verpflichtet sahen, den Schulungsteilnehmern und der Öffentlichkeit ein zukunftsfähiges Gebäude mit einem nachhaltigen Energiekonzept zu präsentieren, wurde die Gebäudetechnik besonders sorgfältig geplant und realisiert. Befeuert durch die steigenden Preise für Primärenergie war der Wunsch nach einem niedrigen Energiebedarf und am Standort möglichst keine CO2-Emissionen zu erzeugen, von Anfang an fest im Blickfeld der Bauherrschaft. Schon sehr früh wurde klar, dass die heterogene Nutzung als Prüfstelle für kältetechnische Komponenten und Anlagen und als Bildungseinrichtung für berufliche Aus- und Weiterbildung im Bereich der Wärmepumpen sowie mobile und stationäre Kältetechnik einschließlich Verwaltung versorgungstechnisch über einen Energieverbund mit thermischer Speichermöglichkeit verknüpft werden muss. Die naheliegende Lösung, mit Hilfe von Erdwärmesonden überschüssige Wärme aus der Prüfstelle in den Untergrund einzuleiten, um sie für die Gebäudeheizung im Winter wieder nutzen zu können, konnte wegen der für den Standort bestehenden Bohrtiefenbegrenzung auf nur 40 m aus wirtschaftlichen Gründen nicht weiter verfolgt werden. Die Überlegung, anstelle von Erdsonden einen unterirdischen Latent-Energiespeicher einzusetzen, brachte die Verantwortlichen auf die richtige Fährte. Die Prüfstelle liefert während des Jahres mehr Abwärme, als das Gebäude zur Beheizung benötigt. Allerdings ist das Abwärmeangebot sehr volatil, d. h. die Verfügbarkeit ist stark schwankend, unbeständig, nicht planbar. Zudem steht die Abwärme auf einem niedrigen Temperaturniveau zur Verfügung, welches nicht direkt zur Beheizung nutzbar ist. Ohne Wärmepumpen und geeignete Speichermöglichkeiten wäre die verfügbare Abwärme nicht nutzbar und damit verloren.
Flächentemperiersysteme
Eine wichtige Voraussetzung für die Verwendung von industrieller Abwärme sind für Niedertemperaturen geeignete Wärmeübergabesysteme, wie die Industrieflächenheizung in der Prüfhalle und im Erdgeschossfußboden des Schulungsgebäudes. Die aus Spannbeton-Paneelen bestehenden Geschosstrenndecken im Erdgeschoss und im Obergeschoss beinhalten ebenfalls Flächentemperierungssysteme, welche die Räume individuell heizen und kühlen. Lediglich in den thermisch höher belasteten Schulungsräumen unterstützen zusätzliche Kühlkonvektoren die sommerliche Raumkonditionierung. Auch die Raumlüftungsanlage mit integrierter Wärmerückgewinnung begnügt sich mit niedrigen Mediumtemperaturen. So wurden die Voraussetzungen für ein ganzheitliches Planungskonzept für effiziente Energienutzung geschaffen.
Funktionsweise des Energiespeichers
Unter dem Parkplatz ist ein zylinderförmiger Betonbehälter mit ca. 90 m3 Fassungsvermögen als Energiespeicher eingebaut, in dem die Abwärme aus dem Prüfstellenbetrieb gespeichert werden kann. Im Erdreich unter der Bodenplatte liegen Kunststoffleitungen, durch die anfallende Abwärmeenergie aus den Prüfständen zum Energiespeicher geführt wird. Während der Heizperiode holen sich die Sole/Wasser-Wärmepumpen im Ausstellungsraum die gespeicherte Wärmeenergie zurück und beliefern die Räume mit der erforderlichen Heizwärme von etwa 30 °C. Der Strombedarf liegt bei weniger als 25 % der gelieferten Heizwärmeenergie.
Bei starkem Wärmeentzug und gleichzeitig geringem Wärmeeintrag aus der Prüfstelle wechselt das im Energiespeicher enthaltene Wasser zunehmend in den Gefrierzustand. Beim Wechsel vom flüssigen in den festen Aggregatzustand steht sehr viel Wärmeenergie zur Verfügung, welche die Wärmepumpen auch bei einer längeren Betriebsruhe der Prüfstelle zur Gebäudeheizung nutzen werden. Sollte sich der Energievorrat im Speicher dem Ende nähern, dann unterstützen zusätzliche, im Außenbereich aufgestellte Luft/Wasser-Wärmepumpen die Versorgung des Gebäudes mit Heizenergie. Wenn der Abwärmeeintrag den Wärmebedarf des Gebäudes jedoch übersteigt und die Temperatur im Latent-Energiespeicher den eingestellten Grenzwert übersteigt, dann sorgt ein zusätzlicher Wasserkühlsatz hinter der Prüfhalle für die Rückkühlung des Energiespeichers.
Partner und Sponsoren
Das gewählte Energieversorgungskonzept wurde im Rahmen des öffentlichen Förderprogramms „Klimaschutz-Plus“ des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg am 29.10.2013 eingereicht. Am 12.12.2014 erteilte die L-Bank den Zuwendungsbescheid für einen Zuschuss aus Landesmitteln.
Weil im Laufe der Projektplanung Zent-Frenger von Uponor übernommen wurde, war eine Aufteilung der Leistungsabschnitte notwendig geworden. Die bauteilintegrierten Heiz-/Kühlflächen in den Fertigteildecken waren im Lieferumfang des Bauunternehmers Speeter unter Bauleitung von Hans Anderl enthalten. Die Fa. Kreilac lieferte und montierte im direkten Auftrag die Uponor-Industrieflächenheizung. Die Akustik-Deckensegel und Kühlkonvektoren kamen von Zent-Frenger. Für die Wärme- und Kälteverteilanlagen mit Technikzentrale ist die Fa. Herrmann unter Führung des Obermonteurs Christian Brunner verantwortlich. Die komplette Mess-Steuer-Regeltechnik wurde von der TWK in Eigenleistung erbracht. Tobias Schaar von Engineering Consult übernahm die Planungsarbeiten im Lüftungs- und Sanitärbereich.
Die eingebauten acht Wärmepumpen wurden der TWK kostenlos zur Verfügung gestellt: Es handelt sich um vier Luft/Wasser-Wärmepumpen vor dem Haus, drei Sole/Wasser-Wärmepumpen und eine Warmwasser-Wärmepumpe innerhalb des Hauses der Firmen ait-deutschland, Bosch Thermotechnik, EHT Haustechnik (AEG), IDM Energiesysteme, Mitsubishi Electric Europe, Stiebel Eltron, Viessmann-Wärmepumpen und Wolf. Die Wärmepumpen heizen und kühlen das Gebäude, an ihnen sollen Laborübungen mit Kursteilnehmern durchgeführt werden, sie dienen zu Demonstrationszwecken für Besucher und Lehrgangsteilnehmer (ca. 1.500 pro Jahr) und mit allen acht Wärmepumpen sollen in Verbindung mit den Herstellern Workshops organisiert werden.
Die Firma Combitherm stellte der TWK einen Wasserkühlsatz kostenlos zur Verfügung. Unterstützt wurde er dabei von den Firmen Bitzer (Verdichter), Chemours (Kältemittel), Güntner (Verflüssiger), Siemens (Drosselventil) und SWEP (Verdampfer).
Der richtige Mann zur richtigen Zeit war Yannick Friess, der unter direkter Betreuung von Fritz Nüßle seine experimentelle und theoretische Master-Thesis am Eis-Latentspeicher durchgeführt hat und dafür die Bestnote von seinem Betreuer an der Hochschule Karlsruhe, Prof. Michael Kauffeld, erhalten hat. Auch etliche Wochen nach Abschluss seiner Masterarbeit hat er bei dem Projekt weiter mitgeholfen. Seine Arbeit wurde auf dem Uponor-Kongress in St. Christoph am Arlberg als beste mit dem Blue-U-Award ausgezeichnet.