Scrolls, Wärmepumpen und
Wirtschaftskrise

Interview mit Jean Janssen, Emerson Climate Technologies

In einem Interview mit der KKA-Redaktion äußert sich Jean Janssen, Präsident Emerson Climate Technologies in Europa (www.emersonclimate.eu), zu aktuellen Themen, die die Kälte- und Klima-Branche bewegen: Er spannt dabei den Bogen von den Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise, über Anwendungsmöglichkeiten der Scroll-Verdichtertechnik bis hin zu Chancen des Wärmepumpenmarktes.

? Sehr geehrter Herr Janssen, wie beurteilen Sie die Auswirkungen der Wirtschaftskrise in Euro­pa auf die Industrie der Klima-, Kälte- und Heiztechnik?

 

Janssen: Der Beginn der Finanzkrise, die wir in Europa in der 2. Hälfte 2008 erfahren haben, hatte einen beschleunigenden Effekt auf den Konjunkturrückgang, der bereits einige Zeit zuvor eingesetzt hatte. Die stärksten Auswirkungen können wir heute im Bereich der gewerblichen und industriellen Anwendungen sehen, die in den letzten Jahren von starkem Wachstum geprägt waren. Durch einen Mangel an Investitionen und Finanzierungen schrumpft dieses Wachstum nun empfindlich.

? Welcher Markt ist zurzeit besonders hart von den Auswirkun­gen der Krise betroffen: die Klima-, Kälte- oder Heiztechnik?

 

Janssen: Der Bereich Kälte leidet derzeit besonders, da das Wachstum in Osteuropa und in den GUS-Ländern bereits vor der Krise zurückging. In diesem Segment können wir sowohl im OEM- als auch im Großhandelsgeschäft generell einen Rückgang verzeichnen.

Der Bereich der gewerblichen Klimatechnik, der im Vorfeld durch starke Exportverkäufe begünstigt wurde, ist erst seit kurzem rückläufig. Aber wir sind optimistisch, dass die von den europäischen Mitgliedsstaaten getroffenen Finanzmaßnahmen sehr schnell zu erneuten Investitionen in die Infrastruktur führen werden und damit mittelfristig das Wachstum im Bereich der Kälte- und Klima­technik wieder ankurbeln werden.

Betrachten wir den Wärmepumpenmarkt, muss man sagen, dass dieser im letzten Quartal 2008 aufgrund eines starken saisonalen Zyklus bei gleichzeitig hohen Ölpreisen ein unvorhergesehenes Wachstum erfahren hat. Wir sind zuversichtlich, dass das Wachstum anhalten wird, besonders im Hinblick auf das kürzlich erfolgte Votum des EU-Parlaments zugunsten der Richtlinie über erneuerbare Energien. Dieses hat Wärmepumpen nunmehr den Status als Technologie der erneuerbaren Energien zuerkannt. Damit sind Wärmepumpen nun förderungsberechtigt.

 

? Emerson Climate Technologies hat in Europa seine Marketing- und Vertriebsstruktur ausgebaut. Könnten Sie diese bitte kurz erläutern?

 

Janssen: Wir hatten bereits immer eine starke Organisation in den Bereichen Vertrieb und Anwendungstechnik, die über europäische Vertriebsbüros gesteuert wird. Diese Steuerung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit einem zentralen Vertriebsmanagement, das in der Europazentrale Aachen sitzt. Auch unser Marketing ist in Aachen angesiedelt und verantwortlich für Strategie und Planung. Es ist nach Geschäftsfeldern (Klima-, Kälte- und Heiztechnik) gegliedert, hat einen starken Fokus auf Produktmanagement und verfügt über ausgezeichnete Supportbereiche wie Marketingkommunikation und Produktplanung.

? Und wie sieht es mit den Produktionsstätten und ihren -leistun­gen aus?

 

Janssen: 2004 haben wir in Europa an neun unterschiedlichen Standorten Scroll- und halbhermetische Verdichter, Verflüssigungssätze und Regelkomponenten hergestellt. Nach einem Restrukturierungsprozess produzieren wir heute nur noch an vier Standorten, wobei jede Produktionsstätte ihren speziellen Fokus hat:

Cookstown in Nordirland: Hier liegt der Fokus auf der Großserienproduktion mit einer extrem kurzen Durchlaufzeit.

An unserem belgischen Standort Welken­raedt haben wir vor kurzem einige Millionen Euro in eine neue Produktionslinie für die 2. Generation Scroll für die gewerbliche Anwendung investiert.

Kolin in Tschechien ist unser zentraler Standort, an dem wir seit 2001 erfolgreich unsere „Alco“-Regelkomponenten herstellen.

Unsere letzte Investition ist eine neue Produktionsstätte im tschechischen Mikulov. Seit Oktober 2008 werden dort halbhermetische Verdichter, „DWM CopelandTM“-Modelle und Verflüssigungssätze für den europäischen Markt produziert. Im Januar 2009 wurde in Mikulov ein zweites europäisches Entwicklungszentrum etabliert. Ziel dieses Zentrums ist es, Produktion und F&E unter einem Dach anzusiedeln, um so eine schnelle Markteinführung dieser dort produzierten Produkte zu realisieren.

? Emerson Climate Technologies stellt zwei Linien von Verdichtern her: Scroll- und Hubkolbenverdichter – die letztgenannten überwiegend für die Kältetechnik. Wie hoch ist der Anteil an Scrollverdichtern bei Kälteanlagen und wo werden diese eingesetzt?

 

Janssen: Scroll wird seit über zehn Jahren im Kältemarkt eingesetzt und hat seitdem ein kontinuierliches Wachstum verzeichnet – sowohl in West- als auch in Osteuropa. Es handelt sich hier um eine flexible Technologie. Ihr besonderer Nutzen hinsichtlich jahreszeitlicher Effizienz der gesamten Kälte­anlage wird von vielen Anlagenbauern und Beratern sehr geschätzt, ebenso wie ihre Zuverlässigkeit und die erzielte Gewichtsreduzierung.

Unsere aktuelle „Copeland ScrollTM“-Produktlinie wird verstärkt in der Lebensmittelindustrie und hier von kleineren bis mittleren Supermärkten, einschließlich Discountern genutzt. Aber auch in größeren Verbraucher- und Hypermärkten nehmen die Anwendungen zu. Hier wird die Scrolltechnologie als verteiltes Verbundsystem eingesetzt.

Dieses Wachstum und die Akzeptanz im Markt haben wir sicherlich auch unserem erfolgreichen Bemühen, die Scrolltechnologie in den letzten zehn Jahren hinsichtlich Effizienz und Betriebskosten kontinuierlich weiter zu entwickeln und an die Bedürfnisse unserer Kunden anzupassen, zu verdanken. Für unsere Vorgehensweise spricht auch die gelungene Einführung unserer „Digital ScrollTM“-Technologie für Kälteanlagen, die vom Markt positiv aufgenommen wurde.

Aufgrund der genannten Vorteile hat der Scrollverdichter besonders bei kleineren und mittleren Kälteleistungen heute den Hubkolbenverdichter überholt und ist auch weiterhin auf dem Vormarsch. Bei größeren Kälteleistungen, die heutige Scrollverdichter nicht abdecken, hat die Hubkolbentechnologie eine größere Bedeutung.

 

? In Europa gibt es einen zunehmenden Trend hin zu höchst effizienten Wärmepumpen für Wärmeanwendungen im privaten Sektor. Sie begegnen diesem Wachstum durch das Angebot einer speziellen Art von Scrollkompressoren, die auf hohe Temperaturen ausgerichtet sind.

 

Janssen: Bereits zu Beginn des Jahres 2000 haben wir das hohe Wachstumspotential im Wärmepumpenmarkt erkannt und sehr stark in die Entwicklung einer kompletten Produktlinie von Verdichtern für Wärmpepumpen investiert. Wir sind überzeugt von diesem Markt und den vielfältigen Möglichkeiten, die er der europäischen Industrie im Bereich der Heiztechnik bietet. Und das unterstützen wir nicht nur mit unserer Spitzentechnologie und unseren Produktinnovationen, sondern auch durch eine intensive Teilnahme und Unterstützung technischer Komitees und Verbände in Brüssel sowie auf nationaler Ebene.

? Wie sieht die Wärmepumpen-Entwicklung Ihrer Meinung nach in Deutschland aus?

 

Janssen: In Deutschland erlebt der Absatz von Heizungswärmepumpen seit 2006 einen stetigen Anstieg. Dazu beigetragen hat zum einen sicherlich die berechtigte Anerkennung von Fördergeldern für Wärmepumpen aus dem Marktanreizprogramm seitens des Staates. Zum anderen schreibt seit diesem Jahr das EEWärme-Gesetz in Deutschland einen Pflichtanteil an erneuerbaren Energien bei der Wärmerzeugung im Neubau vor. Ich erwarte, dass sich dies auch noch auf den Gebäudebestand ausdehnen wird. Mit der Anerkennung der Wärmepumpe als Erneuerbare Energie auf EU-Ebene kann diesem Gesetz nun auch mit der Installation einer Wärmepumpe entsprochen werden.

Von Seiten der Industrie wurde und wird weiterhin intensiv daran gearbeitet, die gesetzlichen Auflagen zu erfüllen. Dabei geht es v.a. um die Effizienz, die in COP-Werten oder Jahresarbeitszahlen ihren Ausdruck findet. Ich wage zu behaupten, dass derzeit bei keiner anderen autark arbeitenden Heiztechnologie ein vergleichbar großer Forschungs- und Entwicklungsaufwand betrieben wird wie bei Wärmepumpen. Ein weiterer und wesentlicher Impulsgeber für die positive Entwicklung des Wärmepumpenmarktes ist die engagierte und professionelle Aufklärungs- und Informationspolitik für Verbraucher, Installateure und Berater. Deutschland ist und bleibt auch in Zukunft für uns einer der wichtigsten Märkte in Europa.

 

? Auf der Chillventa in Nürnberg im Oktober 2008 zeigte Emerson Climate Technologies eine neue Modellreihe von Scrollkompressoren für Klima-, Kälte- und Wärmepumpenanwendungen. Wie waren die Reaktionen der OEMs?

 

Janssen: Diese Präsentation unserer neuen Scrollverdichter auf der Chillventa ist das Ergebnis unseres starken Fokus auf Innovation und auf kontinuierliche Investitionen in neue Produkte – eine der Stärken von Emerson Climate Technologies. Das haben die OEMs, die sich auf unsere Technologie und unseren Support verlassen, erkannt. Auf der Chillventa 2008 haben wir unser Portfolio um Gebäudemanagementsysteme, elektrische Motoren und Antriebe von anderen Emerson-Divisionen wie Emerson Retail Services, Leroy Somer und Control Technique erweitert. Dies hat bei den OEMs zusätzliches Interesse erzeugt.

 

? Wenn Sie Bilanz ziehen würden zwischen den Hubkolben-Klimakompressoren der 80er Jahre und den gegenwärtigen Scrollkompressoren, wie würden Sie die durchschnittliche Verbesserung der Energieeffizienz beziffern?

 

Janssen: Die Effizienz der letzten Generation von Scrollverdichtern ist über 25 % höher als die Effizienz eines Hubkolbenverdichter der 80er Jahre. Und wir sehen weitere Möglichkeiten in der Optimierung von Scrolldesign und elektronischer Steuerung zur weiteren Verbesserung der Systemeffizienz. Emerson Climate Technologies hat weltweit über 60 Mio. Scrollverdichter installiert und produziert mehr als 7 Mio. Scrolls pro Jahr. Wir haben kürzlich den Beitrag analysiert, den Scrollverdichter hinsichtlich CO2-Emissionen haben und schätzen, dass dieser bei über 20 Mio. t CO2-Reduktion weltweit innerhalb des letzten Jahrzehnts liegt.

 

? Ganz generell: Diese Krisensituation erfordert spezielle Maßnahmen. Sollte Europa seine Standards an die wachsende Energieeffizienz von Produkten lockern, bis die Krise unter Kontrolle ist?

 

Janssen: Energieeffiziente Produkte können dazu beitragen, neue Arbeitsplätze zu generieren und damit helfen, die momentane Krise zu überwinden. Energieeffizienz ist eine langfristige Notwendigkeit; und die europäische Industrie hat die Chance führend in deren Entwicklung zu sein. Lassen Sie mich betonen, dass wir bereits heute die Möglichkeit haben, die Effizienz von Klima-, Kälte- oder Heizsystemen und -installationen mit vorhandenen Technologien bedeutend zu erhöhen. Oft werden jedoch die gesamten Lebenszykluskosten im Vergleich zum kurzfristigen Gewinn und zu den Anfangskosten nicht berücksichtigt.

Wir erwarten aber, dass der zunehmende europäische Fokus auf die Reduzierung von Primärenergie verbunden mit finanziellen Förderungen zur Ankurbelung der Wirtschaft auch die Nachfrage nach energieeffizienten Produkten weiter vorantreiben wird.

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