Planungssicherheit in der Kältetechnik
Erfolgreiches Fachforum Kältetechnik
Bereits zum dritten Mal nach 2015 und 2017 tourte das KKA-Fachforum Kältetechnik durch fünf Städte in Deutschland, um über das wichtige Thema der Planungssicherheit in der Kältetechnik zu informieren. In Hamburg, Dortmund, Stuttgart, Leipzig und Nürnberg präsentierten die Firmen Bitzer, Chemours, Combitherm, ebm-papst und Güntner ihre technischen Lösungen und Serviceangebote, damit Planer, Anlagenbauer und Betreiber auch künftig Kälteanlagen zukunftssicher und rechtskonform realisieren können.
Intelligente Verdichtertechnik
Grauguss 4.0 – unter dieser auf den ersten Blick widersprüchlichen Formulierung informierten Andreas Riesch und Sebastian Edelmann von der Firma Bitzer (www.bitzer.de) über neueste Entwicklungen im Bereich der Verdichtertechnik. Ausgestattet mit einer Fülle an Steuerungs-, Kommunikations- und Überwachungsfunktionen ermöglicht ein moderner Verdichter viel mehr, als ein Gusskorpus vermuten lässt. Er ist Herz und Gehirn einer Kälteanlage gleichermaßen. Die Bitzer-Referenten stellten auf dem Fachforum Kältetechnik zunächst die wichtigsten Entwicklungs- bzw. Innovationsziele des Unternehmens vor. Zusammengefasst geht es darum, Produkte zu entwickeln, die
für Kältemittel mit niedrigem Treibhauseffekt (GWP) geeignet sind,
eine hohe Effizienz in Voll- und Teillast haben
und eine einfache Auslegung, Bedienbarkeit und Wartung mit hochentwickelten Elektronikmodulen ermöglichen.
Natürliche Kältemittel, HFO-Kältemittel und Niedrig-GWP-Gemische sind zunehmend im Kommen. Bitzer hat sich schon immer sehr frühzeitig mit den Anwendungsmöglichkeiten neuer Kältemittel befasst – und auch mit „alten“ Kältemitteln, die lediglich etwas aus dem Blick geraten waren. Die beruhigende Info für Anwender: Für die allermeisten Kältemittel sind bei Bitzer entsprechende Verdichter mit den erforderlichen Freigaben verfügbar. Diese Freigabe kann auch bei Kältemitteln, die erst in der jüngsten Vergangenheit auf den Markt gekommen sind, meist relativ schnell erfolgen, wenn es sich um Gemische mit bekannten Komponenten handelt. Dann liegen die erforderlichen Erfahrungswerte vor – vor allem in Bezug auf die einsetzbaren Öle ist dies ein wichtiger Zeitfaktor. Schwieriger wird es bei Exoten ohne entsprechende Erfahrungswerte. Hierzu zählt z.B. R13I1, eine jodhaltige Substanz in R466A. Hier sind noch Prüfungen erforderlich und Langzeittests müssen durchgeführt werden.
Welche Verdichter mit welchen Kältemittel einsetzbar sind, darüber kann sich jeder Anwender in der BEST-Software informieren. Alle Kältemittel, die in der Bitzer-Software enthalten sind, sind offiziell für die jeweils aufgeführten Verdichter freigegeben – die Software liefert dann alle Leistungsdaten und technischen Informationen. Bei nicht aufgeführten Kältemitteln, sind u.U. auch Sonderauslegungen denkbar, die dann mit Bitzer abgestimmt werden müssten.
Bei brennbaren Kältemitteln wie Propan oder A2L-Kältemittel kommt oft die Frage auf, ob ATEX-Verdichter erforderlich sind, was jedoch nicht zwingend der Fall ist. Bitzer hat eine Risikobewertung für brennbare Kältemittel vorgenommen und gibt Empfehlungen für technische Sicherheitsmaßnahmen, bzw. hat diese bereits in den Standardverdichtern umgesetzt. Meist kommt man auf diese Weise um die Verwendung von ATEX-Verdichtern herum.
Mit der Vorstellung des Bitzer Digital Networks, das in Kürze verfügbar sein wird, warfen die Bitzer-Referenten einen Blick in die (nahe) Zukunft. Dabei handelt es sich um eine cloudbasierte Plattform mit diversen Online- und Offline-Funktionen. Dazu zählen z.B. aktuelle Zustandsinformationen, die Online-Überwachung der verbundenen Verdichter, Live-Monitoring, Datenanalyse, Alarmübersicht, Predictive Maintenance (vorausschauende Wartungsplanung) etc.
Sichere Ventilatoren
Nicht nur der Verdicher, auch der Ventilator hat sich von der simplen Komponente zu einem intelligenten Bestandteil einer Kälteanlage entwickelt. Die vielfältigen Funktionen stellte Nico Timmermann (ebm-papst) in seinem Vortrag vor. Der Ventilator ist heutzutage in der Lage, als Echtzeitdatensensor zu fungieren und die eingesetzte Elektronik der neuesten Generation ermöglicht viele Überwachungsfunktionen und Kommunikationsmöglichkeiten. Diverse Werte können am Ventilator ausgelesen werden: z.B. Drehzahl, Drehrichtung, Freigabestatus, Sollwert, Betriebsart, Eingangsleistung, Temperaturen, Aussteuergrad, Sensorwerte (z.B. externe Sensoren für Druck und Temperatur), Warnungen, Energieverbrauch, Betriebsstunden, Motorstatus. Um diese Fülle an Daten im Blick behalten zu können, kann man diese auch in einem individuell konfigurierbaren Dashboard grafisch übersichtlich darstellen.
Eine Zustandsüberwachung und eine vorausschauende Wartung sind ebenfalls mit intelligenten Ventilatoren möglich. Ein Beispiel ist die Vermeidung von zu hohen Schwingstellen, die durch Resonanzen und Unwuchten entstehen können. Eine Resonanz tritt je nach Anwendungsfall bei unterschiedlichen Drehzahlen auf. Ungünstige Schwingungen führen zu höheren Geräuschen und u.U. zum Ausfall einer Komponente. Neue ebm-papst-Ventilatoren führen daher einen Kalibrierlauf durch und entdecken so ungünstige Resonanzdrehzahlen. Diese können nach dem Erkennen künftig übersprungen werden. Diese Drehzahlbereichs-Übersprungfunktion trägt enorm zur Erhöhung der Lebensdauer eines Ventilators bei. Diese wird übrigens in der Regel nicht vom Ausfall der Elektronik bestimmt, sondern vom Zustand des Lagers. Der Zustand der Lager kann durch eine hochempfindliche Sensorik überwacht werden, die die relevanten Parameter am Motor erfasst. Zusätzlich wird auch der Zustand des Zwischenkreiskondensators erfasst.
Brennbare Kältemittel sind auch für ebm-papst ein wichtiges Thema. Oft besteht die Auffassung, dass beim Einsatz von brennbaren Kältemitteln zwingend Ex-Schutz-Ventilatoren eingesetzt werden müssen. Das ist so nicht unbedingt der Fall und ist je nach Einsatzgebiet unterschiedlich zu bewerten. ebm-papst hat iQ- und NiQ-Motoren für verschiedene Anwendungen mit brennbaren Kältemitteln geprüft, die in vielen problemlos eingesetzt werden können, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Keine Funken im Inneren und keine unzulässig hohen Oberflächentemperaturen sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Für Fälle, in denen zwingend Ex-Schutz-Ventilatoren vorgeschrieben sind, hat ebm-papst aber auch entsprechende Varianten im Angebot.
Zukunftssichere Wärmetauscher
Um Planern, Anlagenbauern und Anwendern Planungs- und Betriebssicherheit zu ermöglichen, hat der Wärmetauscherhersteller Güntner in den vergangenen Jahren viel in die Schaffung verlässlicher Produktdaten investiert, wie Güntner-Referent Heinz Jackmann ausführte. Der Aufwand hierfür im Bereich Forschung & Entwicklung ist sehr groß. Ob Volumenstrom, Effizienz oder Schalldaten – alle Daten werden exakt überprüft. Es werden zahlreiche Strömungssimulationen durchgeführt, flankiert von realen Messungen im Labor. Ziel ist es, optimale Strömungsverhältnise im Gerät und damit eine bessere Effizienz und ein geringeres Geräuschverhalten zu erreichen. Auch verschiedene Aufstellsituationen werden genau untersucht. Wie verhält sich ein Wärmetauscher je nach Windrichtung, Abstand untereinander und zu anderen Bauteilen? Wie kann man Luftkurzschlüsse vermeiden? Welcher Abstand zur Wand und zur Decke ist optimal? Wie kann die Anströmung verbessert, wie die Wurfweite optimiert werden? Diesen Erfahrungsschatz kann Güntner mit Kunden teilen, bzw. dieser ist in die eigene Berechnungssoftware eingeflossen. Ergebnis: Güntner bietet verlässliche Produktdaten und eine qualifizierte Anwendungsberatung.
Die Reduzierung der Kältemittel-Füllmengen war ein weiterer Aspekt im Vortrag von Heinz Jackmann. Hier sind sogenannte Minitube-Wärmetauscher eine gute Lösung. Statt der früher üblichen 12 mm Rohrdurchmesser werden immer häufiger kleinere Minitubes mit 9, 7 oder sogar 5 mm Durchmesser verwendet. Sie sind besser geeignet für Kältemittel mit hohen Drucklagen, die Füllmengen sinken und die Effizienz des Wärmetauschers wird durch die höhere Kontaktfläche und eine damit einhergehende bessere Wärmeübertragung erhöht. Die Verwendung immer kleinerer Rohrdurchmesser ist aber nicht immer die richtige Lösung. Verdampfer, die im Minusbereich eingesetzt werden, haben den zusätzlichen Aspekt der Reifablagerung zu beachten. Kleine, hocheffiziente Wärmetauscher haben jedoch nicht genügend Platz zur Reifablagerung und müssen viel häufiger abgetaut werden. Hier gilt es eine Balance zu finden je nach Anwendung, wobei die Auslegungssoftware von Güntner hilft, das richtige System auszuwählen.
Brennbare und effiziente Kältemittel
Das Thema Kältemittel zog sich beim Fachforum Kältetechnik wie ein roter Faden durch sämtliche Vorträge. Im Referat von Khaled Gomaa und Horst-Dieter Küpper von Chemours standen diese im Mittelpunkt der Ausführungen. Nach einer Vorstellung der Phase-down-Szenarien und Kältemittelverbote in der F-Gas-Verordnung ging es vor allem um die HFO-Kältemittel, mit denen sich die Branche intensiv befassen muss. Chemours hat hier eine Fülle an Ersatzkältemitteln bzw. Alternativen für die über viele Jahre bekannten Kältemittel wie R134a oder R404A im Portfolio. Leider sind viele davon nicht als sogenanntes Drop-In-Kältemittel in Bestandsanlagen, sondern nur in Neuanlagen einsetzbar. Mit den „neuen“ Kältemitteln sind deutliche GWP-Reduzierungen möglich. So hat z.B. R1234yf als Ersatzkältemittel für R134a nur ein GWP von 1, R454B als Ersatzkältemittel für R410A hat ein 78 % niedrigeres GWP. Langfristig wird man in den meisten Anwendungsfällen entweder natürliche Kältemittel oder Niedrig-GWP-Kältemittel einsetzen müssen, die in der Regel leider brennbar sind. Um die damit einhergehende Gefährdung richtig einschätzen zu können, gaben die Referenten von Chemours einige Erläuterungen zu den Brennbarkeitsklassen von Kältemitteln. Wichtige Parameter sind in diesem Zusammenhang die untere und obere Entzündbarkeitsgrenze, die Brenngeschwindigkeit und die Mindestzündenergie. Bei letzterer ist z.B. der Unterschied zwischen R1234yf und R290 sehr deutlich; ein Zündfunke allein genügt nicht, um R1234yf zu entzünden. Auch die Brenngeschwindigkeiten variieren deutlich. R1234yf brennt mit einer Geschwindigkeit von 1,5 cm/s, Propan mit 46 cm/s. Diese Aussagen wurden im Rahmen des Vortrags auch durch Videos verdeutlicht, in denen die Unterschiede der Brennbarkeit drastisch sichtbar wurden.
Beim Thema Kältemittel geht es aber nicht nur um Umweltaspekte und Brennbarkeit, die Wahl des Kältemittels hat auch Auswirkungen auf die Effizienz einer Kälteanlage. Hier hat Chemours eine Marktstudie begleitet, die die Lebenszykluskosten einer Kälteanlage im Supermarktbereich in Abhängigkeit von der Kältemittelwahl untersucht hat. Es wurden dabei unterschiedliche Supermarktgrößen in den Klimazonen Großbritannien und Spanien mit mehreren Kältemittelvarianten betrachtet. Ergebnis der Studie: Betrachtet man die Lebenszykluskosten über einen Zeitraum von zehn Jahren, schneiden die Kältemittel XL40 und XL40 am besten ab. Hauptaspekt sind hierbei die Betriebskosten. Steckerfertige Propangeräte hatten zwar die niedrigsten Anschaffungs-, aber die höchsten Betriebskosten. Eine Erkenntnis von Chemours aus den Untersuchungen lautet: Die TEWI-Betrachtung sei zu sehr aus dem Blick geraten. Es werde zu viel über die direkten Kältemittel-Emissionen gesprochen. Auch aus Umweltsicht seien die XL-Kältemittel im Vorteil, weil sie geringere CO2-Emisionen durch den geringeren Energieverbrauch hätten. Dies gelte sogar dann noch, wenn man Leckageraten von 15 % zugrunde legt. In einer weiteren Studie, die im Rahmen des Vortrags vorgestellt wurde, wurde eine handelsübliche R410A-Wärmepumpe auf R452B und R454B umgestellt – und zwar als Drop-in, ohne weitere Optimierung des Systems. Ergebnis: Trotzdem konnte eine Leistungssteigerung festgestellt werden.
Durchdachter Anlagenbau
Zum Abschluss des Fachforums Kältetechnik meisterte Combitherm-Geschäftsführer Steffen Klein (www.combitherm.de) die schwierige Aufgabe, aus den vorgestellten Komponenten und Regelmöglichkeiten der Vorredner ein funktionierendes Gesamtsystem zu kreieren, das gesetzeskonform, zukunftssicher und bezahlbar ist. Wichtige Aufgabe für Combitherm ist es dabei, die Fülle an Daten, die die Komponenten einer Kälteanlage bereitstellen können, „einzusammeln“ und in eine übergeordnete Regelung zu überführen. Combitherm setzt hier auf mehrere Optionen bzw. ist an deren Entwicklung beteiligt. Steffen Kleins übergeordnete Fragestellung lautete: Wie erreichen wir langfristige Planungs- und Betriebssicherheit unter Beachtung aller gesetzlichen Auflagen und Verordnungen wie Produktsicherheitsgesetz, Niederspannungsrichtlinie, Maschinenrichtlinie, Druckgeräterichtlinie, F-Gas-Verordnung, EMV-Richtlinie etc.
Bei der Planung von Kälteanlagen dürfe man aber nicht nur an die Technik denken; es seien Menschen, die die Projekte umsetzen und diese mit ganz unterschiedlichen Interessen beeinflussen, mahnte Steffen Klein. Hersteller und Betreiber seien altbekannte Akteure, aber zunehmend kämen auch „externe“ Interessengruppen hinzu. Das sind zum Beispiel Überwachungsstellen, Auditoren oder die Gewerbeaufsicht. Aber auch nicht-fachbezogene Gruppen wie Feuerwehr, Politik, NGO und Nachbarn müsse man im Blick haben, weil diese einem das Leben extrem schwer machen könnten.
Welche Kältemittel haben eine Zukunft? Die Meinung von Steffen Klein hierzu deckt sich nicht unbedingt mit der Sicht aller Akteure des Fachforums. Combitherm setzt derzeit noch auf R134a und R245fa und vor allem auf R513A. Aber auch brennbare HFO-Kältemittel werden verwendet, hier sind sowohl R1234yf als auch R1234ze zu nennen. Aber das ist für Steffen Klein nicht das Ende der Fahnenstange. Wasser, Ethanol und Luft sind „Natur-Kältemittel“, die auch in etwas fernerer Zukunft eine größere Bedeutung erlangen könnten.
Die Kältemittelpreise waren 2017/2018 ein sehr präsentes Thema. Seit 2018 sinken diese aber auch schon wieder. Kleins Prognose: Die Preise werden weiter sinken, dabei aber natürlich nie wieder das Niveau von früher erreichen. Aber trotzdem sei die Situation nicht so dramatisch, wie viele befürchtet hatten. Der Markt habe sich offensichtlich mit der F-Gas-Verordnung befasst und sich angepasst. Der Knackpunkt bei brennbaren Kältemitteln – egal ob A2L oder A3 – sei jedoch für ihn als Hersteller die Druckgeräterichtlinie, in der bezüglich der Brennbarkeit keine Unterschiede gemacht würden. Es sei aber alles in den Griff zu bekommen – jedoch mit mehr oder wenig Aufwand und Kosten.