Potentiale zur Effizienzsteigerung
Von 2009 bis 2030 könnte der Endenergiebedarf zur Kühlung von deutschen Wohn- und Nichtwohngebäuden um bis zu 40 % ansteigen. Zu diesem Ergebnis kommt die Ecofys, Köln, in ihrer 195 Seiten starken Studie „Klimaschutz durch Reduzierung des Energiebedarfs für Gebäudekühlung“, die sie im Auftrag des Umweltbundesamts erstellt hat.
Auf Basis von Analysen, Simulationen und Hochrechnungen für bestehende und neue Mustergebäude werden in der Studie gebäudetechnische Maßnahmen, Optimierungen und Strategien dargestellt, um diese Zunahme zu minimieren.
In einer Hochrechnung analysiert die Ecofys-Studie [1] die in Deutschland vorhandenen Gebäudeflächen im Wohn- und Nichtwohnbereich und ermittelt für verschiedene Gebäudetypen die jeweiligen Endenergiebedarfe zur Kühlung. Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 dargestellt.
Die Daten in Tabelle 1 zeigen deutlich, dass es die höchsten Endenergieverbrauchswerte zur Gebäudekühlung in den Bereichen Handel/Einzelhandel (57 %) und Büro/Verwaltung (26 %) gibt. Obwohl die Wohngebäude (Ein- und Mehrfamilienhäuser) etwa 58 % der gesamten Fläche ausmachen, werden in diesen mit knapp 200 GWh/a lediglich etwa 1 % der gesamten Kühlenergie verbraucht. Auch wenn die Studie davon ausgeht, dass sich bis 2030 in Wohngebäuden der Anteil der Raumkühlung verdoppeln wird, spielt diese Zunahme bei einer Gesamtbetrachtung der Endenergie für Raumkühlung weiterhin eine untergeordnete Rolle.
Die Analysen für Büro- und
Verwaltungsgebäude
Während Wohngebäude heute und künftig überwiegend mit mobilen und Split-Raumklimageräten gekühlt werden, kommen in bestehenden und neuen Büro- und Verwaltungsgebäuden meist technisch anspruchsvollere und aufwändigere Kühlsysteme zum Einsatz. Zu den am meisten eingesetzten Systemen zählen Vollklimaanlagen, Luft-/Wasser-Klimaanlagen (Induktionsgeräte, Ventilatorkonvektoren, Flächensysteme wie Kühldecken oder Betonkerntemperierung mit unterstützender mechanischer Lüftung), aber auch Anlagen zur Umluftkühlung mit Split-, Multisplit- und VRF-Klimasystemen.
Zur Berechnung der Endenergiebedarfe zur Kühlung hat Ecofys Simulationsrechnungen für vier Varianten von Wohngebäuden und für sechs Varianten von neuen und bestehenden Büro- und Verwaltungsgebäuden erstellt, die mit unterschiedlichen passiven (Sonnenschutz) und aktiven Kühltechniken ausgestattet sind. Dabei wurden als Gebäudestandorte Hamburg und Frankfurt/Main festgelegt und als weiterer Parameter ein normaler und ein heißer Sommer (Temperatur plus 2 K gegenüber dem Testreferenzjahr) angenommen. Für alle Varianten werden die Endenergieverbrauchswerte, die mit den jeweiligen Techniken erreichbaren maximalen Raumtemperaturen und jährlichen Überhitzungsstunden über 26 °C sowie die Jahresgesamtkosten ermittelt. Alle Berechnungen und Simulationen für die Büro- und Verwaltungsgebäude beziehen sich auf ein sechsstöckiges Muster-Bürogebäude mit einer Nutzfläche von 2466 m². Dabei wurden folgende Varianten 5 bis 10 des Muster-Bürogebäudes untersucht (Anmerkung: Die Varianten 1 bis 4 galten für die untersuchten Wohngebäude, daher starten die Bürogebäude mit Variante 5):
› Variante 5: Baujahr 1960, Ausführung mit Lochfassade, keine Kühlung, Fensterlüftung
› Variante 6: Baujahr 1970, Ausführung mit Lochfassade, innenliegende Sonnenstores, teilsaniert mit Vollklimaanlage, Luftwechsel 3 bis 10 h-1 in Abhängigkeit von der Kühllast, Zuluft 16 °C
› Variante 7: Baujahr 1978, Ausführung mit Glasfassade, innenliegende Sonnenstores, teilsaniert mit Vollklimaanlage, Luftwechsel 3 bis 20 h-1 in Abhängigkeit von der Kühllast, Zuluft 16 °C
› Variante 8: Baujahr 1982, Ausführung mit Glasfassade, innenliegende Sonnenstores, teilsaniert mit Kühldecken, Luftwechsel konstant 3 h-1, Zuluft 20 °C
› Variante 9: Baujahr 2005, Ausführung mit Glasfassade, externer Sonnenschutz, Betonkerntemperierung, Luftwechsel konstant 2 h-1, Zuluft 20 °C
› Variante 10: Baujahr 2005, Ausführung mit Lochfassade, externer Sonnenschutz, Betonkerntemperierung, Luftwechsel konstant 2 h-1, Zuluft 20 °C
Die Kaltwassererzeugung zum Betrieb der Raumkühlflächen und der Klimaanlagen erfolgt bei allen Varianten mit wassergekühlten Kompressionskältemaschinen. Diese haben bei den Varianten 6 und 7 (Altbauten) einen SEER-Wert von 2,85, bei der Variante 5 einen besseren SEER-Wert von 3,41 und bei den Neubauten (2005) einen SEER von 4,72.
Ohne an dieser Stelle auf die in der Studie für die verschiedenen Varianten sehr ausführlich beschriebenen gebäude- und anlagentechnischen Details einzugehen (zum Beispiel die besseren Wärmedämmungen der Fassaden und Fenster bei den neueren Gebäuden), werden in Tabelle 2 gleich die Ergebnisse der Simulationsrechnungen dargestellt. Eine Interpretation der Ergebnisse aus Tabelle 2 zeigt folgende wichtige Ergebnisse:
› Im ungekühlten Gebäude (Variante 5) stellen sich bei allen Betriebszuständen – also auch bei normalen Sommern – maximale Raumtemperaturen von über 35 °C und zwischen 626 und 1279 Überhitzungsstunden ein. In diesem Gebäude ist im Sommer ein konzentriertes Arbeiten bei erträglichen Temperaturen nicht möglich.
› Bis auf einige Ausreißer im Gebäude 9 (Neubau mit Glasfassade, mechanische Grundlüftung und Betonkerntemperierung) werden in allen gekühlten Gebäuden bei allen untersuchten Varianten Raumtemperaturen von deutlich unter 25 °C eingehalten. Daher gibt es auch keine Überhitzungsstunden. Dies ist ein Indiz dafür, dass durch die Bau- und Anlagentechniken in den Gebäuden 6, 7, 8 und 10 (mit Abstrichen auch im Gebäude 9) eine hohe thermische Behaglichkeit sichergestellt werden kann.
› In Abhängigkeit vom Standort Hamburg oder Frankfurt kann der Endenergieverbrauch eines ansonsten gleichen Gebäudes bei einem heißen Sommer um mehr als sechs Mal höher sein als bei einem normalen Sommer (Gebäude 6, Hamburg normaler Sommer = 11 712 kWh/a im Vergleich zu Frankfurt heißer Sommer = 72 014 kWh/a). Im Durchschnitt beträgt die Zunahme des Endenergieverbrauchs zur Gebäudekühlung am gleichen Standort zwischen einem normalen und einem heißen Sommers etwa 70 bis 100 %.
› Für alle betrachteten Fälle ist der Endenergieverbrauch zur Kühlung im Gebäude 7 (Altbau, Glasfassade, Vollklimaanlage) deutlich am höchsten und liegt doppelt so hoch wie das an zweiter Stelle gelistete Gebäude 8 (Altbau, Glasfassade, Kühldecken). Wie stark sich die Gebäudeausführung mit einer Glasfassade anstelle einer Lochfassade auf den Verbrauch an Kühlenergie auswirkt, zeigt ein Vergleich der Varianten 6 und 7 in Tabelle 2: Am Standort Hamburg ist beim Glasgebäude der Endenergiebedarf zur Kühlung bei einem normalen Sommer um den Faktor 8 höher als beim Gebäude mit Lochfassade, in Frankfurt liegt der Unterschied etwa beim Faktor 5. Die erwartungsgemäß geringsten Kühlenergiebedarfe im Vergleich haben die mit externen Sonnenschutzeinrichtungen ausgestatteten und mit Betonkerntemperierungen und mechanischer Grundlüftung gekühlten Büroneubauten (Varianten 9 und 10). Deren Kühlbedarfe liegen zum Beispiel bei einem normalen Sommer am Standort Frankfurt um etwa den Faktor 4 bis 5 unter denen vollklimatisierter Vergleichsbauten mit Glasfassade (Variante 8).
› In der Studie wurden für die untersuchten Bürogebäude auch die spezifischen Jahresgesamtkosten (Investition, Wartung, Instandhaltung, Energie) bei einem Betrachtungszeitraum von 20 Jahren berechnet. Dabei ergaben sich die ebenfalls in Tabelle 2 und zusätzlich in Bild 1 dargestellten Ergebnisse.
› Im Hinblick auf die Gesamtkosten liegen die Gebäudevarianten 6 (Altbau, Vollklima), 9 und 10 (Neubau, Betonkerntemperierung) mit spezifischen Kosten von etwa 5 bis 7 €/m²a auf einem ähnlichen Niveau. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass im Gebäude 9 die maximalen Raumtemperaturen in allen Fällen mit Werten von 26,5 bis 28,1 °C über den Sollwerten liegen und dadurch die thermische Behaglichkeit nicht gewährleistet ist.
› Spürbar teurer ist der Betrieb des Gebäudes 8 (Altbau, Glasfassade, Kühldecke, Grundlüftung) mit etwa 6 bis 12 €/m²a. Die mit Abstand höchsten Kosten ergeben sich im Gebäude 7 (Altbau, Glasfassade, Vollklimaanlage), die bei etwa 12 bis 26 €/m²a liegen.
› Vergleicht man die Varianten 7 und 8 (Altbauten, innenliegende Sonnenstores), die einmal mit einer Vollklimaanlage (Variante 7) und einmal mit Kühldecken plus mechanischer Grundlüftung (Variante 8) ausgestattet wurden, ergibt sich ein deutlicher Kostenvorteil für die Variante 8 mit Einsparungen von mehr als 100 %.
Strategien zur Verringerung des Kühlenergiebedarfs in Bürogebäuden
In weiteren Simulationen wurden in der Ecofys-Studie für vier der sechs Muster-Bürogebäude Optimierungsmaßnahmen zur Verringerung der zuvor errechneten Endenergiebedarfe zur Gebäudekühlung simuliert. Hierbei wurden unter anderem die Einflüsse von nachgerüsteten externen Sonnenschutzsystemen, von der Nutzung der Nachlüftung mit kühler Außenluft, von energetisch verbesserten RLT-Anlagen (inklusive Verdunstungskühlung) und von effizienteren Büro- und Beleuchtungssystemen untersucht. Die Ergebnisse dieser Maßnahmen auf die sich nun ergebenden spezifischen Kühlbedarfe, die Maximaltemperaturen, die Überschreitungsstunden über 26 °C und die Kosten werden für die verschiedenen Varianten wie zuvor in Tabelle 2 ausführlich dargestellt. Die Ergebnisse dieser Analysen sind in der Langfassung dieses Beitrags nachzulesen.
Betrachtung eines Passivhaus-Bürogebäudes
In Ergänzung zu den zuvor erläuterten Gebäudevarianten wurde in einer weiteren Simulation ein Passivhaus-Bürogebäude untersucht. Dieses besitzt in der Basisausführung einen automatischen Sonnenschutz, eine energieeffiziente Büroausstattung, eine mechanische Lüftungsanlage mit einer hocheffizienten Wärmerückgewinnung sowie eine Sole-Wärmepumpe. Die kühle Sole aus der Erdsonde wird auch zur Kühlung der Zuluft genutzt.
In Varianten a und b wird das Gebäude mit einem Pelletskessel beheizt. Zur Zuluftkühlung wird in Variante a eine adiabate Verdunstungskühlung und in Variante b eine solare Kühlung eingesetzt. Die Ergebnisse sind in Tabelle 3 dargestellt.
Die Ergebnisse
Da bei dem Passivhaus aufgrund der optimierten Bauphysik, des Sonnenschutzes und der effizienten Gebäudetechnik bereits beim Bau viel Geld zur Minimierung des Energieaufwands zum Heizen und Kühlen investiert wurde, sind die Ergebnisse für die geringen Endenergieverbräuche zur Kühlung nicht überraschend. Dies gilt auch für die Gesamtkosten bei der Basisvariante und der Variante 11a von weniger als 1 €/m²a. Allerdings bringt die adiabate Luftkühlung in Variante 11a zur Einhaltung maximaler Temperaturen deutlich weniger Leistung als die Nutzung der Sole in der Basisversion, denn nun steigen die maximalen Raumtemperaturen um 1 bis 1,5 K an und es ergeben sich am Standort Frankfurt bis zu 160 Überhitzungsstunden. Demgegenüber ist die solare Kühlung zwar genauso effizient wie die Kühlung mit der Sole aus den Erdsonden, doch steigen nun die Gesamtkosten von zuvor 1 auf nun etwa 5 €/m²a. Somit ist die Wirtschaftlichkeit dieser Maßnahme zumindest fraglich.
Berechnung der Minderungspotentiale bis 2030
Bei den Analysen und Hochrechnungen der Potentiale zur Verringerung des Energieverbrauchs zur Gebäudekühlung bis zum Jahr 2030 berücksichtigt die Studie folgende Szenarien:
Szenario 1: Technisches Potential
Die Nutzung des „technischen Potentials“ geht von einer sofortigen und kompletten Umsetzung aller ermittelten Möglichkeiten zur Verringerung des Kühlbedarfs aus. Die Ergebnisse dieses Szenarios zeigt Bild 2.
Szenario 2: Realistisches Potential
Das „realistische Potential“ (Szenario 2) berücksichtigt eine sukzessive Marktdurchdringung sowohl durch passive Maßnahmen (Bauphysik, Sonnenschutz) als auch den verstärkten Einsatz regenerativer und effizienterer aktiver Kühlsysteme.
Zusätzlich wurden zwei „Unterszenarien“ entwickelt:
› Das Referenzszenario betrachtet zwar den künftigen Austausch sowie den Zubau und den Rückbau von Gebäudekühlsystemen, aber ohne Berücksichtigung von neueren technischen Entwicklungen. Bei diesem Szenario wird die im Referenzjahr 2009 zur Verfügung stehende Technik in den jeweiligen Gebäudearten eingesetzt.
› Im Gegensatz zum Referenzszenario berücksichtigt das Innovationsszenario technische Weiterentwicklungen von Kühlgeräten/-systemen (bessere Leistungs- und Arbeitszahlen) und auch die künftig stärkere Einbeziehung von regenerativen Energien zur Raumkühlung.
Sowohl beim Referenz- als auch beim Innovationsszenario wurde von folgenden Annahmen ausgegangen:
› Austausch der vorhandenen Kühltechnik durch neue Techniken: 3 %/a
› Zubau an gekühlter Fläche (zusätzliche Ausstattung von Gebäuden mit Kühlflächen): Wohngebäude 10 % pro Jahr, Nichtwohngebäude 2 %/a, Bildungsbauten 4 %/a.
Bei den Betrachtungen „mit Klimaerwärmung“ wurde eine um etwa 2 K höheren Temperatur als das Referenzwetterjahr angenommen. Die Ergebnisse der Rechnungen für die verschiedenen Szenarien zu Entwicklungen der Enderergiebedarfe für die Gebäudekühlung zeigen Tabelle 4 und Bild 3.
Beim Szenario „Umsetzung des technischen Potentials“ (Bild 2) wird davon ausgegangen, dass die im Jahr 2009 verfügbaren Maßnahmen und Effizienztechniken zur Verringerung des Endenergiebedarfs zur Kühlung sofort umgesetzt werden. Dadurch ergeben sich beim Referenzszenario Einsparungen von etwa 33 % und beim Innovationsszenario von 64 %. Wie auch deutlich zu sehen ist, besteht bei den Bürogebäuden (Offices, Administration) das größte Einsparpotential von etwa 5,5 GWh/a (Basis) auf etwa 2 GWh/a beim Referenz- bzw. 1 GWh/a beim Innovationsszenario. Ausgehend von einem Endenergiebedarf zur Gebäudekühlung von rund 21 000 GWh/a ergeben sich die in Tabelle 4 gezeigten möglichen Entwicklungen:
Empfehlungen an die politischen Entscheider
Im Abschlusskapitel „Einflussmöglichkeiten auf den Energiebedarf zur Gebäudekühlung“ erläutert die Studie, dass es in der EnEV und im EEWärmeG bereits Ansatzpunkte gibt, die die Gebäudekühlung behandeln. Allerdings gehen laut Ecofys die Anforderungen in der EnEV und im EEWärmeG besonders bei bestehenden Nichtwohngebäuden, die nicht umfassend modernisiert werden, nicht weit genug – hierzu seien bislang keine kühlspezifischen Ansätze vorhanden und es bestehe ein Nachbesserungsbedarf: zum Beispiel über anzupassende Berechnungsmethoden in der DIN V 18 599 zu Festlegungen maximaler Jahres-Primärenergiekennwerte bei der Kältetechnik und der Raumkühlung unter Einbeziehung der Betonkerntemperierung, der Nachkühlung und der solaren Kühlung. Gleichzeitig müsse eine Verschärfung der Sonneneintragskennwerte erfolgen, um den Gebäudekühlbedarf durch externe Lasten zu verringern. Im Anforderungskatalog des EEWärmeG empfiehlt die Studie, Mindestquoten an regenerativen Kältequellen festzuschreiben, sobald das Gebäude gekühlt wird.